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2.

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Hasard blickte noch einmal in Joseas dunkle, traurige Augen, ehe er in das am Ufer der Bucht bereitliegende Beiboot der „Isabella VIII.“ stieg und an Bord seines Schiffes zurückkehrte.

„Du glaubst also nicht mehr, daß alle Engländer gottverfluchte Schufte sind?“ fragte er sie.

„Nein, ganz bestimmt nicht. Unter den Ingléses gibt es gute und schlechte Leute, genau wie bei uns.“

Hasard lächelte. „Hoffentlich ist das nicht nur ein Lippenbekenntnis. Nein, nein, du brauchst jetzt nicht zu beteuern, daß du aufrichtig bist. Ich will dir vertrauen, Josea. Laß dir zum Abschluß nur noch eins gesagt sein. Der Kampf, den wir gegen Spanien-Portugal führen, hat nichts mit unserer Einstellung zu der Bevölkerung dieser beiden Länder zu tun. Man findet überall Freunde, wenn man nur will, und wir haben sogar einmal einen Spanier an Bord unseres Schiffes gehabt.“

„Teilt deine Königin diese Ansichten?“

„Die ‚Isabella‘ gehört nicht der offiziellen englischen Flotte an, Josea.“

„Aber wer bist du dann eigentlich, Lobo del Mar?“

„Ein Korsar – und ein Rebell, wenn du so willst.“

Eines ist sicher“, sagte sie leise. „Ich werde dich nicht vergessen. Es tut mir leid, daß ihr schon wieder aufbrechen müßt. Könnt ihr nicht noch bleiben?“

Segura und Franca, ihre jüngeren Schwestern, standen dich hinter ihr, blickten den großen Mann mit dem schwarzen Haar und den eisblauen Augen an und drückten allein durch ihr Mienenspiel die gleiche Bitte aus: Ja, bleib doch noch, Seewolf!

Hasard schaute an den Klippfelsen hoch, die die geschützt liegende Bucht säumten. Ganz oben stand die Abuela, die Großmutter Brancate, eine urwüchsige, knorrige Gestalt, die mit dem schroffen Gestein verwachsen zu sein schien. Sie hatte die halbe Meile Weg vom Haus der Brancates zur Bucht nicht gescheut. Mitgelaufen war sie, um den Seewölfen. Adios zu sagen, und in diesem Augenblick hob sie ihren Stock und winkte Hasard damit zu.

Auch der Profos Carberry, der gerade in dem zweiten Beiboot zur „Isabella“ übersetzte, blickte zu der alten Frau hinauf. Er grinste, richtete sich dann kerzengerade auf und brüllte in seinem fürchterlichen spanischen Kauderwelsch: „Leb wohl, Rose von Portugal, und nochmals vielen Dank für den guten Landwein. Wir werden das Zeug schon alle kriegen. Und natürlich passen wir auf, daß wir die Flaschen nicht verwechseln, du kannst dich darauf verlassen!“

„Na“, sagte Big Old Shane, der auf der Ducht hinter Carberry saß. „Da würde ich mal nicht so sicher sein. Es gibt Leute, die vor lauter Zerstreutheit den falschen Wein saufen. Und dann buddeln sie ab und pennen ein, wie man so schön sagt.“

Der Profos drehte sich halb zu ihm um. „Sag mal, auf was willst du eigentlich anspielen, du alter Eisenbieger?“

„Ach, ich meine das nur so“, erwiderte Shane mit breitem Grinsen.

Ferris Tucker, Ben Brighton, Dan O’Flynn und die anderen im Boot begannen zu lachen.

„Ihr Heringe“, brummte Carberry. „Paßt bloß auf, daß ihr nicht baden geht. Das kann euch nämlich ganz schnell passieren, wenn ihr nicht eure dämlichen Schandmäuler haltet.“

Es wurmte ihn mächtig, daß sie ihn wegen seines Ungeschicks auf den Arm nahmen. Etwas zu voreilig hatte er nämlich Pinho Brancates Gastfreundschaft angenommen und einen Becher von dem „vorzüglichen portugiesischen Landwein“ in sich hineingekippt. Daß dem Rebensaft eine gehörige Dosis Schlafmittel beigepanscht war, hatte er etwas später dann am eigenen Leib erfahren.

Die Abuela hatte gegen ihren Willen den Schlaftrunk zubereitet, weil ihr Sohn Pinho ihr immer wieder angedroht hatte, er würde sie in einem kleinen Boot den Dämonen der See ausliefern, falls sie sich weigere. Carberry hatte dieses Boot im Keller des Hauses inzwischen zerstört – und die Abuela war zufrieden.

Fässer und Korbflaschen verschiedener Größen waren an Bord der „Isabella“ gemannt worden, nachdem die unerfreuliche Episode in der Herberge der Brancates überstanden gewesen war. Trinkwasser aus dem Brunnen befand sich in den Fässern, die Korbflaschen enthielten weißen und roten Wein, wobei der Großteil davon tatsächlich naturrein und unverfälscht war, wie die Abuela und die drei Mädchen glaubhaft versichert hatten. Vorsichtshalber und für alle Fälle hatte der Seewolf aber auch den Rest des Schlaftrunks mitgenommen – der schwappte in drei besonders gekennzeichneten Flaschen.

Hasard richtete seinen Blick wieder auf die Mädchen. „Und ihr werdet nun wirklich keine Seeleute mehr in euer Haus locken und überrumpeln?“

„Wir schwören es“, sagte Josea.

„Wer am Riff Schiffbruch erleidet, dem werden wir helfen“, versicherte Segura. „Nur das – ohne uns zu bereichern.“

„Und wovon wollt ihr leben?“

„Von ehrlicher Arbeit“, antwortete die dreizehnjährige Franca.

„Das ist seltsam“, entgegnete der Seewolf. „Ich glaube euch wirklich. Vielleicht muß ich es eines Tages bereuen. Aber auf eins könnt ihr euch verlassen: Sobald sich mir die Gelegenheit dazu bietet, komme ich wieder und prüfe nach, ob ihr Wort gehalten habt.“

Josea musterte ihn ernst. „Seit wir durch einen reinen Zufall vernommen haben, daß unser Vater und unsere Brüder uns hinters Licht geführt haben, ist alles anders. Für uns ist eine Welt zusammengebrochen. Unsere Eltern und unsere Brüder – sie haben uns angelogen und uns für ihre verbrecherischen Zwecke ausgenutzt. Niemals hätten wir mitgemacht, wenn wir gewußt hätten, daß sie ihre Opfer von den Klippen stürzten, statt sie irgendwo auszusetzen und unbehelligt zu lassen.“

„Der Padre sagte uns immer wieder, der Schlaftrunk raube einem Mann auch die Erinnerung“, fügte Segura bitter hinzu. „Deswegen glaubten wir ihm. Wir dachten, keiner der um sein Hab und Gut Erleichterten würde jemals in Erwägung ziehen, zu uns zurückzukehren, weil er eben nicht mehr wußte, wie ihm geschehen war.“

Franca sagte: „Du solltest auch von den Klippen stürzen, Lobo del Mar. Du und deine Männer. Und genauso sollte es dem Capitán Monforte und seinen Freunden ergehen.“

„Pinho, Emilia, Charutao und Iporá haben ihre gerechte Strafe verdient“, sagte Hasard. „Vergeßt aber nicht, daß sie eure Eltern und eure Brüder sind. Vielleicht bereut ihr noch, daß ihr ihnen trotz allem nicht mehr beigestanden habt.“

„Nein“, sagte Josea, und es klang fast erschreckend hart. „Wir können sie nicht bedauern. Jetzt nicht mehr. Mörder gehören hingerichtet, so bitter das auch für die Familie ist. Aber wir haben die Abuela, die uns als guter Geist des Hauses zur Seite steht.“

Hasard drehte sich zum Beiboot um. Matt Davies und die anderen Insassen blickten ihn fragend an. Ja, es wurde Zeit, daß auch sie sich an Bord der Galeone begaben. Je länger sie jetzt noch in der Bucht verweilten, desto gefährlicher wurde dieses Versteck für sie.

Die See hatte sich beruhigt, und ein frischer Wind aus Nordwesten konnte schon bald die Konfrontation mit einem gegnerischen Schiff oder gar mit einem ganzen Verband herbeiführen. Die Spanier und Portugiesen kontrollierten ihre Küsten scharf, denn nach dem Überfall auf Cádiz waren sie außer sich vor Wut. Es war gut, jetzt Abstand zu ihnen zu gewinnen.

Hasard wandte sich wieder zu den Mädchen um. „Der Richter, dem Capitán Monforte die vier übergibt, wird Pinho, Emilia, Charutao und Iporá schwerlich nachweisen können, was sie in den vergangenen Jahren getan haben. Nur Alvaro Monfortes Wort hat Gewicht, die Aussage eines Kapitäns der unüberwindlichen Armada. Wegen des Versuchs, die Männer der ‚Sao Sirio‘ nach allen Regeln der Kunst auszuplündern, wandern eure Angehörigen sicherlich für einige Jahre hinter Gitter. Wenn sie wieder freigelassen werden, wird ihnen die Lust vergangen sein, ihre Mitmenschen auszunehmen.“

Josea seufzte. „Hoffentlich.“

„Hin und wieder bringen wir ihnen etwas zu essen in den Kerker“, sagte Franca. „Nicht wahr, das tun wir doch, oder?“

„Ja, ja“, erwiderte Segura. „Aber darüber brauchen wir uns jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen.“

Hasard griff in die Tasche. „Das finde ich allerdings auch. Sorgen müßt ihr euch vielmehr um euren Lebensunterhalt machen. Es ist furchtbar, hungern zu müssen, ihr habt es am eigenen Leib erfahren, und ich will nicht, daß ihr wieder in so große Not geratet.“ Er brachte einen kleinen ledernen Beutel zum Vorschein. „Ja, Josea, es stimmt, wir befördern natürlich kein Getreide für die irischen Speicher in den Frachträumen unseres Schiffes. Ihr könnt erraten, was ein Korsar als Ladung mit sich führt.“

„Schätze“, flüsterte Segura. „Haufenweise Kostbarkeiten – wie die in deiner Kammer, Lobo del Mar. Mein Gott.“

Hasard drückte Josea den Lederbeutel in die Hand. „Ich hoffe, ihr habt ein sicheres Versteck irgendwo in eurem Haus. Keiner außer euch darf von diesem Beutel wissen.“

„Sicher!“ rief Franca begeistert aus. „Der ausgehöhlte Ziegelstein in der Kammer unserer Madre und unsres Padre! Einen besseren Platz gibt es nicht!“

„Na also“, sagte der Seewolf lächelnd.

„Einen Augenblick“, stieß Josea jetzt hervor. „Das können wir aber nicht annehmen, Hasard. Erst werdet ihr in unserer Herberge angegriffen und riskiert euer Leben, und dann übergibst du uns auch noch ein Geschenk.“

„Mein Geschenk an drei blühende Schönheiten“, entgegnete der Seewolf. „Ihr dürft es nicht zurückweisen, denn vielleicht hängt eure Zukunft davon ab. Eure Zukunft ist mir nicht gleichgültig. Haben wir uns jetzt verstanden?“

Joseas Augen schimmerten feucht, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, dem Seewolf die Hände auf die Schultern legte und ihm einen Kuß gab. Sie verlor dabei den Lederbeutel aus den Händen. Er fiel auf die Kieselsteine des Ufers.

Franca bückte sich und hob den Beutel auf.

Hasard löste mit sanfter Gewalt Joseas Hände von seinen Schultern. Er verabschiedete sich auch von Segura und Franca, indem er sie väterlich auf die Wange küßte, kehrte dann auf dem Absatz um und ging zum Boot.

Josea und Segura hielten ihre Tränen nicht mehr zurück. Francas Abschiedsschmerz wurde indes durch den Inhalt des Beutels gelindert. Das Mädchen hatte sich auf die Steine gehockt und die kleine, weiche Ledertasche geöffnet. Perlen und Goldschmuck glitten in ihre Hand, als sie den Beutel umstülpte und schüttelte.

„Por Dios“, hauchte sie überwältigt. „Santissima Madre, das darf nicht wahr sein.“

Das Beiboot der „Isabella“ dümpelte im Flachwasser. Matt Davies, Batuti und die anderen Rudergasten saßen auf den Duchten und hielten die Riemen bereit, um loszupullen.

Hasard watete ein Stück durchs Wasser und kletterte auf die Heckducht. Er ergriff die Ruderpinne und gab seinen Männern das Zeichen zum Pullen.

Kaum hatte das Boot sich in Bewegung gesetzt, da erklang aus dem Großmars der „Isabella“ ein Ruf. Hasard hatte alle Posten an Land abgezogen. Die komplette Crew befand sich an Bord der „Isabella“, und als Ausguck war wieder Bill, der Moses, in den Großmars aufgeentert.

„Sir!“ rief der Junge. „Schiffe im Nordwesten! Ich habe ihre Mastspitzen soeben hinter den Felsen auftauchen sehen!“

„Besuch“, sagte der Seewolf gepreßt. „Verdammt und zugenäht, wir hätten doch eher in See gehen sollen. Wenn das Dons sind, sitzen wir in der Falle.“

Die Männer begannen wie besessen zu pullen.

Kaum an Bord der „Isabella“ angelangt, enterte Hasard mit Dan O’Flynn in den Vormars auf, um sich selbst ein Bild von der Lage zu verschaffen. Mit ihren Kiekern spähten sie über die Klippfelsen nach Nordwesten – dorthin, wo sich das Riff befand, von dem die Brancate-Mädchen ihnen mittlerweile erzählt hatten.

Nur die Masten waren von den fremden Schiffen zu erkennen, einen Ausblick auf ihre Aufbauten und Rümpfe ließen die sichtversperrenden Felsen nicht zu.

„Drei Schiffe“, sagte Dan O’Flynn.

„Eine lateinergetakelte Zweimast-Karavelle und zwei Galeonen, wie es den Anschein hat“, meinte der Seewolf. „Auf jeden Fall zwei Rahsegler, einer mit zwei, der andere mit vier Masten. Sie führen die spanische Flagge, wir brauchen uns also keinen Hoffnungen hinzugeben, es etwa mit Freibeutern zu tun zu haben.“

„Nein. Aber eine Galeone mit zwei Masten, hältst du das wirklich für möglich?“

Hasard grinste. „Ich halte es für möglich, daß die Galeone im Sturm schwer angeschlagen worden ist und einen Mast eingebüßt hat, so wie sein Rigg durchs Spektiv aussieht.“

„Richtig, das kann natürlich sein. Mann, bin ich denn heute total vernagelt?“

„Vergiß die Mädchen, Dan.“

„Das habe ich schon getan.“

„Es wird ernst, mein Freund. Wir kriegen gleich ein genaueres Bild von den Seglern dort, denn sie sind nach meiner Schätzung inzwischen an dem Riff vorbei und steuern mit raumem Kurs fast direkt auf die Einfahrt der Bucht zu.“

„Der Teufel soll sie holen! Konnten die nicht aufs Riff brummen?“

„Nicht bei Ebbe, Dan.“

„Hölle, sie haben die Felsen aus dem Wasser ragen sehen“, wetterte der junge Mann. „Und genauso entdecken sie gleich auch die Bucht, die bei diesem Wetter und dieser klaren Sicht höchstens ein Blinder verfehlen könnte. Wer sind die Hunde? Eine Patrouille, die die Küste nach Störenfrieden absucht?“

„Dan, schau genau hin. Sollten wir den Viermaster nicht kennen?“

Dan ließ den Kieker sinken und kratzte sich am Hinterkopf. „Also, gesetzt den Fall! Da wäre doch ein ganz klarer Widerspruch. Gut, wir wissen jetzt, daß Monforte mit seiner ‚Sao Sirio‘ dem Verband von do Velho angehörte und dieser Verband aus fünf Schiffen bestand. Wir wissen ferner, daß Lucio do Velho, dieser Bastard, wie durch ein Wunder unser letztes Rendezvous in der Walfischbucht überlebte und auch seine ‚Candia‘ wiederfand. Aber ich frage dich, wieso sollte der nach Süden zurücksegeln, da er doch geradezu versessen darauf zu sein scheint, Nordkurs zu halten?“

„Stellen wir jetzt keine Mutmaßungen an“, erwiderte Hasard. „Monforte wollte ja auch nichts über den Auftrag sagen, mit dem do Velho unterwegs ist. Soweit ließ unser Freund die Geheimhaltung einem ‚Iren‘ gegenüber eben doch gelten.“

„Sir!“ rief Bill aus dem Großmars zu ihnen herüber. „Die Schiffe geraten ziemlich nahe an uns heran!“

„Danke, Bill“, erwiderte der Seewolf. „Von jetzt an nicht mehr rufen, verstanden? Der Gegner könnte uns hören.“

„Aye, Sir“, sagte Bill.

Hasard und Dan enterten wieder ab. An Deck herrschte rege Tätigkeit. Die Beiboote waren hochgehievt und festgezurrt worden, jetzt bedienten die Männer unter Carberrys barschen Anweisungen das Gangspill auf der Back, um den Anker zu hieven.

„Ben, Ferris, Shane, Smoky“, sagte der Seewolf. „Wir machen gefechtsklar. Haltet auch die Höllenflaschen und die Brandsätze bereit, die wir noch haben, vergeßt nicht, Brandpfeile vorzubereiten.“

Sekunden später wurden die Culverinen der „Isabella“ ausgerannt, die Drehbassen auf Vor- und Achterdeck geladen, sowie alle weiteren Vorbereitungen für einen eventuellen Kampf getroffen. Routinemäßig wickelte die Crew jeden Handgriff ab, und im Nu hatte sich die Galeone in eine schwimmende Bastion verwandelt. Brüllen durfte auch Carberry nicht mehr, aber das Ganze lief doch nicht ohne sein Gefluche und Gemecker ab, denn wenn der Profos nicht mehr fluchte, fehlte der Suppe die Würze, wie der Kutscher gelegentlich zu sagen pflegte.

Carberry „flüsterte“ also, was bei ihm mit normalem Sprechen gleichbedeutend war. Wehe, wenn er wirklich mal richtig flüsterte! Dann war Holland in Not und knüppeldicker Verdruß in Sicht, denn jedem Höllensturm geht meist eine beängstigende Ruhe voraus.

Zum Auslaufen bereit lag die „Isabella VIII.“ in der Felsenbucht. Ihr Bug wies nach Norden. Hasard ließ die Fock setzen, um seinem Schiff ein wenig Fahrt zu verleihen und es von der Einfahrt wegzumanövrieren. Falls der Feind von außen nur einen Blick in die Bucht warf, sollte er die „Isabella“ nicht sehen.

Josea, Segura und Franca waren inzwischen in die Felsen aufgestiegen und hatten sich zu ihrer Abuela gesellt. Die alte Frau, immer noch im Vollbesitz ihrer Sinne, hatte die fremden Schiffe ebenfalls entdeckt und bedeutete den Mädchen in diesem Moment, sich ruhig zu verhalten. Die vier duckten sich hinter die Steinquader, zwischen denen Dan O’Flynn am Vorabend seine erste Begegnung mit Segura und Franca gehabt hatte.

Hasard kontrollierte die Gefechtsstationen nur kurz, er konnte sicher sein, daß seine Männer es nicht an der nötigen Sorgfalt mangeln ließen. Der Kutscher lief noch auf und ab und streute Sand an Oberdeck aus, der der Crew im Gefecht einen sicheren Stand auf den Planken sicherte und außerdem das Ausbreiten von Feuersbrünsten eindämmte. Hasard schritt an ihm vorbei, erklomm die Hauptwanten und enterte zu Bill in den Großmars auf.

Arwenack, der Schimpanse, leistete dem Jungen dort oben Gesellschaft. Der Affe rückte bei Hasards Erscheinen respektvoll zur Seite, hob die Augenbrauen, furchte die Stirn und beobachtete mit wachsender Besorgnis, wie der Kapitän und der Moses nach Backbord blickten und sich unterhielten. Ärger würde es geben, das hatte auch Arwenack bereits begriffen. Er stellte sich sozusagen seelisch darauf ein. Wenn es ganz hart kam, würde er sich unter Deck verkriechen, aber nur im äußersten Notfall.

Von dem Viermaster, der den beiden anderen Schiffen voraussegelte, war jetzt etwas mehr zu erkennen. Hasards Blick durchs Spektiv wanderte an den Masten und Rahen und am Rigg der Galeone auf und ab. Erinnerungen wurden in ihm wach, und sein Herz schlug plötzlich schneller.

„Ich habe keinen Zweifel mehr, Bill“, sagte er.

Bill, der von den Ereignissen im Haus der Brancates und von Alvaro Monfortes Schilderungen noch keinen genauen Bericht vernommen hatte, erwiderte: „Sie meinen – Sie haben das Schiff erkannt, Sir?“

„Ja. Es ist die ‚Candia‘.“

„Die Galeone des Hetzers“, sagte der Schiffsjunge. „Allmächtiger, da können wir aber wirklich auf ein heißes Gefecht gefaßt sein, Sir. Da werden die Fetzen fliegen.“

„Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir haben zwar die denkbar ungünstigste Position, falls die Kerle uns hier aufstöbern und das Feuer auf uns eröffnen, aber wir werden ihnen trotzdem eine Überraschung bereiten, Bill, das schwöre ich dir.“

„Und dann wagen wir den Durchbruch, nicht wahr?“

„Mit Todesverachtung, jawohl.“

„Sir, ich wünsche diesem Kommandanten do Velho und seinen Leuten, daß sie sich vor Schreck die Hosen vollmachen, sobald sie uns zu Gesicht kriegen“, sagte der Moses.

Hasard mußte lachen, obwohl ihm nicht gerade danach zumute war. „Ein wirklich frommer Wunsch, Junge, aber ich habe meine Zweifel, daß er in Erfüllung geht.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 144

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