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Yvonnes bester Freund

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„Juhu, endlich Ferien“, hörte man hunderte Kinder schreien. Kurz darauf strömten alle auf den großen Innenhofplatz der Volksschule „Elisabeth“ in Graz. Manche Eltern warteten bereits in ihren vollgepackten Autos, um sofort in den wohlverdienten Urlaub zu starten. Zeugnisse wurden wehend in die Höhe gehalten. Hin und wieder flossen auch so manche Tränen, weil das Zeugnis nicht so ausfiel, wie man es sich erhofft hatte. Auch die Lehrer atmeten erleichtert auf. 8 Wochen Schonfrist vor dem nächsten Schuljahr.

Etwas Anlauf und ein großer Sprung über die 3 Eingangsstufen hinunter, so kam Yvonne aus der Schule gestürmt. Hopsend und pfeifend eilte sie in Richtung „Villa Hartenau“, einem Mädchenheim, dass in der Nähe der Schule war. Frau Thomaschitz, die Erzieherin und Leiterin des Heimes, wartete schon auf das Mädchen, um das Zeugnis zu inspizieren. Nur einen Zweier in Sachkunde, sonst alles Einser.

„Das hab ich wieder gut hingekriegt“, grinste Yvonne. Auch Frau Thomaschitz war von dem Zeugnis sichtlich beeindruckt. Yvonne war ein kleines, neunjähriges Mädchen das vor Lebensfreude nur so strotze und dessen Temperament nur sehr schwer zu zügeln war. Manchmal half sie Rosi in der Küche. Einer sehr korpulenten Frau, die ebenfalls immer lustig aufgelegt war und die, wie Yvonne auch, immer für Blödsinn gut war. Yvonnes Mutter war ständig beruflich im Ausland unterwegs und hatte dadurch nur sehr wenig Zeit für das Mädchen. Der Vater wurde für ein sehr schweres Verbrechen für mindestens 20 Jahre ins Gefängnis gesteckt.

„Weißt du eigentlich, das du das schönste Zeugnis vom ganzen Heim hast?“

„Ich weiß. Das wird schon langsam langweilig“, grinste Yvonne.

„Zur Belohnung darfst du heute zu dem kleinen Fest in Stifting gehen von dem du neulich geredet hast.“

„Wirklich? Danke“, strahlte Yvonne und fiel Frau Thomaschitz um den Hals. Frau Thomaschitz gab Yvonne noch 20 Euro Taschengeld mit.

„Um spätestens 6 Uhr abends bist du wieder da“, orderte Frau Thomaschitz an und schon war die Kleine weg.

Beim Fest angekommen, schlenderte Yvonne durch die Wege bei den vielen Ständen und staunte nicht schlecht. Auf einmal bekam Yvonne feuchte Augen, als sie bei einem Stand ein wunderschönes paar Schuhe sah.

„Wollen Schuhe haben? Ganz billig. Fir dich. Nur 40 Euro.“

„Die sind wirklich wunderschön, aber ich hatte auch Hunger und jetzt habe ich nur mehr 10.“ Auf einmal kam der ausländische Verkäufer von seinem Stand hervor und steckte die Schuhe in einen Plastiksack.

„Du seien so liebes Mädchen und haben sicher schäne Zaignis von Sule. Ich dir Schuhe Gratis schenken.“

„Wirklich?“, strahlte Yvonne, fiel dem Ausländer um den Hals und gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Dieser bekam ein breites grinsen.

„Sisse glaine“, murmelte er und winkte dem davon hopsenden Mädchen nach.

An einer Straßenecke angekommen, sah sie eine kleine Menschenmenge. Neugierig zwängte sie sich durch und sah, wie ein sehr zerzauster Straßenmusikant seine Lieder von sich gab. Yvonne gefiel die Musik. Aufmerksam und mit glänzenden Augen hörte sie ihm zu. Vor allem von seiner Gitarre und wie er damit spielte war sie sichtlich begeistert. Fröhlich begann sie mit dem Hintern zu wackeln. Als der Straßenmusikant Yvonne bemerkte, konnte er sein Schmunzeln nicht mehr verhalten und wackelte ebenfalls mit seinem Hintergestell.

Nach geschlagenen zwei Stunden schlenderte Yvonne weiter und sah sich einen Stand nach dem anderen an.

„Hallo Yvonne!“, rief plötzlich jemand von hinten. Als sie sich umdrehte, fiel ihr Sylvia schon um den Hals. Eine Schulfreundin aus der selben Klasse. „Warst du auch schon beim Karussell?“

„Nein, ich hab mir von dem Geld Schuhe gekauft“, protze Yvonne und lies Sylvia in den Sack schauen.

„Wau“, staunte Sylvia. „Wie viel?“

„40.“

„Super, und ich hab fast alles beim Karussell und beim Zuckerwattestand gelassen.“

„Dafür hab ich nachher kein Bauchweh“, kicherte Yvonne. „Bist du alleine da?“

„Sicher. Ich bin nämlich nicht allein im Heim.“

„Ok, ich muss wieder. Meine Mutter wartet da drüben.“

„Also tschüssi“, rief Yvonne und winkte Sylvia nach.

Wieder an dieser Ecke angekommen, sah Yvonne die Gitarre einsam und verlassen an der Mauer lehnen. Yvonne konnte einfach nicht anders. Sie setze sich auf einen großen Stein, nahm die Gitarre und probierte ein bisschen daran zu zupfen. Noch nie hatte Yvonne eine Gitarre in der Hand gehalten aber es gefiel ihr. Bald kam sie drauf, dass man die Finger auf die Saiten drücken musste, um einen anderen Ton zu bekommen.

„So habe ich auch einmal angefangen.“ Erschrocken blickte Yvonne auf und sah den Straßenmusikanten. Dieser lehnte gut gelaunt an der Mauer und lies sich sein Hot Dog schmecken.

„Bist du jetzt böse auf mich?“

„Aber nein“, grinste der Straßenmusikant.

„Ich mache sie bestimmt nicht kaputt.“

„Davon bin ich überzeugt. Ich habe gesehen, wie du mit meinem Heiligtum umgehst.“

„Kannst du mir zeigen, wie man damit spielt?“

„Oh da brauchst du sehr, sehr viel Übung. So etwas kann man nicht von heute auf morgen lernen.“

„Macht nichts. Ich habe doch jetzt Ferien. Und ich möchte es so gerne lernen und so gut spielen können wie du. Außerdem ist es im Heim immer so langweilig, bis meine Mami mich nach Hause holt. Bitte bitte“, flehte Yvonne ihn förmlich an und setze sogar noch ihren Dackelblick auf. Da konnte der Straßenmusikant einfach nicht widerstehen.

„Ich heiße Bobby, und du?“

„Und ich Yvonne.“

„Sehr angenehm. In welchem Heim wohnst du denn?“

„Hartenau.“

„Hey, das ist von meinem Platz nicht weit weg.“

„Dein Platz?“

„Ja, wo ich sonst immer spiele. Ich bin ab 2 Uhr nachmittags immer im Teggethofpark zum üben.“

„Wie gesagt, ich habe jetzt Ferien.“

„Komm doch einfach vorbei, dann zeig ich dir ein bisschen was.“

„Au super“, freute sich Yvonne. „Ich muss aber jetzt heim. Wir sehen uns morgen.“ Yvonne schüttelte noch kräftig Bobbys Hand und lief zur nächsten Bushaltestelle. Irgendwie war es Yvonne durch den Kopf geschossen, dass sie um 6 Uhr zu Hause sein sollte.

„Halli Hallo. Ist keiner hier?“, hallte es durchs ganze Haus.

„Schönen guten Abend kleines Fräulein“, sagte Frau Thomaschitz in einem strengen Ton. „Wir hatten 6 Uhr ausgemacht und nicht halb 7.“

„Tut mir leid, Frau Thomaschitz, aber ich habe den Bus verpasst. Ehrlich, er ist mir vor der Nase davongefahren.“

„Und was war der Grund?“

„Ich ä.... ich habe einen Schulfreund getroffen. Wir haben sehr viel Spaß gehabt.“

„Auf jeden Fall haben wir schon zu Abend gegessen. Wenn du Hunger hast, musst du in die Küche gehen und Rosi bitten, ob sie dir noch etwas richtet.“

„Ich habe schon noch ein bisschen in Reserve“, meinte Rosi durch die Küchentüre. Yvonne hatte noch einen mächtigen Hunger mit nach Hause gebracht. Rosi betrachtete die Kleine mit einem breiten Grinsen, denn es gefiel ihr, dass es Yvonne schmeckte. Nach dem Abendessen eilte Yvonne in den Gemeinschaftsraum, nahm aus dem hintersten Schrank die alte Gitarre heraus, setzte sich in das Sofa und begann zu klimpern. Ihr ging Bobby nicht aus dem Kopf. Er spielte mit der Gitarre, als ob es das leichteste auf der Welt sei. So wollte sie auch unbedingt spielen können. Yvonne hatte das Puppenspielen mit der Zeit satt. Der CD- Player stand auch um sonst auf Yvonnes Schreibtisch. Umso mehr war Frau Thomaschitz verwundert, dass die Kleine plötzlich Interesse für ein Instrument hatte.

Die „Villa Hartenau“ war kein richtiges Heim, sondern eher eine Art Einrichtung für Waisenkinder. Und Frau Thomaschitz war keine richtige Erzieherin, sondern eher eine Art Pflegemutter, die sich um die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder kümmerte. Sie spielt mit den Kindern, kümmert sich um die Hausaufgaben, lernt mit ihnen und bringt sie eine nach der anderen ins Bett. Sehr oft liest sie den Kindern Geschichten vor und hin und wieder erfüllt sie den Kindern auch mal ausgefallene Wünsche. Sie lies die Kinder einfach Kinder sein und drängte sie auf keinen Fall ins frühe Erwachsenwerden. Außer Yvonne lebten noch 5 andere Mädchen im Heim. Die allerdings wurden von einer Kindergruppe zu einem 3-Wöchigen Zeltlager nach Keutschach eingeladen. Yvonne beschloss nicht mitzufahren, sondern freute sich schon riesig auf einen Urlaub mit ihrer Mutter, die sich in den Ferien regelmäßig 3 – 4 Wochen frei nahm.

„Das klingt aber schön. Wo hast du das gelernt?“

„Noch gar nicht“, grinste Yvonne. „Aber ich werde es bald lernen. Ich habe sogar schon einen Lehrer gefunden.“

„Aha. Und wer soll das bitte sein?“

„Bobby.“

„Bobby? Kenn ich ihn?“

„Nein. Bobby ist ein Freund aus der Schule. Wegen ihm hab ich heute meinen Bus verpasst. Er hat mir fest versprochen, dass er es mir beibringt.“

„Wie alt ist denn dieser Bobby?“

„Weiß ich nicht. Äh... Er geht in die Hauptschule. 12 oder 13 glaub ich.“

„Na gut. Wird er es wohl schaffen, dich pünktlicher als heute nach Hause zu schicken?“

„Ganz bestimmt, Frau Thomaschitz.“

„Na gut. Wenn du es wirklich möchtest. Wann soll es denn losgehen?“

„Morgen um 2 Uhr treffen wir uns wieder.“

„Was? Morgen schon? Also schön. Aber wenn du wieder so wie heute zu spät kommst, blase ich die Sache sofort wieder ab. Ist das Klar?“

„Pfadfinderehrenwort“, strahlte Yvonne. Frau Thomaschitz wusste, dass Yvonne nicht zu den Mädchen zählte, die sofort wieder aufgeben, wenn etwas nicht sofort funktionierte. Außerdem war es ihr nur recht, dass sich Yvonne so ein Hobby zulegen wollte, denn die Kleine konnte auch sehr gut singen und hatte ein sehr gutes Gehör.

Am nächsten Tag räumte sie ihr leeres Geschirr hastig vom Tisch ab. Rosi bemerkte auch, dass es Yvonne von Tag zu Tag immer eiliger hatte. Auch in der Küche wurde sie mit dem Abtrocknen immer schneller. Einmal rutschte ihr ein Untertässchen vom Frühstückgeschirr aus den kleinen Händen und zerbrach am Boden in tausend Scherben.

„Kann doch mal passieren“, meinte Rosi.

„Gell, Rosi, jetzt hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank“, antwortete Yvonne mit breitem Grinsen. Im ersten Moment sah Rosi ein bisschen verdutzt, denn sie fühlte sich in ihrer Ehre etwas gekränkt. Aber sie wusste, das Yvonne es nicht so meinte und verzieh ihr das lose Mundwerk.

„Wie abgemacht, um 6 Uhr“, mahnte Frau Thomaschitz noch.

„Ich hab es ja versprochen“, rief Yvonne noch zur Eingangstüre hinein. Dann rannte sie los in Richtung Park. Es dauerte nicht lange, da hörte sie auch schon die Musik, die ihr so gut gefallen hatte und folgte ihren Ohren. Bobby saß bereits Mutterseelen allein auf einer Bank und spielte munter drauf los.

„Hallo, kleine Prinzessin“, sagte er freundlich, als er Yvonne erblickte

„Hallo Bobby. Zeigst du mir heute, wie man Gitarre spielt?“

„Möchtest du das wirklich?“

„Und wie“, strahlte Yvonne.

„Na dann komm mal her,“ sagte Bobby, nahm Yvonne auf den Schoß und zeigte ihr die ersten 3 Griffe. Er zeigte ihr, wo sie die Finger hin drücken musste, und erklärte ihr alles mit sehr viel Geduld und so, dass sie es auch verstand. Aufmerksam und mit viel Interesse hörte sie Bobby zu und fragte ihm Löcher in den Bauch, wenn sie einmal etwas nicht verstand. „Weißt du, es braucht sehr viel Zeit, bis man es richtig kann. Und bis dahin heißt es fleißig üben.“

„Darf ich einmal die Gitarre alleine nehmen?“

„Ich bitte sogar darum, denn meine Füße sind schon ganz flach.“

„Gar nicht wahr“, lachte Yvonne. „Wie bist du eigentlich dazu gekommen, auf der Straße Gitarre zu spielen?“, fragte Yvonne neugierig.

„Weißt du, ich hatte einmal eine richtig gute Band, mit der ich sehr erfolgreich herumgezogen bin“, begann Bobby zu erzählen. „Sie hieß damals `The Rock Action`. Wir waren sogar einige Male in der Hitparade.“

„Warum hast du denn aufgehört?“

„Ich hatte damals eine Freundin, die auch ein kleines Mädchen in ihren Bauch getragen hat. Sie sind beide bei einem Unfall gestorben. Ich war damals mit meinen Jungs gerade in Deutschland auf Tournee, als das passierte. Ich konnte den beiden nicht einmal helfen. Sie sind beide im Krankenhaus gestorben und ich war nicht einmal da.“ Yvonne bemerkte, wie die Tränen über Bobbys Wangen rannen, und wie sehr ihn das quälte. „Da habe ich geschworen, nie wieder auf Tournee zu gehen und nie mehr Musik zu machen. Aber das ist das Einzige, das ich wirklich kann. Und jetzt belaste ich auch noch ein kleines Mädchen mit meinen Problemen.“

„Du hast sie sicher sehr lieb gehabt. Ich weiß, ich bin noch sehr klein, aber ich sehe, dass dir das noch immer sehr weh tut“, versuchte Yvonne Bobby mit allen Mitteln zu trösten und wischte ihm mit ihrer kleinen Hand die Tränen weg. Bobby nahm seine Gitarre und spielte ein wunderschönes Lied, dass er für seine Freundin und das Baby geschrieben hatte. Von da an trafen sich die beiden jeden Tag, und das nicht nur zum Üben. Es entstand zwischen Bobby und Yvonne eine dicke, untrennbare Freundschaft.

Yvonnes bester Freund

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