Читать книгу Horrorgeschichten aus dem Abyss - Gesamtausgabe - Robert Grains - Страница 6

Unter der Sonne von Yabalon-Xi

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Jenseits der profanen Welt und fernab menschlicher Sphären, weit entfernt von zu Hause, die mondlichtgetränkten Felder und Haine der Lande Sophias hinter sich lassend, begann John Barnabas Finch, Magus des Chorus der Sterne, in der übel beleumdeten Ketzerstadt Euryth seine Suche nach der Hohepriesterin von A'lon-Ka.

Es war nicht die erste Nacht, die er dieser hochheiligen Aufgabe widmete, wenn auch eine besondere. Der Ascheregen der in Reichweite kommenden Feuerberge hatte sich wie ein frühwinterliches Schneegestöber über die schmutzigen, mittelalterlich anmutenden Kopfsteinstraßen der fremdweltlichen Gassen gelegt, und John zurrte die Kapuze seiner erdfarbenen Pilgerkutte strammer, während er im Schein lilafarben glimmender Nachtfackeln mit festem Schuhwerk voranschritt – entlang heruntergekommener Wechselstuben, schummriger Tavernen und rußbedeckter, amphibischer Nutztiere; unauffällig zugleich zielgerichtet.

In Euryth, soviel war sicher, wollte er nicht verweilen. Weder lud es dazu ein noch konnte er sich vorstellen, dass die einfach gestrickten und lasterhaften Daseinsfrister dieser Welt ihm etwas Sinnvolles mit auf den Weg zu geben vermochten. In seiner heimischen Sphäre führte der Chorus der Sterne in dieser Nacht zum ersten Mai die tiefbedeutsamen Rituale durch, welche im Laufe der bekannten Menschheitsgeschichte unzählige Namen getragen hatten und bereits Sophias erster humanoiden Saat wohlvertraut gewesen waren. Gegenwärtig und kraft des sorgsam gehüteten Namens jenes den A'lon-Ka beherbergenden Kosmos hütenden Archonten, so hatte es John ein erfahrener Bruder aus dem Orden der silbernen Sothis des Ostens versichert, sollte es, einen natürlichen Energieschnittpunkt inmitten der Feuerberge von Euryth als Portal nutzend, tatsächlich möglich sein, Einlass in die sagenumwobene Sphäre zu finden, die sich die vollendete Meisterin der Mysterien einst aus den quantenformenden Gedankensträngen ihrer Selbsterkenntnis als heilige Ruhe- und Lehrstätte geschaffen hatte. Jene bedeutsame Eingeweihte residierte ebendort, frei von Zeit und Raum, im onyxschimmernden Sanktuariumsturm von A'lon-Ka. Ob die Reise gefährlich sei? Darauf antworte Großmeister Krill etwas lethargisch:

»Auf die Akolythen der Niedertracht wirst du dort sicher nicht stoßen; die Erkenntnisse der Hohepriesterin besitzen keinerlei Bedeutung für sie. Ob jener aber verhindern möchten, dass ein Magus eines nach göttlicher Vervollkommnung strebenden Ordens ihrer anteilig wird … Nun, es ist zumindest nicht auszuschließen. Wie dem auch sei, vertraue stets auf unsere Götter, Bruder, sie werden dich auch und besonders auf dieser wichtigen Reise leiten, ja, ganz gewiss.«

Fürwahr, John vertraute stets auf die Götter. Stolz blickte er auf Jahrzehnte des Wirkens in unterschiedlichen, wenn auch in gewissen Angelegenheiten einmütigen Geheimgesellschaften zurück. Gleich den Mikrokosmos durchstoßende Astralwinde entströmten sie auch in diesem Moment seinem Mentalfeld: Jene stummen Huldigungen, dargebracht den ewigen wachenden Gottheiten; unvergängliche Lobpreisungen. Niemals begann er eine Sphärenreise übereilt oder schlecht ausgerüstet und darum führte er eine Ausgabe von Bruder Aulus’ zweitem Kompendium der extraterrestrischen Bannungen, eine gezähmte, einst unter dem purpurfarbenen Wintermond von Vega-IV beschworene Annihilationsflamme in einem Runen-Tornister und einen sigillenbeschnitzten Wanderstab aus Quercus Alba mit sich.

Bald schon passierte John eine schwankende Behelfsbrücke am Ortausgang von Euryth und bemerkte sogleich, wie das unfeine Odeur des Ambientes einem beißenden, ruß- und ascheschwangeren Nebel aus nördlicher Richtung wich. Das fragliche Gebirgsmassiv thronte nun vor ihm, und ja, er musste sich sputen, in zwei Stunde würde sich das berechnete Ritualzeitfenster abermals schließen. Der Schein aus der ein lebendiges Licht bewahrenden Uranglasphiole am Kopf des Pilgerstabes trotze der zunehmenden Dunkelheit, als sich John über ein unwegsames Durcheinander aus scharfkantigem Gestein und toten Baumstümpfe hinweg immer weiter das vulkanische Areal hinaufkämpfte; der Tornister auf seinem Rücken klapperte, der auf die Seite gegürtete Foliant wurde spürbar schwerer. Nach einem knapp dreißigminütigen Aufstieg erreichte der Magus schließlich eine schattenfinstere Felsenhöhle, und wie erwartet, wurde er ebenda der gezackten Glyphe der silbernen Sothis des Ostens gewahr, mit der die schwarzgewandeten Adepten des Bruderordens diesen natürlichen Energieschnittpunkt als Portal nach A'lon-Ka gekennzeichnet hatten. Ein Blick zurück …

Aus dem Tal erhob sich ein dumpfes Stimmenbabel und der Dimensionsreisende fragte sich, ob die einfältigen Bewohner dieser unzureichend kartographierten Welt vielleicht von dem Fremden wussten, der zu Beltane durch eine ihrer Siedlungen in Richtung der Feuerberge streifte. Es war nicht ratsam, mit diesen genetisch recht indifferenten Menschenartigen zusammenzukommen, waren sie doch stets auf der Suche nach frischem Blut, um es einer ihrer inzestuösen Sippen beizumischen. Der machtvolle Ascheregen der finsteren Nacht erstickte die lilafarbenen Spuklichter der extraterrestrischen Straßenzüge nun gänzlich und John verbarg sich rasch in jenem Hohlraum. Diesen erhellend, vergewisserte er sich, dass keine der in solchen Gefilden brütenden karnivoren Riesenmolusken vor Ort war, und das Phiolenlicht daraufhin elegant löschend, ließ er sich im Lotossitz nieder. Er atmete tief ein, konzentrierte sich, zog einen magischen Schutzkreis und platzierte Tornister, Foliant, Pilgerstab sowie eine verborgen getragene Feldflasche mit alchemistisch aufbereitetem Wasser aus Y'ha-nthlei den Elementen geweiht und den Himmelsrichtungen entsprechend um sich herum. Wahrlich, auf eine gewisse Weise ist alles miteinander verbunden. Diesen urheiligen Anspruch geltend machend und die Götter um eine gute Reise bittend, vollzog der Pilger die zeremoniellen Gesten und sprach die den Sphärentransit initiierende Formel, so wie sie den fortgeschrittenen Mitgliedern seines Ordens von den Mantiden der saturnischen Ringe einst offenbart worden war. Einem Mantra gleich, den ihm anvertrauten Namen der den Kosmos der Zielwelt hütenden Entität am Ende ekstatisch verherrlichend, konnte sich John wieder einmal auf diese erprobte Vorgehensweise verlassen.

»Sanum.K'a – Yug'sab.hanot – A'lon-Ka – Adonai, Kyrios, Yog'thitl«

»Sanum.K'a – Yug'sab.hanot – A'lon-Ka – Adonai, Kyrios, Yog'thitl«

Der dritte, finale Ausspruch erfolgte unhörbar in seinem von diesem Augenblick bis in alle Ewigkeit reichenden, sämtliche jemals existierenden Gedankenformen einbeziehenden und in zeit- sowie raumlosen Ebenen jenseits der messbaren Welt weilenden Selbst. Begleitet von einer elektrischen Entladung im Solarplexus und einer ruckartigen Neigung seines Kopfes, war das magische Manöver schließlich gelungen. Übergänge solcher Art hatten für John Barnabas Finch nie ein nennenswertes Hindernis dargestellt, wenn auch das Ziel seiner Reise dieses Mal ein besonderes war. Schon immer konnten sich jene dergestalt Wandelnden und die hohe Kunst des physischen Sphärentransits Beherrschenden glücklich schätzen, auf einer Wallfahrt abseits terrestrischer Gefilde nicht vom Kurs abzukommen, denn die Güte der vorsintflutlichen Matriarchinnen ist den sonderbaren Geschöpfen einer in der Materie verfestigten Kosmogonie oftmals kein Begriff und die vor dunklem Sternenlicht gleißenden Winde des Äthers sind unberechenbar.

Als John seine aufgrund des Dimensionsübertritts brennenden Augen öffnete, begrüßte ihn der von lila-blau leuchtenden Kristallformationen erhellte Dunstschleicher der enigmatischen Welt von A'lon-Ka. Geschwind stand er auf, gurtete den zaubermächtigen Folianten rechts und schwang den Runen-Tornister geübt auf den Rücken. Den Wanderstab fest umgreifend, ließ er das dagonische Wasserbehältnis wieder auf Brusthöhe unter seiner Ordenskluft verschwinden und streifte deren Kapuze zurück, um ein freies Sichtfeld zu bekommen.

Weder ein Oben noch ein Unten schien in dieser künstlichen Welt zu existieren, und zufrieden nahm der Abenteurer von dem fest verankerten Portalpunkt und dessen prächtigem magischen Schutzkreis Notiz, der vermutlich in weiser Vorausschau für die Würdigen und Auserwählten, ferner für die Gestrandeten des Multiversums angelegt worden war. Eine penetrante Kälte war allenthalben spürbar, und während das Firmament, oder das, was den Hintergrund dieser Realität bildete, in Hauchen von Violett und Schwarz pittoresk pulsierte, bewegte sich John auf einer kobaltblauen, von amethystähnlichen Steinstrukturen bestandenen Oberfläche wie über Eisschollen vorwärts. Hier war das Phiolenlicht nicht von Nöten, denn obschon kein sichtbares Gestirn die Landschaft erhellte, glommen die gewundenen Saumpfade, denen er alsbald folgte, in silberhellem Schein. Alles wirkte steril, dem klaren Geiste entsprechend, dem sich die hohe Dame von A'lon-Ka quer durch die Universen rühmte; wohlweislich, denn auch sie war eine treue Verehrerin der Götter des Chorus der Sterne, und manch ein Adept behauptete sogar, dass in einer schicksalhaften Sommernacht der Zeitlosigkeit ebenjene Allmächtigen mitsamt ihrem flötenspielenden Heroldgezücht von jenseits der Schleier kommend in A'lon-Ka eingekehrt seien. Sodann habe das Blut der Mystikerin die seltene Kommunion des Kosmos empfangen.

Soeben passierte John ein weites Areal fantastischer, mannshoher Korallen blutroter Färbung, die markant aus der Umgebung hervorstachen, und einen sauber in ein Bergmassiv gefrästen Tunnel betretend, wandelte er in dieser exterritorialen Sphäre weiter, immer weiter – mit dem Sanktuariumsturm von A'lon-Ka als Ziel. Ohne Zweifel waren die Elemente auch an diesem Ort gegenwärtig, und wo sie webten, da existierte folglich die Zeit. Nicht wahr? Nun, ganz gewiss würde ihm die Hohepriesterin derartige Zusammenhänge detailliert erläutern, und ja, auch was speziellere Fragen betraf, wie zum Beispiel jene nach der wahren Herkunft und dem tatsächlichen Zweck des Menschengeschlechts, solche hinsichtlich philosophischer sowie historischer Mysterien und nicht zuletzt jene zu streng gehüteten metaphysischen Gesetzmäßigkeiten – sie vermochte fundierte Antworten zu geben.

Fürwahr, ein Magier der Hochgrade wanderte hier körperlich durch einen von erleuchteten Gedanken aufrechterhaltenen Traum, eine astralgezeugte Pseudowirklichkeit, und schon bald würde er die Hüterin der Geheimnisse treffen – er dankte den Göttern. Als John die eisig funkelnde Höhlenpassage durchquert hatte, just bemerkend, dass sich der sphärische Dunstschleicher vollständig aufgelöst hatte, ergriff ihn bei dem darauffolgenden unvorbereiteten gewahr werden des Turmrefugiums von A'lon-Ka ein Gefühl schwer zu beschreibender Ehrfrucht; sein Blick schweifte. Das hoch aufragende, engelwärts gerichtete Artificium erinnerte an einen spätgotischen Batterieturm, ja, doch aus surreal schimmerndem Mineral, aus edelstem Onyx. Sein oberes Drittel zeigte sich umlaufend mit geometrisch fragwürdigen, bleiverglasten Erkern geziert, die den violett-schwarzen Hintergrund der schwer zugänglichen Welt elegant auf ihren mit goldener Engelsschrift aufwendig gravierten Oberflächen reflektierten.

Dort also residierte die von den Gottheiten Auserkorene. John konnte nicht einmal erahnen, welche Wunder und Aufzeichnungen im Inneren der von reich verzierten Fialen gekrönten Vorbauten aufbewahrt wurden. Möglicherweise dienten diese Erker den wissbegierigen Wallfahrern, welche den Weg nach A'lon-Ka gefunden und sich somit als würdig erwiesen hatten, als repräsentative Studierzimmer? Sicher, vielleicht waren bereits Schwestern und Brüder anderer arkaner Gemeinschaften vor Ort! Wie würde die Hohepriesterin indes auf Johns unangekündigten Besuch reagieren? War denn jemand oder etwas überhaupt in der Lage, sie unvorbereitet anzutreffen, sie zu überraschen? Eins stand außer Frage: Sie war nicht dafür bekannt, Einladungen zu verschicken. Gewiss würde es ihr imponieren, dass ein auf der Suche nach Wahrheit und Licht Fortgeschrittener, und so die Götter wollten, bald schon vollends Eingeweihter, den wohlgehüteten Weg in ihr Reich gefunden und beschritten hatte. Die Tatsache, dass Johns Orden sich seit ihrer Transfiguration, ihrer Entrückung stets an den von ihr hinterlassenen, den Göttern wohlgefälligen Lehren orientiert hatte und Großmeister Krill immer wieder gerne und mit jugendlichem Stolz behauptete, doch tatsächlich während eines luziden Traums zwischen den Säulen von Ubar im Lichte eines elfenbeinfarbenen Sichelmondes von der Gesegneten höchstselbst liebkost worden zu sein, ließ zudem gute Unterhaltungen und vielleicht auch mehr erwarten.

Glaubte man den Legenden, so residierte sie nach irdischer Zeitrechnung bereits über zwei Jahrhunderte in A'lon-Ka, und während ihr Geist immer mehr Wissen ansammelte, tiefer und tiefer in die Arkana der Schöpfung eindrang, diese studierte und entschlüsselte, hatte sie sich ihre äußere Erscheinung Kraft ihres alles in dieser fantastischen Welt beeinflussenden Willens im besten Alter bewahrt. John schämte sich nicht ob des flüchtigen Gedankens, demnach seine gut trainierte Statur, sein glatt rasiertes mittvierziger Gesicht mit den hellblauen Huskyaugen und sein leicht angegrautes, gepflegt gescheiteltes Deckhaar bei ihrer Exzellenz möglicherweise nicht nur platonische Gefühle der Zuneigung wecken würde.

Auf gewundenen, edelstein- und kristallflankierten Pfaden näherte er sich zügig dem Ziel seiner Âventiure; eine Reminiszenz hielt schritt. Ja, die bezaubernde, wenn auch sterile Umgebung ähnelte tatsächlich der Oberfläche eines der ausgehöhlten Pseudomonde von Ob'zygoth, in dessen verzweigtem Tunnelsystem er vor wenigen Monaten auf ein Nest streitsüchtiger, den Großspinnen von Leng erschreckend artverwandter Arachnoiden gestoßen war, und obwohl er wusste, dass die Hohepriesterin derlei Gezücht in ihrem Herrschaftsbereich keineswegs duldete, horchte er die ihn umlagernde Stille für ein paar Wimpernschläge aufmerksam aus.

Nichts! Wohltuende Geräuschlosigkeit, kobaltblauer und amethystfarbener Schimmer, eisige Wege in silberhellem Schein. Gewiss würden die Götter diese Momente genau beobachten, sie waren ohne Frage gegenwärtig; hochheilig wachend, alle Schritte messend, jeden Gedanken luftig umspielend, verborgen, unsichtbar, unnahbar – unvergänglich! Sie waren mit ihrem Diener, waren mit John! Wie nicht anders zu erwarten, wurde das weitausstrahlende Innere des Turms weder durch ein massives Eisengatter noch ein reich beschnitztes Holzportal von der Außenwelt separiert. Wozu auch? Wer es vermochte, hier zu wandeln, ließ sich nicht von niederen Absichten leiten. Der Magus trat durch offene, von beindruckenden Tympana gezierte Arkaden ein, und die nicht minder kühle, die Geräusche seiner gestiefelten Schritte in Echos transformierende Eingangshalle ließ ihn schon bald von Regenbogenlicht emanierenden Paraventoberflächen aus seidigem Stoff, wie sie die gesamte Innenfassade herab an perlmutfarbenen Seidenbändern angebracht waren, geblendet zurück. In diesem sich offensichtlich über Zeit verstärkenden Brennpunkt buntsolarer Manifestationen aus hochschwingenden Gefilden rang er kurzzeitig mit einem unvertrauten Drehschwindel. John, der seinen Verstand für gewöhnlich mit dem Eifer eines vernarbten Flagellanten geißelte und nur solchen Gedanken Einlass in sein Bewusstsein gewährte, die klar definierten Vorstellungen entsprachen, wunderte sich, ob in dieser strahlendurchfluteten Räumlichkeit überhaupt etwas unheiliges bestehen konnte. Etwas unheiliges sicher nicht, doch wann war überhaupt das Heilige, das Allumfassende gegenwärtig? Spottete das Absolute nicht von jeher einer genauen Definition, wurde es nicht einzig durch Namen und Beschreibungen begrenzt? War Heiligkeit denn überhaupt absolut? Nein … Etwas, das sich innerhalb der sichtbaren Realität ereignete, konnte höchstens mit dem Numinosen in Verbindung stehen, es aber nicht vollumfänglich repräsentieren. War die Heiligkeit, die so viele in seinem Orden anstrebten, und die in der Mystikerin von A'lon-Ka manifest geworden war, nicht ein Anker jener Überwelt, eine Entsprechung des Pleromas aus dem alle Möglichkeiten, sämtliche Gedanken und jedwede Vorstellungen aufstiegen? Wie konnte etwas Definierbares mit dem Unverwortbaren in Beziehung stehen, und was war indes mit den weniger edlen Neigungen? Traten sie ebenfalls aus dem Nichts in das Sein, oder bildeten sie sich erst unter den Sichelschwüngen des Chronos, den vergänglichen Wirkmächten der Elemente bis ans Ende aller Tage überantwortet?

Selbstverständlich konnte der arkane Abenteurer Antworten auf derlei Fragen geben, war er doch ein fleißiger Student der Schriften … Aber stellten diese zu Tinte erstarrten Einsichten der Altvorderen auch einen persönlichen Erfahrungsschatz dar? Zum Teil. John hatte sich nicht bloß gehaltvoll gebildet, sondern auch praktische Feuerproben durchlebt, welche die Überlieferungen des Ordens bestätigten; wenn auch er sich eingestehen musste, dass eine alternative Erklärung der Zusammenhänge oftmals nicht komplett abwegig war. Also, welchen Wert besaßen adoptierte, kaum überprüfbare, vermeintliche Erkenntnisse? Eine Weltanschauung, die sich eingedenk persönlicher Erlebnisse geformt hatte, war dem naiven rezitieren oberflächlicher Weisheiten in jedem Falle vorzuziehen. Vielleicht war es aber auch schlicht und ergreifend wahr, dass sich manche Sachverhalte dem Erfahrungswissen entzogen und vielmehr an den Glauben appellierten. Eine Ansicht, die der Ausrichtung des Chorus der Sterne wohlgemerkt widersprach, denn die Veredlung und finale Selbsterlösung durch Gnosis war dessen Dogma. Wie dem auch sei, John hatte in seinem Leben schon einige, den engen Horizont und die bemitleidenswerte Vorstellungskraft der Uneingeweihten verspottende Erfahrungen gemacht, und nun? Ja, nun befand er sich abermals auf dem Weg zu faustischen Erkenntnissen, weit jenseits der Versprechungen unkritisch übernommener, massentauglicher Lebensentwürfe aus den einfach vernetzten Hirnen spirituell kastrierter Konsumprediger.

Die Hohepriesterin von A'lon-Ka! Ja…, sie würde ihn in die finalen hermetischen Geheimnisse einweihen, den Schleier zu noch namenlosen Daseinssphären lüften, die verbotene Sprache intonieren, die Wege zur Langlebigkeit und die richtungslosen Pfade bis an den Hof der Götter weisen. Der Magus atmete gleichmäßig, wappnete sich. Nach diesem gedanklichen Exkurs musste er zum Aufstieg der unglaublichen Konstruktion aus lichtemanierenden Oberflächen und edlem Onyx antreten. Dieser begann in der Mitte der mit elfenbeinweißen Marmorfließen reich geschmückten Eingangshalle und zeigte sich, wie aus einem nachtschwarzen Eisbergmassiv herausgemeißelt, wendeltreppenartig in schwindelerregende Höhen führend. Doch bevor er sich daran machte, nahm er einen großen Schluck von jenem den Geist wie auch den Körper nährenden Elixier aus den Gezeitenschlünden der verborgenen Tiefseemetropole. Den Runen-Tornister mit der gezähmten Lohe von Vega-IV legte er neben Bruder Aulus’ Folianten, seinen Wanderstab lehnte er an den von zwei freistehenden, mit okkulten Zeichen reich gravierten ionischen Säulen definierten Treppenaufgang; einzig die Feldflasche trug er mit sich. Im Licht des sagenumwobenen Turms bemerkte John auf einmal eine dicke Ruß- und Staubschicht, die er aus den ungesunden Sphären Euryths mitgebracht haben musste. Geschwind hatte er sie abgeklopft, trat ein paar Mal auf, räusperte sich und begann schließlich den mühsamen Aufstieg.

Er war bereits länger unterwegs, als ein Schwarm Byakhees benötigte, um das Vakuum zwischen zwei Pulsaren zu durchqueren und sein Herz pochte spürbar. Doch die Götter, fürwahr, sie verliehen ihm Kraft, die stummen Rezitationen der Psalmen aus dem Ordensbrevier nährten die Zuversicht, und da, in farbigen Lichterglanz gehüllt stieß er endlich gegen eine metallene Bodenluke. Gespannte Stille. Hinter dieser schlichten Grenze also würde die Ordensheilige auf ihn warten. Die Luke zeigte keine aufwendigen Verzierungen, keinerlei Gravuren, lediglich ein faustbreiter patinierter Bronzegriff prangte in ihrer Mitte. Ein letzter Schluck; der Pilger hatte so viele Fragen, wie sollten er sie mit trockener Kehle über die Lippen bekommen? Mit einer Handfläche voll des belebenden Nass fuhr er durch sein Gesicht und benetzte seine pochenden Schläfen; die Feldflasche war leer. John nahm vor freudiger Erwartung nicht wahr, ob er sie wieder zurücksteckte, oder ob sie die steile Wendeltreppe hinabfiel, doch stemmte er die Luke mit aller Kraft auf, und dann… umfing ihn Dunkelheit.

Er musste tatsächlich die gesamte Distanz, Stufe für Stufe, bis in die Eingangshalle hinabgestolpert, hinabgerutscht sein. Beunruhigt, überrascht, seinen Pilgerstab und den Tornister mit der magischen Flamme nervös ergreifend, den Folianten flüchtig umfassend, es sich jedoch eilig anders überlegend, sodann wieder himmelwärts, die schwindlig machenden Onyxstufen unter dem Hämmern eines leidenden Herzens und mit schmerzenden Beinen hastig erklimmend. In der Turmkammer, dem Skriptorium, dem inneren Sanktum der Mystikerin traf er auf eine unangemessene Dunkelheit und einen widernatürlichen Geruch. Stille, wirre Gedankenfetzen. Nachdem John das lebendige Licht im Inneren der Uranglasphiole geweckt hatte, sah er genauer, sah er klarer, weiteten sich seine hellen Augen. Da war sie, die Hohepriesterin von A'lon-Ka, Meisterin aller geheimen Lehren, hocheifrige Zelotin und Kardinalsweib der Götter, auserkorene Weisheitsbringerin, Tochter des Pleroma. Besser gesagt sah er auf dem polierten Steinoden der winkellosen, von alchemistischem Gerät und wenigen schlichten antiken Möbeln bestandenen, mit verheerten Folianten und Buchseiten übersäten Kammer das, was jene von ihm quer durch unzählige Himmel und gar Höllen Gesuchte einst gewesen war.

Aus ihren verborgenen Thronsälen spähend, teilten die Götter sicherlich diesen den Magier ebenso enttäuschenden wie schockierenden Anblick. Hochempathisch wussten sie um seine bebenden Blicke, welche den in der Mitte des runden Raumes in sich zusammengesackten, mumienartigen Leichnam entsetzt musterten. Die Reste einer ausgebleichten Toga definierten zierliche Proportionen, das symmetrische Antlitz einer jungen Erwachsenen starrte maskenhaft in Richtung der hohen Decke; ihr wohlgeformtes Haupt, sprödes pechschwarzes Haar tragend, war verkrustet und nekropolentauglich konserviert in den Nacken gefallen. Als John, sich aus der Lähmung des Augenblickes befreiend, ein paar Schritte vorwärts wagte, um den abgestorbenen Tentakel-Wucherungen im Inneren der blank daliegen Augenhöhlen dieser einstigen Schönheit ansichtig zu werden, wich er instinktiv zurück, woraufhin der bereits überdehnte Schädel seinen Halt verlor. Den dumpfen Aufschlag vernahm er noch, dann umfing den Weltenpilger abermals Dunkelheit …

Irgendetwas Merkwürdiges, irgendetwas, die von einer guten Genetik gesetzten Grenzen Überschreitendes musste in den folgenden Augenblicken in der Innenwelt des John Barnabas Finch vor sich gegangen sein. Auf jeden Fall würde er sich später nicht mehr erinnern können, ob jene delikat irrsinnige Maßnahme ritueller Verehrung vor oder nach seiner Bewusstlosigkeit stattgefunden hatte. Doch brach er im verschreckten Dämmerschein lebendigen Lichts den pseudomumifizierten Leichnam der Hohepriesterin entzwei. Sodann fraß er ihn auf – Stück für Stück. Den toten Leib und auch das vertrocknete Gewürm, das es sich einst darin gemütlich gemacht hatte, jenen sich nicht länger windenden parasitären Makel, das Kainsmalgeschenk der Götter. Ominöse, deplatzierte Geräusche und ein spürbares Schwanken der Turmkonstruktion brachten den von feixenden Mächten des Wahnsinns belagerten Wallfahrer zurück aus einer unheiligen Trance. Von einem hypothetisch anwesenden Profanen hätte all dies einen verstandeszermalmenden Tribut gefordert, und John wusste, schon gleich würde er den Runen-Tornister öffnen und die einst gezähmte Flamme entfesseln müssen, um jene noch gesichtslosen Schrecknisse zu vernichten, die bereits in den Korallenwäldern seine Schritte belauert hatten und nun dabei waren, die steile Onyxtreppe herauf zu poltern.

Als sich der Adept des Chorus der Sterne durch nekrotische Gewebeschichten und Nester erstorbener wendelförmiger Abscheulichkeiten gefressen, alles gierig in sich hineingestopft hatte, waren unverdaute Papierfetzen zwischen dem einst heiligen, doch letzten Endes bloß blasphemischen Fleisch zu Tage getreten: die finalen Notizen der Meisterin! John las sie stumm, bevor er sie ebenfalls verschlang. Glaubte er den Aufzeichnungen, so war dieser Ort beileibe kein heiliger…, sondern ein heimtückischer – eine Falle. Mit dem finsteren Makel, dem todmachenden alten Wurm und seinen kichernden Larven segneten die Gottheiten ihre treue Dienerin, ließen sie ebenso langsam wie zynisch verrotten. Ein Lockmittel für alle Wissbegierigen, und trotz ihres qualvollen Todes blieb das Mirakel von A'lon-Ka bestehen. Jene üblen Fetzen … Mit dem unmenschlichen Blutgekritzel darauf – flammenden Buchstaben – die Geheimschrift der höchsten Grade:

»Viel Zeit bleibt mir nicht. Schwestern und Brüder, ich ersuche eure Seelen, betet nicht zu den Göttern des Chorus der Sterne; weder zu ihnen noch zu anderen. Sie sind lediglich höherentwickelte kreatürliche Existenzen, wie wir. Die Gebete der Gläubigen sind ihr Schmaus, die Gedanken der Hoffenden ihr Labsal. Wie wurden wir, wurde ich getäuscht.«

»Was wir die hohe Kunst der Magie nennen und mühsam erlernen, ist ihnen eine angeborene Befähigung. Ich Närrin traf sie, traf ihre halb unsichtbaren Sternenleiber im Schatten des Sanktuariumsturms von A'lon-Ka, weit jenseits der Zwillingssonnen von Carcosa.«

»Böse Stimmen quälen meinen von fiebrigen Visionen gemarterten Geist. Der Parasit regt sich bereits. Ich bin gefangen in diesem Konstrukt der Gnosis, meinem nunmehr entweihten Skriptorium edler Lehren.«

»Betet nicht zu den Göttern, denn starren sie erst einmal aus ihren lichtlosen Katakomben zwischen den toten Sternen in euren Verstand, zehren sie von euch, verdrehen sie euren Willen, spielen sie mit und gegen euch. Eure Hoffnungen und Ängste, eure Leidenschaften sind ihr tägliches Brot. Meine selbstlosen Taten…, all die Initiationen…, sie dienten bloß ihrer Belustigung, waren Teil eines perfiden Plans.«

»Ihre niedlichen Chimärenköper, sie wuchsen so schnell. Wimmern in der Dunkelheit, deformiert, blind und doch von meinem sternenfeurigen Blute durchströmt. Zwischen den weiten Korallenfeldern tollen sie umher und von Zeit zu Zeit tragen amethystfarbene Nebel die Disharmonien schauerlicher Schlaflieder aus zahllosen missgestalteten Mäulern bis in das Innere dieser Kammer. Gedenket Eva, denn sie ward nicht für den Mann allein geschaffen. Zu mir kamen sie, die Götter, infolge flehentlicher Lobpreisungen und im Schweiße meines Angesichts traf ich sie hier – hier in A'lon-Ka.«

»Starke Schmerzen, Parasitenbrut … Ihre Väter: nur geiles, blökendes Vieh – wie wir … Sind ihre Nutztiere, einzig dafür gemacht … Energie, Lust, Zorn. Hymnen an den missgestalteten Sohn der Leere, augenloses Gezücht. Gottheiten ohne greifbare, doch wirkmächtige Form … Halbunsichtbare Schrecken aus dem entsiegelten Abyss, vielarmige Schlurfer schismatischer Gegenschöpfung … Menschen so konstruiert, schwach, unselbstständig, kein wirkliches Selbst … Bewusstsein erschaffende Klumpen uranfänglicher Bakterienstämme … Die Alten in uns, erwachen erneut und erneut zu kurzfristigem Leben. Intelligenz, Ichbewusstsein – zwei Krankheiten. Empfindsame Gebärerinnen für jene, die zwischen den Sternen hausen … Halbwesen, entkernte Schimpansen, schwarzäugige Käferrasse … Kein Leben, kein Tod, nur Leid und Verwesung, zuvor Illusion …«

Während Johns Verstand den Trümmerfall seiner kollabierenden Welt zu dämpfen versuchte, erbebte der Turm unter dem dämonischen Ansturm schändlicher Groteskenleiber. Das Phiolenlicht war gänzlich erloschen, als er in der unreinen Dunkelheit der Turmkammer den Runen-Tornister, das Behältnis der allesvernichtenden Flamme mit zittrigen Händen griff, sich in Richtung der geöffneten Luke rollte, die Lider zusammenpresste und dessen Deckel mit einer eleganten Bewegung löste. Von den blinden, sich unter quiekendem Grunzen seelenlos die finalen Stufen hinaufdrängenden, mit unzähligen verkrüppelten menschlichen Arm- und Beinpaaren bewachsenen und endlich in einem Annihilationsfeuerschwall lodernd vergehenden amorphen Blasphemien niederster Ordnung würde einzig und allein krankmachende Asche übrigbleiben. So wie John mit geschlossenen Augen die ihm in den kämpfenden Sinn drängenden Schutzmantren des Feuers brüllte, so erbebten die Turmfundamente auf das Empfindlichste, bis schließlich das lästerliche Klangbabel der nunmehr letzten in ihre fragwürdigen Bestandteile zerlegten Unaussprechlichkeit vollends erstarb. Die edlen Wandbehänge, die wundersam scheinenden, das Innere des Turmes von A'lon-Ka mit Licht speisenden Paraventoberflächen teilten das Schicksal jener Monstrositäten im gnadenlosen Brandsturm der Annihilations-Lohe von Vega-IV.

Finsternis – abermals.

Doch der Erdling? Er hatte überlebt! Wieder einmal war er aus einem Konflikt siegreich hervorgegangen. Gutes Timing plus die korrekte Einschätzung der Möglichkeiten kombiniert mit seinem kühlen Verstand und dem Vertrauen auf die Kräfte der Ordnung hatten ihn vor dem Auswurf des Universums bestehen lassen. Einstudiert huldigte John Barnabas Finch den Göttern, sandte ihnen Dankesgebete. Mit rußverschmiertem Gesicht blickte er in die tiefschwarz gähnende Lichtlosigkeit. Die Illuminationen waren dahin, so wie auch der Geist, der diese Mauern einst manifestiert und dessen körperliche Essenz sich Johns Genetik beigemischt hatte – In aeternum.

Eine subtile Veränderung hatte stattgefunden, und ein dumpfes, allesdurchdringendes Rumoren mehr erspürend als tatsächlich vernehmend, warf er den ausgebrannten Runen-Tornister über seine Schulter in den düsteren, brandverheert glimmenden Raum. Ebenda war kaum etwas zu erkennen und ein unheilverheißender Rauch begann sich gefährlich rasch zu mehren. Scharfe Eichensplitter und zerbrochenes Uranglas ließen sich lediglich ertasten und mehr noch als John den Verlust seines durch das Beben zerstörten Pilgerstabes und die damit einhergehende Zerstäubung des lebendigen Lichts bedauerte, sann er darauf, den Abstieg schleunigst hinter sich zu bringen; weg von diesem vielleicht einstmals ehrwürdigen Ort.

Entweihtes Fleisch, dieser merkwürdige Geschmack, diese eigentümliche Konsistenz, und was befand sich eigentlich in den Erkern? Von der Rundkammer aus konnte man gewiss durch magisch versiegelte Passagen in die anderen Räumlichkeiten, die mutmaßlichen Studierzimmer des Artificiums gelangen. Womöglich, doch viel wichtiger war: Was hatte es letzten Endes mit jenen üblen, blutbekritzelten Fetzen auf sich? War die Grande Dame der Gnosis am Ende einfach wahnsinnig geworden, wahnsinnig aufgrund eines selbst gewählten Schicksals? Hatte sie tatsächlich die Götter geschaut? Wieso dann jene ketzerischen Zeilen? Wessen Auswurf waren die amorphen Sternenbestien gewesen, die sich so viehisch die Turmtreppe hinaufgedrängt hatten? Konnte man dem Vermächtnis der Mystikerin überhaupt trauen, oder war es ihr am Ende wie so vielen namhaften und verkannten Anderen ergangen? Hatte sie auf der Suche nach Erkenntnissen und Macht, nach Wahrheit und Licht nicht nur ihren Verstand, sondern auch ihre Seele verloren? Fragen über Fragen, doch der Magus musste sich zusammenreißen, und so fokussierte er seinen Verstand, konzentrierte sich auf die halsbrecherische Aktion – jene unvermeidliche.

Durch glimmende Aschehaufen nahm er Stufe für Stufe, bis er, einem gewissen Rhythmus folgend, ein Gespür für die holprige Angelegenheit bekommen hatte, und während Schwefelluft seine Nase reizte, hielt er stoisch auf das Ende des lichtlosen Abstiegs zu. Schließlich dauerte dieser nicht annähernd so lange wie John angenommen hatte. Ein Eindruck, der vielleicht mit dem Verlust des Zeitgefühls einherging, oder war sein Verstand möglicherweise damit beschäftigt, dem subtilen Rumoren zu lauschen, welches den dramatischen Ereignissen unmittelbar gefolgt war? Wie dem auch sei, mit der genagelten Sohle seines rechten Stiefels stieß John schon bald an eine der ionischen Säulen, und während Lichtschlieren von außen ungetrübt in die düstere Eingangshalle drangen, ärgerte er sich über den Verlust des wertvollen Folianten, von dem nicht einmal Asche übriggeblieben war. Kostbare Traktate … Bruder Aulus würde nicht begeistert sein.

Der Pilger streckte sich, atmete tief durch, klopfte Asche und Dreck von seiner Kutte und trat hinaus in die nunmehr verdächtig daliegende Geisterlandschaft. Einsam zog A'lon-Ka auf nicht genau lokalisierbaren Bahnen durch die Schattenbereiche des multidimensionalen Kosmos, und darum nahm er an, dass die nicht näher bekannte Wesenheit Yog'thitl, in deren Machtbereich sich diese durch den Geist einer Sterblichen einst gezeugte Welt aus flirrenden Kristallen, blutroten Korallenwäldern und pseudopolaren Ansichten befand, kaum etwas von den jüngsten Begebenheiten mitbekommen hatte – wenn auch das stärker werdende Rumoren, welches nun von einem hochfrequenten Pfeifton durchdrungen wurde, John zur Eile mahnte. Finale Blicke in Richtung des wie ausgebombt wirkenden, dünne Rauchschwaden aus zahlreichen Erkern ausstoßenden Turmes werfend, daraufhin den Tunnel des Bergmassivs zügig durchquerend und stramm weitermarschierend, erreichte er schon bald das pittoreske Nesseltierfeld vor dem Portalpunkt. Hier mäßigte er seine Schritte. Quasi unbewaffnet mussten fortan seine vigilanten Sinne genügen. Und die Götter … Ja, was war eigentlich mit … Nicht jetzt! John sperrte ähnliche penetrant in seinen Verstand drängende Fragen augenblicklich aus.

Die überdimensionierten blutroten Korallen mit ihren grotesken Verästelungen reichten ebenso weit wie sein alarmiertes Spähen, nicht minder weit wie sein vorsichtiges Lauschen. Nichts, Stille – gut! Natürlich, er wusste, dass dieses Vorgehen Risiken barg, doch schlug er sich querfeldein. Die Annihilationsflamme hatte bestimmt auch die letzte jener augenlosen Missgeburten vertilgt, und während sich ein Teil von John noch wunderte, wieso er den ungewissen Weg quer durch den dichten Nesseltierwald wählte, den rettenden Portalpunkt ignorierend, hielt ihn sein von Ascheresten und fragwürdigem Fleisch belegter Gaumen, hielt ihn brennender Durst dazu an, rasch etwas Trinkbares zu finden. Es dauerte bloß wenige Minuten bis John inmitten der surrealen Szenerie fündig wurde; sein ambivalentes Gespür für das magnetische Fluid hatte ihn nicht getäuscht. Ein kristallklares, den violett-schwarz pulsierenden Horizont schimmernd widerspiegelndes Gewässer durchzog die in verschiedenen Blautönen changierende Oberfläche von A'lon-Ka in einem geradlinigen Bett. Mit Leichtigkeit brach der durstige Abenteurer einen unregelmäßigen Ast von einer der, wie er zugleich bemerkte, angenagten Großkorallen ab, kniete sich an das Flussufer und lotete vorsichtig die Tiefe aus. Nicht sehr beeindruckend – prima. An diesem widersprüchlichen Ort musste er mit allem rechnen, und mittlerweile stand außer Frage, was sich hier einst widerlich blökend gelabt hatte. Genüsslich spülte er seinen Mund aus, trank ohne Scheu von dem erquickenden Element. Selbst der Geschmack des wirkmächtigen Elixiers aus den Mutter Hydra und Vater Dagon verherrlichenden Urmeertempeln Y'ha-nthleis konnte hier nicht mithalten. Die Reinheit dieses Wassers war nicht zu übertreffen und vor allem war es für einen Menschen ohne vorherige alchemistische Wandlungsprozesse genießbar. John bedauerte, dass er nicht länger über ein geeignetes Behältnis verfügte, um etwas von diesem Wunder mit nach Hause zu bringen. Hände, Gesicht, Haare, seine verrußten Augenlider, bald schon fühlte er sich erfrischt und als er die hellen Pupillen seines Spiegelbildes in dem kristallmatten Strom silbern aufflammen sah, wusste er, dass die Hohepriesterin von A'lon-Ka sein Vorgehen nicht verurteilte; in welchem Zustand und in welchen Sphären auch immer sie ihren ewigen Pilgerweg bereits fortsetzen würde. Womöglich, so überlegte er, ruhten nicht nur die allgütigen Blicke der Götter auf dem finalen Abschnitt dieser Âventiure.

Ebendieser lag im Nu hinter ihm. Regeneriert und neuen Mutes ließ er sich schon bald in der Mitte des von zahlreichen Glyphen und Runen definierten Schutzkreises des Portalpunkts nieder. Er würde ohne Utensilien reisen müssen, doch war er erfahren genug, um zu wissen, dass solch materielle Dinge ohnehin bloß Krücken darstellten. Mit der Rechten zog er den magischen Kreis noch einmal nach und schloss den zeremoniellen Gesten die Rückkehrformel zur Erde an:

»Sanum.K'a – Yug'sab.hanot – Magna.Mater – Adonai, Kyrios, Luzifer«

»Sanum.K'a – Yug'sab.hanot – Magna.Mater – Adonai, Kyrios, Luzifer«

Tatsächlich musste er zweimal ansetzten, und nach einer kurzen Kontemplation gemahnte er sich abermals der allmächtigen Gottheiten; er bat sie um das nötige Geschick und eine gute Reise. Sodann umfingen ihn aggressive Anhauche und wirbelnde Dunkelheiten; Fratzen halbidiotischer, leidenschaftsgezeugter Egregore und Madenmäuler jüngst verbannter Gedankenparasiten, lumineszente Herrlichkeiten und böse Vorahnungen stiegen simultan vor ihm auf. Die letzten bildhaften Impressionen, die sich für Nanosekunden an seine innere Hellsicht klammerten, waren die anachronistischen Ansichten frühester Epochen. In ihnen zierten titanische Schwarmstädte das Steppenland einer vorsintflutlichen urkontinentalen Welt. Ob das zyklopische Tempelgefängnis den Ewigen Träumer zu jenem Zeitpunkt bereits bannte, konnte John nicht sagen, zu schnell passierten die wunderlichen Eindrücke diese Vision voll von Verborgenem. »Den Ewigen Träumer?« Wessen Gedanken dachte er hier eigentlich? Dann plötzlich ein unangenehmer Schreck, ein Erwachen, wo zuvor kein Ruhen war. Der Übergang – er war geglückt! Wirklich?

Eins war sicher, dies hier war nicht die Erde …

In Gedanken versunken lehnte John Barnabas Finch bereits für eine ganze Weile an der von irisierendem Moos überwucherten Felswand eines namenlosen Gebirges – irgendwo jenseits der profanen Welt und fernab menschlicher Sphären, weit entfernt von zu Hause. Ja, er war noch immer unterwegs, hatte er doch tatsächlich die Orientierung verloren – das Risiko der Berufung. Nun, unter welchen verborgenen Konstellationen der Erdling auch immer weilte, er konnte seinen Blick von den farbenprächtigen, durch die titanische Elementgewalt einer außerirdischen Biosphäre entfesselten Blitzbündeln, die in der Ferne vor einem wolkendurchzogenen Nachtpanorama wild niedergingen, nicht abwenden. Wozu auch? Ebenso einmalig wie fantastisch war dieses Naturschauspiel, und er konnte es kaum erwarten, bis eine neue Lichtkanonade die Umrisse verbotener Paläste, verheerter Stahlgerippe und unbekannten Göttern geweihter, einst säulenbestandener Tempelplateaus abermals in die Sichtbarkeit zwingen würde. Dergleichen waren die beindruckenden Formen, die den bis zum Horizont reichenden Waldozean aus phosphoreszierenden, entfernt an Trauerweiden erinnernden Fremdweltgewächsen bisweilen unterbrachen und John über die Barone und Priester dieser Welt nachdenken ließen. Wie viele nicht-katalogisierte Monde und Sonnen würden ihre Bahnen vollendet haben, seit jene einer monströsen Flora die Herrschaft über ihr Reich architektonischer Wunder überlassen hatten, und was war derweil mit ihnen, den fraglos vernunftbegabten Königskreaturen dieser Sphäre geschehen? Lediglich die unregelmäßigen Fassadenumrisse, der sich von Zeit zu Zeit in dunkler Glorie vor John ausbreitenden Mitternachtsszenerie einer im Art-Déco Stil verzierten Architektur antiker Formen zeugten noch von einer einstigen, wie auch immer gearteten Hochzivilisation.

»Einer Hochzivilisation nach menschlichen Maßstäben, wohlgemerkt!«, ergänzte er seinen Gedankengang schulmeisterlich.

Der Hochgradmagier war Bedrückung und Stress gewohnt, jahrelang hatte er seinen Verstand eingehend studiert und das Licht der Morgensterne selbst in dessen dunkelsten Teilbereichen erstrahlen lassen. Gewiss, das Festmahl, welches er zu Ehren der Hohepriesterin gehalten hatte, das Entziffern ihrer letzten eiligen Notizen, die Bewusstlosigkeit und der Kampf mit den beutehungrigen Satanschimären auf der Turmtreppe, all das hätte einen Profanen wanken lassen, hätte ihn zerstört. Doch John wusste um die ihm innewohnende Geistesmacht, und so sehr auch der Dämonie des Wahnsinns verwandte Negativenergien Einlass forderten, sie mussten erst an seinem Verstand vorbei, und dieser Zensor war alles andere als leicht zu überlisten. Aber was war denn nun mit den Göttern? Konnten die jüngst gelesenen Anklagen wirklich auf der Wahrheit beruhen? Waren die Hochheiligen bloß eine üble Rasse astralvampirischer Parasiten? Immerhin war es die Hohepriesterin von A'lon-Ka gewesen, die zu diesem wenn auch fragwürdigen Schluss gekommen war. Die verseuchte Hohepriesterin, wohlgemerkt! Vielleicht gab es auch diesbezüglich mindestens eine alternative Erklärung. Hatte sie sich möglicherweise auf krummen Pfaden von den Gottheiten entfernt und so deren Zorn heraufbeschworen, deren gerechten Zorn, wie er gegen die Sterblichen entflammt, die heilige Eide brechen? John war verwirrt. Der Orden würde sich zusammenfinden, die dringliche Angelegenheit diskutieren müssen. Umgehend, sobald er den Weg nach Hause gefunden haben würde, musste er Großmeister Krill um Audienz ersuchen und eine nicht aufzuschiebende Versammlung der Hochgrade des Chorus der Sterne erbitten.

Einem Hauch verwandt, undefinierbar, nichtsdestotrotz vorhanden, existierte dort ein Gefühl – ein angeborenes, über enorme Zeiträume hinweg im menschlichen Erbgut schlummerndes Wissen; einem belesenen Verstand nicht zweckdienlich, ruhte es in der intuitiven Fülle der Seele. Eigentlich war es schon immer gegenwärtig gewesen, auch lange bevor er seine Gelübde abgelegt hatte. Ja, diese kindliche, unschuldige Einsicht kannte die Wahrheit bereits …

Eingedenk der Strapazen im Onyxturm von A'lon-Ka und des missglückten magischen Manövers verweilte John erst einmal besinnlich an Ort und Stelle. Als er sich auf eine halbstündige Atemübung einstimmte, ahnte er nichts von den geistig wie auch körperlich degenerierten Kreuzungsversuchen, die sich nach der Aufzehrung der planetaren Bevölkerung in seltsame Grüfte innerhalb der geologischen Schichten zurückgezogen hatten und deren lepröse Ghulenleiber einzig von den Nachwirkungen archaischer Wetterhexerei am Verlassen ihrer schleimgetränkten Behausungen gehindert wurden.

Für den erfahrenen Weltenwanderer war dieser Zwischenstopp bloß Teil eines weiteren Ausflugs zu einem unbekannten Gestirn, irgendwo in der ewigen Unendlichkeit des Multiversums, weit entfernt von zu Hause. Wobei, John konnte nicht exakt beurteilen, ob dieser Ort ein Teil der materiellen Realität war, oder ob er noch immer, bedingt durch seinen jüngsten Aufenthalt in der aus den Gedanken einer Eingeweihten hervorgegangenen Pseudowirklichkeit, in Gefilden unterwegs war, die den Traumlanden zuzuordnen waren, und so blieb es ein metaphysisches Rätsel, ob sich diese bezaubernden Ansichten überhaupt auf einem durch das All ziehenden Himmelskörper präsentierten, oder ob sie am Ende bloß die verblassenden Reminiszenzen eines vor Äonen im Schlafe Gestorbenen darstellten. Zahllose Geheimnisse lagen hier verborgen, das stand außer Frage. Technomagische Reliquien, Bibliotheken voll wurmstichigem Wissen, Echos prophezeiter Wiederkehr, Niederschriften undeutbarer Fieberträume, kündend von neuerlichen Lustwandlungen unter der Regentschaft stumm levitierender Astralsepien.

John beendete die Atemübung und suchte sich einen ebenen Platz, den er rasch in Form eines moosigen Felsvorsprungs fand. Begleitet von einer abermaligen Anrufung der Götter, bei der er zum ersten Mal seit Jahren ins Stocken geriet, zog er den magischen Schutzkreis, verschränkte seine Beine im Lotossitz und intonierte die den Sphärentransit initiierende Formel. Während die farbenreichen Lichtblitze der Fremdweltnacht immer weiter in die Ferne rückten und die entvölkerten Ruinen antikurbaner Pracht in Finsterkeiten getränkt zurückließen, wehte eine feuchtkühle Brise zu ihm herauf. Dort, tief unten, irgendwo in der Dunkelheit musste ein ungezähmter Fluss seine Bahn ziehen. Nachdem des Magus finaler Ritualspruch unhörbar in seinem der materiellen Welt nicht zugehörigen Selbst erfolgt war, drang das Gewässerrauschen unüberhörbar empor, und während er sich noch wunderte, wieso er es zuvor nicht bemerkt hatte, umfasste ihn ein magnetischer Sog aquatischer Macht, endlich er, von einem kurzen aber mächtigen Gefühl der Desintegration begleitet, zwischen schroffen Felsen und irisierendem Moos den Halt im Lotossitz verlor.

Der Übergang war eingeleitet. Vielleicht etwas holprig, doch nichts desto trotz erneut und in der Hoffnung, die Heimat, Mutter Erde, endlich zu erreichen.

Das Meer, manch ein Fluss, bestimmte Teiche … Tiefe Wasser im Allgemeinen bereiteten John Barnabas Finch ein gewisses Maß an Unbehagen. Wusste er doch, was sich unter deren oftmals trügerischen Oberflächen zu verstecken wusste und wie verstörend ein unvorbereiteter Blick auf spezielle absonderlich wirbelnde Formen sein konnte. Wo in zivilisierten Gefilden, innerhalb der bekannten Spiralgalaxien, selten etwas Bedrohliches anzutreffen war, konnte man in schlecht kartographierten Welten, die ihre Bahnen fernab der Segnungen der ordnenden Mächte zogen, auf jene vielarmige, für gewöhnlich unsichtbare Brut der Singularität stoßen. Groteske Kopffüßer, welche die mentale Konstitution eines unerfahrenen Reisenden durchaus herausfordern und deren übersinnliche Möglichkeiten für den Rest einer Inkarnation ernstzunehmende energetische Scherereien bedeuten konnten. Für gewöhnlich durchzogen diese Träger äonealten Geistes den Äther in Schwärmen. Traten sie dann in einen planetaren Luftraum ein, so zeigten sich häufig die fantastischsten Wolkenformationen; John hatte bereits einen Blick für dieses Schauspiel entwickelt. Es waren jedoch Vertreter ebenjener wasserliebenden Untergattung einer vom Urknall selbst gezeugten Rasse, vor denen es dem Magus aufgrund einer lange zurückliegenden Portalsuche auf einem übelbeleumdeten Wassermond graute und darum gefiel es ihm überhaupt nicht, unbewaffnet in ein mit dem magnetischen Element korrespondierendes Portal gezogen zu werden. Möglicherweise hatte das hochmagische Manöver aber auch den gewünschten Effekt erzielt und er würde seine Augen jeden Moment in heimischen Gefilden aufschlagen.

Doch statt sich zwischen den hohen stuckgezierten Wänden des Nexus-Raums im nördlichen Kapitelhaus seines ehrenwerten Ordens wiederzufinden, sah er sich von Staub und brodelnden Sandwolken umgeben. Langsam aber sicher begann er diesen Ausflug bitterlich zu bereuen. Zwar hatte er schon andere Unbilden gemeistert, doch musste er sich die Verzwicktheit der Lage eingestehen. Immerhin, von Wasser keine Spur, und während ein hochfrequenter Pfeifton die Psychosphäre zum Schwingen brachte, gleißte ein türkisgrün flirrendes Gestirn durch ein smogverhangenes Himmelszelt – die alte Sonne von Yabalon-Xi!

John hatte bereits von ihr gehört. Eine ihm entfernt bekannte, den Pfad zur linken Hand beschreitende Loge hatte um dieses also tatsächlich existierende halb erloschene Riesengestirn einen mythologisch hoch aufgeladenen elitären Kult mit einem komplett von den anerkannten Einweihungsschulen losgelösten Initiationsritus geschaffen. Diese geheimen Grade strebten die Vervollkommnung auf sehr unorthodoxe Weise an. Gut, John musste anerkennen, dass seine Methoden und Rituale auch nicht immer die konventionellsten waren. Er erschauderte und triumphierte zugleich, denn unbestreitbar würde er zu Hause einiges zu berichten wissen. Doch nun musste er sich abermals konzentrieren, ganz im Augenblick sein, und so fokussierte er seinen Verstand.

Blecherne Fanfaren und disharmonische Trommelrhythmen schallten über die weiten Areale einer unwirtlichen Wüstenwelt, als der Magus des Chorus der Sterne vorsichtig aufbrach. Die türkisgrüne Titanensonne am Firmament spendete vielen Himmelskörpern ihr bloß noch schwaches Licht, doch waren die Geschöpfe und Absichten, die in derartigen Strahlen verhohlen und träge nach Leben rangen und dabei makelhaft gediehen, so raunte man, von äußert fragwürdiger Natur. »Nach menschlichen Maßstäben, fragwürdig nach menschlichen Maßstäben!«, ergänzte John seine Erinnerung. Wer konnte so etwas schon genau wissen? Wessen Kenntnis der Diesseits- und Jenseitsräume in all ihrer relativen Ferne und Nähe übertraf das Niveau von Gerüchten? Hatte denn bereits jemand bewusst diesen sagenreichen Ort aufgesucht? Vielleicht ja, vielleicht auch durch den launischen Begriff Zufall? Aber kehrte dieser hypothetische Hasardeur anschließend überhaupt zurück, um eine okkulte Ritterschaft zu gründen, oder um fortan ein Poet der Grausamkeiten genannt zu werden? Blieb er vielleicht hier, hier irgendwo auf dieser trostlosen Insel inmitten ungetaufter Astrosphären fremder Sternenwinde? Zu viele Möglichkeiten!

Seelenhändler, gefallene Engel, skrupellose Nekromanten und abgetriebene Mentalparasiten in biomechanischen Pseudokörpern hielten dieses System angeblich fest in ihren Klauen und nutzten es als ein interdimensionales Freibeuternest für brutale Raubzüge sowie als Sternenkontor zwecks des einträglichen Handels mit uralten Dynastien dunkler Sonnen.

Neugierig, gleichzeitig wachsam, durchquerte John eine weite, von voluminösen knochenfarbenen Pipelines durchzogene Wüstenlandschaft. Kein Zeichen irgendeiner Vegetation, deprimierende Ödnis. Die zu großen Teilen garstig korrodierten, hie und da von Sanddünen bedeckten, ventil- und zahnradbewehrten Rohrkonstruktionen gaben abstoßende Kratzgeräusche und von Zeit zu Zeit dumpfe Töne von sich, die auf den Transport einer wie auch immer gearteten Substanz hindeuteten. Wie konnte der Sphärenpilger bloß so weit vom Kurs abkommen sein, wieso war er überhaupt an diesem potentiell unheilschwangeren Ort gelandet? Vielleicht aufgrund seines subtilen Zweifels an der Rechtschaffenheit der Götter? Stellten sie ihn auf die Probe, hatte er es mit einer Anfechtung seines Glaubens zu tun? Hatte er schlicht und einfach versagt, oder waren die Wirbel des Äthers in Disharmonie geraten? War die Kommunion, die er sich in der Turmkammer gespendet hatte, der Grund für die Unannehmlichkeiten? War er von missgünstigen Kräften vom Kurs abgebracht, sein Vorhaben gar sabotiert worden? Fragen über Fragen, abermals! Antworten würden gewiss folgen, in einer anderen Welt, zu einer sorgenfreien Zeit, in den ehrwürdigen Hallen des Chorus der Sterne.

In diesem Moment bedauerte John, den Kampfmagie-Folianten mit den extraterrestrischen Bannungen nicht mehr bei sich zu wissen, sein Pilgerstab fehlte ebenfalls und schmerzlich vermisst wurde vor allem der Wasservorrat, der in dieser lebensfeindlichen Umgebung mehr als nötig war.

Voran, der Abenteurer kämpfte sich voran. Auch wenn er seine Gedanken zügelte, immer wieder formierten sie sich um die Erinnerung an das jüngst genossene Labsal am Flussufer des blutroten Korallenwaldes. Gründlich wollte er diese garstige Welt sicher nicht erkunden, doch bestand immerhin die Möglichkeit, etwas Proviant oder eine höchst exotische Oase zu finden. Kratzend nahmen die wirbelnden Sandwinde zu, als er schließlich in geringer Ferne die scharfkantigen Umrisse eines künstlichen Gebildes ausmachte. Er sputete sich, um schon bald ein von zwei durchbrochen gearbeiteten Jadegeländern definiertes Bauwerk zu erreichen. Ja, ganz offenbar handelte es sich dabei um eine Art Staudamm. In seiner Funktion trennte dieser ein blickdicht vernebeltes Tal von einem tiefschwarzen Ölreservoir, und während sich Sandpartikel störend auf Johns Gesicht und Kutte niederließen, tastete er sich, über massive rhodonitfarbene Granitfliesen schreitend, das linksseitige Geländer entlang, den Blick tiefenwärts gerichtet. Diesen zog er der Nähe zu dem übelriechenden Öl-See vor, denn von ebenda emanierend, spürte er eine merkwürdige magnetische Schwingung, die ihre vereinnahmende Qualität über den Damm wabern ließ. In der Mitte der weitläufigen, von aggressiven Windböen gepeitschten Konstruktion angekommen, versuchte John einen Blick hinter die Barriere aus schwarz-grau kochenden Nebeln und nephritfarbenen Industriedünsten zu werfen, da brachte ein plötzlich auftretender orkanartiger Windstoß die Jadegeländer zum Beben und seines Atems beraubt beobachtete der Überraschte, wie sich unter und vor ihm eine unerhörte Landschaft auftat!

Von einem bösen, rotschwarz triefenden Himmelsgewölbe beschirmt, offenbarte sich eine Schinderstätte kosmischer Ausmaße. Der von exkrementbesudelten scharfkantigen Felsen und technischen Kuriositäten durchbrochene Grund einer ewig weiten Wüstenebene wimmelte von zerschundenen Sklavenkolonnen, die, gigantischen Lindwürmern gleich, von biomechanischen Krüppeldämonen angetrieben wurden. Verwinkelte, halb eingestürzte und mit übel zugerichteten Leichnamen gespickte Holzkonstruktionen führten zu den bienenwabenähnlichen Stollen zahlreicher Tafelberge, die in Aschewolken ausspeiende Nächte ohne Wiederkehr hinabreichten, während violett funkelnde Höllenfeuer sich ununterbrochen auf den hochglanzpolierten, mit schädlichen Affirmationen gravierten Oberflächen tiefschwarzer Monolithe reflektierten und einen jeden eigenständigen Gedanken der dort festgesetzten bemitleidenswerten Geschöpfe bannten. Humanoide Sklaven, unbekannte Bestien, halbamorphe Dinge fremder Evolutionen – sie alle gehorchten unter den toten Augen zerstückelter, gepfählter und zur Schau gestellter Arbeitsverweigerer dem gnadenlosen Gebot der Geißeln ihrer zischenden, grotesk deformierten Folterknechte, zugleich schwebende Albtraumviecher, von denen John weder sagen konnte, ob sie tierisch, pflanzlich oder mechanischen Ursprungs waren, sich damit befassten, geschändete Kadaver klumpenweise mit einer Art Gelee zu umhüllen und durch einen der alle paar Meter aufragenden, eklig beschmierten Metalltrichter dem üblen Labyrinth knochenfarbener Pipelines zuzuführen.

Die Pupillen des Magiers weiteten sich – Übelkeit. In der Mitte dieses Pandämoniums erspähte er, viele seine hastigen Blicke streifenden Abnormitäten schlichtweg ignorierend, eine Art standartengeschmückter Marktplatz mit einem Raumhafen, ähnlich einem zyklopischen Ziggurat, und schimmernde Reflexionen von aufsteigenden, mit perlmutfarbenen Prunksegeln geschmückten Sternenbarken finsterer Krämerdynastien, die Warenladungen voll kosmischem Schrecken zu anderen nicht weniger abstoßenden Orten verbrachten, und ja, Johns strapazierter Aufmerksamkeit konnten sie nicht verborgen bleiben, jene auf den Basaltkuppelbauten des pietätlosen Sündenbasars thronenden, von sonderbarem Leben durchfluteten und mit orientalisierten Dreizackwaffen gerüsteten Archontenhirten. Ihre von gegerbten Hüllen erjagter Cephalopoden geschmückten Viehhäupter reckten sich entgegen des Dämmerscheins der türkisgrünen Sonne von Yabalon-Xi, deren fiebrige Pseudolichtstrahlen blendende Reflexionen auf den chitinummantelten Schwingen der teuflischen Kolosse erzeugten, und all dies inmitten eines von verseuchten Nebelschwaden und aggressiven Industriedämpfen durchzogenen, wahrhaft gewordenen Höllenkreisszenarios.

Das war zu viel für John. Das Geschaute widersprach nicht nur seinem Verständnis von Ästhetik und sinnvollen Fügungen, es ließ seine im Lichte göttlicher Ordnung gestählten Konzepte der Gerechtigkeit und seinen Sinn für sämtliche Formen des respektvollen Miteinanders schlichtweg wie Geisteskrankheiten erscheinen. Angesichts dieses alle zivilisatorischen Errungenschaften verlachenden Dämonentollplatzes konnte sich weder Vernunft noch Mitgefühl behaupten. Wahrlich, die noch junge Menschheit gemahne sich der Existenz jener beutehungrigen Freaks des Multiversums, jener mitleidlosen Schrecken, die von blutenden Sternen zehren, ja, sie gemahne sich jener vor purem Wahnsinn brodelnden Abgründe geifernder Lichtlosigkeiten inmitten einer ziellos umhertreibenden Sphäre unnahbarer Mächte, die sie Kosmos nennt.

Hoffend, dass die Chaosnebel erneut blickdicht aufziehen und ihm die Sicht auf den irremachenden Hexensabbat interstellaren Grauens versperren würden, taumelte John benommen den marmorgefließten Damm entlang. Sein Weg endete vor einer schlichten Metallpforte, die in das Innere eines Bergmassivs führte. Halt – zwischen zwei Wimpernschlägen glaubte er, eine Regung inmitten des rechtsseitigen Ölreservoirs wahrgenommen zu haben, doch wohlweislich interessierte ihn bloß noch die Flucht nach vorn, eine Feststellung seiner sicher nicht wertgeschätzten Anwesenheit verhindernd. Die Pforte öffnete sich automatisch und mit einem hydraulischen Summen; sie gab den Blick auf einen kavernenartigen Lagerraum frei, dessen bunt glimmender atmosphärischer Schein John zuerst entzückte, doch dann rasch abstieß, ja geradezu erschütterte. Von diesen infernalischen Dingern hatte er bereits gehört, doch bedurfte es wohl des fraglichen Augenblicks, damit er den Fabeln über die Geisterflaschen von Unum-Gat Glauben schenken konnte. Auf breiten Holzpaletten pedantisch aufgereiht und übereinandergestapelt füllten diese dickwandigen, bauchigen Großgefäße den schätzungsweise zweihundert Meter langen, ebenso breiten und mindestens zwanzig Meter hohen Lagerraum fast vollständig aus. In den unterschiedlichsten Farben schimmernde gelöste Inhaltsstoffe und mit berauschenden Ingredienzien vermischte alkoholische Flüssigkeiten umspielten stets einen im Mittelpunkt des jeweiligen Glases gebundenen, fixierten, ertränkten Menschenleib. Schrecklich …

John wich zurück. Menschen unterschiedlicher Größe, Hautfarbe, unabhängig von Alter und Geschlecht, eine jede Flasche angereichert mit einer hochindividuellen Essenz. Einige der Körper hatten sich bereits aufgelöst, andere schienen äußerlich unversehrt und zeugten von einem jüngeren Jahrgang. So viele sah er hier gebunden, mittels negativ geladener, schwarzmagisch beopferter Geistfesseln und Ketten fixiert. Als beliebte sich das höhnende Grauen selbst zu übertreffen, führten einige der unendlich bemitleidenswerten Geschöpfe eine Art halbbewusstes Schattendasein, denn ihre jeweilen Astralleiber, durch verächtliche Hexerei an einer Loslösung von der fast deckungsgleichen sterblichen Hülle gehindert, konnten mitnichten vergehen und fachten durch die ständige Absonderung schieren Leids das farbige Glimmen und gespenstische Leuchten der magischen Behältnisse unablässig an. »Was für eine grausame Weise zu sterben, oder ewiglich vor sich hinzuvegetieren!«, dachte John, und es gelang ihm in diesem Moment weder eine Relativierung im Auftrag seines taumelnden Verstandes zu finden, noch vermochte er, unter diesen Eindrücken stark oder gar teilnahmslos zu bleiben.

Die hier vorbereitete Lieferung schien annähernd komplett. Sämtliche Flaschen waren mit je einem massiven, rituell geladenen Sigillum verschlossen, welches das heraldische Wappen der drakonischen Herrscher dieser Wüstenwelt trug. Der Magus musste nicht lange nachdenken, um sich für den baldigen Rückzug zu entscheiden. Zugleich wollte er nicht über die Natur jener Kreaturen spekulieren, die diese schändliche Lieferung erwarteten, auch wenn die Vermutung nahelag, dass das nie geschaute karmesinäugige Gezücht von Adyogne sich an derart üblen, mit Menschenpein und gemarterten Seelenessenzen angereicherten Substanzen zu berauschen wusste.

Jene Sternenteufel scheuten nicht einmal davor zurück, ihr Karma wissentlich zu schädigen, konnten sie doch so der Nichtexistenz, welche sie inbrünstig verehrten und leidenschaftlich lobpreisten, gezielt entgegenkriechen.

Die Geisterflaschen von Unum-Gat … Sie waren also Wirklichkeit! Während John noch über die Herkunft der ertränkten Körper rätselte und dabei war, sie einem auf den Gestirnen wohl häufiger als erwartet vorkommenden Menschengeschlecht zuzuordnen, stieg in ihm die berechtigte Sorge auf, man könne seiner ebenso habhaft werden. Diese Notleidenden waren der erschreckende Beweis für eine eben solche Möglichkeit. Er verließ die Kaverne, ohne seinen Blick von ihnen abzuwenden. Das automatische Schließen der Metallpforte unterbrach das farbige Glimmen und adrenalinbefeuerte Gedankenstränge; der Abenteurer drehte auf der Stelle um. Ein rascher Blick nach rechts in die Tiefe. Nebel, grünspanfarbener Rauch, aschgraue Dünste; immerhin würden ihn jene dort tolldreist tobenden Missgeburten nicht bemerken. Nun galt es, von dieser gottlosen Welt zu verschwinden, und zwar schleunigst. Er wollte den Rückweg rasch meistern und versuchen, von der abgelegenen Stelle seiner Ankunft aus zurück zur Erde zu reisen. John hatte den windumwehten Staudamm zur Hälfte überquert, als die magnetische Energie linker Hand spürbar zunahm. Unterbewusst musste er bereits mit einem Störmanöver gerechnet haben. Die Lage war zu heikel, um abzuwarten und das Kommende einem kuriosen kosmischen Schauspiel gleich zu beobachten. Er rannte, und wie er dies tat, bildeten sich schlagartig und begleitet vom Beben der gesamten Dammkonstruktion blasenschlagende Schlieren auf der lila-blau aufleuchtenden Oberfläche des Ölreservoirs. Ein magnetischer Sog hatte seinen Körper umschlungen, bannte seine Flucht, und gerade als er zurückblicken wollte, bloß wenige Meter vom Wüstensand entfernt, brach sich eine immense, von dem Hervorschnellen eines zuvor unter tiefschwarzem Planetenblut schlummernden Etwas verursachte Druckwelle Bahn, die John mit Sicherheit über das Jadegeländer in den Schlund der Hölle geschleudert hätte …

Aber nein, sein Sturz aus schwindelerregenden Höhen wurde verhindert. Von wem oder was – und wieso? Alles ereignete sich viel zu schnell! Was auch immer ihn packte, aggressiv umklammerte und mit unzähligen halbmechanischen Tentakeln immer näher an sich zog, dabei hochfrequente Pfeiftöne und gutturale Laute ausstieß, war zu fernab von gesunden Formen, von nachvollziehbarer Dimensionalität. Es tauchte mit dem Erdling hinab, unzählige spiralförmige Glotzaugen allzeit auf ihn gerichtet, hinab in die ölige Tiefe, vorbei und mitten durch geleeumfasste, halbaufgelöste Leichenbrocken, dem wie tote Planktonklumpen aufgewirbelten Inhalt dieser aasigen, ewig faulenden Opfergrube. Ein halbbewusster Moment irremachenden Entsetzen, gekrönt von einem finalen Stoßgebet zu den Göttern, ausklingend in einem gedämpften, missgünstigen Kichern unsichtbarer Voyeure.

Als John zu Bewusstsein kam, wandelte sich der Schreck der jüngsten Heimsuchung zu dem namenlosen Grauen einer erbarmungslosen Wirklichkeit, die in ihrer ganzen perversen Bedeutung niemals zuvor in seinen wildesten Fantasien hätte Platz finden können.

Mittels schwarzmagischer Ketten fixiert, umgeben von einer alkoholischen, mit ebenso exotischen wie blasphemischen Ingredienzien versetzten Flüssigkeit, starrte er, in Fötusstellung, durch ein dickwandiges, die Optik verzerrendes Glas in eine allgegenwärtige Finsternis. Er war gebunden, ewig verdammt, sein fleischlicher, beinahe deckungsgleicher Leib bereits erstickt – tot. Doch er, John Barnabas Finch, konnte nicht mehr ersticken, konnte nicht mehr sterben, konnte sich nicht von seinen Geistfesseln lösen. All dies überstieg sein metaphysisches Verständnis. Ein derart unwahrscheinliches Los des Irrsinns würde die Schöpfung doch gewiss für niemanden bereithalten, nicht wahr? »Die Schöpfung nicht, ihre Geschöpfe schon, ja, ja, ja!«, verselbständigte sich ein böser Gedanke, die volle Aufmerksamkeit des Gefangenen einfordernd. Hätte er aufgrund dieses fatalen Schicksals nicht längst wahnsinnig werden müssen? Doch, gewiss, und das war er auch, er war sich dessen bloß noch nicht bewusst. Karmesin-flammende Glotzaugen durchschnitten nun wie Höllenfeuer die Dunkelheitsschleier, stierten in das Innere des trüben Gefängnisses. Zwei, vier, so viele – bald unzählige. Ein amorpher Tentakelarm schlug dumpf gegen das dickwandige Glas und hinterließ hässliche Schlieren beim dekadenten Betasten der bauchigen Flasche. Dabei drang der Klang verdorbener Pseudostimmen gedämpft in Johns finale Ruhestätte und neckte seine bereits unkontrolliert pulsierenden, irre überreizten, zugleich nicht länger lokalisierbaren Sinne.

»Lieferung außergewöhnlich … Dieser hier, Sternenpilger, Mensch … Muss reifen…, sehr lange.«

»Fürwahr, er ist es … Jene Korallenhexe…, sollte er sie nicht begatten?«

»Gebärerin in A'lon-Ka … Cousin Yog'thitl, missgestalteter Sohn der Leere, Schänder, ewiger … Sein lüsternes Heroldsgezücht … Alte Brut, neues Leben … Ein vielversprechender Tropfen … Ihre befleckte Essenz in seinem Fleische.«

»Genug jetzt! Zu den anderen, stellt ihn zu den anderen … Habt Geduld, Brüder, habt Geduld.«

Fortan wurde Johns Wahrnehmung von einer undefinierbaren, der Ewigkeit anverwandten Schwärze dominiert … Doch pulsierende Energien durchbrachen von Zeit zu Zeit den dichten Schleier hoffnungsloser Verdammnis, der sich über den bedauernswerten Reisenden gebreitet hatte, und …

Da! Ein Farbenmeer, bunt glimmende Nuancen … Lichter, Licht! Ja, es brandete von außen heran, hüllte ein, war einfach überall. Den Göttern sei Dank, John war erwacht! Letzten Endes war alles bloß ein schrecklicher Albtraum gewesen!

Er stand auf …

Doch…, nein, es wollte ihm nicht gelingen! Er konnte nicht aufstehen, es nicht einmal versuchen; er war noch immer zugegen, gebunden, fixiert, gefangen! Eine Opfergabe am Hofe der Götter, eingelegt wie ein feines Früchtchen, ein wahrhaft vielversprechender Tropfen – reifend. Ganz so, wie all die anderen in ihren gläsernen Gefängnissen, den Leib- und Seelebindern, den Geisterflaschen von Unum-Gat!

Das stygische Vorratsgewölbe in der totenstillen Tiefe einer ausgehöhlten Katakombenwelt funkelt in den fantastischsten Nuancen hoffnungsloser Pein – seit Äonen und bis in alle Ewigkeit – irgendwo jenseits der profanen Welt und fernab menschlicher Sphären, weit entfernt von zu Hause.

Horrorgeschichten aus dem Abyss - Gesamtausgabe

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