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2.

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Der Seewolf war davon überzeugt, do Velhos Geldern so fern wie nie zuvor zu sein. Wahrscheinlich ist alles nur ein Trick von Albert gewesen, um uns in die Hände des Stadtkommandanten zu spielen, dachte er, und bei dieser Hinterlist hofft er selbst natürlich, mit heiler Haut davonzukommen.

An Bord der „Hornet“, der „Fidelity“ und des Schwarzen Seglers hatte bestimmt keiner bemerkt, was geschehen war. Auch das malte er sich in diesem Moment aus, als er mit seinen Männern in der Halle des Festungsgebäudes stand und von mehr als zwei Dutzend Soldaten bewacht wurde. Es war zu dunkel, Old O’Flynn, Baxter und Arne konnten nichts gesehen haben. Und Stokers Ruf? Nun, der war zu schwach gewesen. Er hatte sich in den Gassen verloren, ehe er den Hafen erreicht hatte.

Das Haupttor der Festung war vom Hafen aus auch bei Tageslicht sehr schlecht einzusehen, deswegen konnte man nicht erwarten, daß die Männer an Bord der Schiffe verfolgt hatten, wie die Soldaten ihre Gefangenen ins Innere der Anlage gebracht hatten.

Die ganze Situation war verfahren. Hasard schalt sich selbst einen Narren und Anfänger, weil er sich viel zu leichtfertig an Land begeben hatte. Er hätte damit rechnen müssen, daß in Concarneau alles getan wurde, um die Stadt zu verteidigen, ganz abgesehen von dem Wahrheitsgehalt dessen, was Albert gesagt hatte.

Männer wie René Douglas oder dieser Jean-Luc Martier, der eben auch kurz erschienen war, schlossen keinesfalls aus, daß englische Korsaren in Concarneau landen konnten, um die Stadt zu plündern. Sie fanden auch keinen Unterschied zwischen Korsaren und Piraten. Warum sollten sie? Zweifellos waren sie mit den Ansichten der Bourbonen einverstanden, und die waren mit den Spaniern liiert, die heimlich Heinrich unterstützten und ihn als nächsten König Frankreichs auf den Thron bringen wollten. Das Wetter in diesem Land war umgeschlagen – ganz eindeutig blies ein stürmischer Wind gegen England an, der nichts Gutes zu bedeuten hatte.

Demzufolge hatten Douglas und Martier auch keine Skrupel, die Gefangenen trotz aller Versicherungen Hasards und Jean Ribaults, es handle sich um ein Mißverständnis, festzuhalten und in den Kerker zu werfen.

Sie berieten jetzt darüber, was sie tun sollten. Hasard war aber sicher, daß sie ihre Meinung nicht änderten. Dieser Douglas und auch der Lieutenant waren keine Männer, die sich leicht vom Gegenteil dessen überzeugen ließen, was sie dachten. Und Martier? Der würde auch keine Wende herbeiführen.

Hasard blickte zu Ben, zu Shane, Dan, Ferris und den anderen. Ihre Mienen drückten genau das aus, was auch er dachte: Sie saßen in der Klemme und hatten keine Chance, aus ihr zu entwischen.

Hasard sah sich in der Halle um. Nein, es gab nach wie vor keine Möglichkeit, sich den Soldaten zu entziehen und zu fliehen. Stoker war wieder bei Bewußtsein. Sein Schädel brummte höllisch, aber sonst schien er unversehrt zu sein. Weitere Risiken wollte und durfte der Seewolf vorläufig nicht eingehen.

Aber was sollte er tun? Irgend etwas mußte geschehen, ehe die Franzosen womöglich auch die Kameraden von der „Hornet“, der „Fidelity“ und dem Schwarzen Segler gefangensetzten.

Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Wenn jetzt nicht ein Wunder geschah, waren sie alle geliefert.

Jean-Luc Martier stand René Douglas und dem Lieutenant gegenüber und hörte sich Douglas’ Bericht über die Gefangennahme der „verdammten englischen Freibeuter“ an. Martier war ein hagerer, hochaufgeschossener Mann mit einem bartlosen, markanten Gesicht. Seine dumpfe Ahnung, daß es doch noch Ärger geben könnte, war nicht gewichen. Er war ein größerer Skeptiker als Douglas. Aber er hielt es für besser, den beiden anderen Männern nicht zu widersprechen. Das zahlte sich nicht aus. Er wollte seinen Posten als Hafenkapitän behalten und nicht bei nächster Gelegenheit von Douglas bei den Bourbonen als Zweifler und Nörgler angeschwärzt werden.

Douglas saß hinter dem Schreibtisch seines Arbeitszimmers, seine große, schwere Gestalt füllte den geschnitzten Holzstuhl mit den Armlehnen voll aus. Sein rotes Gesicht strahlte vor Triumph und Zuversicht, und immer wieder strich er sich mit den Fingern über sein weißes Oberlippenbärtchen.

„Damit haben die Hunde nicht gerechnet“, sagte er abschließend. „Wir haben sie, und wir haben auch die anderen in der Hand, die an Bord der Schiffe warten. Ich weiß, was Sie denken, Martier. Sie könnten mit ihren Kanonen das Feuer auf die Festung eröffnen. Aber genau das werden sie nicht tun. Wir haben zwölf Geiseln, und die Kerle werden nicht wagen, sie zu gefährden. Wenn mich nicht alles täuscht, ist der große Schwarzhaarige der Kapitän des Haufens. Er ist unser wichtigstes Faustpfand.“

„Ja, das leuchtet mir ein“, erklärte Martier geschmeidig. „Im übrigen ist es großartig, wie Sie das hingekriegt haben. Lieutenant, ich spreche auch Ihnen meine Anerkennung aus.“

„Danke“, sagte der Lieutenant. „Ich schlage vor, daß wir die Gefangenen nach Rennes bringen. Dort werden die Bourbonen entscheiden, was mit ihnen geschehen soll.“

„Keine schlechte Idee“, sagte Douglas und lachte.

Auch Martier nickte zustimmend. Je eher man die Gefangenen wieder loswurde, desto besser war das für Concarneau und das Wohlbefinden seiner Bürger.

„Engländer als Schnapphähne und Schlagetots in der Bretagne“, sagte Douglas. Er ließ diese Worte fast genüßlich auf der Zunge zergehen. „Das ist wirklich die Höhe. Das ist geradezu ungeheuerlich.“

Ja, dachte Martier, und es ist Wasser auf die Mühlen von Heinrich, der antienglisch und prospanisch eingestellt ist. Er wird dies als eine Bestätigung der Richtigkeit seiner Politik ansehen.

Ob dies jedoch gut für Frankreich war, vermochte Martier trotz angestrengten Nachdenkens nicht zu ergründen. Vielleicht nahmen die Bourbonen den Vorfall sogar zum Anlaß, um einen Krieg gegen England zu beginnen. Darauf wartete Spanien ja nur. Philipp II. würde die Bretagne und die Normadie als Sprungbrett benutzen, um eine neue Invasion in Elizabeths I. Reich durchzuführen. Dadurch wollte er die Niederlage rächen, die 1588, vor vier Jahren, die glorreiche Armada erlitten hatte.

Armes Frankreich, dachte Martier.

Vielleicht war es gut, rechtzeitig dafür zu sorgen, sein Schäflein ins trockene zu bringen. Ja, je länger Jean-Luc Martier gerade darüber nachdachte, desto einleuchtender erschien es ihm, in dieser Richtung etwas zu tun.

Laut sagte er: „Lieutenant, im Prinzip wären wir mit dieser Regélung schon einverstanden. Nicht wahr, Douglas?“

„Ich habe nichts dagegen einzuwenden.“

„Nur würde ich die Gefangenen lieber auf dem Seeweg nach Brest bringen und von dort aus dann nach Rennes. Das ist sicherer. Auf dem Landweg von Concarneau nach Rennes kann eine ganze Menge passieren.“ Martier blickte erst zu Douglas, dann zu dem Lieutenant. Douglas hob die Augenbrauen, der Lieutenant legte seine Stirn in nachdenkliche Falten.

„Im Landesinneren lauern überall plündernde Horden“, sagte Douglas. „Ist es das, was Sie andeuten wollen, Martier?“

„Ja. Vorwiegend sind es Hugenotten.“

„Wie der gefürchtete Le Testu?“

„Wie der“, sagte Martier.

„Le Testu ist erledigt“, erklärte der Lieutenant. „Offenbar hat er sogar die Bretagne verlassen. Nach seinem letzten großen Überfall auf einen Waffentransport ist er jedenfalls nicht wieder aufgetaucht, wie ich vernommen habe. Trotzdem haben Sie recht, Monsieur Capitaine: Die Banditen bereiten uns Soldaten einigen Ärger. Der Seeweg wäre auf jeden Fall problemloser. Aber woher wollen wir das erforderliche Schiff dafür nehmen? Eine ihrer Schaluppen würde doch wohl nicht genügen.“

„Richtig“, sagte Martier. „Dann müssen wir eben zwei Schaluppen nehmen. Irgendwie klappt das schon. Stellen Sie sich einmal vor, irgendwelche Strauchdiebe und Beutelschneider überfallen Ihre Truppe auf dem Weg nach Rennes und befreien die Engländer – gar nicht auszumalen, was für ein Massaker das gäbe! Und Concarneau könnte sich in dem Fall auch noch auf eine böse Überraschung gefaßt machen.“

„Allerdings“, meinte der Lieutenant. „Übrigens scheinen diese Piraten aber nicht alle aus England zu stammen, wenn ich mich nicht irre. Es ist doch auch ein Franzose dabei, nicht wahr?“

„Und was für einer“, brummte Martier. „Das ist Jean Ribault, wenn mich nicht alles täuscht. Auch so ein Hugenotten-Hund. Der segelt schon seit Jahren als Korsar über die Weltmeere und hat hundertfach den Strick verdient.“

„Mit ihm werden die Bourbonen dann wohl auch kurzen Prozeß machen“, sagte der Lieutenant. „Und auch mit diesem Schwarzhaarigen. Könnte das nicht der berüchtigte Killigrew aus Cornwall sein?“

„Wie kommen Sie darauf?“ fragte Martier.

„Ich habe mal eine Beschreibung von diesem Kerl gehört. Die paßt in etwa auf den Schwarzhaarigen. Sie nennen Killigrew auch den Seewolf, glaube ich.“

„Und wer ist dieser bärtige Kerl mit dem Helm?“ fragte Martier. „Der sieht ja aus wie ein Seefahrer aus längst vergangenen Zeiten.“

„Ich nehme an, er ist ein Nordmann.“

„Aus Schweden oder Norwegen? Aber – aber die Wikinger gibt es doch gar nicht mehr.“

„Nun ja“, erwiderte der Lieutenant. „So sicher bin ich mir auch nicht. Ehrlich gesagt, gibt mir dieser Kerl das größte Rätsel von allen auf.“ Er wandte sich zu René Douglas um, der den Blick etwas gehoben hatte und angestrengt auf einen imaginären Punkt an der Wand spähte. „Was halten Sie von dem Kerl, Monsieur Commandant?“

Douglas antwortete zunächst nicht. Schweigen trat ein, man konnte das Knistern der Flammen in den Öllampen vernehmen. Dann endlich sah Douglas seine beiden Gesprächspartner an, stand auf und deutete aus dem Fenster, das auf den Hafen von Concarneau wies. „Ich habe eben eine großartige Idee gehabt und finde, wir sollten sie sofort in die Tat umsetzen. Hören Sie zu.“

Kaum merklich hatte der Wind gedreht und blies jetzt aus westlicher Richtung, nicht mehr von Südwesten, gegen die Küste der Bretagne und die Häuser von Concarneau an. Der Wind nahm an Stärke zu, die Wellen der See stiegen höher und ließen die Schiffe und Boote, die auf der Reede vor Anker lagen oder an den Piers vertäut waren, tanzen.

Auch die „Hornet“, die „Fidelity“ und das schwarze Schiff gerieten in heftigere Bewegung und schwoiten an ihren Ankertrossen. Besorgt schauten die Mannschaften auf und registrierten trotz der Dunkelheit, daß sich tiefhängende schwarze Wolken über der Stadt und der Küste zusammengeballt hatten.

Das Wetter wurde schlechter. Der Wind jaulte, strich auf dem Weg über den Kai in die Gassen, eilte über die winzigen Plätze, die hier und da das Gewirr der engen Gänge unterbrachen, jagte um die Festung und umwirbelte die Gestalten der Männer und der Frau, die sich heimlich zur hinteren Mauer des Kastells begeben hatten.

Dies waren Le Marocain und dessen neunköpfige Bande von Galgenstricken, Lucio do Velho, Bonano, Quintaval und Lucille, die Hafenhure von Quimper. Le Marocain hatte den Portugiesen, die beiden Spanier und die Frau zwischen Concarneau und Mordelles aus der See gefischt, nachdem er sich mit einer anderen Bande von Schnapphähnen um die Beute geschlagen hatte – und es war kein Fehler gewesen, die vier an Bord zu nehmen, wie sich inzwischen herausgestellt hatte.

Lucille hatte die Gunst der Lage erkannt und sich sofort auf Le Marocains Seite geschlagen. Ihr Platz war immer bei dem Stärkeren, und die Situation sprach nun mal eindeutig zugunsten dieses Kerls mit dem krausen schwarzen Haar, den dunklen Augen, den vollen Lippen und den gelblichen Zähnen, die er bei jeder Gelegenheit zu entblößen pflegte.

Do Velho hingegen war ein geschlagener Mann und vom Regen in die Traufe geraten. Wieder war er – zusammen mit Bonano und Quintaval – ein Gefangener, wieder saß er in der Falle. Zu allem Unheil hatte Lucille auch noch preisgegeben, was auch sie im Lager auf Mordelles erfahren hatte: Do Velho verbarg seine Kriegskasse in Concarneau. Hier mußte man suchen, wenn man reich werden wollte.

Le Marocain hatte aus Lucio do Velho herausgequetscht, wo sich der Ort befand, an dem die Gelder lagen. Jetzt aber, ehe sie durch die Seitentür, die do Velho beschrieben hatte, in die Festung eindrangen, drehte er sich noch einmal zu dem Portugiesen um und zückte sein Messer.

„Wenn du mir etwas vorgeschwindelt hast, ist dies dein Ende, Freundchen. Keiner darf Le Marocain ungestraft hinters Licht führen“, zischte er. „Noch hast du Zeit, dich zu berichtigen. Führst du uns aber in eine Falle, dann steche ich dich nieder.“

„Ich habe die Wahrheit gesagt“, flüsterte Lucio do Velho. „Sie werden gleich sehen, daß alles seine Richtigkeit hat.“ Er wünschte sich, nie etwas über sein Geldversteck verraten zu haben, aber es war nun. einmal geschehen. Zu massiv waren Le Marocains Drohungen gewesen, zu groß seine eigene Furcht vor körperlicher Qual. Er war umgefallen und hatte alles gesagt.

Dafür würde er sich an Lucille rächen, das hatte er sich geschworen. Wäre sie nicht gewesen, dann wäre die Sache mit der Kriegskasse ein Geheimnis geblieben. Aber sie war ja selbst auf Profit aus und aus diesem Grund Le Marocains Verbündete geworden. Ob er sie wirklich an der Beute beteiligen würde, stand auf einem anderen Blatt. Aber sie würde alles versuchen, um diesen Galgenstrick zu becircen. Das Rüstzeug dazu besaß sie ja reichlich: Sie war hübsch und verführerisch und konnte einem Kerl wie Le Marocain durchaus den Kopf verdrehen.

Aus war es mit do Velhos Hoffnung, er könne Le Marocain für seine Pläne gewinnen und sich auf diese Weise einen neuen Kampfgefährten gegen den Seewolf schaffen. Le Marocain war es egal, was die Spione Spaniens in Frankreich wollten, es kümmerte ihn nicht, was aus Frankreich wurde, oder ob man den Engländern tüchtig eins auswischte. Ihn interessierten nur Münzen aus Gold und Silber, sonst nichts.

So drangen sie jetzt durch die Seitentür in die Festung ein.

Diese Tür wurde nicht bewacht, und kaum jemand schenkte ihr Beachtung. Lucio do Velho hatte den Schlüssel in einer kleinen Tasche seines Ledergürtels getragen, und auf Le Marocains Drohungen mit dem Messer hin hatte er damit herausrücken müssen.

Wie hatte er diesen Schlüssel jedoch erhalten?

Vor etwa sechs Wochen war er zusammen mit Ignazio, Bonano, Quintaval und de Fambrin auf den Auftrag des spanischen Königshauses hin in der Bretagne eingetroffen. Sofort hatte er damit begonnen, sich umzutun und nach Verbindungsmännern zu suchen. Sein Ehrgeiz kannte keine Grenzen, er wollte seine Aufgabe mit Bravour meistern.

Über Albert, den „Buckligen“ von Quimper, war er auf Yves Grammont gestoßen, der zu allem bereit gewesen war, nachdem er die Dublonen, Piaster und Reales gesehen hatte, die ihm do Velho als Anzahlung zugeschoben hatte. Die große Aktion gegen englische Schiffe, die an der Bretagne vorbeisegelten, hatte begonnen.

Do Velho hütete sich jedoch, Bargeld bei sich zu tragen. Grammont war zu allem fähig, auch dazu, ihm die Truhe abzunehmen und dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden, ohne die Arbeit zu leisten, die die Spione von ihm verlangten.

Also hatte sich do Velho nach einem geeigneten Versteck für seine Kasse umgesehen. Auch Ignazio mußte tüchtig herumhorchen, er war dafür der geeignete Mann gewesen. Jetzt war er tot und hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes in seine Bestandteile aufgelöst, doch do Velho trauerte ihm nicht nach. Ignazio, der Mann aus Porto, war sein treuer Untertan gewesen, doch manchmal war er ihm auch auf die Nerven gefallen. Er würde sich einen neuen Assistenten suchen, diesmal einen etwas gescheiteren Mann.

Ein eigenes Schiff hatte do Velho nicht mit in die Bretagne genommen, denn das wäre zu auffällig gewesen. Er mußte alles unter dem Siegel strengster Geheimhaltung und größter Verschwiegenheit abwikkeln. Aus diesem Grund war er mit seinen Begleitern auf vielen Umwegen in die Bretagne gereist und bediente sich auch verschiedener Namen, um ja nicht aufzufallen und entlarvt zu werden.

Die Kasse also – in der sich neben dem Geld übrigens auch ein von Philipp II. persönlich unterzeichneter sogenannter „Repressalienbrief“ befand – mußte irgendwo an Land verborgen werden, doch auch die geheimen Treffpunkte, an denen er mit Grammont die nächsten Unternehmungen besprach, kamen dafür nicht in Frage, denn dort konnte Grammont jederzeit herumstöbern, sobald sein Auftraggeber wieder fort war – beispielsweise in dem Gewölbe der Burgruine bei Quimper.

Nein, do Velho hatte sich schon etwas sehr Originelles und Ausgefallenes ausdenken müssen, um seiner Gelder sicher sein zu können.

Wie gut war es da doch, daß Ignazio eines Abends in einer Hafenkneipe von Quimper auf einen ehemaligen Wachsoldaten der Festung von Concarneau getroffen war. Sofort hatte er dies seinem Herrn do Velho gemeldet, und der Portugiese hatte selbst den Rest der „Verhandlungen“ eingeleitet.

Im betrunkenen Zustand hatte ihm der Ex-Soldat anvertraut, er könne die Festung von Concarneau noch immer betreten und wieder verlassen – wann immer er wolle. Do Velho brachte ihn auch dazu, den Schlüssel vorzuweisen, den der Mann hatte mitgehen lassen. Damit unterschrieb der Narr gewissermaßen sein Todesurteil.

Ignazio überfiel ihn auf do Velhos Befehl hin in den Gassen von Quimper, schlug ihn nieder und nahm ihm den Schlüssel ab. Dann tötete er ihn und ließ ihn mit einem Gewicht an den Beinen im Hafenbecken verschwinden. Die Leiche wurde nie gefunden.

Lucio do Velho hätte sich jedoch im Traum nicht gedacht, daß es einmal ein verluderter Kerl wie Le Marocain sein würde, der ihm diesen Schlüssel abnahm.

Do Velho schäumte vor Wut und suchte nach einem Weg, sich zu befreien, als die Gruppe von vierzehn Gestalten jetzt unter einem düsteren Säulengang dahinschlich und sich den Hauptgebäuden der Festung näherte.

Er ahnte nicht, wie nah er seinem Erzfeind Philip Hasard Killigrew in diesem Moment war. Der stand in der Halle, nach wie vor mit seinen Männern von den Soldaten bewacht, und wußte seinerseits nicht, daß Lucio do Velho überhaupt noch am Leben war – und daß er schon bald wieder mit ihm zusammentreffen sollte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 294

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