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Hochstimmung herrschte an Bord der „Isabella IX.“, aber nicht nur deshalb, weil Rasmus es an diesem Tag, dem 27. März 1593, wieder gut mit den Seewölfen meinte. Es gab noch andere Gründe. Beispielsweise hatten Graf Hugo von Saxingen, der selbstherrliche Nachkomme eines der Ritter des ehemaligen Schwertordens „Brüder der Ritterschaft Christi in Livland“, sowie dessen Bruder Erich und dessen Freunde genau das empfangen, was sie verdient hatten – nämlich eine gewaltige Tracht Prügel. Weiter hatten die Seewölfe das Gut an der Bucht von Narwa „ein wenig aufgeklart“, so daß es in der Wohnhalle aussah, als habe dort eine Schlacht getobt.

Schließlich war die Flucht von dem Anwesen zurück zur Bucht gelungen, und Verfolger stellten sich, wie an diesem Vormittag die wiederholten Blicke der Männer zur östlichen Kimm ergaben, auch nicht ein.

Hugo von Saxingen hatte keine Schiffe. Er war ein geschlagener Mann und hatte einen Denkzettel erhalten, den er so schnell nicht wieder vergessen würde.

Der Hauptgrund für die Euphorie der Seewölfe aber, für ihr Grinsen und Schmunzeln und gänzlich verändertes Verhalten an Bord der „Isabella“ war die Anwesenheit des Freifräuleins Gisela von Lankwitz.

Ihr hatte der Kampf auf dem Gut der von Saxingens gegolten, denn sie war von Hasard, Carberry, Big Old Shane, Batuti, Smoky und acht anderen Seewölfen in einem Handstreich befreit worden. Das Unternehmen war geglückt: Die Freiin von Lankwitz konnte zurück zu ihrem Verlobten, Arne von Manteuffel, gebracht werden.

Hasard hoffte, ihn in Kolberg anzutreffen. Aus diesem Grund segelte die „Isabella“ mit westlichem Kurs bei südlichen Winden an der Küste von Estland entlang. Sie lief etwas mehr als viereinhalb Knoten Geschwindigkeit und stand jetzt, um zehn Uhr, ungefähr nördlich der Kunda-Bucht.

Ben Brighton hatte noch in der Nacht, nachdem sie in der Bucht von Narwa ankerauf gegangen und bei Winden aus Südwest zunächst von der Küste abgelaufen waren, seine Achterdeckskammer für die Freiin von Lankwitz geräumt und war in Carberrys Kammer umgezogen, die er mit ihm teilen würde, solange der Gast an Bord weilte.

Hasard stand seit sechs Uhr auf dem Achterdeck und hatte inzwischen dreimal Besteck genommen, die Positionen seines Schiffes auf der Karte eingetragen und den neuen Kurs genau festgelegt.

Als er jetzt wieder an der Querbalustrade über dem Quarterdeck verharrte und seinen Blick wandern ließ, dachte er noch einmal an den Grafen Hugo von Saxingen. Auch er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Nun, dachte er, der edle Hugo wird inzwischen wohl von dem Elchgeweih heruntergestiegen sein, an das ich ihn gehängt habe. Hoffentlich sinnt er über seine Sünden nach und bessert sich.

Ferris Tucker hantierte auf dem Quarterdeck an der achteren der beiden Grätings herum. Er hatte noch einen kleinen Schaden entdeckt, den der Sturm, der sie in die Narwa-Bucht gedrückt hatte, verursacht hatte. Mit dem ihm eigenen Eifer setzte er jede Kleinigkeit wieder instand und hielt überall Inspektion.

Aber noch etwas fiel dem Seewolf an ihm auf. Ferris trug ein frisches, blütenweißes Leinenhemd.

Der rothaarige Riese bemerkte den Blick seines Kapitäns, als er aufschaute, und wußte sofort, warum dieser einigermaßen erstaunt die Augenbrauen hob.

„Nun ja“, sagte Ferris und grinste. „Mein anderes Hemd war schmutzig. Es mußte dringend gewaschen werden. Da dachte ich, es ist wohl besser, wenn ich mein Sonntagshemd anziehe.“

„So? Heute ist aber nicht Sonntag. Außerdem hast du nur die beiden Hemden, wenn mich nicht alles täuscht, Mister Tucker.“

„Richtig. Das andere war aber wirklich schmutzig.“

„Das war mir gar nicht aufgefallen“, sagte Hasard. „Und wer wäscht es dir? Die Zwillinge?“

„Nein, die haben genug mit der Zubereitung des Frühstücks zu tun.“

„Frühstück?“ wiederholte der Seewolf verdutzt. „Wir haben doch schon um sieben Uhr gegessen. Werden neuerdings Zwischenmahlzeiten eingelegt? Was sind das für neue Sitten?“

Ferris hustete und fuhr sich mit der Hand über das Kinn, das er am frühen Morgen mit einem scharf geschliffenen Messer von Bartstoppeln befreit hatte. „Keine neuen Sitten. Es ist das Frühstück für das Freifräulein. Wir rechnen ja damit, daß sie bald aufsteht, und dann soll natürlich alles, äh, bestens organisiert sein. Schließlich ist sie so was wie ein Ehrengast, nicht?“

„Ja. Aber wer wäscht dir nun das Hemd?“

„Mac Pellew. Er kriegt dafür einen Silberling von mir. Außerdem hat er mir versprochen, daß er den Fleck aus meiner Sonntagshose rauskriegt, den ich neulich darin entdeckt habe.“

„Neulich?“

„Äh, heute morgen“, erwiderte Ferris. „Also, das ist so. Ich will die Hose nachher auch anziehen, weil sie am besten zu meinem Sonntagshemd paßt.“

Hasard lächelte mit einem Anflug von Spott. „Da lerne ich dich ja von einer ganz neuen Seite kennen, Mister Tucker. Sonst hast du nie großen Wert auf dein Äußeres gelegt, auch am Sonntag nicht. Nicht mal zu Ostern oder zu Weihnachten. Hast du dir vorgenommen, künftig wie ein zivilisierter Mensch auszusehen?“

„Richtig, Sir.“

„Ausgezeichnet. Aber wie ich die Dinge sehe, hat Mac Pellew noch mehr Hemden und Hosen zu waschen, oder?“

Ferris grinste schon wieder, diesmal aber ziemlich schief. „Und ob. Ich weiß gar nicht, wie er das alles schaffen will.“

Big Old Shane und die beiden O’Flynns waren auf dem Achterdeck nähergetreten, um den einzigartigen Dialog verfolgen zu können. Shane mußte unwillkürlich lachen.

„Ja“, sagte er. „Das ist wirklich erstaunlich. Bei der Crew scheint so etwas wie ein Reinlichkeitswahn ausgebrochen zu sein. Ich möchte mal wissen, was das zu bedeuten hat.“

Natürlich wußte er längst, was die Ursache für die eigenartigen Wandlungen an Bord war. Sie schlief nach wie vor fest in Ben Brightons Koje.

Hasard räusperte sich.

„Mac Pellew ist Koch und Feldscher“, sagte er vernehmlich. „So steht es in der Musterrolle. Als Wäscher habe ich ihn nicht bei uns anheuern lassen. Solche Arbeiten hat jeder Mann selbst zu erledigen, ganz gleich, ob er nun zum Achterdeck gehört oder vor dem Mast fährt. Für heute drücke ich noch mal beide Augen zu, aber ab morgen ändert sich das wieder, verstanden?“

„Aye, aye, Sir“, entgegnete der rothaarige Riese und warf Dan O’Flynn einen vernichtenden Blick zu, weil auch der zu grinsen begonnen hatte. Dann vollendete er sein Werk an der Gräting und rückte anschließend in Richtung Kombüse ab, um sich nach seinem Hemd und seiner Hose zu erkundigen.

Auf dem Hauptdeck stand Carberry und rief: „Wascht euch gefälligst auch die Haare, ihr Prielwürmer, damit alle Läuse abmustern! Was soll die Lady sonst von euch denken?“

„Du hast gut reden“, brummte Smoky und blickte bedeutungsvoll auf die Glatze, die der Profos sich hatte rasieren lassen müssen, als er die Wette gegen Luke Morgan verloren hatte. „Aber ich an deiner Stelle würde mir schleunigst wieder eine Pelzmütze besorgen und überstülpen. Sonst kriegt die arme Lady nämlich die Panik, wenn sie dich so sieht.“

„Heute nacht hat sie mich auch gesehen.“

„Aber da war es dunkel“, erklärte Smoky.

Carberrys Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Aber nicht in der Burg dieses Affenarsches Graf Hugo. Da hat sie mich in meiner vollen Pracht und Größe gesehen, die Lady.“

„Ach du meine Güte“, sagte Smoky. „Jetzt erzähl bloß noch, du hättest beeindruckend auf sie gewirkt. Dann kippe ich wirklich aus den Stiefeln.“

„Du fliegst gleich aus den Stiefeln, aber aus einem anderen Grund“, drohte der Profos und schob sein Rammkinn vor. Im stillen nahm er sich aber doch vor, sich für die Pelzmütze, die er im Sturm verloren hatte, einen brauchbaren Ersatz zu beschaffen.

„Übrigens“, sagte der Kutscher, der sich gerade zu ihnen gesellt hatte. „Ich empfehle allen, sich nunmehr eines gepflegteren Wortschatzes zu bedienen, denn nichts kann eine echte Lady und Adlige mehr verletzen als das ewige Gefluche auf diesem Schiff.“

„So?“ Carberry wandte sich halb zu ihm um. „Aber sie versteht doch gar kein Englisch, was? Und sie liegt doch auch noch in Bens Koje, wie? Oder irre ich mich?“

„Du irrst dich nicht, Mister Carberry“, entgegnete der Kutscher mit beinah würdevoller Miene. „Aber die Freiin von Lankwitz ist eine hochintelligente Dame. Sie begreift auch Dinge, die sie dem reinen Wortsinn nach nicht versteht.“

„Aus dir wird ja doch keiner schlau!“ fuhr der Profos ihn an. „Hör mit deinem geschraubten Gequatsche auf, das geht mir auf den Geist. Zum Teufel, hast du nichts in deiner ver …, äh, in deiner Kombüse zu tun?“

„Ich könnte Mac Pellew beim Hemdenwaschen oder den Zwillingen bei der Zubereitung des Frühstücks helfen“, erwiderte der Kutscher. Dann suchte er wirklich rasch sein Reich auf, denn Carberrys Miene nahm etwas eindeutig Unheilverkündendes an.

Alle Männer brannten darauf, Gisela Freiin von Lankwitz auf dem Achterdeck der „Isabella“ erscheinen zu sehen, ja, sie fieberten ihrem Auftauchen fast engegen. Doch noch ließ sie auf sich warten. Die Arwenacks mußten sich in Geduld üben.

Durch die turbulenten Ereignisse der letzten Nacht war die Freiin völlig erschöpft in die Koje gesunken, so daß Hasard kaum mit ihr hatte sprechen können. Er wußte nur, daß die künftige Frau seines Vetters Arne von Manteuffel von dem Grafen Hugo von Saxingen offenbar geraubt worden war. Wie dies hatte geschehen können und was dahintersteckte, wußte er nicht.

Jedenfalls war sie aus den Händen des Grafen Hugo befreit – und das vor allen Dingen wegen der Mithilfe seiner beiden Söhne Philip junior und Hasard junior, die bei dem Mahl auf dem Gut von Saxingens die Tischherren der Freiin gewesen waren.

Hasard hatte die beiden nunmehr der Freiin gewissermaßen als „Edelknaben“ zugeteilt. Sie hatten den Auftrag, sich um den weiblichen Ehrengast der „Isabella“ zu kümmern, auf daß es der jungen Lady an nichts fehlte.

Was Hasard nicht angeordnet hatte, waren die große Kleiderschau und die Waschorgien seiner Männer. Soweit befand sich die Crew nämlich in einem recht ordentlichen Zustand, und an den Achterdecksgästen hatte er ohnehin nichts auszusetzen. Doch eigentlich, so fand er, konnte das Ganze nichts schaden. Deshalb gab er keine anderslautenden Befehle.

Alle grinsten, alle waren blendender Laune, nur Old Donegal Daniel O’Flynn schnitt eine säuerliche Grimasse und orakelte wieder einmal herum.

„Das kann gar nicht gutgehen“, sagte er düster. „Eine Frau an Bord eines Segelschiffes – das hat noch keinem Seemann Glück gebracht. Wir kratzen noch alle ab, bevor wir den Sund erreicht haben.“

„Weißt du was?“ sagte Big Old Shane mit freundlichem Gesicht. „Ich hätte größte Lust, dir dein Maul mit einem der Zobelpelze zu stopfen, die wir an Bord haben.“

„Der wäre doch viel zu schade dafür“, sagte Dan O’Flynn.

Sein Vater fuhr zu ihm herum. „Wie war das eben?“

„Ich meinte nur, ein Räucherhering und eine Doppelration Aquavit würde da viel bessere Dienste leisten“, erwiderte Dan. „Wegen der besseren Wirkung.“

„Reißt ihr nur eure Witze“, sagte der Alte verdrossen. „Macht euch von mir aus auch über mich lustig. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Es gibt ein großes Unheil. Man verstößt nicht ungestraft gegen die alten Gesetze der Seefahrt.“

„Hol’s der Henker“, sagte Roger Brighton, der sich eben mit seinem Bruder Ben von der Heckreling genähert hatte. „Das nehme ich dir einfach nicht ab, Donegal. Sonst hast du ja oftmals recht mit deinen Vorhersagen, aber nicht dieses Mal. Dieses Freifräulein kann uns nur Glück bringen.“

Ben sagte: „Da bin ich mit dir einer Meinung. Aber laßt uns mit dem Fluchen aufhören. Das eine oder andere Wort könnte die Lady nämlich wirklich verstehen, weil manche Ausdrücke im Deutschen ähnlich klingen wie im Englischen. Nils hat es mir vorhin gesagt. Es ist also Vorsicht geboten.“

„Achtung“, sagte Dan O’Flynn. „Die Zwillinge sind mit dem Frühstückstablett erschienen.“

Alle Blicke richteten sich auf die Söhne des Seewolfs, die mit ihrem Tablett bewaffnet über das Hauptdeck bis zum Achterdecksschott marschierten und dann verschwanden. Schweigen trat ein, es war nur noch das Rauschen des Seewassers an den Bordwänden, das Knarren der Blöcke und Rahen und das verhaltene Summen des Windes in den Wanten und Pardunen zu vernehmen. Eine Weile verstrich – dann erschienen die Zwillinge wieder an Deck, und zwar mit dem leeren Tablett und – mit der Freiin.

Sie betrat in Begleitung ihrer beiden „Pagen“ das Achterdeck, und bei ihrem Anblick hellte sich sogar das Gesicht von Old O’Flynn auf. Er vergaß alle Orakelsprüche und Unkerei, er war – wie alle anderen Männer auch – von dieser jungen Lady schlichtweg fasziniert und hingerissen.

Eine strahlende Erscheinung war diese Gisela von Lankwitz, jung, blühend, von großer Schönheit und Anmut. Die blonden Haare trug sie jetzt zum Pferdeschanz zusammengebunden. Bei der Befreiungsaktion der vergangenen Nacht hatte Hasard ihr sofort eine Decke übergeworfen – sie war hüllenlos gewesen und hatte ohne ihre Kleidung fliehen müssen.

Darum hatte sie nun eine Hose und eine derbe Jacke angezogen, die der Seewolf ihr zur Verfügung gestellt hatte. Dennoch blieb ihre wohlproportionierte, frauliche Figur nicht verborgen, und ihr ganzes Wesen und ihre Ausstrahlung wurden von dem Lächeln in ihrem Gesicht und dem erleichterten Ausdruck ihrer tiefblauen Augen beherrscht.

Ja, da mußte auch Old O’Flynn ein paar Male schlucken. Was ist das doch für ein Weib, dachte er. Hier wurde selbst er wieder jung, und sein altes Herz schlug ein paar Takte höher.

Hasard winkte Nils Larsen als Dolmetscher heran. Als einziger Mann an Bord der „Isabella“ beherrscht er die deutsche Sprache. Er gab sich die größte Mühe, jedes Wort, das sie sagte, so genau wie möglich zu übersetzen, und auch umgekehrt strengte er sich an, präzise vom Englischen ins Deutsche zu übertragen, was die Männer Gisela von Lankwitz zu erklären versuchten.

Hasard zeigte sich als geborener Kavalier, verbeugte sich vor ihr und sagte: „Mylady, ich heiße Sie in aller Form und auf das herzlichste an Bord der „Isabella“ willkommen. Bei uns sind Sie in Sicherheit, Sie haben nichts mehr zu befürchten. Vielleicht haben meine Söhne Ihnen das schon auseinandergesetzt: Ich bin Arne von Manteuffels Vetter.“

Sie lauschte Nils Larsens Übersetzung und nickte. „Ich freue mich, bei Ihnen sein zu können, Kapitän Killigrew“, entgegnete sie. „Ich bedanke mich für die Rettung, ohne Sie und Ihre Männer wäre ich verloren gewesen. Ich weiß nicht, wie ich das, was Sie für mich getan haben, jemals entgelten kann.“

„Das war für uns selbstverständlich“, sagte Hasard. „Außerdem besteht auch zwischen uns ein verwandtschaftliches Verhältnis. Ich bitte Sie daher, mich nicht Kapitän Killigrew, sondern schlicht und einfach Hasard zu nennen.“

„Gut“, erwiderte sie. „Das aber nur, wenn Sie es annehmen, Gisela zu mir zu sagen.“

Sie gaben sich die Hände, und danach wandte sie sich den anderen Männern zu. Lange Zeit brachte sie nicht, um sich die Herzen der Seewölfe zu erobern. Philip junior und Hasard junior mußten ihr jeden einzelnen vorstellen, denn dazu war in der letzten Nacht ja kaum Gelegenheit gewesen.

Nils Larsen dolmetschte fleißig. Die Begrüßung setzte sich vom Achterdeck zum Hauptdeck fort – Gisela von Lankwitz wollte sich bei jedem Seewolf für die Befreiung bedanken, auch bei jenen, die bei dem Unternehmen auf dem Gut der Saxingens nicht mit dabeigewesen waren.

Sie war von ihrem Wesen her völlig unkompliziert und dennoch voller Charme, so daß manchen der Männer das große Seufzen befiel. Dieser Arne von Manteuffel, der Vetter ihres Kapitäns, war ein Glückspilz, eine solche Frau heiraten zu können.

Erstaunlich war auch, daß Gisela von Lankwitz es wirklich verstand, allein durch ihr Auftreten den Männern das Fluchen abzugewöhnen. Alle bemühten sich darum, sich möglichst gescheit und gewählt auszudrücken.

Dem Kutscher fiel dies nicht schwer, er hatte sofort die passenden Worte bereit, als sie vor ihn hintrat und auch ihm lächelnd die Hand schüttelte. Auch Männer wie Stenmark, Gary Andrews oder Sam Roskill meisterten ihre Sache souverän.

Das große Grinsen ging eigentlich erst an Bord um, als Hasards Söhne mit der Freiin und Nils Larsen auf den Profos zuschritten, dem in diesem Augenblick bewußt wurde, daß er vergessen hatte, sich eine neue Pelzmütze zu besorgen. Schon wollte er sich am Kopf kratzen, zuckte jedoch zusammen, weil er sich rechtzeitig darauf besann, daß er jetzt ja eine Glatze hatte, also keine Haare mehr, in denen „Läusekolonien angemustert hatten“, wie er manchmal scherzhaft zu behaupten pflegte.

Carberry versuchte, dem Seewolf die gekonnte Verbeugung nachzuahmen, aber er glitt dabei fast auf den Planken aus. Er grinste, griff vorsichtig nach ihrer ausgestreckten Hand und drückte sie nur ein bißchen, um sie ja nicht zu zerquetschen.

„Fein, daß Sie hier sind, Lady“, sagte er dann. „Schönes Wetter heute, was, wie?“ Er deutete zum bewölkten Himmel hoch.

Das erstickte Glucksen, das er im selben Augenblick hinter seinem Rücken vernahm, stammte von Blacky, der sich ein lautes Losprusten nur noch mit größter Mühe verkneifen konnte.

Carberry aber ignorierte es. Er grinste Gisela von Lankwitz mit leicht entblößten Zähnen an und sah zum Fürchten aus. Jeder etwas schreckhafte Mensch hätte jetzt unverzüglich vor ihm die Flucht ergriffen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 319

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