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2.

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Stunden höchster Dramatik erlebten auch die Spanier in Fort St. Augustine, die sich von dem furchtbaren Kampf, der hier getobt hatte, noch nicht wieder erholt hatten. Brüllend fegte der Sturm von Norden nach Süden über die Küste weg und zerstörte das, was von den vernichteten Hafenanlagen noch übriggeblieben war. Er rüttelte auch an den Palisaden der Festung und raste durch den Sumpf, riß ein paar Dachschindeln von der Mission Nombre de Dios und sorgte vor allem unter den Frauen und Kindern, die hier Zuflucht gesucht hatten, für neue Panik.

Don Lope de Sanamonte, sonst ein selbstsicherer und überheblicher Mann, war selbst der Verzweiflung nahe. Hatte sich alles gegen ihn verschworen? Sollte St. Augustine untergehen? War dies die Strafe Gottes für die Habgier und Grausamkeit der Spanier, die die Hugenotten aus Florida vertrieben und auch unter den Indianern schrecklich gewütet hatten?

Fast war er soweit, wirklich daran zu glauben – da traf doch noch der Verband von acht Galeonen ein, auf den er schon so lange gewartet hatte. Am Ende hatte er auf ein Erscheinen des Konvois nicht mehr zu hoffen gewagt, er war so weit gewesen, mit einem Unglück zu rechnen, das Don Augusto Medina Lorca, den Generalkapitän und Verbandsführer, getroffen haben mußte.

Jetzt aber segelten die acht stolzen Schiffe unter Sturmsegeln in die Mündung des Rio Matanzas ein, schemenhaften Giganten gleich, deren letzte Zuflucht in diesem Hafen lag. Es waren stark armierte Dreimastgaleonen, deren Kapitäne den Auftrag hatten, den Schatz aus den Kammern der Festung abzuholen und direkt nach Spanien zu überführen, wo er König Philipp II., Seiner Allerkatholischsten Majestät, übergeben werden sollte.

Noch ahnte Don Augusto Medina Lorca nichts von der bösen Überraschung, die ihn erwartete. Er stand breitbeinig an der Achterdecksbalustrade seines Flaggschiffes, der „Santa Veronica“, warf einen Blick auf das Fort, das sich undeutlich vor ihm in der Finsternis abzeichnete, und atmete auf.

Endlich war es geschafft, er hatte St. Augustine erreicht! In Havanna hatte es eine Verzögerung gegeben: Piraten hatten angegriffen, waren aber in die Flucht geschlagen worden. Verspätet war der Verband nach Florida ausgelaufen, dann aber von dem Sturm überrascht worden.

Mit Ach und Krach war es den Kapitänen, die unter Don Augustos Kommando segelten, gelungen, gegen den Sturmwind aufzukreuzen und schließlich auf Nordwestkurs zu gehen, mit letzter Kraft hatten die Besatzungen die Galeonen in die rettende Flußmündung manövriert. Das Wasser war hier etwas ruhiger, die vorgelagerten Inseln und Landzungen nahmen dem Sturm zumindest im Bereich des Flusses etwas von seiner zerstörenden Macht.

Don Augusto spähte aus schmalen Augen zu dem Platz, an dem er von früheren Besuchen her die Piers wußte. Täuschte er sich – oder war von den Anlagen wirklich nichts mehr übrig?

Die Galeonen segelten, von den Wogen immer wieder aus der Formation geworfen, taumelnd und schwerfällig auf die Piers zu. Hier sollten sie längsseits gehen und anlegen, vertäut und gegen das Wetter abgesichert werden. Doch es kam anders. Plötzlich ertönte Geschrei an Bord der „Santa Veronica“ – der Ausguck, der beim Einlaufen in den Fluß gerade wieder zum Großmars aufgeentert war, hatte entdeckt, daß die Piers zerstört waren.

„Beidrehen!“ schrie Don Augusto. Der Rudergänger gehorchte augenblicklich, und die Mannschaft begann, die Segel ins Gei zu hängen. Die Kapitäne der sieben anderen Galeonen folgten seinem Beispiel – doch einer von ihnen erkannte die Lage zu spät und handelte nicht mehr schnell genug. Der Wind fauchte mit einer neuen Bö heran, die Strömung des Flusses drückte von der anderen Seite gegen das Schiff – es drehte sich und geriet sehr unglücklich zwischen die Trümmer der Piers, wo es im nächsten Moment auf Grund lief.

Don Augusto hatte alles verfolgt und begann zu toben. Er war ein heißblütiger, leicht aufbrausender Mann, der keine Fehler duldete. Hochaufgeschossen und schlank, schwarzhaarig und bartlos, wirkte er mit seinem steifen Gang und seiner etwas linkischen Art, sich zu bewegen, oft lächerlich, was auch nicht zuletzt an seinem Übereifer lag, Situationen in Angriff zu nehmen. In seinem schmalen Gesicht begann das rechte Auge bei Aufregung leicht zu zucken – wie jetzt. Konnte er das nicht verbergen, wurde er wütend.

Für ihn existierten als Menschen ausschließlich die Spanier, und unter diesen wiederum vor allem er selbst. In Gefechten hielt er sich gern etwas zurück und überließ es den anderen, sich blutige Köpfe zu holen. Dabei sparte er nicht mit guten Ratschlägen und Tadel. Wurde er aber zum Kampf gezwungen, bediente er sich gern unfairer Mittel. Mit anderen Worten – er stellte keinesfalls das Idealbild eines Geschwaderführers dar und wurde von seinen Untergebenen innig gehaßt.

Er konnte auch jetzt seinen Zorn nicht zurückhalten und ließ ihn an seinen Offizieren aus. Er stieß die wüstesten Drohungen gegen sie aus, kündigte drastische Strafen an, wenn nicht umgehend dafür gesorgt würde, daß die Schiffe vor Anker gingen.

Die Buganker der Galeonen rauschten aus, dann endlich lag der Verband auf der Reede in der Strömung des Matanzas-Flusses fest. Ein weiteres Problem war, von Bord der „Santa Veronica“ ein Beiboot abzufieren. Es kenterte fast, als es in den Fluten aufsetzte, und Don Augusto glitt beinah von den Sprossen der Jakobsleiter ab, als er abenterte.

Dann aber wurde auch diese Hürde bewältigt, die Bootsmannschaft pullte den Generalkapitän durch die aufgewühlten Fluten an Land. Am Ufer, zwischen den traurigen Überbleibseln der Piers, rutschte er dann doch aus und beschmutzte sich die Uniform. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte seinem Ersten Offizier zornbebend in den Allerwertesten getreten.

Er bezwang sich jedoch und war um Haltung bemüht. Steifen Schrittes stelzte er auf das Fort zu, gefolgt von seinen Männern. Was ging hier vor? Was war geschehen? Warum zeigte sich niemand, um sie zu empfangen? Und wo, zum Teufel, war Don Lope de Sanamonte, der Kommandant der Festung?

Don Lope trat aus dem Tor des Forts, der Sturmwind zerrte an seiner ohnehin schon lädierten, zerrupft wirkenden Erscheinung. Sein Stolz war gebrochen, er hatte die erlittene Niederlage noch nicht überwunden.

„Don Lope?“ schrie ihm Don Augusto im Heulen des Windes zu. Es war nicht das erste Mal, daß sie sich begegneten, doch er konnte ihn immer noch nicht einwandfrei identifizieren, obwohl sie nur noch zehn Schritte voneinander entfernt waren.

„Ja, ich bin es!“ rief Don Lope.

Don Augusto beschleunigte seine Schritte. „Sie sind mir eine Erklärung schuldig!“ schrie er. „Was ist hier los?“

Don Lope de Sanamonte hielt es für ratsam, seinen Besucher sofort in das Kellerlabyrinth zu führen. Sie stiegen über eine noch intakte Leiter in das Gewölbe hinunter, dann entfachte Don Lope selbst eine Fackel, und sie schritten, von Don Augustos Offizieren und einigen höhergestellten Bewohnern der Festung gefolgt, durch die Gänge, in denen man sich leicht verirren konnte.

Bald war die Schatzkammer erreicht, und Don Lope trat schweigend in ihre Mitte. Hier ließ er die Fackel kreisen, indem er sich um die eigene Achse drehte. Das zuckende Licht warf gespenstische Muster auf die Decke und die Wände des Raumes. Bislang hatte er seinem Gast keine Erklärung gegeben, er war nur schweigend vor ihm her gegangen. Jetzt bedurfte es keiner Worte mehr, um die Situation zu erläutern.

„Leer!“ stieß Don Augusto fassungslos hervor. „Keine Truhen, keine Kisten – die Kammer ist leer!“

„Ich nehme an, daß der Schatz in einen anderen Raum gebracht wurde“, sagte der Erste Offizier der „Santa Veronica“. „Nicht wahr, Don Lope?“

Don Lope antwortete nicht.

Don Augusto fuhr zu dem Mann herum und schrie ihn an: „Schweigen Sie, um Himmels willen! Glauben Sie, Don Lope hätten einen Grund dazu, sich mit uns einen Scherz zu erlauben? Haben Sie die Zerstörungen nicht gesehen?“

„Selbstverständlich, Señor Capitán General“, erwiderte der Erste Offizier mit leicht verzerrtem Gesicht. „Ich bitte um Verzeihung.“

„Wer hat das alles angerichtet?“ fragte Don Augusto nur mühsam beherrscht. „Wer hat Sie überfallen? So reden Sie doch endlich, Don Lope!“

„Es waren Piraten“, entgegnete Don Lope. „Ich hatte St. Augustine zu einer uneinnehmbaren Festung ausgebaut – und nun das. Ich kann es nicht begreifen, nein, ich kann es nicht.“

Don Augustos Stimme wurde um eine Nuance schärfer. „Ich ersuche Sie, sich an die reinen Tatsachen zu halten, Don Lope. Ich werde meinen Vorgesetzten, vor allem der Casa de Contratación und der Admiralität gegenüber, später eine genaue Darstellung über die Ereignisse geben müssen. Also – bitte, berichten Sie in allen Einzelheiten, was sich zugetragen hat. Welcher Herkunft waren die Schnapphähne, die Sie angegriffen haben?“

„Es war ein doppelter Angriff“, sagte Don Lope mit schwacher Stimme. „Sie ahnen nicht, was wir durchgestanden haben.“

„Ein doppelter … Ich höre wohl nicht richtig.“

„Zuerst erschienen Mardengos Galgenstricke“, erklärte Don Lope. „Sie arbeiteten mit allen Tricks. Es gelang ihnen, in die Festung einzudringen. Dann tauchten die Engländer auf – ein gewisser Philip Hasard Killigrew mit seiner Meute von Schlagetots.“

„Killigrew“, sagte Don Augusto, und seine Augen weiteten sich. „Den Namen habe ich irgendwo schon mal gehört. Aber mir fällt im Moment nicht ein, in welchem Zusammenhang. Weiter, Don Lope, nur weiter.“

De Sanamonte war darauf bedacht, seinen Besucher möglichst unter vier Augen zu sprechen, deshalb löste er die Versammlung in der Schatzkammer auf und kehrte in den Hof des Forts zurück, der immer noch ein Bild heilloser Verwüstung bot. Es gelang ihm, Don Augusto allein zu sich in das Hauptgebäude der Anlage zu holen. Hier nahmen sie am Pult Platz, und Don Lope entfachte eine Öllampe, während der Sturmwind weiterhin an Türen und Fenstern rüttelte und jaulend über das Dach des Hauses strich.

Don Lope schilderte von Beginn an, wie sich der Angriff auf Fort St. Augustine abgespielt hatte – angefangen mit dem Überfall auf den armen Teufel Tomas de Goyena, den man getötet hatte, um sich seiner Kleidung zu bedienen. Ein Pirat der Mardengo-Bande, Gato, hatte sich in das Fort eingeschlichen, indem die Wachen von ihm erfolgreich getäuscht worden waren, und so hatte schließlich alles seinen unheilvollen Lauf genommen. Von zwei Seiten, vom Land und vom Wasser, hatten die Freibeuter die Festung unter Beschuß genommen – und schließlich war dann die große Galeone des englischen Schnapphahns Killigrew aufgetaucht, die sich in das Geschehen eingemischt hatte.

Wohlweislich verschwieg Don Lope, daß ihm die Engländer eigentlich geholfen hatten. Sie hatten gegen Mardengo gekämpft, nachdem dieser sie, ohne zu zögern, angegriffen hatte, und am Ende war es ihnen gelungen, die Piraten zu vertreiben. Praktisch hatten sie St. Augustine also gerettet. Dann aber hatten sie den Schatz mitgenommen und sich auf die „feine englische Art“ empfohlen.

Nie würde Don Lope verschmerzen können, daß man ihn derart übertölpelt und hereingelegt hatte. Er schämte sich zutiefst, dies einzugestehen, und war froh, daß er Don Augusto zu sich in das Kontor der Verwaltung geholt hatte. Es erschien ihm nur legitim, die Tatsachen ein wenig zu verdrehen.

„Die englischen Hundesöhne haben sich also mit diesem Mardengo verbündet?“ fragte Don Augusto.

„So scheint es zu sein“, erwiderte Don Lope vorsichtig.

„Das sieht ihnen ähnlich“, sagte Don Augusto verächtlich. „Die ganze englische Nation besteht ohnehin nur aus Bettlern und Wegelagerern. Sie haben das Räubern und Plündern im Blut und werden nie ehrliche Seefahrer sein, wie wir Spanier es sind.“

„Da haben Sie recht, mein lieber Freund“, sagte Don Lope und dachte kummervoll an all die Pläne, die er gehabt hatte und die jetzt zerschlagen worden waren. Eine größere Festung hatte er bauen wollen, die Pläne dazu hatte er bereits selbst gezeichnet. Doch jetzt, wenn die Krone von seinem Mißerfolg erfuhr, würde er die erforderlichen Gelder nie erhalten. Was geschehen war, ließ sich nicht mehr ändern.

Don Augusto beobachtete sein Gegenüber über das Pult hinweg. Dieser Don Lope war ein etwas aufgedunsener, schwammig wirkender Mensch mit schwarzen, ewig beleidigt wirkenden Augen. Konnte man ihm trauen? War er aufrichtig? Oder hatte er den Schatz mitten im Gefecht heimlich in ein anderes Versteck des Labyrinths geschafft, um ihn für sich zu behalten?

Don Augustos rechtes Auge begann leicht zu zucken, doch es gelang ihm, es sofort wieder zu unterdrücken. Nein, Don Lope konnte kein Betrüger sein. Es stand zuviel für ihn auf dem Spiel. Außerdem gab es ja auch viele Zeugen, diese Solanas zum Beispiel, die gesehen hatten, was sich zugetragen hatte. Es war undenkbar, daß die Solanas, die eine in ganz Spanien und in den Kolonien angesehene Familie waren, bei einem solchen Bubenstreich mit dem Kommandanten unter einer Decke steckten.

Nein, zweifellos ging Don Augustos Phantasie hier ein wenig zu weit. Don Lope war ihm nicht sonderlich sympathisch, aber es war seine Pflicht, ihm zu helfen und den Schatz wiederzufinden – nicht zuletzt auch wegen des eigenen Prestiges, das auf dem Spiel stand.

Don Augusto hieb mit der Faust auf das Pult, Don Lope zuckte unwillkürlich zusammen.

„Beim König von Spanien!“ rief Don Augusto. „Wir werden die Schatztruhen wiederholen, das schwöre ich Ihnen, mein Lieber! Und wir werden uns an diesem Piratengesindel rächen, wie es sich gehört! Wir haben acht Galeonen, die allesamt bestens armiert sind! Sobald der Sturm nachläßt und es hell wird, nehmen wir die Suche nach den Bastarden auf – und dann gnade ihnen Gott!“

Don Lope atmete auf. Er hatte kaum noch mit einer Unterstützung gerechnet, eher damit, daß ihn Don Augusto wegen seinen Versagens abkanzelte und dann wieder auslief, um seinen Vorgesetzten Meldung zu erstatten. Jetzt aber gab es wieder eine Hoffnung.

Er sprang auf und schüttelte seinem Besucher spontan die Hand. Dann holte er eine Flasche Wein aus seinem Pult. Der Pakt mußte begossen werden, trotz allem, was gewesen war.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 337

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