Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 116 - Roy Palmer - Страница 4
1.
ОглавлениеEin Feuerblitz stach hoch und schien den Himmel teilen zu wollen. Fette Rauchschwaden quollen vom Vordeck der Galeone des Portugiesen. Sie breiteten sich nach allen Seiten über die See aus. Dann zerbrach das Schiff unter der Wucht der Explosion. Das Feuer hatte die Pulverdepots erreicht und hielt dröhnende Ernte.
Für kurze Zeit hörte Nakamura, der Japaner, auf zu schwimmen.
Er trat Wasser, hob die Hände aus den Fluten und ballte sie. In seinen Augen loderte der Haß. Er stöhnte in ohnmächtiger Wut auf.
„Seewölfe, Fong-Ch’ang“, stieß er hervor. „Das werdet ihr mir büßen. Mein Schwert wird euch durchbohren. Ich ruhe nicht eher, bis ich mich gerächt habe.“
Ein neuer Explosionsdonner rollte über die glatte Wasserfläche. Weit wirbelten die letzten Trümmerstükke der Piratengaleone, und Nakamura mußte sich in acht nehmen, um nicht getroffen zu werden. Fluchend zog er den Kopf ein.
Vorläufig schien die Verwirklichung all seiner Drohungen und Schwüre in weite Ferne gerückt zu sein.
Die „Isabella VIII.“ segelte über das Gelbe Meer davon, mit Kurs Nordwesten. Ein Feld der Verwüstung blieb hinter ihr zurück. Sie legte Distanz zwischen sich und die Überbleibsel der Schlacht, die noch vor einer halben Stunde erbittert getobt hatte.
Das Heck des Schiffes mit der verzierten Galerie und der aufragenden Eisenlaterne am achteren Abschluß der Poop war ein majestätisches Monument im Mittagslicht.
Philip Hasard Killigrew und Siri-Tong, die sich zur Zeit mit an Bord der großen Galeone befand, hatten nicht nur Khai Wang mit seiner Dschunke Fei Yen besiegt, sie hatten auch den portugiesischen Freibeuter Vinicio de Romaes zu den Fischen geschickt.
Khai Wang und Wu, dessen Steuermann, befanden sich als Gefangene an Bord der „Isabella“.
Vinicio de Romaes war im Kampf gegen Fong-Ch’ang und zwei Männer der „Isabella“ umgekommen. Nakamura, der als rechte Hand des Portugiesen gegolten hatte, war einer der wenigen Überlebenden von der Piratengaleone.
„Der Fluch der Verdammnis trifft euch!“ rief Nakamura der „Isabella“ nach. Die Besatzung konnte ihn nicht mehr hören, aber das hinderte ihn nicht daran, immer neue Haßtiraden gegen die Erzfeinde auszustoßen. „Ihr werdet zerspringen und in den tiefsten Schlünden der Finsternis landen!“ schrie er. „Die Monstren des Jenseits werden euch verschlingen!“
Er hieb mit der Faust ins Wasser, daß es spritzte. Fast geriet er dabei aus der Schwimmlage und drohte mit dem Kopf unterzutauchen. Er prustete, trat wild mit den Füßen, brachte den Oberkörper nach vorn und schwamm weiter – dorthin, wo das Festland lag. Die Halbinsel Shantung befand sich nach seiner Schätzung höchstens sechzig chinesische Li entfernt, das entsprach rund sechzehn Meilen. Sehen konnte er die Küste allerdings nicht.
Hinter Nakamura schwelten die Trümmer der beiden einst so gefürchteten Segler. Von der Galeone des Portugiesen gab es jetzt nur noch ein paar lächerliche Reste, und auch Fei Yen war fast völlig gesunken. Zwischen den Schiffsresten trieben die Toten, die mit ihrem Blut die Haie anlockten.
Nakamura spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. Ein eisiger Schauer rann über seinen Rücken. Die Angst griff nach ihm.
Doch sein Haß war stärker. Er tobte in seinem Inneren. Nakamura hätte brüllen und heulen können, so sehr war er auf Vergeltung aus. Aber einen solchen Ausbruch verbot ihm doch die Beherrschung – jene Kraft des einsamen Samurais, die er tief in sich zu fühlen glaubte. Nakamura nahm sich gewaltig zusammen.
Keinen Augenblick dachte er daran, daß Fong-Ch’ang ihn verschont hatte. Fong hätte ihn töten können. Aber er hatte Gnade vor Recht ergehen lassen und den Japaner nur von Bord der Galeone gejagt. Für den Mann aus Zipangu war dies die schimpflichste Art gewesen, sein Schiff zu verlassen.
Für Nakamura gab es aber letztlich nur den einen Gesichtspunkt: Wenn Fong so dumm gewesen war, sich nicht für alles zu rächen, was ihm an Bord der Piratengaleone angetan worden war, so war das seine eigene Schuld.
Er würde noch bereuen, so weich gewesen zu sein.
Nakamura sah noch einmal zur „Isabella“. Sie entfernte sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Im Gefecht war sie zwar ramponiert worden, aber das beeinträchtigte ihre Seetüchtigkeit kaum. Mit prallen Segeln rauschte sie vor dem Südostwind dahin. Ihre Silhouette schrumpfte zusammen. Bald verschwand sie an der nordwestlichen Kimm.
Nakamuras Blick wanderte weiter nach Westen.
Er sah den Sampan, der von der Dschunke abgefiert und bemannt worden war. Natürlich war er schon vorher auf das Boot aufmerksam geworden. Nakamura hatte sogar die Hand gehoben und gerufen, aber die Insassen schienen ihn nicht bemerkt zu haben.
Sie waren die Überlebenden und die Verletzten von Fei Yen.
Auch hier hatten die Seewölfe ihre Menschlichkeit und Souveränität beweisen wollen. Sie schenkten den Piraten die Freiheit und brachten sie nicht um. Nakamura konnte darüber nur höhnisch lachen. Narren, dachte er.
Wieder hob er eine Hand, winkte und schrie. Aber auch diesmal zeigte keiner der Männer im Sampan eine Reaktion.
Nakamura fing wieder an zu fluchen. Jetzt begriff er. Diese Schufte wollten ihn nicht sehen und nicht auf ihn warten, weil sie ihren elenden Kahn schon zu voll geladen hatten.
Verreckt, dachte Nakamura. Daß Uneigennützigkeit auch nicht zu seinen persönlichen Vorzügen zählte, zog er nicht in Betracht. Er sah die Dinge von einer anderen Warte aus.
Wir haben diesen Hunden geholfen, und sie haben die Pflicht, uns in ihr Boot zu nehmen, dachte er.
Plötzlich vernahm er einen Ruf.
Er wandte den Kopf nach links und entdeckte zwei Männer, die auf ihn zuhielten. Sie befanden sich nur einen knappen Steinwurf entfernt. Er erkannte sie sofort.
„Dschou und Lai!“ rief er. „Das gibt es doch nicht!“
Die beiden Chinesen grinsten und wiesen auf etwas, das sich westlich von ihnen deutlich aus den Fluten hochschob. Nakamura mußte warten, bis das Gebilde etwas näher herangeglitten war – dann stellte er fest, daß es sich um einen menschlichen Kopf handelte sowie zwei Arme, die ein Stück Planke umklammert hielten.
„Tijang, der Uigure“, murmelte er. „Der schlechteste Schwimmer unserer Mannschaft. Daß du auch noch lebst, du Himmelhund!“
Er verhielt, trat wieder Wasser und gestikulierte zu den dreien hinüber. Tijang bewegte die Beine und rührte das Wasser mit den Füßen zu einem gischtenden Sprudel auf. Das war seine Art, sich im Naß fortzubewegen. Keinen Augenblick ließ er den Plankenrest los. Es wäre sein Untergang gewesen.
Dschou und Lai hatten ihre Anstrengungen verdoppelt. Sie waren als erste neben dem Japaner, dann traf auch der Uigure ein. Die vier schwammen nebeneinander her, dem Sampan von Fei Yen nach, und Nakamura sagte: „Wo sind die anderen?“
„Tot“, erwiderte Dschou. „Außer uns ist keiner von der Galeone entkommen.“
Nakamura stieß eine Verwünschung aus. „De Romaes ist von einem der Seewölfe, die schwimmend zu unserem Schiff gestoßen sind, umgebracht worden. Dann setzten diese Kerle auch mir höllisch zu. Warum seid ihr mir nicht zu Hilfe geeilt?“
„Wir waren auf dem Vordeck“, sagte der Uigure prustend. „Wir versuchten, den Brand zu löschen, aber es war sinnlos. Als wir dann Geräusche auf der Kuhl hörten, liefen wir hinunter.“
„Da war es zu spät“, sagte Nakamura. „Fong und seine Spießgesellen hatten mich entwaffnet. Ich konnte mich in letzter Sekunde dem Tod entziehen.“ Wie die Dinge genau abgelaufen waren, verschwieg er wohlweislich.
„Wir haben dich nicht springen sehen“, sagte Lai. „Bis eben wußten wir nicht, daß du dich gerettet hattest.“
„Habt ihr wenigstens gegen die drei Bastarde gekämpft?“
„Ja“, log Dschou. „Aber wir hatten keine Chance, weil sie sich Schußwaffen beschafft hatten. Wir hatten nur unsere Schwerter und Messer.“ In Wirklichkeit hatten Lai, Tijang und er es vorgezogen, sofort das Feld zu räumen, als sie gesehen hatten, wie Blacky, Sam Roskill und Fong auf der Kuhl aufgeräumt hatten – und wie weit der Brand auf der Galeone bereits fortgeschritten war.
„Habt ihr noch Waffen?“ fragte Nakamura.
Dschou nickte. „Jeder von uns hat noch sein Kurzschwert im Gurt stekken. Und ich habe ein Messer, das ich dir geben kann, Nakamura.“
Jetzt grinste der Japaner. „Sehr gut. Ausgezeichnet sogar. Wir müssen den Sampan der Dschunke erreichen. Um jeden Preis. Die Seewölfe haben unsere geschätzten Verbündeten abziehen lassen, aber Waffen haben sie ihnen bestimmt nicht mit auf den Weg gegeben.“
Dschou schaute zu dem davongleitenden Boot. „Das schaffen wir nicht. Die sind schon zu weit weg. Und sie halten nicht an.“
„Ja“, erwiderte Nakamura. „Aber seht doch, was jetzt geschieht.“
Eine Wende bahnte sich an. Ein großer, bulliger Mann mit schulterlangem Zopf hatte sich an Steuerbord am Dollbord des Bootes festgeklammert und versuchte, ins Innere zu gelangen. Er zerrte mit solcher Gewalt an dem Boot, daß es fast zu kentern drohte. Die Piraten im Sampan schrien durcheinander. Der Bursche, der die achteren beiden Riemen bediente, hatte aufgehört zu pullen. Das Boot verlor schnell an Fahrt und verharrte in der See.
Nakamura, Dschou, Lai und Tijang schwammen, so schnell sie konnten. Dschou brachte sich neben den Japaner, legte sich auf die linke Körperseite und zog das Messer, das er neben dem Kurzschwert im Leibgurt stecken hatte.
Nakamura riß das Messer an sich.
Der bullige Chinese hieß Sui. Er war der Pirat von der Dschunke Fei Yen, der sich einen ausdauernden Zweikampf mit Ferris Tucker, dem rothaarigen Schiffszimmermann der „Isabella“, geliefert hatte. Fast hätte Sui diesen Gegner getötet. Zumindest ins Meer hatte er ihn befördert, aber dann war der Rothaarige sehr rasch wieder aufgetaucht, hatte ihm das Schwert bis auf einen lächerlichen Klingenstummel verkürzt und ihn zu den Haien geschickt.
Die Haie! Sui wußte, daß sie da waren.
Noch umkreisten sie die Stätte des Gefechts. Aber ihre Bahnen wurden immer enger, bis sie den ersten Toten erreicht hatten und ihre Gier in einen Rausch ausartete.
Sui hing sich mit seinem ganzen Körpergewicht an den Sampan. Das Boot schwankte wie verrückt, seine Insassen schrien und fluchten, und der Ruderer traf Anstalten, Sui einen Riemen über den Schädel zu ziehen.
Sui rollte mit den Augen.
„Laßt mich ’rein!“ brüllte er. „Helft mir! Ich bin doch einer von euch – habt ihr den Verstand verloren?“
Der Ruderer hatte einen der hölzernen Riemen gehoben und ließ ihn jetzt niedersausen. Schwer krachte die kantige, mörderische Waffe nieder. Aber Sui war auf der Hut. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit wich er aus, und der Riemen traf das Dollbord.
Sui packte den Riemen mit der linken Faust, während er sich mit der Rechten weiterhin festhielt. Er hatte Berge von Muskeln, und es bereitete ihm kaum Mühe, den Riemen hochzustemmen und gegen die Brust des Ruderers zu stoßen.
Der Kumpan am Bootsheck stöhnte auf, rutschte aus und knallte mit seinem Gesäß auf die Achterducht. Fast ging er außenbords.
Sui brüllte vor Wut. Die anderen Piraten fingen an, mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen. Er wehrte sich, warf zwei, drei von ihnen nieder und versuchte jetzt, das Boot tatsächlich zum Kentern zu bringen.
Seine Mitstreiter von Fei Yen, der einst so stolzen und gefürchteten „Fliegenden Schwalbe“, schrien und brüllten wie die Besessenen. Aber sie waren nicht übergeschnappt, wie er anfangs angenommen hatte, nein – sie gingen bei ihrem Handeln nur von ganz vernunftsmäßigen Erwägungen aus.
Der Sampan war voll. Fünf gesunde Piraten und sechs Schwerverletzte, von denen einer im Gefecht ein Bein eingebüßt hatte, waren zusammengepfercht worden. Das war genau ein Mann mehr als das Höchstmaß dessen, was der Sampan eigentlich fassen konnte. Und jetzt auch noch Sui!
Es war schon so viel zu eng in dem einfachen Sampan ohne Zeltaufbau. Die Schwerverwundeten lagen fiebernd und stöhnend zwischen den Duchten. Sie waren ihren unversehrten Kumpanen ein Klotz am Bein. Richtig bedenklich wurde die Lage aber erst jetzt, als Sui, der Koloß, das Boot zum Kentern zu bringen drohte.
Der Ruderer hatte sich wieder aufgerappelt. Gemeinsam mit den anderen vier Unverletzten setzte er alles daran, Sui in die See zurückzustoßen und Reißaus zu nehmen.
Aber Sui ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er hieb um sich, mit nur einer Faust, und ließ mit der anderen Hand den Bootsrand nicht los. Immer wieder schlug er die Männer nieder und rüttelte an dem Fahrzeug. Er war außer sich vor Wut. Aber er begriff auch, daß es keinen Zweck hatte, wenn er den Sampan umwarf. Zwar landeten die feinen Kameraden dann alle im Wasser, aber – so kräftig er auch war – er schaffte es nicht, den Sampan allein wieder aufzurichten.
Also strengte er sich an, übers Dollbord ins Bootsinnere zu gelangen. Das verwirrte Gesicht eines Verwundeten tauchte vor ihm auf. Aus glänzenden Augen blickte dieser Marin ihn an. Zwei knochige Hände schossen hoch, um Suis Hals zu umklammern.
„Fort“, keuchte der Verletzte. „Du bringst uns alle um. Ich will nicht sterben. Nicht – zu den Haien …“
„Hund“, würgte Sui hervor.
Sein Hals war breit und gedrungen, und es gehörten schon ausgesprochen lange Finger dazu, ihn überhaupt zu umspannen. Doch der Verwundete konnte es, und er brachte erstaunlicherweise auch die Kraft auf, zu pressen und Sui zu würgen. Panik und Verzweiflung verliehen dem Mann im Boot die erforderlichen Energien.
Sui ließ den Bootsrand los. Er griff sich den einstigen Kumpan mit beiden Händen, er mußte es tun, sonst war er verloren. Wild zerrte er ihn aus dem Sampan. Ein hagerer Körper, in Lumpen gehüllt, klatschte in die Fluten.
Sui drückte den Verletzten von sich. Die Finger lösten sich von seinem Hals. Erbarmungslos stieß Sui den Mann unter die Wasseroberfläche. Immer tiefer, bis dessen Bewegungen erlahmten und er langsam den lauernden Haien entgegentrieb.
Der Ruderer hatte wieder die Riemen in die Dollen befördert und schickte sich an loszupullen. Sui schwamm. Es gelang ihm, sich von neuem an Steuerbord zu bringen, bevor der Sampan Fahrt aufnehmen konnte. Er schoß neben der Bootswand hoch, drosch auf alles ein, was sich vor ihm regte – und enterte schließlich mit verzerrter Miene auf.
Er ließ sich auf die mittlere Ducht sinken, ein triefender Gigant. Niemand rührte ihn an. Sie wagten es nicht mehr. Die Kumpane von der Dschunke standen und hockten nur reglos da und starrten ihn voll Entsetzen an.
Er musterte sie. Sein Blick war von tödlicher Kälte. Allmählich entblößte er seine Zähne.
„Ich könnte euch alle umbringen“, knurrte er. „Keiner von euch hat eine Waffe, und in mir steckt genug Kraft, euch einen nach dem anderen zu zerbrechen. Aber ich tue es nicht. Ich brauche Kerle, die mich zum Land bringen, und eine Besatzung für das neue Schiff, das ich mir suchen werde. Das Kommando gehört mir. Ich bin der Kapitän, verstanden?“
Sie nickten stumm.
Sui wandte sich zu dem Ruderer um. Dem Burschen wurden plötzlich die Knie weich.
„Auf was wartest du?“ fuhr Sui ihn an.
Da packte der Mann die beiden Riemen und stemmte sich dagegen.
Sui hockte mit aufgestützten Armen und atmete schnaufend. Sein Blick glitt über die Schwerverletzten. Fünf waren es noch. Unnützer Ballast, dachte er verächtlich, wer nicht mehr gesundet, den werde ich mir vom Hals schaffen.
Der einzige, der auf Fei Yen dem Haufen wilder Kerle noch halbwegs menschliche Anwandlungen entgegengebracht hatte, war der Feldscher gewesen. Er hatte die sechs Schwerverletzten sogar vor Khai Wang in Schutz genommen, als dieser alle Kampfuntauglichen kurzerhand außenbords hatte werfen wollen.
Doch der Feldscher lebte nicht mehr. Auch er war in dem Kampf gegen die „Isabella“ auf der Strecke geblieben.
Sui bewegte den bulligen Schädel und hielt nach den Rückflossen der Haie Ausschau. Plötzlich senkte er den Kopf ein wenig und verengte die Augen.
Da, dort waren sie – zwei, und sie strichen lautlos auf die Stelle zu, an der Sui den Kumpan ertränkt hatte, der ihn gewürgt hatte. Die stille Szene belegte Sui fast mit einer Art Bann. Kaum mochte er sich von dem Anblick lösen.
Dann wanderte sein Blick jedoch weiter nach achtern, und er entdeckte die vier Gestalten, die rasch auf das Bootsheck zuglitten. Einer hielt sich mit den Händen an einem Plankenrest fest. Er stieß das Stück Holz vor sich her und bewegte die Beine auf und ab.
Sui erkannte den Japaner. Dessen Gesicht war ihm von einer früheren Begegnung her in Erinnerung geblieben.
„Nakamura“, sagte Sui laut. „Wenn du glaubst, daß ich dich und deine drei Kerle aufnehme, hast du dich geirrt.“ Er winkte dem Ruderer herrisch zu. „Pull auf die Küste zu, du Hund, oder du lernst mich kennen. Schneller, verdammt noch mal, schneller!“
Gewiß, Sui hätte Nakamura helfen können. Der Sampan war zwar überladen, aber Sui war skrupellos genug, um schnelle Abhilfe zu schaffen. Er hätte es fertiggebracht, die fünf Schwerverletzten der See zu übergeben. Auf diese Weise hätte es für den Japaner und seine drei Begleiter genügend Platz gegeben.
Aber da war noch etwas anderes. Sui traute Nakamura, Dschou, Lai und Tijang nicht über den Weg. Wenn Sui schon nicht mit den eigenen Kumpanen in friedlichem Einvernehmen stand – wie konnte er sich da mit den Leuten von de Romaes zusammentun?
Sie gehörten nun mal nicht zu Fei Yen. Daß sie mit ihrer Galeone in den Kampf gegen die Seewölfe eingegriffen hatten, war für Sui auch von höchst nebensächlicher Bedeutung. Hatten sie denn etwas ausrichten können? Im Gegenteil. Sie hatten schmählich versagt. Sie waren Versager. Was wollten sie also noch?
Sui war heilfroh, wenn er selbst noch bei Tageslicht das Festland erreichte.
Er verzog seine breiten Lippen zu einem verächtlichen Grinsen. „Ersauft, ihr taugt ja doch zu nichts. Die Haie werden sich freuen.“
Aber Nakamura, Dschou, Lai und Tijang waren schneller heran, als er gedacht hatte. Zuviel Zeit war durch den Kampf Suis mit seinen Kumpanen verlorengegangen, und zu wenig Aufmerksamkeit hatten sie alle den Heranschwimmenden geschenkt.
Jetzt tauchten die vier, schoben sich wieder mit Köpfen und Oberkörpern aus dem Wasser – und waren rechts und links neben dem Sampan. Sie klammerten sich fest.
Sui unternahm eine Gebärde zu dem Ruderer hin. Der Bursche sollte wieder die Riemen zum Einsatz bringen, um die lästigen Verfolger zu verscheuchen. Ein paar Hiebe auf die Finger dieser Kerle, und sie würden schon von dem Sampan ablassen.
Aber dann sah Sui zu seinem Entsetzen, wie in Nakamuras Hand ein Messer aufblitzte.