Читать книгу SEHEH ERNTEN FLIEGEN - Robert Eder - Страница 7
2.)
ОглавлениеAm nächsten Morgen gingen wir schon kurz nach Sonnenaufgang zum Mohnfeld, um den Saft von den Kapseln zu ernten. Ich zeigte JAN wie der über Nacht ausgetretene und schon leicht gestockte Mohnsaft mit einem flachen Holzspatel gewonnen wird. Danach streifte ich den braunen Saft auf dem Rand einer Schale aus Birkenholz ab. „JAN pass auf dass du den Saft nicht auf deine Finger bringst und schlecke deine Finger auf keinen Fall ab" Der Junge stellte sich sehr geschickt an und mir war diese Tätigkeit seit Jahren vertraut, so dass ich meine Gedanken spazieren lassen konnte. „JAN an was erinnerst Du dich, wenn du an deine alte Heimat denkst?“ „Oh an vieles. Aber am stärksten an die langen Winternächte und an den grün brennenden Himmel.“ „Erzähl mir mehr.“ „Die Nächte im Winter waren in meinem Dorf viel länger als hier und die Sonne war ganz tief und nur kurz zu sehen.“ „War es dann nicht viel kälter als bei uns?“ „Nein URS es, gab mehr Schnee aber wir spielten gerne im Schnee und uns Kindern war nicht kalt. Die Grassoden auf den Dächern der Hütten hielten die Wärme und durch den vielen Wald war immer genug Holz da. Die Feuer in den Hütten waren groß. Im großen Langhaus des Dorfoberhauptes brannten sogar zwei bis drei.“ Wir arbeiteten weiter und nach der ersten Reihe bat ich JAN mir vom brennenden Himmel zu berichten. „Urs das war eigentlich kein Feuer und es war nicht immer zu sehen. In den wolkenlosen Nächten begann es manchmal irgendwo hinter den Bäumen leicht grünlich zu leuchten. Wenn es stärker wurde stiegen grüne oder gelbe Funken den Himmel empor und sie hinterließen leuchtende Spuren. Wenn es sehr stark wurde, waren etwa drei Teile des Himmels in gelbgrünes flackerndes Licht gehüllt. Dieses Feuer gab keine Wärme, wohl weil es zu weit weg war. Oder weil sich die Geister der Ahnen daran wärmten und alle Wärme in ihre kalten Knochen aufnahmen.“ „JAN gibt es ein Feuer welches Kälte ausstrahlt?“ „Nein URS es strahlte auch keine Kälte aus. Es war so wie das Licht der Sterne, aber flackerte und tanzte über den Himmel. Kalt war mir zu Hause eigentlich nie. Die Kälte habe ich erst auf unserer Reise in die Gegend der Salzmänner kennen gelernt.“ Nach kurzem Zögern fuhr Jan fort: „Wir verbrachten den Herbst bei euch im Heiligtum wo unsere Bündel lagerten, in denen wir euch Feuerstein und Bernstein brachten. Vor dem Winter zogen wir Richtung Mittagssonne zum großen Mutterfluss. Mit einem großen Floß wurden wir mit den Pferden über den Fluss gebracht und zogen ihm entgegen am Ufer hin bis wir zu einem zweiten wilderen Fluss kamen. Diesem entlang gingen wir weiter bis zu den Seen. Hier mussten wir warten bis sie einfroren. Bei diesem langen Warten hatten wir wenig Holz, schlechte Hütten und mussten viel Nahrung für die Pferde besorgen, da wurde mir erstmals kalt. Als die Seen gefroren waren zogen wir über das Eis, da setzte sich die Kälte in meinen Knochen fest und als am Rückweg die Pferde im Fluss verunglückten da ....“ JAN stockte und Tränen liefen an seinen Wangen herab. Ich setzte mein Arbeitsgerät ab, drückte JAN an mich und streichelte ihn. „Lass es gut sein JAN, es ist vorbei und nur eine böse Erinnerung!“ Das war natürlich ein dummer Trost, doch fiel mir einfach kein besserer ein. Das war damals eine riesige Katastrophe nicht nur für JAN. Die Nordmänner, sie wollten weder Flintleute noch Bernsteinleute genannt werden, brachten wie alle Jahre herrliche Feuersteinklingen, Flint und Bernstein mit. Ihre Waren lagerten sie im heiligen Hain des Heiligtums. Dies ist einer der Zwecke des Heiligtums der GROSSEN MUTTER. Die Händler werden versorgt, können ihre Waren ohne irgendeine Gegenleistung im heiligen Hain deponieren. Sie und ihre Pferde werden mit allem Nötigen versorgt. Auf ihren Wegen stehen sie unter dem Schutz der großen Mutter so dass niemand sie aufhalten oder auch nur ein böses Wort zu ihnen sagen darf. Damals vor - nun ich glaube es war vor vier Wintern vielleicht auch fünf - beschlossen sie auf Rat des OMICs die Salzleute jenseits des großen Mutterstroms zu besuchen um das Salz, das diese aus dem Berg gruben gegen ihre Waren einzutauschen. Diese Reise ist sehr gefährlich, denn zuerst muss man über den großen Strom, dann einem wilden Fluss entlang bis ein See den Weg beendet. Dort muss man warten bis er zugefroren ist und kann dann erst über das Eis des Sees den Weg fortsetzen. Wer aufbricht wenn das Eis noch nicht sicher trägt ist selbst schuld, aber es gibt noch eine andere Gefahr, die selbst die besten einheimischen Führer nicht beherrschen können. Kobolde lenken manchmal das Wasser unter dem Eis an bestimmte Stellen, sodass es von unten ausgewaschen und verdünnt wird. Dort bricht das Eis und man kommt im See um. JANs Vater ZARG überwand alle Gefahren, kam zu den Salzleuten die ihm diese kostbaren herrlichen weißen Würfel gaben und auch rötliche Salzsteine. Am Rückweg, als alle Gefahren überwunden schienen, stürzten die Pferde in einer Furt nahe dem großen Strom. ZARG gelang es noch die kostbare Fracht zu retten aber er war zu lange im kalten Wasser und wurde nicht wieder warm. Er bekam einen schlimmen Husten und starb. Sein Bruder UHL brachte die Karawane wieder zurück zum Heiligtum und schenkte diesem das Salz, denn er wollte damit nichts mehr zu tun haben. OLE seinen Jugendfreund und seinen Neffen JAN ließ er im Dienst des Heiligtums während er sich nach Hause auf den Weg machte, um sich um ZARGs Frau MIA zu kümmern.
Nachdem JAN sich wieder beruhigt hatte ernteten wir den Saft der drei Reihen des Mohns zu Ende. Nun würden die anderen Mohnreihen von Priestern des innersten Kreises mit Obsidianmessern geritzt werden. Den von uns gewonnen Mohnsaft, der schon dick wie Honig war, brachten wir ins Heiligtum. Hier konnte er im Schatten, durch gut gewaschene Tüchern gegen Insekten geschützt, reifen. Im Winter würden von kundiger Hand mit Holzspateln daraus kleine Kegel gewalzt werden, die ein beliebtes Tauschobjekt waren. Vor allem die Milchleute waren ganz wild darauf, obwohl sie wenig zum Tauschen hatten, denn der OMIC lehnte ihre farbigen Stoffe als unrein ab. Wir hatten eine Reihe fast weißer Schafe obwohl diese Tiere sonst meist braun oder grau waren. Für Zeremonien des Innersten Kreises verwendeten die Priester nur Wolle von diesen weißen Schafen mit roten Augen. Sie galten als der GROSSEN MUTTER gewidmet und durften nicht geschlachtet werden. Getrocknetes Rindfleisch und Häute konnten die Milchleute aber anbieten. Die Gedanken an die Milchtrinker, wie die Milchleute auch bezeichnet wurden machten mich traurig und so ließ ich JAN beim Heiligtum und wanderte allein um den leisen Berg.
Ich stieg von der Anhöhe hinab ins Tal und kam auf dem Weg um den Berg zur Lehmgrube mit der Töpferei, wo in dem großen Ofen ein heftiges Feuer brannte. Gerade wurde ein mannshohes Vorratsgefäß für Getreide gebrannt. Daneben passten zwei Männer einem gerade fertigen Gefäß den Deckel ein. Sie drehten ihn auf dem großen Tongefäß, während ein kleines Mädchen immer wieder Sand zwischen Deckel und Gefäß streute. Die Deckel wurden zwar beim Töpfern passend gefertigt, doch durchs Brennen verzogen sie sich immer etwas. Das langwierige Einschleifen wurde notwendig, um den Verschluss ganz spaltfrei aufsitzen zu lassen. Nur so kann man verhindern dass Mäuse oder auch kleine Insekten, wie Käfer, an das Getreide herankommen. In diesen riesigen aus sehr porösem Lehm gefertigten Gefäßen bewahrt das Heiligtum das Saatgut für verschiedene Siedlungen auf. Der poröse Lehm lässt das Getreide atmen, hält es trocken und keimfähig. Dies ist auch eine Vorsichtsmaßnahme gegen Hungersnöte. Wenn, wie es manchmal geschah, das in den Dörfern gelagerte Saatgut verdarb, blieb immer noch die Reserve im Heiligtum für das jeweilige Dorf erhalten. Denn in Notzeiten ist es schon geschehen, dass Leute Saatgut aßen. Dies rächte sich im nachfolgenden Jahr mit einer zu geringen Ernte im nächsten Sommer und der Hunger ging weiter. Vor allem die Ziegen der Milchleute waren sehr erfinderisch um Saatgut zu plündern. Manchmal war es auch einfach schlechte Pflege die das Saatgut verdarb. Deshalb wählen die Priester, schon bei der Ernte in den Dörfern, das beste Getreide aus. Sie stellen sicher, dass es wirklich reif und trocken ist. Wenn sie es für gut genug befinden, bringen die Dorfbewohner dieses Saatgut auf den leisen Berg zum Heiligtum und füllen es unter Aufsicht der Priester in das für ihr Dorf bestimmte Gefäß. Im Frühjahr kommen sie wieder um ihr Saatgut zu holen und zu säen. Vom Ertrag erhält dann auch das Heiligtum einen Anteil. Wir bauen genug Getreide für uns an, doch mit diesen Vorräten können Missernten in manchen Dörfern, welche durch Hagel immer wieder vorkommen, ausgeglichen werden. Die Frage nach der Ursache solcher zerstörenden Hagelunwetter und die Tatsache, dass oft ein Dorf betroffen war und das danebenliegende überhaupt nicht; ja sogar oft in einem Dorf nur einzelne Felder zerstört wurden, führte zu wilden Spekulationen. Von Sünden der Besitzer über böse Flüche bis zum Zorn von Kobolden reichten die Gerüchte. Unser OMIC schwieg sich dazu aus. Er meinte Beten und Vorsorge seien die einzig mögliche Hilfe. Eine ausreichende Nahrungsreserve aus gebratenen Körnern, die nicht mehr keimen konnten aber gut aufbewahrt viele Jahre haltbar waren half oft schwere Zeiten zu überstehen. Nachdem ich noch einige Worte mit den Töpfern gewechselt hatte setzte ich meine Wanderung fort. Mein Weg führte mich zwischen dem großen und dem kleinen leisen Berg an den Feldern mit Einkorn und Emmer vorbei. Ich überlegte, dass der kleine Leise Berg in seiner Ausdehnung ja viel größer sei. Seinen Namen hatte er wohl deshalb, weil man vom heiligen Hain am großen Berg auf den kleinen herabsehen konnte. Ich schaute über die Felder am Hang zu den mächtigen alten Eichen und freute mich über den guten Wuchs des Getreides. Mein Blick wanderte auf die andere Seite und sah in der Ferne, als weiße Punkte, unsere Schafherde. Daneben waren unsere Hirten als graue Striche zu erkennen. Näher zu mir sah ich eine weiße Gestalt, unseren OMIC. Für seine Kleidung wurde nur die hellste Wolle verwendet. Er war wie ich in Richtung des Baches unterwegs. Er dankte meiner ehrfurchtvollen Begrüßung mit freundlichen Worten und wir legten unsere Kleidung ab und wuschen uns am Rand des Baches. Beim Trocknen in der Sonne fragte er nach JAN und ich berichtete ihm von dem guten Willen und Geschick des Jungen. Er freute sich darüber und deutete an, dass OLEG, der ebenso wie JAN von den Nordmännern kam, bald aus dem Waldland, zurückerwartet wurde. OLEG hatte dort Granit für Mühlen und Schleifsteine besorgt. Der OMIC hoffte, dass er auch Schiefer oder Bändergranitplatten mitbringen würde. Die Nordmänner waren für diesen Sommer auch noch zu erwarten. Deshalb war es nötig noch trockenes Gras für die Pferde zu besorgen sowie die Hütten für die Gäste auszubessern. Dann zogen wir unsere Kleidung an, stiegen gemeinsam langsam und schweigend zum Heiligtum hinauf.