Читать книгу DER ULL und die PLIMPIS - Rotraut Mielke - Страница 3

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Hier fängt die Geschichte an.

Am Rand eines Dorfes, gleich hinter dem letzten Haus, liegt eine große Wiese. Sie sieht vielleicht ganz genauso aus wie die Wiese, auf der du manchmal spielst. Aber auf dieser Wiese, von der ich erzählen möchte, wohnt schon seit vielen hundert Jahren das Volk der Plimpis.

Du hast sicher noch nie einen Plimpi gesehen, denn sie sind nur so groß wie ein Zeigefinger und so flink, dass ihnen unsere Augen nicht folgen können. Sie wohnen in einer Burg unter der Erde. Und auch die hat noch nie ein Mensch finden können. Denn wenn man über die Wiese geht, sieht man nur einen kleinen Erdhaufen, der so aussieht, als habe ihn ein Maulwurf zusammengeschoben.

Die Plimpis haben einen König, der dafür sorgt, dass es allen gut geht. Mit ihrem ruhigen, friedlichen Leben sind sie sehr zufrieden. Aber manchmal geschehen aufregende Dinge bei ihnen. Dann ist es für eine Weile aus mit der Ruhe, weil Abenteuer zu bestehen sind und Aufgaben gemeistert werden müssen. Von solch einem Abenteuer erzählt meine Geschichte.

Erstes Kapitel, in dem alle Plimpis sehr aufgeregt sind und Fridolin fast Prügel bekommt

Nur noch ein paar Stunden bis zum großen Ereignis! Mister Eusebius Fletcher zitterte richtig vor lauter Aufregung. Prüfend betrachtete er den Himmel, der sich wie eine dunkelblaue Samtdecke über ihm wölbte. Die Sonne hatte für heute alle ihre Strahlen auf die Erde geschickt und machte nun Platz für den Mond.

Zu den großen Feierlichkeiten hatte Mister Fletcher seine beste Kleidung herausgesucht. Er trug einen grasgrünen Anzug und darunter eine Weste, die in allen Farben des Regenbogens schillerte. Seine schwarzen Knopfaugen glänzten mit den blank polierten Schuhen um die Wette. Eine fein säuberlich gebundene lila Schleife prangte über dem weißen Hemd. Und auf seinem runden, freundlichen Gesicht strahlte unter der knubbeligen Nase ein Lächeln, das fast von einem Ohr bis zum anderen reichte.

„Ein wirklich guter Tag, ein großer Tag für die Plimpis“, murmelte er vor sich hin. Aber es gab noch so viel zu tun. Überall musste er als Minister seine Augen haben, damit auch alles gut vorbereitet war.

Mister Fletcher gönnte sich noch einen kurzen Blick zum Himmel, an dem jetzt der erste Stern erschien. Dann drehte er sich rasch zu der kleinen Pforte um, an der ein Wächter mit strenger Miene stand. Ein kurzes Kopfnicken, und schon eilte der Minister weiter in die große Halle.

Nichts entging seinem scharfen Blick. Soweit war alles zu seiner Zufriedenheit. Die Ehrentafel ganz vorne, an der später der König und die Königin Platz nehmen würden, war mit Glockenblumen und weißem Flieder geschmückt. Die langen Tische für die anderen Bewohner der Burg waren mit hellgrünen Farnblättern und den ersten Rosenblüten des Jahres dekoriert. Kunstvoll aus Gräsern geflochtene Körbe waren mit frischem Brot gefüllt. Auf jedem Platz standen ein Trinkgefäß aus Gänseblümchen und als Teller ein Blatt vom Johanniskraut. Der Duft von frischem Schnittlauch und Dill erfüllte die Luft. Dicke Büschel davon waren in ausgehöhlten Kürbissen auf den Tischen verteilt.

Extra für den heutigen Abend war das bekannte Grashüpferorchester ‚Die Super Grillen‘ eingeladen worden. Die Musiker hatten sich auf einem kleinen Podest eingerichtet und waren eifrig dabei, ihre Instrumente zu stimmen.

Auch die Beleuchtung war an ihrem Platz. Einhundertzwölf Glühwürmchen hatten sich rings um den Saal niedergelassen. Sie waren ein sehr schwatzhaftes Völkchen, standen in Grüppchen zusammen und tuschelten und schnatterten. Hin und wieder brachen sie in aufgeregtes Kichern aus.

Mister Fletcher richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. Würdevoll, aber doch mit ziemlicher Eile marschierte auf die Schwingtür am Ende des Saales zu. Dort war die Küche, wo er als nächstes nach dem Rechten sehen wollte.

Er war nur noch zwei Schritte von der Tür entfernt als die mit einem Ruck von innen aufgestoßen wurde. Ein Küchenjunge kam unter lautem Geschrei und Geheule herausgeflitzt. Ihm dicht auf den Fersen rannte die ebenso schreiende Oberköchin Mathilde und schwang drohend einen großen Kochlöffel. Mister Fletcher fackelte nicht lange. Er griff sich den Küchenjungen mit einer Hand und Mathilde mit der anderen.

„Was ist denn hier los?“, donnerte er die beiden an. Erst jetzt bemerkten sie, wer sie da gestoppt hatte. Sofort hörte das Schreien auf. Der Küchenjunge sackte erschrocken in sich zusammen. Mathilde schnaufte heftig und hatte ein knallrotes Gesicht. Sie versuchte, einen Knicks zu machen. Aber weil sie ziemlich rundlich war, geriet der Knicks etwas schief. Es sah so komisch aus, dass sich Mister Fletcher ein Lachen verkneifen musste.

„Dieser Bengel hätte um ein Haar den Kleeblütensirup anbrennen lassen“, berichtete sie, noch ganz außer Atem.

Mister Fletcher runzelte die Stirn. Kleeblütensirup war sein allerliebster Nachtisch, auf den er sich schon seit Tagen freute. Er zog den Küchenjungen an einem der etwas abstehenden Ohren näher zu sich heran. Der brüllte sofort wieder los. „Ich wollte doch nur mal schnell sehen, ob der erste Stern schon da ist. Ich war wirklich nur eine Minute weg. Und überhaupt bin ich so aufgeregt wegen der Ankunft, dass ich gar nicht weiß, wo mir der Kopf steht!“

Mister Fletcher lockerte seinen Griff an dem jetzt leuchtend roten Ohr. Er war ja selbst erst vor wenigen Minuten draußen gewesen, um nach dem Himmel zu sehen.

„Nun, Frau Mathilde, an einem Tag wie heute müsst Ihr schon ein wenig Nachsicht mit dem kleinen Burschen haben. Ich glaube, wir sind alle etwas aufgeregt. Die Ankunft ist ja auch etwas, das nicht jedes Jahr passiert.“

Die Köchin war wieder zu Atem gekommen und zupfte an ihrer großen, gestreiften Schürze.

„Nun ja, Ihr mögt schon Recht haben, Mister Fletcher. Ich habe den Kleeblütensirup ja auch noch retten können. Aber ein Lausebengel ist er trotzdem, der Fridolin. Ob aus dem mal was Gescheites wird, na, ich weiß nicht.“ Sie schüttelte ihren Kopf, so dass ihre weiße Rüschenhaube hin und her wackelte.

Der Minister war froh, dass er die beiden halbwegs zur Ruhe gebracht hatte. Nun ging er in die Küche. „Lasst mich doch einmal einen Blick auf das Festmahl werfen. Ich weiß, Ihr werden Euch mal wieder selbst übertroffen haben.“

Mathilde wurde ganz rot aus Freude über das Lob.

Der Küchenjunge folgte den beiden in gehörigem Abstand und ließ dabei Mathildes Kochlöffel nicht aus den Augen.

In der Küche dampfte und brodelte es in großen Töpfen und Pfannen. Die Köchinnen und Köche waren eifrig bei ihrer Arbeit. Mister Fletcher schnüffelte die verschiedenen Düfte, während ihm das Wasser im Mund zusammenlief.

„Da wären zunächst die Vorspeisen: Löwenzahnsalat mit junger Kresse, frische Bärlauchsprossen in Dillrahm und eine Liebstöckelpastete.“ Stolz zählte Mathilde die Speisen auf, während sie an einem der Tische entlangging. Alles sah sehr appetitlich aus. Mister Fletcher hätte gern gefragt, ob er wohl ein bisschen probieren dürfte. Aber er wusste, dass Mathilde gar nichts vom Naschen und Kosten hielt.

„Als Hauptgang habe ich gedünstete Pastinaken in einer Soße von Zitronenmelisse und eine Roulade von Mangoldblättern und Radieschen.“ Immer verlockender stiegen Mister Fletcher die Gerüche in die Nase. Ihm war schon ganz schwindlig davon.

„Und hier haben wir den Nachtisch: Waldmeister-Götterspeise, frisch gepflückte Walderdbeeren – und den Kleeblütensirup, den dieser Taugenichts fast hätte anbrennen lassen.“ Die Köchin betrachtete zufrieden ihr Werk.

„Ach Mathilde, was würden wir ohne Sie machen?“ Da war Mister Fletchers ehrliche Meinung. Neben seinem Amt als Minister war Essen seine zweite große Leidenschaft. Lächelnd strich er sich über seine Weste. Sein Bauch fühlte sich ziemlich leer an.

Mathilde räusperte sich, und er schrak zusammen.

„Kann das Essen pünktlich serviert werden? Es wäre schade, wenn alles kalt wird, nur weil die Königin wieder einmal nicht rechtzeitig mit dem Ankleiden fertig wird.“ Mathilde wollte nicht unhöflich sein, aber sie hatte so ihre Erfahrungen. Mit der Pünktlichkeit des Königs und der Königin war es nicht weit her.

„Als nächstes gehe ich zum Ankleidezimmer der Königin“, antwortete Mister Fletcher. „Ich gehe davon aus, dass wir pünktlich mit dem Essen anfangen. Schließlich können wir uns Verspätungen nicht erlauben, gerade heute, wo niemand die Ankunft verpassen will.“ Er schaute noch einmal sehnsüchtig auf die Schüssel mit dem Kleeblütensirup und zuckte dann traurig mit den Schultern.

Im Ankleidezimmer der Königin ging es lebhaft zu. Eine Schar junger Zofen, die sehr hübsch aussahen in ihren rosa Kleidern, wirbelte um Ihre Hoheit herum. Zwei von ihnen drehten die letzten Löckchen zu einer Frisur, die wie eine goldene Wolke über dem Gesicht der Königin schwebte. Zwei andere Zofen waren damit beschäftigt, die Spangen der Schuhe an den königlichen Füßen zu schließen. Das Festtagskleid lag ausgebreitet auf einem großen Tisch und wurde mit einem feuchten Tuch und einem heißen Eisen gebügelt. Das war eine schwierige Arbeit, für die man sehr viel Vorsicht und Übung brauchte. Hierfür war Josefine Blooming zuständig. Ihr Gesicht war ganz rot vor Anstrengung, und ihre Zungenspitze fuhr bei jedem Strich des Bügeleisens einmal von einem Mundwinkel zum anderen. Es war aber auch nicht einfach, sich auf seine eigene Arbeit zu konzentrieren und gleichzeitig auf die Zofen aufzupassen. Josefine seufzte leise. Bald waren sie fertig mit den Vorbereitungen und konnten zum Feiern gehen.

Einen kleinen Augenblick lang dachte sie an Antonio, den Anführer der königlichen Leibgarde. Was für ein gut aussehender Mann er doch war! Bald würde sie an seinem Arm zum Essen gehen. Sie war schon ganz kribbelig und klopfte mit dem Fuß den Takt eines Tanzliedes, während sie das Bügeleisen über den Kleidersaum führte.

Ein lautes Klopfen unterbrach ihre Gedanken, und sie runzelte die Stirn. Wer wagte es, jetzt Einlass in die königlichen Gemächer zu fordern? Sie setzte das heiße Eisen auf einen flachen Stein und öffnete die Tür einen Spalt breit. Natürlich, der Herr Minister, dieser Herr Wichtig! Da stand er nun mit seiner schillernden Galaweste und musterte sie von oben bis unten.

„Was gibt es?“

Das Protokoll erforderte es, dass sie Mister Fletcher mit großer Höflichkeit behandelte. Aber das hieß nicht, dass sie besonders freundlich zu ihm sein musste. Sie richtete sich zu ihrer größtmöglichen Größe auf und stellte zufrieden fest, dass sie den Eindringling um einen halben Kopf überragte.

„Miss Blooming, wie weit sind denn die Vorbereitungen der Königin gediehen? Werden wir das Festmahl pünktlich beginnen können? Sie wissen ja, der Zeitplan! Es ist gerade heute von höchster Wichtigkeit, dass wir rechtzeitig anfangen.“

Oh wie er es hasste, wenn sie ihn mit ihren großen, braunen Augen von oben herab musterte! Verstohlen stellte er sich auf die Fußspitzen und versuchte, noch ein wenig größer und wichtiger auszusehen. Vor lauter Anstrengung verlor er das Gleichgewicht und wäre um ein Haar hingefallen. Gerade konnte er sich noch an ihrem Arm festhalten.

Das ist nun wirklich die Höhe, was sich diese Person erdreistet, dachte Josefine und warf ihm einen bösen Blick zu. Der Minister erstarrte.

„Mister Fletcher, sieh an!“ Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann in kühlem Ton fort. „Wenn nicht dauernd jemand stören würde, der sich für unerhört wichtig hält, hätten wir es ganz bestimmt leichter, den Zeitplan einzuhalten. Aber trotzdem, und nun gerade! Die Königin wird pünktlich sein. Im Übrigen ist die Königin immer pünktlich. Sie wollen doch nicht sagen, dass die Königin unpünktlich wäre?“ Und dann knallte sie ihm die Tür vor der Nase zu.

So, diesem aufgeblasenen Kerl habe ich die Meinung gesagt, dachte sie und war sehr zufrieden mit sich. Die Zofen hatten mit ihren Arbeiten aufgehört, um dem Gespräch zuzuhören. „Was gibt’s da zu gaffen? Marsch, wieder an die Arbeit!“ Josefine klatschte in die Hände, und alle huschten wieder zurück an ihre Plätze.

Mister Fletcher zog ein großes Taschentuch aus der Hose und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Puh, diese Frau! Es war ihm unbegreiflich, warum Antonio gerade sie so gerne mochte. Er schüttelte den Kopf. „Mir kann sie gestohlen bleiben“, murmelte er. Er war Junggeselle, und das wollte er auch ganz sicher bleiben.

DER ULL und die PLIMPIS

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