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Wie es begann

Seit wir in Reit im Winkl wohnen, unternehmen mein Mann und ich immer wieder mal größere Wanderungen in den Bergen, natürlich nur im Sommer. Dabei trifft man auf die eine oder andere bewirtschaftete Hütte, wo man seinen Durst und seinen Hunger stillen kann. Dazwischen sieht man aber auch aufgegebene Senn-Hütten, vor denen man auf der Hausbank in der Mittagssonne sitzen kann und zudem eine wunderschöne Aussicht hat.

Nähern wir uns einer solchen Hütte, vergewissern wir uns vorher, ob sie wirklich verlassen ist. Erst dann setzen wir uns auf die Bank und ruhen uns aus, genießen die Sonne und die Aussicht, ehe wir unsere Wanderung fortsetzen.

Im Sommer 2014 nun kamen wir an eine Hütte, auf deren Bank wir schon öfters Rast gemacht hatten. Schon von Weitem sahen wir, dass »unser« Platz besetzt war. Beim Näherkommen erkannten wir, dass es eine alte Frau war, die verträumt in die Berge blickte. Sie schien uns nicht zu bemerken. Wir wollten auf unsere Rast verzichten und diskret an der Hütte vorbeigehen. In dem Moment erblickte sie uns. Wir grüßten freundlich und wollten weiterwandern.

Da sprach sie uns an: »Lauft’s doch net weg. Auf dem Bankerl ist Platz für uns alle.«

Schon rückte sie ein wenig zur Seite. Das Angebot nahmen wir gerne an. Neugierig wie mein Mann ist, fragte er sie zunächst nach ihrem Alter. »Ja, was meinst, wie alt darf ich sein?«, kokettierte sie ein wenig. Ab 1000 Meter Meereshöhe duzt man jeden, ob man ihn kennt oder nicht.

»Also, achtzig darfst schon sein«, meinte er. Sie lachte: »Da hab ich ein bisserl mehr auf dem Buckel. 88 bin ich.«

»Donnerwetter, dafür hast dich aber gut gehalten. Du bist gewiss die Besitzerin der Alm?«

»Naa, naa, die Besitzerin bin i net«, gab sie bescheiden zu.

»Dann bist du auch eine Bergwanderin, die hier eine Rast eingelegt hat?«, setzte mein Mann das Gespräch fort.

»Wie man’s nimmt. Eine Bergwanderin bin ich schon. Aber ich gehe immer denselben Weg. Jedes Mal treibt es mich zu dieser Hütt’n.«

»Wieso das?«

»Weil ich zu der Alm eine ganz besondere Beziehung habe.«

Diese Aussage machte uns noch neugieriger. »In welcher Beziehung stehst du denn zu der Hütte?«, wollte mein Mann wissen.

»Über dreißig Jahre lang war ich Sennerin hier heroben.«

Nun schaltete ich mich in das Gespräch ein: »Sennerin? Würdest du mir ein bisschen davon erzählen?«

»Freilich, wenn es dich interessiert.«

»Das interessiert mich sogar sehr.«

Schon begann sie zu erzählen, zunächst über ihre Kindheit. Das fand ich so spannend, dass ich sagte: »Darüber könnte man glatt ein Buch schreiben.« Für meine Bücher bin ich nämlich immer auf der Suche nach guten Geschichten.

Sie lachte: »Ein Buch? Über mich? Eine so interessante Person bin ich doch gar nicht.«

»Sag das nicht. Das, was du mir bis jetzt erzählt hast, ist schon ungewöhnlich, und ich bin mir sicher, da kommt noch mehr, das meine Leser interessieren wird.«

»Ja, wenn du meinst, an mir soll es nicht liegen.«

Nun lässt sich ein ganzes langes Menschenleben nicht in einer halben Stunde auf einer Hüttenbank im Sonnenschein erzählen. Außerdem begann die Sonne langsam von uns wegzuwandern. Also fragte ich sie, ob ich sie daheim besuchen dürfe, und bat um ihre Adresse. Diese gab sie mir bereitwillig. »Mein Name ist Franziska, aber alle Welt nennt mich Fanni.«

Im folgenden Winter, als der Schnee in den Bergen unsere Wanderfreude bremste, besuchte ich Fanni immer wieder mal in ihrem kleinen Dachstübchen. Was sie in ihrer lebhaften Art erzählte, nahm ich mit meinem Kassetten-Rekorder auf.

Nicht nur ich hatte einen Gewinn von ihrem Bericht, sondern sie selbst auch. Nach der letzten »Sitzung« seufzte sie: »Schade, dass wir schon fertig sind. Es hat mich richtig gefreut, dass ich mein Leben mal jemandem erzählen durfte.«

Das liegt alles schon einige Jahre zurück. Nun endlich bin ich dazu gekommen, aus Fannis Erzählungen ein Buch zu schreiben. Beim Lesen ihrer Lebensgeschichte wünsche ich Ihnen gute Unterhaltung.

Roswitha Gruber

Nun lasse ich die ehemalige Sennerin zu Wort kommen.

Vom harten Leben einer Bauernmagd

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