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Der Professor mit der Milchkanne
ОглавлениеHerr Professor Walter Habernau galt als wahrlich schräger Vogel. Er war eine weltweit anerkannte Koryphäe auf dem Gebiet der Klassischen Philologie, aber außerhalb der Mauern von Universitäten oder der eigenen vier Wände kaum überlebensfähig. Den studentischen Hilfskräften gab er unter der Hand großzügiges Extrageld, damit diese ordinären Einkäufe für ihn erledigten. In den Regalschluchten eines Supermarktes hätte der alternde Akademiker gar heftige Panikattacken erlitten.
Secil, Studentin bereits im Masterstudiengang, ließ sich allerdings kein Geld auszahlen, sondern einmal die Woche von dem Herrn Professor selbstgemachtes Essen mitbringen, denn neben seinen Kenntnissen der Alten Sprachen eilte ihm der Ruf voraus, dass niemand so gesund und lecker an der Universität wie er kochen könne. Über gesunde Ernährung und vegetarische Kost betrieb Habernau einen gut besuchten Blog; seine zweite, große Passion.
Am heutigen Donnerstag stand noch eine späte Vorlesung über römisches Theater auf dem Programm. Singend stand der große Mann in der Küche und füllte aus einem gewaltigen, silbernen Topf mit einer Kelle beinahe klare Gemüsesuppe in eine kleine Milchkanne. Auf der Arbeitsplatte daneben standen zwei Boxen voller scharf angebratener Auberginen und Basmati Reis. Es war dies der Lohn Secils für einen getätigten Großeinkauf.
Nachdem die feine Kost zubereitet und verstaut worden war, fesselte den Professor das Programm des laufenden Smartfernsehers im Wohnzimmer. Im Bundestag diskutierte man heftig über ein soziales Thema. Weil Habernau stets in den Windungen seines Gehirns damit beschäftigt war, linguistische Probleme zu lösen, fiel ihm erst recht spät auf, dass es sich bei diesem Programm um die Aufzeichnung einer längst historisch gewordenen Debatte aus den Zeiten der Bonner Republik handelte. Obgleich diese Parlamentarier nicht mehr verbal miteinander stritten, die meisten von ihnen gar nicht mehr lebten, gelang es dem Philologen äußerst schwer, sich von dieser Sendung zu lösen. Erst als die Zeit wirklich drängte, machte er sich auf den Weg zum Hörsaal hin.
Draußen empfing ihn ein wundervoller Spätnachmittag im Mai. Der blaue Himmel über den prächtigen Stadthäusern wurde von vereinzelten, schneeweißen Wattewölkchen durchzogen. Die Bäume, welche die Straßenränder säumten, blühten in einem gesunden Grünton und die Menschen, die über die Gehsteige flanierten, wirkten ungemein entspannt.
Durch diese Postkartenszenerie stolzierte der Professor mit seinem Rucksack auf dem Buckel und der Milchkanne sowie einem Umweltbeutel mit den Essensboxen am langen Arm, wobei er schief, jedoch fröhlich einen Police-Klassiker vor sich hin trällerte: „…giants steps are what you take; walking on the moon; i hope my leg dont break; walking on the moon…“
Die goldene Sonne schien auf seine grauen Haare hinab und spiegelte sich leicht auf den dünnen Gläsern seiner eckigen Brille. Kraftvoll hallten seine Schritte von den Fassaden der Häuser wider und diese Geräusche mischten sich mit seinem schiefen Gesang.
„…walking back from your house; walking on the moon…“
Es schien, als könne es nichts Böses auf dieser Welt gegen.