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Vorwort

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Wir leben in einem Zeitalter der Ratlosigkeit. Die sozialen Probleme, die im hohen Maße Störungen des gesellschaftlichen Lebens mit sich bringen, verstärken sich weltweit immer mehr. Das hat mehrere Gründe. Die schnelle kulturgeschichtliche Entwicklung, besonders im Zeitalter der profitorientierten Globalisierung, stellt die Weltbevölkerung vor gewaltige Probleme. Denn der menschliche „Steinzeitkörper“ hat sich an die Herausforderungen der modernen „Zivilisation“ kaum anpassen können. Dazu muss man wissen, dass im weitaus größten Zeitraum seiner Stammes- und Kulturgeschichte der Mensch ausschließlich als Jäger und Sammler in überschaubaren Sozialverbänden gelebt hat. Seit der Sesshaftigkeit in der Jungsteinzeit hat er seine natürliche Umwelt tiefgreifend umgestaltet. Unser Alltagsleben wird heutzutage von hochentwickelter Technik und in immer stärkerem Maße von „megaurbanen“ Regionen geprägt. Hinzu kommt, dass es an kompetenten Instanzen mangelt, die auf die sozial-globalen Probleme nachhaltig Einfluss nehmen könnten. Die politisch Verantwortlichen sind kaum in der Lage, wirklich wirksame Lösungen zu entwickeln, die den stammesgeschichtlichen Wurzeln der Menschen gerecht werden. Der Grund dafür liegt in deren politischen Denkmustern, die ideologisch ausgerichtet sind, und in deren kurzzeitstrategischen Handlungsweisen.

Die Veränderungen im Hinblick auf Gesellschaftsstrukturen lässt sich an folgenden Beispielen aufzeigen: Die „offene Gesellschaft“ ist ein Gesellschaftsmodell des Philosophen Karl R. Popper (1902–1994), das in der Tradition des Liberalismus steht und die „kritischen Fähigkeiten des Menschen“ zum Ziel hat. Der Begriff „Wissensgesellschaft“ bezeichnet ein Gesellschaftssystem in hochentwickelten Ländern, in dem „individuelles und kollektives Wissen und seine Organisation vermehrt zur Grundlage des sozialen und ökonomischen sowie des medialen Zusammenlebens werden.“ [Zitiert nach Wikipedia] Der Ökonom und Soziologe Oliver Nachtwey deutet eine Gesellschaft, in der das Normalarbeitsverhältnis erodiert, der Rückbau sozialstaatlicher Sicherungen stattfindet, das Anwachsen des Prekariats und das Schrumpfen der Mittelschicht sich abspielt, als „Abstiegsgesellschaft“. Es gibt allerdings auch abschätzige Bezeichnungen für Gesellschaftsformen wie „Darstellungsgesellschaft“ und „Palavergesellschaft“.

Unsere frühzeitlichen Vorfahren, die sich vor 300.000 Jahren in Afrika als Homo sapiens sapiens (auch anatomisch moderner Mensch genannt) entwickelt hatten, lebten in kleinen, gut aufeinander abgestimmten Sozialverbänden auf der Grundlage von Kooperation. An sie wurden hohe Anforderungen gestellt. Die frühzeitlichen Menschen, die über Sozialstrukturen und Intelligenz verfügten, hatten Verhaltensweisen entwickelt, die wir als steinzeitliches Erbe heutzutage auch noch anwenden müssen. Dies lässt sich auch von den Neanderthalern sagen. Daher wird auch ihnen ein eigenes Kapitel gewidmet.

Das Zusammenleben in den heutigen „Megasozialverbänden“ erfordert ständige Strategiewechsel. Es betrifft jeden von uns als Stadt- oder Landbewohner, da immer mehr Herausforderungen im Alltag bewältigt werden müssen. Welche Strategien für das Natur- und Kulturwesen Mensch wichtig sind, um im Alltag überleben zu können, wird in diesem Buch beschrieben. Diese Anpassungsfähigkeiten beruhen auf der Grundlage angeborener und erworbener Verhaltensweisen. Von einigen Idealvorstellungen bezüglich des Menschen und menschlicher Gesellschaftsformen sollte man sich allerdings trennen:

 Nach Aussage des Primatologen Jürgen Lethmate „ist der Mensch körperlich, sozial-emotional und geistig nur als Produkt der Primatenevolution zu begreifen.“

 Eine selbstlose Gesellschaft nach sozialistischem bzw. kommunistischem Muster lässt sich nicht verwirklichen. Aus evolutionärer Sicht betrachtet kann Sozialismus nicht funktionieren, „weil seine ökonomische Belohnungsstruktur der menschlichen Natur zuwiderläuft.“ (Zitiert nach Frans de Waal) Daher gibt es auch keine soziale Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft („Dem einen wird etwas weggenommen, damit es anderen gegeben werden kann.“)

 Gesellschaften sind heterogen. So gibt es beispielsweise Mitmenschen mit „dissozialen Persönlichkeitsstörungen“, urbane Einzelkämpfer, Modernisierungsverlierer, Mitmenschen aus bildungsfernen Schichten und Vertreter der „Generation Beziehungsunfähig“ (Michael Nast). Diese Mitmenschen machen im Grunde nur eins: Sie wenden betriebswirtschaftliche Prinzipien auf ihr Privatleben an.

 Das Zusammenleben in „multikulturellen Gesellschaften“ kann nur dann gelingen, wenn die kulturellen und intellektuellen Ressourcen ihrer Mitglieder in gegenseitigem Verständnis und zum Nutzen aller eingebracht werden.

 Dass in modernen Gesellschaftsformen immer mehr physische und psychische Erkrankungen bei Mitmenschen zu beobachten sind, hängt damit zusammen, dass unsere biologische Evolution mit unserer kulturellen Evolution einfach nicht mehr Schritt halten kann. Daniel E. Lieberman spricht von einer „Missevolution“.

 Nach Ansicht des Ethnologen („Völkerkundler“) Paul Roscoe hat die Entwicklung des menschlichen Gehirns „nicht nur unsere kognitiven Kapazitäten allgemein erweitert, sondern auch unsere Fähigkeit, Gewalt zu organisieren, sie als strategisch-politisches Mittel einzusetzen und die Emotionen anderer Menschen zu manipulieren.“

Um in einer menschlichen Gesellschaft überleben zu können, ist es sinnvoll alle Verhaltensweisen anzuwenden, die dem Abbau von Aggressionen dienen. Neben der Ausübung von Begrüßungs- und Beschwichtigungsgesten sollte man auch stets bemüht sein, durch Aktivierung anderer Funktionskreise eine Verminderung von Spannungen zu erreichen. Dies wird beispielsweise bewirkt bei der Ausübung der Gastfreundschaft bei gemeinsamen Essen und Trinken, bei gemeinsamen Spielen und bei der Durchführung verschiedener Sportarten.

Als Homo sapiens sapiens („Der besonders kluge Mensch“) besitzen wir die Fähigkeit, unser Handeln auf Einsicht aufzubauen und über unsere Umwelt und über uns selbst nachzudenken. Durch das Vermögen sich zu erinnern, sich die Zukunft vorzustellen, zu planen und sich mitzuteilen, kann jeder von uns sein Schicksal in starkem Maße selbst steuern.

Nebenbei bemerkt: In diesem Buch wird nur stellenweise ein geschlechterbewusster Sprachgebrauch angewandt. Aus rationalen Gründen wurde bei der Erstellung des Manuskripts auf ein durchgehendes Gendering („Vergeschlechtlichung“) durch Verwendung des Binnen-I und dem sogenannten Gendergap sowie dem Gender-Star verzichtet. Als Autor möchte ich aber betonen, dass sich Personenbezeichnungen im Maskulinum nicht nur auf Männer, sondern auf beide Geschlechter gleichermaßen beziehen. Ermutigt wurde ich durch die Aussage der Feministin Alice Schwarzer: „Es muss Sprache bleiben und darf sich nicht in abstrakten Zeichen wie Sternchen und Unterstrichen verirren.“

Liebe Leserinnen und liebe Leser, es lohnt sich nun, das Buch konsequent bis zum Ende zu lesen. Aufgrund der Plastizität Ihres Gehirns werden Sie nach der Lektüre eine neue Persönlichkeit sein.

Ihr Rolf W. Meyer

Überleben im Alltag

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