Читать книгу Die neue Gutsherrin und ihr Knecht - Robert Sacher - Страница 5
Оглавление2 Brennnesseln
Ich ziehe Löwenzahn auf dem Grundstück meiner Nachbarin.
„Ich lege Wert auf einen gepflegten Rasen“, sagt sie, plötzlich vor mir stehend. „Löwenzahn und Gänseblümchen dulde ich nicht. Habe ich Gänseblümchen gesagt? Die müssen auch raus, genau wie Klee und jede Pflanze, die nicht in einen englischen Rasen gehört. Ich hatte das erwähnt?“
„Sie haben es sicher vergessen, Frau Schenk“, antworte ich.
„Frau Doktor Schenk“, antwortet sie. „Karl, bitte nimm dir Zeit für deine Antworten. Was denkst du über englischen Rasen? Findest du ihn steril?“
„Er ist klar strukturiert, Frau Doktor Schenk“, antworte ich. „Es gibt nur Gras. Nichts anderes. So ein Rasen beruhigt wie ein Blick auf das Wasser.“
„Wasser lässt sich nicht disziplinieren“, sagt sie. „Ein englischer Rasen dagegen erfordert Disziplin. Man muss ständig an ihm arbeiten. Du bist ja dabei, ihn englisch zu erziehen. Magst du englische Erziehung? Antworte nicht! Was denkst du, was die Arbeiter dort hinten machen?“ Sie weist mit einer leichten Geste ihres Kopfes zum Ende des Grundstücks, auf dem die Garagen stehen.
„Ich sah die Baufirma bereits gestern, Frau Doktor Schenk“, antworte ich korrekt. „Die Männer schaufelten mit zwei winzigen Baggern einen schmalen Graben vom Garagengebäude der Villa bis an meine Grundstücksgrenze. Derzeit montieren sie einen Schacht und ein Standrohr mit Wasserhahn. Darf ich fragen, ob das etwas mit meiner kleinen Gärtnerei zu tun hat?“
„Es hat mit dir zu tun“, antwortet meine Nachbarin, während ich vor ihr auf dem Rasen knie. Ich sehe ihre Stiefel keine 30 Zentimeter vor mir. „Du betreibst doch ökologischen Gartenbau?“
Ich blicke nach oben, legte meinen Kopf in den Nacken, um in ihr Gesicht zu schauen.
„Keine Unkrautvernichtungsmittel, dafür etwas mehr Handarbeit, Frau Doktor Schenk“, antworte ich. „Zum Beispiel hilft ein Brennnesselsud gegen Fraßschädlinge.“
„Verrenk dir nicht den Kopf, sieh ruhig auf meine Stiefel“, fordert sie. „Ich dachte, Seewasser eignet sich besser als Leitungswasser für einen naturnahen Anbau. Wir ziehen unser Gartenwasser aus dem See. Ich habe einen Anschluss für deinen Garten legen lassen. Das Wasser wird sogar gefiltert. Wie viel Geld sparst du dadurch? 1000 Euro im Jahr? Hör zu. Du darfst den Anschluss nutzen. Dafür möchte ich im Gegenzug keinen gelben Rasen auf meinem Grundstück sehen. Das bisschen Drehen an den Wasserhähnen für meine Sprenger wird ja wohl nicht zu viel sein, oder?“
Ich denke kurz nach. 1000 Euro Wassergeld sparen, dafür die Sprenger bedienen? Ein gutes Geschäft. Ich bemühe mich, meine Freude zu verbergen.
„Ist das ein mündlicher Vertrag, Frau Doktor Schenk?“, frage ich höflich. „In diesem Fall bedanke mich höflich. Sie werden stets grünen Rasen sehen, kein Gelb. Ich danke.“
„Na, dann mach!“, erwidert sie. „Los! Ich warte.“
„Jetzt scheint die Sonne, das ist ungünstig, Frau Doktor Schenk“, gebe ich zu bedenken.
„Ich rede nicht vom Wässern, sondern vom Bedanken“, sagt sie gedehnt.
„Ich habe mich doch bedankt“, wundere ich mich. „Danke nochmals, Frau Nachbarin.“
„Richtig bedanken“, sagt sie eindringlich. „Meine Stiefel, dein Mund.“
Da ist es wieder. Wie eine Lähmung fühle ich den intensiven Kitzel in meinem Unterleib. Ich stütze meine Hände neben ihren Beinen ab, berühre mit meinen Lippen ihren rechten und im Anschluss ihren linken Fuß.
„Es geht doch“, sagt sie knapp und geht. Ab diesem Moment ist alles anders.
Mit einer großen Tasse voller Kaffee setze ich mich in meinen Wintergarten, schaue über meinen Garten hinweg zum nahen Wald. Meine Ruhe ist vorbei. Ich sitze hibbelig, denke an meine Nachbarin und unsere Dialoge. Meine Gedanken drehen sich um meine mögliche Unterwerfung unter diese Frau, und das reizt mich so stark, dass ich kaum stillsitzen kann. Aber ich darf hier nicht zu lange sitzen. Der Rasen auf dem Nachbargrundstück braucht Wasser. Ich muss die Sprenger anstellen, bevor die Sonne das Wasser verdampft und den Rasen verbrennt.
Wir haben Mai. Es ist sechs Uhr morgens, und die Sonne scheint. An meinem Fenster fliegen Bienen um die Blüten der Topfpflanzen. Warm ist es, 25 Grad, keine Wolken. Seit drei Wochen hat es nicht geregnet. Auf den Feldern hinter meinem Garten wächst der Weizen etwas verhalten. Die Bauern klagen, erwarten schon jetzt Ernteeinbußen. So ein Weizenfeld kann man auch schlecht wässern.
Bei mir ist das anders. Meine Pflanzen bekommen das Wasser, das sie brauchen. Ich wässere knapp 1000 Quadratmeter Gartenland. Seit einer Woche funktioniert meine Tröpfchenbewässerung. Dank meiner Nachbarin brauche ich keine Rücksicht auf Wassergeld zu nehmen. Der Geiz hat ein Ende. Jahr für Jahr musste ich mehr als 1000 Euro an den Wasserverband zahlen.
„Keine Lust zu arbeiten, Karl?“, höre ich Frau Schenk plötzlich an der Tür zu meinem Wintergarten. Ich fahre zusammen. „Wer erschrickt, hat ein schlechtes Gewissen“, sagt sie. „Denkst du darüber nach, wie du mir danken kannst? Seit zwei Wochen entnimmst du kein Wasser mehr aus dem öffentlichen Netz. Dank meiner Initiative ist das vorbei. Karl, ich bin hier, weil ich mit dir reden möchte. Es ist nun vier Wochen her, seit du begonnen hast, auf dem Grundstück des Institutes den Löwenzahn aus dem Rasen zu entfernen. Ich empfinde dieses Unkrautjäten als eine elende Arbeit, eine Strafe, einen Zwang, dem sich kein normaler Mensch freiwillig unterwirft. Ich habe eine Frage. Du hast neulich freiwillig meine Stiefelspitzen geküsst. Warum?“
Ich will antworten, spüre, wie mir das Blut in den Kopf schießt, sehe ihr ins Gesicht, senke meinen Blick. „Es war die Situation, Frau Doktor Schenk“, stammele ich. „Und es hat mich gereizt. Sie haben eine ganz besondere Ausstrahlung.“
„Laber Rhabarber“, entgegnet sie. „Lass mich konkret werden. Ich kürze einen möglichen Entwicklungsprozess zwischen uns ab und rede Klartext. Du bist submissiv und masochistisch. Das hast du mir mit der freiwilligen Arbeit auf meinem Rasen gezeigt. Möchtest du dich gern unterordnen? Dienst du mir? Antworte!“
Ich spüre das Blut in meinem Kopf, weiß einen Moment nicht, was ich sagen soll. Während ich völlig durcheinander bin, tritt sie näher. Plötzlich erhalte ich zwei kräftige Ohrfeigen, und als ich sie erstaunt ansehe, noch zwei weitere.
„Du musst dich schon artikulieren“, sagt sie. „Wenn ich etwas frage, erwarte ich eine Antwort. Du hast nicht geantwortet. Das ist nicht akzeptabel, Karl. Denk nach!“
Sie ist fort. Ich frage mich, ob ich die Szene geträumt habe. Meine Wangen brennen.
Ich stehe im Vorgarten, harke meine Rosenbeete. Frau Schenk übt eine magnetische Anziehungskraft auf mich aus. Allein aus diesem Grund beschäftige ich mich jeden Morgen in meinem Vorgarten. Ich möchte meine Nachbarin sehen, sie grüßen, vielleicht einige Worte wechseln. Ich kann es kaum erwarten, bis sie in ihrer sehr kurzen, rosafarbenen Jogginghose und dem ebenfalls in Schweinchenfarbe gehaltenem Sportbustier den Weg vor meinem Haus passiert. Frau Schenk joggt jeden Morgen. Sie ist keine große Frau, hat auch nicht die überschlanke Figur der Kampfjoggerinnen, ist aber überaus kräftig und trainiert. Auf mich wirkt sie wie eine Amazone, und ich bin ein schüchterner Idiot. Blöd geglotzt habe ich, als sie mir die entscheidende Frage stellte. Ja, es ist mein Wunsch, von ihr beherrscht zu werden. Warum habe ich auf ihre Frage gestern nicht mit einem klaren ‚Ja‘ geantwortet? Ich Trottel!
Es ist morgens um 6: 30 Uhr. Frau Doktor Schenk rennt an meinem Grundstück vorbei. Der Kontrast zwischen ihrer puppenhaften Kleidung und ihrer körperlichen Ausstrahlung befeuert meine Fantasie enorm. Ich grüße freundlich, sie lächelt, hebt ihre Hand zum Gegengruß, rennt auf mich zu mit ihrem kurzen, schwarzen Haar, ihren muskulösen Oberarmen, den kräftigen Beinen und einem fast maskulinen Ausdruck in ihrem Gesicht.
„Was ist?“, fragt sie. „Jetzt hast du die Chance, auf meine Frage zu antworten. Los!“
Diesmal zögere ich nicht. In Gedanken habe ich den Satz geübt, wieder und wieder.
„Ja, Frau Doktor Schenk“, sage ich klar und sehe sie an. „Es ist mein Wunsch, mich Ihnen unterzuordnen“, sage ich.
„Schön“, antwortet sie. „Dann machen wir das. Ich nehme es als Herausforderung und als Spiel. Wir werden herausfinden, wohin uns dieses Spiel führt.“
Ich sehe ihr nach, bis sie in der Torauffahrt der Villa verschwindet, stelle die Harke an die Hauswand. Im Badezimmer korrigiere ich meine Erektion mit schnellen, heftigen Handbewegungen.
Ich knie auf dem Rasen der Villa, steche Löwenzahn. Die Arbeit ist monoton, hält meinen Kopf frei. Ich kann nachdenken, mir den Sinn dieser Arbeit klarmachen. Was habe ich davon? Keinen Cent bekomme ich für das Stechen des Löwenzahns. Frau Doktor Schenk hat mich allein durch eine besondere Art rhetorischer Dominanz dazu gebracht. Den Zwang dieser monotonen und anstrengenden Arbeit genieße ich, weil er auf ihrem Willen beruht. Ich bin nicht sicher, ob sie tatsächlich dominant ist oder lediglich erfahren genug, aus meiner devoten Art Vorteil zu ziehen. Natürlich belohnt sie mich, indem sie hin und wieder am Fenster steht, mich bei meiner Arbeit beobachtet. Häufig ermahnt sie mich im Vorübergehen, gründlich und tiefer zu stechen, mich ein wenig mehr anzustrengen.
„Du bist bei etwa 300 Quadratmetern“, stellt sie im Vorübergehen fest. „Das ist im Plan. Lass nicht nach.“
„Ich bemühe mich, Frau Doktor Schenk“, antworte ich.
„Bemühungen allein sind im Leben nicht ausreichend“, erwidert sie. „Und etwas höflicher solltest du schon antworten. Möchtest du es versuchen?“
Da ist es wieder, dieses unerträgliche Kribbeln in meinem Rücken und den Lenden.
„Ich komme gut mit meiner Arbeit bei Ihnen voran, Frau Doktor Schenk“, antworte ich.
„Du genießt deine Antwort“, sagt sie. „Nein, bleib unten, arbeite weiter. Beantworte mir eine Frage. Wozu ist Löwenzahn nützlich?“
„Blattsalate, Kräuterpesto“, beginne ich. „Aus den Wurzeln kann man Ersatzkaffee machen. Die Blüten eignen sich für Löwenzahnsirup. Löwenzahn wird getrocknet als Tee verwendet, wirkt heilend auf alle Verdauungsorgane.“
„Ach, so ist das!“, ruft sie überrascht. „Du erntest hier? Mein lieber Nachbar, da ist es doch fair, wenn du mir für meinen Löwenzahn etwas bezahlst.“
Mir fällt das Messer aus der Hand, und ich starre sie ungläubig an.
„Wir haben“, doziert sie, „zu Beginn deiner Arbeit festgestellt, dass hier 26 Pflanzen auf einem Quadratmeter stehen. Das sind 52.000 Pflanzen auf meinen 2000 Quadratmetern. Sagen wir: zehn Cent pro Pflanze? Ich schenke dir 2000 Pflanzen, lasse sie dir großzügig als Mengenrabatt nach. Also bekomme ich 5000 Euro von dir. Was ist? Sprachlos? Du brauchst dich nicht zu bedanken. Wollen wir das schriftlich machen?“
Ich bringe kein Wort heraus, sehe sie weiter an, bemerkte ein leichtes Zucken ihres rechten Mundwinkels, und schließlich bricht sie in ein kräftiges Lachen aus.
„Ich habe mein Telefon nicht dabei“, sagt sie lachend. „Dein Gesicht hätte ich zu gern fotografiert. Ein Ausdrucksbild für meine Seminare. Ungläubiges Staunen, Unverständnis, Nichtbegreifen, Entsetzen. Schade um dieses Foto. Nun mach weiter, das war ein Scherz. Und weil du mit den zwei Stunden täglich dein Pensum schaffst, wirst du fünf Quadratmeter pro Tag zusätzlich jäten. Ich gestatte dir, etwas länger zu arbeiten.“
Sie geht, und meine Hand zittert etwas bei den nächsten 50 Pflanzen.
Fünf Quadratmeter mehr? Mein Rhythmus ist gut. Ich mag ihn nicht ändern. 40 Minuten arbeite ich an meinen Übersetzungen, 40 Minuten in meinem Garten, 20 Minuten ziehe ich Löwenzahn, dann mache ich 20 Minuten Pause. Das wiederhole ich fünf Mal am Tag. Ich werde abends etwas Zeit für den Löwenzahn anhängen müssen.
Es ist Sonntag. Für mich ein Tag wie jeder andere. Ich sitze in meinem Wintergarten, der Kaffee in meiner Tasse ist getrunken. Viertel nach sechs zeigt mein Handy. Ich gehe in meinen Werkraum, ziehe Gartenkleidung an. Schnell hinüber zur Villa, die sieben Wassersysteme aufdrehen, Sprengerlauf kontrollieren, nachstellen, es ist zum Glück nichts verstopft.
Von wegen „ein wenig die Hähne drehen“ … Mit allen Nebenarbeiten brauche ich im Schnitt eine Stunde täglich, muss ja früh und abends rüber und das immer zwei Mal, jeweils aufdrehen und abdrehen. So komme ich bei sechs Monaten auf 180 Stunden. 1000 Euro spare ich an Wassergeld. Das macht 5,55 Euro in der Stunde – wohl doch kein so gutes Geschäft. Egal, es ist leichte Arbeit, ein Naturalientausch, alles netto.
In meinem Garten liegen überall Schläuche meiner neuen Tröpfchenbewässerung. In der momentanen Hitze reicht das nicht. Ich nehme den Gartenschlauch, beginne hinten am Bienenhaus, bin noch vor acht Uhr vorn am Weg. Frau Schenk joggt sonntags etwas später. Sie verlässt die Villa durch den Seitenausgang, rennt langsam zur Grundstückseinfahrt, den Weg entlang an mir vorbei.
Ich winke als Gruß, sie winkt zurück, beschleunigt.
„Zehn Uhr auf dem Rasen bei mir!“, ruft sie.
20 vor zehn steche ich Löwenzahn. Ich bin aufgeregt. Was will Frau Schenk von mir? Es ist das erste Mal, dass sie mich zu einem Termin bestellt. Ich muss mich ablenken, denke an meine Arbeiten. Die Hühner sind gefüttert, mein Garten gewässert. Der Rasen im Institut bekommt heute Abend noch einmal Wasser. An der Garage muss ich ein wenig Kalk streuen. Bei mir sind erste Stachelbeeren reif. Vielleicht kann ich auch die ersten Johannisbeeren ernten. Hundert Kilo Gelierzucker habe ich für meine Marmeladen bei Achim gekauft. Junge Möhren muss ich ziehen. Am Hühnerhaus wächst Schachtelhalm. Der muss raus, versaut mir sonst den Garten.
„Weshalb stehen hinter der Garage Brennnesseln?“, fragt meine Nachbarin.
„Na ja, ich bin nur für den Rasen zuständig, Frau Doktor“, antworte ich.
„Brennnesseln eignen sich für Spinat, Smoothies und Suppe“, übergeht sie meine freche Antwort. „Man kann Pesto machen oder einen Tee. Ich habe gelesen, die Pflanze hilft bei Verdauungsbeschwerden und bei Harn-, Blasen und Nierenbeschwerden. Mach uns zu 15 Uhr einen Tee und stell mir ein frisches Bündel Brennnesseln für einen Smoothie hin. Ich besuche dich. Wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, geht sie zurück in ihr Institut.
Ich folge meinem Tagesplan, übersetze technische Korrespondenz für eine Druckmaschinenfabrik ins Arabische, jäte Unkraut zwischen den Kartoffeln, pflücke Johannisbeeren, Stachelbeeren, püriere, koche, fülle die Marmelade in Gläser ab. Kurz vor drei stelle ich meinen Strauß Brennnesseln in eine Vase neben dem Herd, kontrolliere die Teevorbereitung. Das Wasser kocht, gewiegte Brennnessel liegt locker in zwei Teenetzen. Honig und Gläser stehen bereit, ich trage eine ordentliche Jeans und mein kariertes Hemd.
„Der Tee ist fertig?“, fragt meine Nachbarin von der Tür her und tritt ein. „Brennnessel brennt doch wie Feuer. Muss ich unangenehme Wirkungen befürchten?“
„Nein, Frau Doktor Schenk“, beruhige ich sie. „Die feinen Nadeln sind durch das Wiegen1 harmlos, die Ameisensäure in ihrer stark verdünnten Konzentration völlig unbedenklich.“ Ich schalte den Herd ab, schwenke den Topf, gieße das Wasser in die Tassen und versenke beide Teenetze.
„Ich möchte über eine zuverlässige ökologische Versorgung meines Institutes mit dir sprechen“, beginnt Frau Schenk ohne jede Einleitung. „Derzeit kaufen wir im Bioladen oder auf dem Markt. Ich werde die Kosten reduzieren, direkt beim Erzeuger kaufen. Mir ist klar, dass das saisonbedingt ist, aber ich sehe ja, was du anbaust und anbieten kannst. Ich möchte bei dir kaufen. Soweit verstanden?“
„Das freut mich, Frau Doktor Schenk“, antworte ich überrascht und bemühe mich, klare Gedanken zu fassen. „Derzeit handle ich mit einem Aufkäufer“, sage ich. „Das bringt etwas Geld. Einen festen Abnehmer habe ich im Moment nicht. Das ist eine gute Idee. Wir könnten …“
„Ich habe dich nicht um Erklärungen gebeten“, fährt sie mir ins Wort. „Ich wünsche jeden Tag 20 Eier, ein Glas Honig, vier Glas Marmelade, ganzjährig Kartoffeln, Lageräpfel, Zwiebeln, Kohl, etwa zehn Kilogramm täglich. Ich hätte gern frische Kräuter. Im Winter dürfen sie gefroren sein, weitere fünf Kilo Saisongemüse und Obst täglich, außerhalb der Saison gern gefroren oder eingekocht. Ich habe durchgerechnet. Auf dem Markt zahle ich für so eine Tagesration 40 Euro, im Bioladen das Doppelte. Ich möchte die Ware täglich exakt acht Uhr in meiner Küche stehen haben.“
„Das ist nicht ganz einfach“, antworte ich und versuche, ihre Wünsche im Kopf zu behalten. „Da muss ich mich etwas umstellen, mich an Ihre Bedürfnisse anpassen.“
„So ist es“, sagt sie. „An meine Bedürfnisse anpassen. Genau. Du hast schon wieder vergessen, wie du mir antworten sollst. Das lernst du noch. Du willst es doch lernen?“
„Ja, Frau Doktor Schenk“, antworte ich korrekt.
„Bevor wir über einen Liefervertrag sprechen, habe ich eine Frage. Brennnesseln helfen auch bei Harnstörungen, las ich. Ist das so?“
„Ja, das habe ich auch gelesen, Frau Doktor Schenk“, erwidere ich.
„Holst du mir bitte ein paar Gartenhandschuhe?“, fragt sie und zeigt auf die Brennnesseln in der Vase. Ich nicke, gehe hinüber in meinen Werkraum, nehme ein paar der gummierten grünen Handschuhe, reiche sie meiner Nachbarin.
„Harnleiden sind bei Männern sehr verbreitet“, erklärt sie und zieht die Handschuhe über. „Jeden Morgen, mein lieber Karl, stehst du im Vorgarten und starrst mich an. Du starrst mir beim Joggen entgegen, starrst mir nach und verschwindest danach schnell im Haus. Ich vermute, du hast so etwas wie ein Harnleiden, einen Druck, den du abbaust. Ist das so?“
„Aber … nein … ja“, sage ich zögernd. „Verzeihen Sie, doch Sie sind so attraktiv.“
„Attraktiv?“, fragt sie. „Einer Attraktion schaut man zu. Man bewundert sie. Karl, du nutzt mich als Vorlage zur Selbstbefriedigung. So etwas nenne ich gewohnheitsmäßigen sexuellen Übergriff. Ich möchte das nicht und verbiete dir zukünftig, früh im Vorgarten zu stehen. Hast du mich verstanden?“
Ich bin völlig durcheinander, weiß nicht, was ich antworten soll. Sie schlägt mir mit ihrer linken Hand schnell auf die rechte Wange. „Hast du mich verstanden?“
„Ich habe Sie verstanden, Frau Doktor Schenk“, antworte ich.
„Es ist eine Krankheit“, fährt sie fort. „Dein Onanieren ist krank. Es ist auch krank, dass du hinter die Garagen pinkelst, anstatt auf deine Toilette zu gehen.“
Ich zucke zusammen. Tatsächlich pinkle ich manchmal hinter die Garagen. Doch dort kann mich niemand sehen. Woher weiß sie das?
„Unkontrolliert pinkeln und onanieren“, sagt sie langsam. „Das ist wirklich nicht normal, Karl. Lass uns dein Harnleiden behandeln und dabei über unseren Vertrag sprechen.“
Sie stellt die Vase mit den Brennnesseln auf den Tisch, nimmt eine Pflanze heraus.
„Setzt du dich bitte hier neben die Vase?“, fragt sie in einer Art, die keinen Zweifel an einer Aufforderung lässt. Ich setze mich auf die Tischkante, während sie mich fragend ansieht.
„Sag mal, willst du mich böse machen?“, schimpft sie. „Vielleicht verstehst du es, wenn ich es dir langsam erkläre. Zieh deine Hose aus, anschließend deine Unterhosen, ich hoffe, sie sind nicht aus Feinripp mit Eingriff. Danach setzt du dich auf den Tisch. Du setzt dich auf die Ecke, so dass deine Beine an den zwei Tischseiten herunterhängen. Hast du es begriffen? Los! Ausziehen!“
„Nackt?“, frage ich und sehe meine Nachbarin ungläubig an. Irre ist das, ungeheuerlich, reizvoll, erregend.
„Ich glaube es nicht“, antwortet sie, während ich mich ausziehe. Pochend spüre ich mein Blut im Kopf und wieder das Kribbeln im Unterleib, intensiv, umfassend. Frau Schenk steht locker da, trägt meine Handschuhe, hält eine Brennnessel in der Hand und sieht mir zu. Meine Erektion tadelt sie mit einem vorwurfsvollen Blick. Ich setze mich auf die Tischecke, sehe die Frau vor mir an, spüre Angst, Erwartung, Geilheit.
„Dein Leiden bekommen wir weg“, sagt sie und streicht mit der Nessel über meinen Schwanz. Ich zucke zurück, sehe auf ihre Hand.
„Bleib gespreizt sitzen, sonst brennen deine Oberschenkel“, schimpft sie. „Wir wollen doch nicht, dass du an den Beinen Schmerzen bekommst. Ich habe gelesen, dass die dünnen Nadeln bei Hautkontakt brechen und Ameisensäure freisetzen. Die Wirkung hält nicht lange an, einige Stunden. Schmerzt es?“
„Es brennt und beißt, Frau Doktor Schenk“, presse ich hervor.
„Aus diesem Grund trage ich auch Handschuhe“, erwidert sie, hebt meinen Schwanz mit drei Fingern ihrer linken Hand an und streicht mir mit einer weiteren Pflanze langsam über die Haut bis zu meinen Hoden.
„Ein schöner Erfolg“, freut sie sich. „Deine Erektion ist fort. Wenn das Auweh zu groß wird, kannst du gern aufstehen. Es wird aber weiter brennen. Also zum Geschäft. Ich hatte dir erzählt, was ich im Biomarkt und auf dem Markt zahle. Ich höre dein Angebot.“
Sie wählt eine weitere Pflanze aus der Vase, unterfasst meine Hoden so, dass sie straff über ihrer Faust liegen.
„40 Euro zahlen Sie pro Tag, das sind 1200 im Monat, dazu kommt Fahrzeit, Einkaufszeit, Nutzung eines Wagens“, stoße ich hervor. „Bitte, das brennt, ich mache es für 1200. Hören Sie auf, es sticht so stark.“
„Reiß dich zusammen“, entgegnet sie. „Zeig ein wenig Männlichkeit! Wir therapieren lediglich deinen Drang, ins Bad zu rennen, nachdem du mich beim Joggen beobachtet hast. Ich bin nicht deine Wichsvorlage. Was sagtest du? Wie viel Geld sollte es sein?“
„1100“, stöhne ich, während sie die Pflanze mit leichtem Schwung in kurzen Abständen auf meine Hoden schlägt.
„Ich muss dich ein wenig peitschen“, erklärt sie sachlich. „Die besten Brennhaare sitzen am Stängel. Entschuldige, dass ich abweiche. Du wirst ab sofort nicht mehr im Vorgarten stehen, mich nicht mehr beobachten. Wir haben uns verstanden? Wie viel, sagtest du?“
„1000 Euro und keine Onanie“, jammere ich. „Wenn Sie jetzt aufhören könnten?“
„Ich könnte, will aber nicht“, entgegnet sie, lässt meine Hoden los, suchte eine kräftige, saftige Pflanze und zieht mir die Vorhaut zurück.
„Sei ein Mann und halte es aus oder sei ein Weichling und steh auf“, sagt sie hart. „Du bis ja nicht festgebunden. Im SM nennt man das, was wir beiden Hübschen hier treiben, ein Tunnelspiel. Du wirst den Schmerz nicht beenden können. Doch ich verspreche, dass deine Schmerzen in vier Stunden nachlassen, in zwei, drei Tagen fort sind. Tu ich dir weh? Wie viel Geld wolltest du gleich für den Service? Bedenke, dass wir einen Dreijahresvertrag machen. Einverstanden? Pass gut auf, jetzt wird es schmerzen.“
„Bitte, Frau Doktor Schenk, das habe ich mir nicht so vorgestellt!“, rufe ich. „900 Euro im Monat.“
„Na also!“, freut sie sich, während sie mir die Brennnessel rhythmisch um meine Eichel schlägt. „Es geht doch. Dein Codewort, herrje, haben wir es vergessen? Du musst es aussprechen, und ich beende das hier. Pass auf! Es geht so: ‚Ich will immer artig sein und werde nie wieder in Gedanken an meine Nachbarin onanieren. Mir soll der Schwanz abfallen, wenn ich in der freien Natur uriniere.‘ Mach schon, wiederhole den Code.“ Sie nimmt die restlichen Brennnesseln, schlägt sie mir in kurzen Abständen auf meine Genitalien.
Ich rufe die beiden Sätze, ziehe meine Beine an, beuge mich nach vorn.
„Kauf dir besseres Equipment“, kritisiert sie, während sie die Handschuhe auszieht. „In den Dingern schwitzt man recht schnell. Entspann dich, reib mit einem Leinentuch die Brennnadeln ab, kühle anschließend mit Wasser, das hilft. Ich habe noch etwas für dich.“ Sie zieht aus ihrer Jeans zwei zusammengefaltete Blätter, legt sie auf den Tisch. „Lies, ich muss mir die Hände waschen.“
Während ich breitbeinig auf zitternden Beinen neben meinem Tisch stehe, lese ich den Vertrag. 900 Euro monatlich steht dort, täglich zehn Kilo Kartoffeln, Zwiebeln, Obst und anderes Gemüse, 20 Eier, ein Glas Honig, vier Glas Marmelade und Tee, frisch oder getrocknet, je nach Jahreszeit. Fünf Kilogramm Obst und Saisonfrüchte, auch gefroren. Vertragspartner ist das Institut, vertreten durch Frau Dr. Lisa Schenk, Zahlungen an Herrn Karl Sieb erfolgen monatlich nach sachlicher Prüfung durch die Küchenleiterin des Institutes auf Rechnung.
„Die Details besprichst du am besten mit meiner Köchin!“, ruft meine Nachbarin aus dem Badezimmer. „Sie macht den Speiseplan, ist ganz flexibel, was ich auch von dir erwarte. Ich verlange, dass du meine Küche ab morgen mit ökologischem Obst und Gemüse bester Qualität belieferst. Fragen?“ Sie kommt aus dem Bad, steht vor mir. „Großer Gott, deine Genitalien sind ja ganz rot und sehen aus, als wären sie voller Blasen. Versuch mal Aloe Vera, hast du das im Garten? Was starrst du auf das Papier?“
„Hier steht schon die Monatspauschale“, sage ich tonlos.
„Ja was denkst du denn?“, ruft meine Nachbarin in einer Mischung aus Erheiterung und Ungeduld. „Ich gebe Managementkurse, oder denkst du, mein Institut ist ein verdecktes SM-Studio? Glaubst du, ich bin eine Domina oder so etwas? Mensch, Karl, du bist ein bisschen wirr im Kopf! Das hier war zielgerichtetes Handeln, im Vorfeld durchdacht und geplant. Ich bin nicht ganz unbedarft, habe meinen Doktor in Psychologie gemacht, kenne mich im Thema des Aufbaus und der Anwendung von Machtgefällen ziemlich gut aus. Ich lehre Personalführung. Soweit dazu. Entspann dich und geh es heute Abend ruhig an. Immer schön die brennende Haut kühlen. Morgen sieben Uhr schicke ich dir meine Köchin. Bitte noch die Unterschrift. Ich bin der Auffassung, dass die besten Verträge die sind, bei denen beide Partner profitieren.“
Klare Gedanken kann ich im Moment nicht fassen. Wahrscheinlich sammelt sich mein gesamtes Blut im Unterleib. Der Vertrag scheint mir ausgewogen. Ich unterschreibe ihn mit zittriger Hand.
„Die meisten Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen“, seufzt Frau Doktor Schenk, nimmt den unterschriebenen Vertrag, zwinkert mir vertraulich zu und geht. Ich taumele in mein Badezimmer.
1 „Als Wiegen bezeichnet man ein Vorbereitungsverfahren in der Lebensmittelherstellung. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Vorgang der Messung zur Bestimmung einer Masse mittels einer Waage. Beim Wiegen teilt man Lebensmittel durch feines Zerkleinern mittels einer Kombination aus Schneid- und Keilwirkung. Typisch ist der Einsatz von Wiegemessern bei der Zerkleinerung von frischen Kräutern und teils auch von Gemüse wie zum Beispiel Zwiebeln und Knoblauchzehen. Beim Wiegen hält immer ein Punkt des Messers Kontakt zur Schneidunterlage, was durch Herunterdrücken des vorderen Messerbereichs mit der „freien Hand“ erreicht wird, und die durch die wiegeförmige Hin- und Herbewegung des Messers (durch entsprechenden Einsatz der „Arbeitshand“) wandernde Stelle des Kontakts zerschneidet und zerdrückt die Kräuter bzw. das Gemüse. In der Küchenpraxis erfolgt das Wiegen meistens mit einem Kochmesser mit gebogener Schneidklinge, das als Wiegemesser eingesetzt wird.“ (Wikipedia s. v. „Wiegen (kochen)“, der Verleger)