Читать книгу "Nur eine Geschichte" - Roland M. Horn - Страница 8
Kapitel 2
ОглавлениеEin sanfter Windhauch streifte Ziva und Nathaniel. Ziva machte sich Gedanken über das Gehörte. Kann das wirklich sein, dass ihr Gott in Wirklichkeit zwei Gruppen von Zeitreisenden waren? Doch Nathaniel verkehrte in den höchsten Kreisen. Der musste das ja wissen.
Zivas Gedanken wurden jäh von Nathaniels Stimme unterbrochen. „Weißt Du, dass unser Religionsstifter auch an der Geschichte beteiligt war?“, frage er, und bevor Ziva antworten konnte, sagte er: „Weißt Du, wer Moses begraben hat?“
„Ja, sicher, sein Volk, unsere Vorfahren,“ antwortete Ziva, doch Nathaniel gab ihr zu verstehen, dass es in der Thora ganz anders geschrieben steht.
Dort heißt es:
‚So starb denn dort Mose, der Knecht des Herrn, und er begrub ihn im Lande der Moabiter nach dem Befehl des Herrn…‘
„Hast Du genau zugehört, meine Kleine? Dort steht „Er begrub ihn“. Er – Gott! Ein Gott, der seinen Knecht persönlich begräbt? Kannst Du Dir so etwas vorstellen?“
Jetzt war Nathaniel voll in seinem Element. „Doch das ist nicht alles. Es heißt dann der gleichen Stelle: ‚…aber niemand kennt sein Grab bis auf den heutigen Tag.‘
Moses: Ein Religionsstifter, dessen Grab unbekannt ist? Der von Gott persönlich an einem unbekannten Ort begraben wurde? Das ist doch höchst seltsam.“
Ziva holte aus, um zu antworten, doch Nathaniel war jetzt nicht mehr zu bremsen: „‚Moses war bei seinem Tod Hundertzwanzig Jahre alt; seine Augen waren nicht schwach geworden, und seine Rüstigkeit war nicht geschwunden‘“, zitierte er weiter.
„Moses war topfit“, erklärt er weiter, „ja quicklebendig! Die Wirklichkeit ist, wie Du Dir als intelligentes Mädchen vermutlich schon gemerkt hast, ganz simpel. Moses ging mit Zeitreisenden mit und anschließende traten diese wieder als „Jahwe“ auf und erklärten dem Volk, dass er gestorben sei und er ihn begraben hätte. Aber Moses war gar nicht tot.
Ich weiß jetzt nicht, ob Moses selbst einer der Zeitreisenden war oder ob er von diesen nur benutzt wurde, auf jeden Fall aber nahmen sie ihn mit in die Zukunft.“
Ziva saß mit groß aufgerissenen Augen da. Während sie vorhin noch Zwischenfragen hatte stellen wollen, wusste sie nun überhaupt nicht mehr, was sie zu diesem Thema sagen oder fragen könnte. Der Großvater ließ ihr ja keine Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber er würde von sich aus die ganze Geschichte erzählen, sie musste nur zuhören. Stumm und fasziniert saß sie da und lauschte den weiteren Erklärungen.
Und Nathaniel fuhr fort: „Die Geschichte um Moses Geburt in der Bibel ist merkwürdig. Du weißt ja aus der Thora, dass unser Volk seit den Zeiten Josefs, dem Sohn Jakobs, in Ägypten lebte, wo es für den Pharao arbeiten musste. Davon habe ich Dir ja schon früher erzählt. Du weißt ja, dass damals ein Gesetz erlassen worden war, nach dem jeder Erstgeborene unseres Volkes getötet werden sollte und dass es heißt, eine hebräische Dienerin habe ihren Sohn, Moses, in ein Weidekörbchen gelegt und auf den Nil ausgesetzt, um ihn zu schützen. Und ausgerechnet die Tochter des Pharaos zog ihn an Land, um ihn großzuziehen.
Jetzt gibt es aber eine ältere Geschichte, die sich um dem König Sargon dreht, der ungefähr 2000 Jahre vor Moses lebte. Auch von ihm heißt es, dass er in einem Weidekörbchen auf einem Fluss ausgesetzt wurde. So kann es sein, dass Moses – sein Name bedeutet ägyptisch übrigens schlicht und einfach ‚Kind‘ – diese Geschichte nur angedichtet wurde, weil man über die wahren Umstände seiner Geburt und seinem Auftauchen nicht Bescheid wusste.“
„Aber das steht doch so in der heiligen Thora. Das muss doch stimmen“, platzte es aus Ziva heraus.
„Kann schon sein, dass es stimmt, Ziva“, sagte Nathaniel. „Aber es ist doch seltsam, dass Moses‘ Geburtsgeschichte ebenso merkwürdig ist wie die Umstände seines Todes. Und auch beim Propheten Elias und bei Jeschua, dem Messias der Christen, waren die Schilderungen ihrer Geburt, oder im Falle Elias seiner Herkunft, sehr merkwürdig.“
„Elias – der ist doch in den Himmel aufgefahren“, sagte Ziva.
„Ja, so steht es in der Thora“, meinte Nathaniel. „Da heißt es, dass Elias zu seinem Jünger Elisa gesagt habe, er solle sich etwas von ihm erbitten, bevor er ‚von ihm hinweggenommen‘ werden würde. Und Elisa – gar nicht bescheiden – sagte: ‚Möge mir doch ein doppelter Anteil deines Geistes zufallen.‘ Elias – scheinbar gar nicht gerade begeistert – erwidere: ‚Wenn Du mit ansehen darfst, wie ich von Dir entrückt werde, so wird deine Bitte erfüllt werden, sonst nicht!‘ Und unvermittelt erschien plötzlich etwas, das beschrieben wird als ‚ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen‘, der die beiden voneinander trennte. Und dann heißt es: ‚Und Elias fuhr im Wettersturm zum Himmel empor.‘ Als Elia außer Sicht war, fasste Elisa seine Kleider um zerriss sie in zwei Stücke.“
„Feurige Rosse, die in den Himmel ritten?“, fragte Ziva zweifelnd.
„Nun Kleines: Das ist sicher nur als Metapher zu verstehen. Du weißt doch, was eine Metapher ist?“, fragte Nathaniel.
„Natürlich weiß ich das!“, erwiderte die 14jährige mit einem beinahe beleidigten Unterton.
„Natürlich weiß ich, dass Du ein kluges Mädchen bist,“ erwiderte Nathaniel,“ und Zivas Blick wurde wieder versöhnlicher.
„Aber zurück zu Elias“, bestimmte Nathaniel. „Wir waren bei seiner Herkunft stehen geblieben. Auch da werden in der Thora nur ungenaue Angaben gemacht. Da heißt es ohne Umschweife, dass er gegenüber König Ahab eine Prophezeiung machte. Er sagte unvermittelt zu seinem König: ‚So soll denn in den nächsten Tagen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort‘. Und nur beiläufig wird erwähnt, dass Elias aus Thisbe in Gilead stammte. Über seine Geburt und seine Kindheit wissen wir gar nichts. Der Name Elias bedeutet: ‚Mein Gott ist Jahwe‘. So scheint er bereits bei der Namensgebung auf irgendeine Weise ‚Gott‘ nahegestanden zu haben.“
„Ja, und was ist jetzt mit der Herkunft des Elias?“, fragte Ziva ungeduldig.
„Wie gesagt“, antwortete Nathaniel, „über die Geburt dieses großen Mannes sagt die Thora nichts. Und über seine Herkunft heißt es lapidar, dass Gott ihm bei seiner Berufung sagte: ‚Geh weg von hier‘, mit ‚hier‘ meinte er Tisbith, ‚und wende dich ostwärts und verberge dich am Bache Krith, der östlich vom Jordan fließt‘. Gott sagte dem Elias, dass er aus dem Bach trinken sollte und dass die Raben ihn mit Nahrung versorgen würden. Und Elias gehorchte. Ist es nicht seltsam, dass Elias auf eine solche merkwürdige Prophezeiung hörte?“
„Und noch erstaunlicher ist es, dass Elias tatsächlich durch die Raben versorgt wurde. Später schickte ihn Gott zu einer Witwe in Phönizien. Und es verwundert nicht nur, dass dieser Elias wieder ohne Nachfrage auf Gott hörte und, wie es heißt, dass das knappe Essen der Witwe auf Elias Wort hin niemals zur Neige ging. Konnte Elias etwa zaubern? Nein, natürlich nicht, er wandte nur damals noch nicht bekanntes Wissen an.
Und dann ließ Elias sogar noch den Sohn der Witwe auferstehen. Der war nämlich während Elias Besuch bei der Witwe krank geworden, und die Krankheit wurde immer schlimmer, bis – ja, bis er starb. Die Thora drückt das so aus: ‚Es war kein Atem mehr in ihm‘.
Nun ging Elias mit diesem Jungen in ein anderes Zimmer und kam mit ihm, der nun wieder lebte, zurück. Elias muss also sehr eng mit Gott gewesen sein – oder er war mit unseren Zeitagenten im Bunde. Und tatsächlich soll er aus der Zukunft gekommen sein, wie meine Informanten sagen.“
Ziva staunte und hörte gespannt weiter zu.
„Später gab es eine Dürreperiode in Israel, und wieder wandte sich ‚Jahwe‘ an Elias. Er schickte ihn zum König Ahab, dem Elias vorwarf, dass er Gott nur mit dem halben Herzen diene, denn er würde auf die sogenannten Baalspropheten, den Verehrern eines anderen Gottes, hören.
Fällt Dir etwas auf, Ziva? Man sagt ja immer, Jahwe sei der einzige Gott. Doch es heißt, man solle keine anderen Götter neben ihm haben. Also gab es sie doch! Und in Wirklichkeit hatten unsere Feinde den Baalkult aufgebaut, um unserem Volk zu schaden. Doch Elias schlug dem Volk vor, sich mit 450 Baalspropheten zu messen. Er verlangte zwei Stiere, und die Baalspropheten durften sich einen aussuchen und zerstückeln. Das Tier wurde dann auf Holzscheite gelegt, die nicht mit Feuer in Verbindung kommen durfte, denn Elia sagte: ‚Der Gott, der dann mit Feuer antwortet, der soll als Gott gelten‘. Aber der Holzstoß mit dem Stier wollte und wollte nicht brennen.
Nun machte sich Elias an seiner Stier und legte dessen Fleisch auf den Altar. Um den Altar zog er einen Graben. Er ließ dreimal Wasser über sein Brandopfer laufen und sogar den Graben mit Wasser füllen. Elia wählte den Zeitpunkt, an dem man normalerweise das Speiseopfer darbrachte, um ein Gebet zu sprechen. Dann, so heißt es in der Thora, ‚fiel das Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer und das Holz, sogar die Steine und das Erdreich und leckte sogar das Wasser im Graben auf‘.
Da haben unsere Zeitagenten mit Hilfe eines physikalischen Tricks aus unserer Zeit unsere Feinde und den von ihnen gebildeten Kult besiegt. Die von unseren Feinden verführten Israeliten glaubten nun wieder an Jahwe, und unsere Feinde wurden abgeschlachtet. Wenn Jahwe tatsächlich in echter Gott gewesen wäre, glaubst Du, der hätte Angehörige seines eigenen Volkes, oder überhaupt seine Geschöpfe abschlachten lassen, nur weil sie die falsche Religion angenommen hatten? Das wäre doch absurd!“
„Ja, seltsam“, brachte Ziva gerade noch so heraus.
„Ja“, sagte Nathaniel“ und dann muss man noch dazu sagen, dass bald wieder eine von Elias ausgesprochene Prophezeiung eintrat. Es fiel der vorhergesagt Regen. Kunststück, wenn man die Wetterkarte von damals vorliegen hat“, schmunzelte Nathaniel. „Und König Ahab wurde danach wieder mächtiger und siegreicher.
Es gibt aber noch eine wichtige Geschichte, die in der Thora steht: Elias ‚begegnete‘ Jahwe, der als ein leises Säuseln in Erscheinung trat, dem ein Sturmwind, ein Erdbeben und ein Feuer vorangegangen war. Doch Elias erkannte Jahwe nicht im Sturmwind, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer. Er erkannte ihn in dem leisen Säuseln. Elias erkannte ihn! Er muss wirklich in einem sehr engen Verhältnis zu ‚Jahwe‘ gestanden haben.“
„Kurz vor seiner Himmelfahrt setzte Elias den Elisa, von dem Du ja schon gehört hast, als seinen Nachfolger ein. Das war wieder von Jahwe so bestimmt worden. In dessen Auftrag holte Elias Elisa von der Feldarbeit weg, und dieser ging ohne zu zögern mit. Ihn schien eine solch merkwürdige Bitte nicht zu stören; es war, als habe er bereits auf eine derartige Situation gewartet. Und dann fuhr Elias in den Himmel auf…“
„Ja, das hast Du ja schon erzählt“, meine Ziva, doch unbeirrt fuhr Nathaniel fort: „Wie Elias tat auch Elisa Wunder, und auch er weckte Tote auf. Er leitete das Gericht Gottes über unser Volk ein. Der Auftrag dazu war ihm noch von Elias gegeben worden. Diese Gerichtszeit dauerte ganze 40 Jahre! Erst nachdem König Jehu anstelle von Ahab an die Macht kam, kamen wieder siegreichere Jahre für Israel. Der Name Elias bedeutet übrigens: „Gott hat geholfen.“
Und der redefreudige Religionswissenschaftler machte ohne Pause weiter. Ziva war das bereits gewöhnt, doch nun brachte ihr Großvater eine Person ins Spiel, die er mit Elias verglich, aber die gar nicht zu ihrer Religion gehörte. Er fing an, von Jeshua zu sprechen, dem Messias der Christen.
„Aber der war doch gar nicht der Sohn Gottes, sagen unsere Rabbis. Und was hat der denn mit der Zeitreise-Geschichte zu tun?“, fragte Ziva neugierig.
„Vielleicht war er das doch?“, antwortete Nathaniel und machte eine lange Pause, in der auch Ziva schwieg.
Dann sagte er: „Nein, Jeshua war, wie Du Dir wahrscheinlich denken kannst, auch ein Zeitreisender. Ich wollte Dir aber eigentlich zuerst von den Gemeinsamkeiten zwischen Jeshua und Elias erzählen. Also: Es heißt im „Neuen Testament“ der Christen, dass auch er in den Himmel aufgefahren ist, als eine Wolke – und diese merkwürdigen Wolken tauchen auch in der Thora häufig auf – ihn aufnahm. Dann tauchten plötzlich zwei Männer, die in weiße Gewänder eingehüllt waren, auf und sagten: ‚Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da und blickt zum Himmel empor? Dieser Jesus, der aus eurer Mitte in den Himmel emporgehoben worden ist, wird in derselben Weise kommen, wie ihr ihn in den Himmel habt auffahren sehen.‘ Du weißt ja, dass die Christen Jeschua „Jesus“ nennen. Über Jeshuas Geburt lesen wir viel in den Schriften der Christen. So heißt es, er soll von einer Jungfrau auf die Welt gebracht worden sein – obwohl es eigentlich heißt: Eine junge Frau. Angeblich sagte ihr ein Engel voraus, dass sie ein Kind bekommen würde, obwohl sie nicht verheiratet war – und der wirkliche Vater Jeshuas soll angeblich der Heilige Geist gewesen sein. Ich habe Dir ja von dieser merkwürdigen Dreieinigkeitslehre der Christen erzählt: „Gott“ besteht, wenn man ihnen glaubt, aus drei Personen, die in Wirklichkeit aber eine seien: Jahwe, Jeshua und der Heilige Geist.“
„Aber ich schweife ab. Zurück zu den Ähnlichkeiten in Elias‘ und Jeshuas Leben. Hier gibt es wieder eine merkwürdige Parallele: Wie bei Moses wurde auch nach Jeshuas Geburt angeordnet, dass alle erstgeborenen Angehörigen unseres Volkes getötet werden sollten. Maria und ihr jetziger Ehemann und vermeintlicher Vater von Jeshua mussten nach Ägypten flüchten, um diesem Massenkindermord zu entkommen. Doch davon später mehr. Ich wollte Dir noch von weiteren Ähnlichkeiten in den jeweiligen Leben von Jeshua und Elias berichten.“
„Jeshua konnte – wie Elias – auch Kranke heilen, so heilte er auch die Schwiegermutter seines Jüngers Petrus. Und wie Elias konnte er Tote auferwecken. Einmal holte er einen toten Mann namens Lazarus nur mit dem Aussprechen der Worte: ‚Lazarus komm heraus‘ aus dessen Grab. Jeshua verwandelte Wasser in Wein und er schien der Schwerkraft zu trotzen, indem er über den See Genezareth ging. Jeshua war auch in der Lage, Wasser in Wein zu verwandeln. Jeshua konnte – wie Elias – scheinbar auch prophetisch reden. So sagte er die Zerstörung des damaligen Tempels hier in Jerusalem voraus.“
„Ich habe Dir ja vorhin erzählt, dass Elias im Auftrag Jahwes die Sündhaftigkeit unseres Volkes anmahnte. Jeshua ging noch weiter: Er legte sich mit den religiösen Führern seiner Zeit an. Jeshua prangerte deren Sturheit an und setzte sich an einen Tisch mit den Sündern, was von den Religiösen nicht gerne gesehen wurde. Er tat den Ausspruch: ‚Niemand kann zwei Herren dienen‘. Da spielte er schon auf die beiden Gruppen der Zeitreisenden an. Ein scheinbarer Unterschied zwischen Jeshua und Elias ist aber, dass Jeshua niemanden abschlachten ließ, sondern die Liebe lehrte, die Jahwe in der Thora – und man muss es so deutlich sagen – manchmal vermissen ließ. Doch auch Jeshua bekam seine Wutanfälle, auch wenn das von den Christen nicht so öffentlich gemacht wird. Ja, er widersprach sich manchmal selbst, wenn er z. B. sagte: ‚Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert‘. In gewisser Hinsicht also doch ganz der Papa…“
„Dieser merkwürdige junge Mann redete auch in sogenannten Gleichnissen, also in bildlichen Erzählungen, in der er Dinge anhand eines Vergleichs erklärte, die seine Jünger oft zunächst nicht verstanden. Du weißt doch, was ein Jünger ist, Ziva? Ich meine, wir hätten schon mal darüber gesprochen.“
„Ja, das waren die engsten Nachfolger von Jeshua“, sagte Ziva gedankenverloren.
Und Nathaniel führte seine Gedanken weiter: „Obwohl Jeshua einmal gesagt hat, er sei gekommen, um das Schwert zu bringen, machte er keine Anstalten, unser Volk von den römischen Besatzern zu erretten. So führte sein Jünger Judas eine Situation herbei, in der Jeshua sich wehren musste – oder eigentlich hätte wehren müssen. Du kennst doch die Geschichte vom Garten Gethsemane?“
„Ja natürlich“, sagte Ziva, jetzt ein wenig forscher. „Judas hatte Jeshua verraten. Er lockte Jeshua in einen Hinterhalt und zeigte für ein bisschen Geld den römischen Soldaten im Garten Gethsemane durch einen Kuss, wer von den Leuten, die da waren, Jeshua war. Ja, und ein hitzköpfiger Jünger, Petrus, hieb einem Römer, der Jeshua festnehmen wollte, ein Ohr ab. Und Jeshua nähte irgendwie das Ohr wieder an. Ist doch eine komische Sache, dass ein Mann, der gesagt hat, er sei gekommen, um das Schwert zu bringen, so handelt. Aber das hast Du mir doch alles schon mal erzählt!“
Nathaniel ging auf diese Bemerkung nicht ein und berichtete weiter: „Auf jeden Fall wurde Jeshua von den römischen Soldaten wegen Gotteslästerung festgenommen. Er hatte ja mehrmals angedeutet, dass er der Sohn Gottes sei. Ich werde Dir gleich von seiner Kreuzigung erzählen und den Umständen, die nicht so bekannt sind.“
„Jeshua tauchte nämlich drei Tage nach seinem Tod wieder auf und wurde von den Jüngern merkwürdigerweise nicht erkannt. Die Schriften der Christen sagen, er sei in einem ‚Herrlichkeitsleib‘ erschienen, was immer darunter zu verstehen ist. Nach seiner Auferstehung setzte er seine Jünger als seine Nachfolger ein. Nachdem er sich vorgestellte hatte, hatten sie ihn plötzlich erkannt. Später fuhr er wie Elias auf in den Himmel.“
„Im Leben Jeshuas spielten zwei Menschen eine große Rolle, wie man erst beim zweiten Blick in die christlichen Schriften feststellt.“
„Und wer waren die?“, fragte Ziva.
„Nun, der eine war Nikodemus. Der Name ist griechisch und bedeutet ‚Sieger des Volkes‘. Er war Pharisäer und Schriftgelehrter, und er lehrte in Israel. Er traf sich heimlich mit Jeshua, war also gewissermaßen ein ‚heimlicher Jünger‘ Jeshuas. Aus seinen Worten schließen die Born-Again-Christen, dass sie geistig wiedergeboren werden müssen. Jeshua sagte zu Nikodemus: ‚Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen. Was aus dem Geist geboren ist, das ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Der Wind weht, wo er will, und Du hörst sein Sausen wohl, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er fährt. Ebenso verhält es sich auch mit jenen, der aus dem Geist geboren ist.“
Ziva wunderte sind einmal mehr, wie ihr Großvater immer diese langen Passagen auswendig sagen konnte. Anderseits verstand sie jedoch nicht, was Jeshua in dieser Bibelstelle mit diesen Worten sagen wollte.
Nathaniel redete weiter. Ziva hatte gehofft, dass er die Worte Jeshuas noch erklären würde, doch Nathaniel machte an einer anderen Stelle weiter: „Nikodemus war aber nicht immer ein heimlicher Jünger, sondern nach Jeshuas Tod bekannte er sich öffentlich zu ihm und bot seine Hilfe bei der Grablegung an.“
„Die zweite Person war Josef von Arimathäa – der war ein Mitglied des Hohen Rates und ebenfalls heimlicher Jünger Jeshuas. Er hatte Angst vor den Juden, die, wie ich Dir ja bereits erzählt habe, Jeshua für einen Gotteslästerer hielten. Dieser Josef war ein vornehmer Mann. Er beteiligte sich nicht an der Verurteilung Jeshuas, und nach der Kreuzigung des Jeshua ging Josef furchtlos zum Statthalter Pontius Pilatus und bat ihn, die Abnahme der Leiche Jeshuas vom Kreuz vornehmen zu dürfen. Und Pilatus gewährte diese Bitte. Interessant ist, dass, als Jeshua vom Kreuz abgenommen werden sollte, auch Nikodemus hinzukam. Der brachte ein Pfund Myrrhe und Aloe mit – 100 Pfund davon. Dann nahmen die beiden die Leiche Jeshuas und wickelten ihn ein in Leinwandstreifen mit wohlriechenden Stoffen. Du weißt ja, Ziva, dass das auch heute noch üblich ist.“
„Jedenfalls brachten Josef und Nikodemus der Körper Jeshuas in ein neues Grab in einem Garten nahe der Kreuzigungsstätte, in dem noch nie jemand gelegen hatte.“
„Da waren also zwei Leute, die das Leben Jeshuas im Stillen genau beobachtete hatten, die plötzlich ein starkes Interesse an dieser Leiche zeigten.“
„Was war denn so besonderes an dieser Leiche?“, fragte Ziva.
Ziva konnte ein leichtes Schmunzeln in dem Gesicht ihres Großvaters erkennen, als er sagte: „Vermutlich, dass es gar keine war!“