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1.

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Stoker drehte plötzlich durch.

Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, sich gegen die Übermacht von Soldaten aufzulehnen, die seine Kameraden und ihn auf dem winzigen quadratischen Platz von Concarneau umstellt hatten. Es war glatter Selbstmord und widersprach jeder Vernunft, jetzt etwas zu unternehmen. Dennoch spielte Stoker mit einemmal nicht mehr mit. Etwas schien in seinem Geist auszuhaken.

Als ihm zwei der insgesamt achtzig Gegner auf das Kommando des Stadtkommandanten Douglas hin Fesseln anlegen wollten, duckte er sich unversehens und brach zur Seite aus.

Philip Hasard Killigrew, dem Seewolf, nützte es nichts mehr, daß er einen warnenden Laut ausstieß und Stoker durch eine Gebärde aufzuhalten versuchte. Auch Jerry Reeves, der Kapitän der „Fidelity“, vermochte nichts mehr zu tun – es war schon geschehen, Stoker entzog sich seinen Bewachern und versuchte, in eine der angrenzenden Gassen zu fliehen.

Stoker war der Decksälteste der „Fidelity“. Viele Männer, die ihm zum erstenmal begegneten, täuschten sich in ihm und schätzten ihn falsch ein, denn seine Gestalt war gedrungen, seine Arme lang, seine Hände groß und grob und seine Stirn flach und gefurcht. Mit anderen Worten: Seinem Aussehen nach hatte er etwas Affenartiges an sich. Big Old Shane hatte aus diesem Grund auch schon mal behauptet, Stoker sähe Arwenack, dem Schimpansen, ähnlicher als einem richtigen Menschen.

In Wirklichkeit aber gehörte Stoker zu den besten Leuten der Reeves-Crew. Er war keineswegs dumm und einfältig. Er stand in jedem Sturm und in jedem Gefecht seinen Mann, und er war allen ein guter Kamerad, was er nicht zuletzt auch durch sein Verhalten nach dem Zerwürfnis mit Easton Terry bewiesen hatte.

In diesen dramatischen Augenblicken nun, als die Soldaten bereits ihre Musketen hochrissen und auf ihn anlegten, handelte Stoker rein instinktiv und war darauf aus, wenigstens bis zu den Piers von Concarneau zu gelangen, um den Männern an Bord der „Hornet“, der „Fidelity“ und des Schwarzen Seglers etwas zurufen zu können. Irgend jemand mußte sie warnen, sonst erfuhren sie nie, in welche Falle der Seewolf und seine elf Begleiter geraten waren.

Hasard und die anderen waren bereits gefesselt, sie konnten nichts mehr unternehmen. Sie alle hätten durchaus die Verwegenheit gehabt, sich vor die Soldaten zu stellen und sie am Schießen zu hindern, doch sie waren zwischen den Pferden der Gegner eingekeilt und konnten sich nicht vom Fleck rühren.

„Stoker!“ rief Hasard. „Aufpassen!“

Douglas fuhr zu ihm herum und hob drohend die Faust. „Schweig, du Galgenstrick, oder ich stopfe dir eigenhändig das Maul!“

„Wir sprechen uns noch ausführlich“, knurrte der Seewolf, und der Blick, den er dem Stadtkommandanten aus seinen eisblauen Augen zuwarf, verhieß wahrhaftig nichts Gutes.

„Wir sind keine Piraten“, sagte Jean Ribault. „Wie oft soll ich das noch sagen? Sie unterliegen einem peinlichen Mißverständnis, Monsieur.“

„Maul halten!“ zischte René Douglas ihm zu.

Ben Brighton, Big Old Shane, Dan O’Flynn und Ferris Tucker, die neben Hasard standen, hätten sich jetzt gern auf den Mann gestürzt – und auch Jerry Reeves’, Mulligans, Juans und Nils Larsens Mienen war abzulesen, wie sie in diesem Moment dachten. Thorfin Njal hatte den Kopf gesenkt und schoß finstere Blicke auf den Kommandanten ab, die, hätten sie töten können, Douglas auf der Stelle ins Jenseits befördert hätten.

Stoker hetzte weiter, bemerkte jedoch zu spät den Schatten einer Gestalt hinter sich, die seine Verfolgung aufgenommen hatte.

Es war der Lieutenant des Trupps von Soldaten, der dem flüchtenden Decksältesten nachstürzte, jener Mann, der den Trupp aus einer nahen Garnison nach Concarneau geführt hatte. Ihm oblag der eigentliche Befehl über die achtzig Mann, Douglas war nur ein Begleiter. Douglas und Jean-Luc Martier, der Hafenkapitän, hatten einen Boten mit der Bitte um Hilfe geschickt, als sie das Unheil hatten nahen sehen, und der Ruf war erhört worden.

Concarneau war kein sonderlich gut befestigter und bewachter Hafen, auf den Wehrgängen des Kastells gab es lediglich vier Minions, die im Vergleich zu der Armierung der Schiffe eher lächerlich wirkten. So gesehen, hatten Douglas und Martier durchaus richtig gehandelt, als sie sich um Unterstützung bemüht hatten.

Trotzdem verkannten sie die Lage, denn nicht die Männer der drei Schiffe, die dort im Hafen vor Anker lagen, waren die „Piraten“, vor denen sie Angst haben mußten. Die Stadt zitterte vor einem Angriff, die meisten Bürger hatten sich in der Kirche versammelt, um vor einem furchtbaren Schicksal bewahrt zu werden, viele waren auch geflohen, als der Kanonendonner von Mordelles herübergedrungen war. Doch es waren nicht der Seewolf und dessen Kameraden, die der Stadt das große Unglück brachten. Gegen Yves Grammont hätten Douglas und Martier vorgehen müssen, gegen Lucio do Velho und die spanischen Spione, doch das sollte den Franzosen erst aufgehen, als es bereits zu spät war.

Der Lieutenant hechtete vor und brachte Stoker zu Fall. Stoker prallte hart auf die Katzenköpfe der Gasse und stöhnte auf, dann aber drehte er sich trotz der Last des Gegners herum und setzte sich zur Wehr.

Sie balgten sich wie zwei Straßenjungen. Stoker mußte einen Hieb gegen die Brust einstecken, doch dann schlug er zurück und erwischte den Lieutenant am Kinn. Dem Franzosen drohten die Sinne zu schwinden. Schon wollte sich Stoker von ihm befreien, aufspringen und forthetzen, aber da waren zwei, drei andere Uniformierte heran und traten mit ihren Stiefeln auf ihn ein. Stoker brach in den Knien zusammen und schützte seinen Kopf mit den Händen.

„Diese Schweine“, sagte Ben Brighton. „Das werden sie noch bereuen. Drecksäcke!“

„Den Kerl da, den Lieutenant, fordere ich noch zum Duell heraus“, sagte Thorfin Njal mit grollender Stimme. „Mit dem rechne ich ganz groß ab.“

„Nein.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Den überläßt du mir.“

„Baxter!“ brüllte Stoker. „Baxter!“

Dies war der Name des Profos’, der während der Abwesenheit von Reeves, Stoker und Mulligan auf der „Fidelity“ das Kommando übernommen hatte. Wie er warteten auch Old O’Flynn von der „Hornet“ und Arne vom Schwarzen Segler auf die Rückkehr des zwölfköpfigen Landtrupps, der eigentlich wieder von sich hatte hören lassen wollen.

Einer der Franzosen drehte seine Muskete um und knallte Stoker den Kolben gegen den Kopf. Stoker fiel bewußtlos auf die Katzenköpfe und regte sich nicht mehr. Der Soldat wollte noch einmal zuschlagen, doch in diesem Moment richtete sich der Lieutenant auf und hob die Hand.

„Das genügt“, sagte er. „Wir brauchen diese Kerle lebend.“

„Sehr richtig“, pflichtete ihm Douglas bei, der jetzt ebenfalls die Gasse betreten hatte. „Wir wollen sie verhören. Möglicherweise haben wir sogar noch irgendwelche Verwendung für sie.“

„Habt ihr das gehört?“ flüsterte Jean Ribault seinen Kameraden zu. „Womöglich legen die uns in Ketten und verfrachten uns in ein Lager, wo wir Zwangsarbeit verrichten müssen.“

„Gibt’s denn so was auch in Frankreich?“ erkundigte sich Juan.

„Natürlich“, erwiderte Jean Ribault. „Denkst du etwa, meine Landsleute sind Engel? Gerade unter Heinrich von Bourbon hat die Verfolgung der Hugenotten wieder stark zugenommen.“

„Wenn Le Testu jetzt hier wäre“, sagte Ferris Tucker. „Dann würden die Franzmänner vielleicht was zu hören kriegen.“

„Das würde auch nicht viel nützen“, sagte Ben Brighton. „Glaubst du, er könnte mehr ausrichten als Jean?“

„Natürlich nicht“, brummte der rothaarige Schiffszimmermann. „Aber es wurmt mich höllisch, daß Le Testu, Montbars und alle unsere Freunde ahnungslos drüben auf den Schiffen hocken und auf uns warten.“

„Wenn ich bloß ein Messer hätte“, flüsterte Dan O’Flynn. „Dann würde ich schon von hier verschwinden, das schwöre ich euch. Aber sie haben uns ja durchsucht und uns alles abgenommen. Der Teufel soll sie holen.“

„Schreien wir doch mal alle zusammen“, schlug Jerry Reeves vor. „Das hören unsere Leute doch bestimmt.“

Douglas und der Lieutenant waren jedoch zu ihnen zurückgekehrt, und Douglas sagte mit verzerrtem Gesicht: „Wenn jetzt noch einer Scherereien versucht, wenn auch nur einer einen Ton von sich gibt, dann lasse ich ihm in die Beine schießen.“

Der Lieutenant bedeutete seinen Leuten durch eine Gebärde, mit den Musketen auf die Gefangenen anzulegen. Wieder hoben sich die Waffenläufe, wieder wuchs die Bedrohung, der Hasard und seine elf Begleiter ausgesetzt waren.

Deshalb gab der Seewolf seinen Leuten mit den Augen ein Zeichen, sie sollten schweigen und sich ruhig verhalten. Jean Ribault übersetzte noch für Reeves und Mulligan, die kaum ein Wort Französisch konnten, was Douglas gesagt hatte, dann verstummte auch er.

Stoker wurde aus der Gasse zurück auf den Platz geschleppt, die Soldaten legten auch ihm Fesseln an. Die Gefangenen wurden unter den barschen Worten des Lieutenants abgeführt, ein Weg ins Ungewisse lag vor Hasard und seinen Männern.

René Douglas folgte dem Trupp. Seine Züge hatten sich wieder etwas geglättet, ein schales Grinsen kerbte sich in seine Mundwinkel. Diese Kerle waren ausgekocht und mit allen Wassern gewaschen, doch ihn konnten sie nicht hereinlegen. So hatte er sich auch durch die wiederholten Erklärungen dieses Ribault, es läge ein fataler Irrtum vor, nicht im geringsten beeinflussen lassen. Nach wie vor war er fest davon überzeugt, daß die Bande Concarneau hatten plündern und vielleicht sogar niederbrennen wollen.

Douglas ließ seine Gefangenen zunächst einmal in die Hafenfeste bringen. Dort wollte er mit Martier beratschlagen und entscheiden, was mit ihnen geschehen sollte.

Dumpf hallten die Schritte der Männer und der Hufschlag der Pferde von den Mauern der eng beieinanderstehenden Häuser wider. Die Finsternis hing wie eine Gewitterwolke über der Stadt.

Die Nacht sollte noch voller Überraschungen sein.

Old Donegal Daniel O’Flynn hatte den Befehl auf der „Hornet“, bis Hasard wieder an Bord zurückkehrte. Allerdings hätte er sich gewünscht, diese Aufgabe unter etwas glücklicheren Bedingungen zu versehen. Concarneau wollte ihm nicht gefallen, er witterte überall Unrat: im Wasser des Hafens, zwischen den Piers, am Kai und zwischen den hohen Steinhäusern, die sich gegeneinanderlehnten, als müßten sie sich gegenseitig vor dem Umfallen bewahren. In der Festung, die sich würdig über all dem erhob, schien sowieso das Unglück zu nisten.

„Die Sache stinkt“, sagte er zu Smoky, dem Decksältesten, der ihm auf dem Quarterdeck der Galeone Gesellschaft leistete. „Hier ist was oberfaul, glaub es mir, Smoky.“

„Mal doch nicht schon wieder den Teufel ans Schott.“

„Es ist keine Unkerei. Man wird uns eine Falle stellen. Vielleicht ist es schon geschehen.“

Smoky hob die Augenbrauen und blickte in das zerknitterte Gesicht des Alten, das wie ein zerfurchter Acker wirkte. „Du meinst, wir sollten nachsehen, was mit Hasard, Shane, Ferris und den anderen ist?“

„Das müssen wir mit Sicherheit.“

„Zur Hölle, Donegal“, sagte Smoky, der jetzt allmählich auch unruhig wurde.

Old O’Flynn hob den Kopf. „Was war das? Hat da nicht jemand gerufen?“

„Das scheint mir nicht der Fall zu sein.“

„Ich war schon immer der Ansicht, daß du gelegentlich auf deinen Ohren sitzt, Mann“, sagte der Alte mit verdrossener Miene.

„Hör mal, jetzt reicht’s mir aber.“ Smoky enterte das Achterdeck und trat in den rötlich-dämmrigen Schein der Hecklaterne, die sie auf Hasards Befehl hin entfacht hatten. Er blickte zur „Fidelity“ hinüber und erkannte George Baxter, der ebenfalls ganz achtern auf der Kampanje stand.

„Baxter!“ rief er hinüber. „Hast du eben einen Schrei oder so was Ähnliches gehört?“

„Nein, habe ich nicht. Wer soll denn geschrien haben?“

„Das wissen wir nicht.“

„Es kam aus der Stadt“, sagte Old O’Flynn, dessen Gesichtsausdruck jetzt noch grimmiger geworden war. „Da besteht kein Zweifel.“

Baxter wandte sich seinerseits dem schwarzen Schiff zu, das unweit der „Fidelity“ ankerte, und erkundigte sich bei Arne, Eike, Olig und dem Stör, ob sie etwas vernommen hätten.

Aber auch die vier Wikinger verneinten.

„Zum Donner“, brummelte Old O’Flynn. „Da wird man doch glatt für verrückt erklärt. Aber ich hab mir das nicht eingebildet. Und ich sehe auch keine Gespenster.“

„Sir“, sagte Bill, der eben seinen Posten im Großmars räumte und auf das Hauptdeck abenterte. „Ich habe auch jemanden rufen hören, aber nur ganz schwach.“

„Gut.“ Der Alte zeigte ein freudloses Grinsen. „Wenigstens einer, der mich unterstützt. Ihr anderen werdet schon noch sehen, daß ich recht habe.“

„Wenn das so ist, dann hat Albert uns vielleicht hereingelegt“, sagte Carberry, der jetzt von der Kuhl zum Quarterdeck hochstieg. „Montbars nimmt den Kerl auseinander, wenn’s wirklich der Fall ist. Und es kann gut sein, daß ich ihm dabei helfe.“

„Unsinn“, erklärte Smoky. „Albert hat viel zuviel Angst vor dem Korsen. Ich glaube, daß er die Wahrheit gesagt hat. Außerdem, was für ein Interesse sollte er daran haben, uns hereinzulegen?“

„Das fragst du auch noch.“ Old O’Flynn sah Smoky aus zornblitzenden Augen an. „Natürlich ist der Hund immer noch darauf aus, entweder mit Grammont oder mit do Velho zusammenzuarbeiten.“

„Kann sein“, meinte Smoky. „Aber weder der eine noch der andere wird hier aufkreuzen. Grammont hat damit zu tun, seine Wunden zu lecken. Und do Velho, Quintaval, Bonano und Lucille scheinen ertrunken zu sein.“

„Denk, was du willst“, sagte der Alte.

Plötzlich regte sich etwas auf dem Hauptdeck, und die Männer fuhren herum.

Blacky und Jaek Finnegan näherten sich aus Richtung des Vordecks, und Blacky fragte: „Was ist denn los? Sind Hasard und die anderen schon zurück?“

Carberry beugte sich über die Querbalustrade zwischen Kuhl und Quarterdeck und sagte: „Siehst du sie hier irgendwo, du Molch? Wir haben uns nur darüber unterhalten, ob sie do Velhos Kasse gefunden haben oder nicht. Das ist alles. Und du? Wieso hast du deinen Posten verlassen?“

„Um nach dem Rechten zu sehen“, erwiderte Blacky. „Batuti ist unten geblieben und hält weiterhin vor der Vorpiek Wache.“

„Dann schieb auch du wieder ab!“ fuhr ihn der Profos an. „Wir können uns keinen Schlendrian erlauben, keine einzige Nachlässigkeit, verstanden?“

„Aye, Sir“, erwiderte Blacky der Einfachheit halber, drehte sich um und marschierte zum Vordecksschott zurück. Es lohnte sich nicht, mit Carberry zu diskutieren. Außerdem hatte der ja recht: Sie mußten jederzeit auf der Hut sein, denn Easton Terry, der jetzt als Gefangener in der Vorpiek der „Hornet“ saß, war zu jeder Teufelei fähig.

Auch Lucio do Velho, de Fambrin, Ignazio, Quintaval, Bonano und Lucille waren auf der „Hornet“ eingesperrt gewesen, als die zweite Schlacht bei Mordelles ihren Verlauf genommen hatte, doch dann hatte sich die Hafenhure aus Quimper befreit und auch den beiden Portugiesen und den drei Spaniern aus der Klemme geholfen.

Mitten im Gefecht waren alle sechs mit einemmal auf dem Hauptdeck erschienen. Do Velho, der alte Gegner der Seewölfe, hatte die „Hornet“ in einem tollkühnen Handstreich erobern wollen. Doch er hatte sich verrechnet. Ferris Tuckers Flaschenbombe hatte de Fambrin und Ignazio ins Jenseits befördert. Do Velho, Lucille und die beiden Spanier hatten von Glück sprechen können, daß ihnen überhaupt noch die Flucht von der „Hornet“ gelungen war.

„Und du?“ Carberry wandte sich mit demselben barschen Tonfall an Jack Finnegan, den er auch Blacky gegenüber benutzt hatte. „Was willst du hier, Mister Finnegan? Geht es Paddy Rogers besser? Willst du das melden?“

„Leider nicht. Er hat immer noch hohes Fieber.“

„Dann verschwinde auch du! Noch gibt’s hier oben nichts zu sehen, kapiert?“

„Aye, Sir.“ Finnegan warf noch einen Blick auf Old O’Flynns gallebittere Miene, dann zog er sich ins Vordeck zurück, wo er gemeinsam mit dem Kutscher und den Zwillingen Krankenwache an Paddy Rogers’ Lager hielt.

Paddy, sein bester Freund, war bei dem jähen Ausfall do Velhos auf der „Hornet“ von diesem durch einen Musketenschuß in die Brust lebensgefährlich verwundet worden. Der Kutscher hatte ihn inzwischen operiert und die Kugel herausgeholt. Doch ehe Paddy nicht das hohe Fieber überwunden hatte, das sich im Anschluß daran eingestellt hatte, war die Gefahr nicht vorüber. Noch schwebte er zwischen Leben und Tod, noch bangten die Männer und Hasards Söhne Stunde um Stunde um ihn.

Easton Terry hatte sein eigenes Süppchen kochen wollen: Auf der „Louise“ hatte er mitten im dicksten Getümmel das Deck geräumt und sich in Grammonts Kapitänskammer umgesehen. Dabei war er auf die Schatulle gestoßen, die der Piratenführer dort versteckt hatte. Dann aber war Hasard erschienen, hatte Terry zum Duell gefordert und gesiegt.

Terry saß in der Vorpiek, die Schatulle befand sich im Besitz der Seewölfe.

Ein gebranntes Kind scheut jedoch das Feuer, wie man sagt, und so rechneten die Männer ständig damit, Terry könne sich wie do Velho oder Lucille durch irgendeinen Trick befreien.

Auch dies trug zu der Nervosität bei, die sich wieder auf der „Hornet“ ausgebreitet hatte und nun auch auf die „Fidelity“ und „Eiliger Drache über den Wassern“ übergriff. Wieder einmal herrschte größte Ungewißheit über das, was geschehen würde.

Albert, der vermeintliche Bucklige, befand sich, gut bewacht von Gustave Le Testu und Montbars, dem Korsen, an Bord der „Fidelity“. Er hatte beteuert, die Wahrheit gesprochen zu haben. Er wollte do Velho, Quintaval, Bonano und Lucille gesehen haben, die von Mordelles nach Concarneau geschwommen waren. Und er wußte auch, daß do Velho in der Stadt seine „Kriegskasse“ verbarg, aus der er Grammonts Störmanöver gegen die Engländer finanzierte. Dies hatte er angeblich erlauscht, als sich do Velho mit Grammont in dem Lager von Mordelles getroffen hatte.

Stimmte das wirklich?

War Lucio do Velho in Concarneau – oder nicht? Gab es hier wirklich das Geld der Spanier zu holen? Oder war es eine Lüge?

Der Seewolf hatte sich vorgenommen, dies herauszufinden und die Spanier zu schädigen, wo er konnte. Aber wie weit war er mit seinen Ermittlungen? Warum meldete er sich nicht, warum schickte er keinen Boten?

Alle diese quälenden Fragen beschäftigten die Männer der „Hornet“, der „Fidelity“ und des schwarzen Schiffes, die nun unentwegt zum Hafen und zur Festung von Concarneau blickten. Wann würden sie eine Antwort erhalten?

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 294

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