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Vorwort

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„Handreichung“ ist ein Wort, das wir zunächst nicht im Zusammenhang mit helfenden Berufen und dem Thema sexualisierter Übergriffe erwarten – auch „Mitbetroffene“ geht weiter als das übliche Bild von den helfenden Professionellen. Vielleicht lösen beide Begriffe Irritationen aus, provozieren Protest: ich bin doch als helfende Person nicht mitbetroffen, und ich brauche ja selbst keine Hilfe! Damit bricht es schon mit zwei Tabus: dass nämlich Helfende nicht aus der professionellen Distanz heraus fallen und mitbetroffen sein dürfen, - und dass andererseits überhaupt eine helfende Hand da sein könnte, die ihnen Unterstützung bietet.

Die Frage danach, wie authentisch und offen Betreuende nach der Intervention bei sexuellem Missbrauch sein dürfen und sollten, wie sie mit dem Thema gegenüber anderen Mitarbeiter/innen, Eltern, Kindern umgehen können, ist bisher eher vernachlässigt worden. Auch wenn die Klärung des „Falles“ geschehen ist, zuständige Institutionen Ihnen die Verantwortung für das weitere Wohlergehen und den Schutz des betroffenen Kindes abgenommen haben – Sie bleiben involviert, denn das Thema ist „aus dem Sack“ und alle, die es berührt hat, müssen einen Umgang damit finden. Viele Professionelle haben selbst einmal Missbrauch und sexualisierte Übergriffe erleben, und werden vermutlich noch anders betroffen sein, vielleicht mit eigenen schmerzlichen Erinnerungen ringen oder damit hadern, wieder mit diesem Thema konfrontiert zu werden. Hier kann die vorliegende Broschüre Anregung und Unterstützung bieten, für sich selbst zu sorgen, die eigenen Grenzen und Verunsicherungen wahrzunehmen und aktiv damit umzugehen. Beispielhafte Gedanken, die sicher häufig sind, die von Professionellen so aber nicht gesagt werden dürfen, - beispielsweise, weil sie negative Gedanken gegenüber dem betroffenen Kind beinhalten -, finden im Folgenden einen Platz und Verständnis. Es kann entlastend sein zu wissen, dass sie natürlich sind und nicht gegen eine professionelle Grundhaltung sprechen. Wichtig ist, sich ihrer bewusst zu werden und einen Umgang damit zu entwickeln. Hier finden Sie viele konkrete Übungen, mit denen Sie sich zu sich selbst und in ihre Mitte zurück bringen können.

Die Einbeziehung des eigenen Verständnisses und Verhältnisses zu Sexualität ist ebenso wichtig wie ungewöhnlich. Zwar sind sexualisierte Übergriffe in erster Linie Gewalt, aber da sie sich auf der sexuellen Ebene abspielen, berühren sie auch den intimen Lebensbereich der Sexualität, der Körperlichkeit. Was Freude, Verbindung, Liebe und Sinnlichkeit geben sollte, wird benutzt, beschmutzt, verletzt. Auch das berührt nicht nur die betroffenen Kinder, sondern fordert alle Mitbetroffenen, sich zu positionieren, oft auch zu schützen, um nicht selbst ein Gefühl von Scham, Ekel oder Hass zu entwickeln. Was diese Broschüre so einfühlsam wie offen klar stellt: sich zu schützen heißt nicht, dem Thema aus dem Weg zu gehen, und Verdrängung schützt nicht vor Verletzung. Vielleicht ist es heute - trotz allgegenwärtiger Sexismen in den Medien - noch schwerer, über die eigene Sinnlichkeit und Sexualität zu sprechen, als über Gewalt.

Die vorliegende Broschüre macht Mut, dieses Tabu zu brechen, damit die von Ihnen betreuten Kinder ebenso die Erlaubnis erhalten, über ihren Körper, ihre Sinnlichkeit und ihre sexuellen Bedürfnisse und Grenzen zu sprechen. Dies ist ein emanzipatorischer Schritt und ein wichtiger Schlüssel zur Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder.

Minden, den 18.3.2013

Tara FrankeHebamme, Sexualpädagogin, Autorin

Besselstr. 16D-32427 MindenTel.: (0049) 571 3883770Fax: (0049) 571 3883110hebwerk@t-online.de

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