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4 Aufbruch in fiebernder Hast

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Es dauerte eine Weile, ehe Mrs. Bartow die volle Bedeutung dieser Botschaft erkannte. Zuerst starrte sie mit bebenden Lippen immer wieder auf das weiße Stück Papier in ihrer Hand. Dann jedoch entfiel es ihren kraftlosen Händen und ihr Kopf sank mit einem Seufzer gegen die Sessellehne zurück. Sie weinte lautlos, und Bomba stand daneben und kam sich sehr hilflos vor, weil er nicht einmal ein tröstendes Wort über die Lippen brachte.

Nach einer Weile hatte sie sich jedoch so weit gefasst, dass sie sich wieder aufrichten konnte. Sie griff nach ihrem Taschentuch und wischte die Tränenspuren aus dem Gesicht. Die Lage war doppelt traurig für sie. Nicht nur, dass sich ihr Gatte in Lebensgefahr befand und vielleicht einem schrecklichen Tod ins Auge sehen musste — nein, auch ihren Sohn, den sie gerade erst wiedergefunden hatte, musste sie nun zum zweiten Male verlieren.

Sie hatte Angst, ihn nach Afrika zu schicken, aber sie wusste zugleich, dass keiner besser geeignet war, Andrew Bartow Hilfe zu bringen als sein Sohn Bomba.

„Warum musste das geschehen?“, seufzte sie mit tränenerstickter Stimme. „War also deine Ahnung doch richtig, Bomba? Und ich wollte darüber lachen!“ Sie wischte von neuem die Tränen ab und versuchte ihren Sohn anzulächeln, der sich liebevoll über sie gebeugt hatte.

„Ja, es ist sehr schlimm“, sagte Bomba leise. „Aber wir brauchen deshalb die Hoffnung nicht aufzugeben. Ich glaube bestimmt, dass mein Vater noch am Leben ist. Ich werde mit Gibo nach Afrika reisen, und wir werden ihn finden und zu dir zurückbringen.“

„Wenn es nur so leicht ginge, wie du die Worte aussprichst“, seufzte die Mutter.

Inzwischen hatte Bomba nach dem Telegrammformular gegriffen und den Inhalt noch einmal genau studiert.

„Sixtree?“, murmelte er. „Von diesem Mann hat Vater oft gesprochen. Er ist ein Händler in Nairobi, der die Ausrüstung für die Expeditionen ins Landesinnere zusammenstellt. Vater hat gesagt, dass er ein ehrlicher Mann ist. Er ist Engländer und kennt Afrika schon seit vielen Jahren. Wenn er nicht mit Vater gut befreundet gewesen wäre, hätte er wohl auch kaum das Telegramm gesandt.“

„Ja, ich erinnere mich“, bestätigte Mrs. Bartow. „Vater sprach von Sixtree. Er kennt ihn von früheren Afrikareisen her. Aber warum hat dieser Mann so wenig telegrafiert? Wie konnte dieses Unglück geschehen? Warum schreibt er keine Einzelheiten?“

„Ich habe auch schon darüber nachgedacht“, sagte Bomba. „Aber wir haben jetzt keine Zeit, uns mit nutzlosen Fragen aufzuhalten. Wir müssen uns überlegen, wie wir so schnell wie möglich aufbrechen können. Denn von hier aus können wir Vater keine Hilfe leisten.“

„Rufen wir Cody Casson an!“, schlug die Mutter vor. „Er wird vielleicht Rat wissen.“ Während sie telefonierte, sprach Bomba leise mit seinem Gefährten. Es bedurfte keiner großen Überredungskunst, um Gibo davon zu überzeugen, dass er seinen Herrn nach Afrika begleiten musste. Zwar hatte er ein wenig Angst vor der Fahrt über das ‚große Wasser‘, wie er das Meer nannte. Aber wenn es darum ging, Bomba zu folgen, unterdrückte er alle Regungen von Furcht. In diesem Falle handelte es sich auch noch darum, in den geliebten Dschungel zurückzukehren — da fiel ihm die Entscheidung um so leichter.

Bald darauf trat Cody Casson ein, der sich sofort in einem Taxi hatte ins Hotel fahren lassen, als ihm berichtet worden war, dass Andrew Bartow in Gefahr sei. Wie groß die Veränderung war, die sowohl äußerlich als auch innerlich bei dem alten Forscher vor sich gegangen war, konnte nur jemand ermessen, der ihn wie Bomba in der Zeit des schwersten Siechtums gekannt hatte.

Einem der berühmtesten amerikanischen Chirurgen war es in einer großartigen, aber auch sehr gefährlichen Operation geglückt, einen Knochensplitter zu entfernen, der seit der Explosion des Gewehres auf das Gehirn des alten Mannes gedrückt hatte. Nach dieser wunderbaren Operation hatte Cody Casson in kurzer Zeit seine volle Geisteskraft zurückerlangt.

Laura Bartow reichte dem langjährigen Freunde das Telegramm hin, und er überflog den Inhalt.

„Schlimm, wirklich sehr schlimm“, murmelte er. „Und ich dachte schon, dass es vielleicht ein übler Scherz wäre. Aber Sixtree macht solche Scherze nicht, und ein Telegramm aus Afrika kostet immerhin soviel, dass ein Fremder sich kaum diesen Scherz in Sixtrees Namen leisten wird.“

„Es ist kein Scherz“, sagte Bomba düster. „Ich wusste, dass Vater in Gefahr ist — ich wusste es schon, als ich durch den Park mit den vielen Tieren ging.“

Casson warf Laura einen schnellen Blick zu, und als sie ihm in kurzen Worten von Bombas Erlebnis im New Yorker Zoo berichtet hatte, nickte er nur.

„Ich sagte es dir schon immer“, flüsterte er ihr zu. „Es hat keinen Sinn, den Jungen vom Zoo fernzuhalten. Eines Tages kommt er durch Zufall dorthin und tut vielleicht etwas, was ein Junge in seinem Alter normalerweise nicht tun würde. Die Zivilisation ist ihm eben doch noch zu fremd.“

„Gott sei Dank ist ja noch alles gut gegangen“, sagte Laura.

„Ja, es ist gut gegangen“, bestätigte Cody Casson nachdenklich. „Und es wundert mich auch nicht, dass Bomba eine Vorahnung hatte. Das Wiedersehen mit den ihm vertrauten Tieren hat ihn wahrscheinlich innerlich so aufgewühlt, dass eine geheime hellseherische Kraft in seinem Innern dadurch geweckt worden ist. So etwas gibt es.“

„Ich muss jetzt selbst daran glauben“, seufzte Laura. „Aber was machen wir nun? Wie können wir Andrew helfen?“-

„Auf keinen Fall dürfen wir die Hoffnung aufgeben“, sagte Cody Casson. „Andrew besitzt Mut, Energie und Verstand genug, um sich auch in schwierigen Lagen zurechtzufinden. Vielleicht ist er schon wieder entkommen, und wir wissen es noch nicht.“

„Oh, glaubst du wirklich, dass das möglich ist?“, rief Laura Bartow.

„Ich hoffe es — ich hoffe es von ganzem Herzen, meine Liebe“, erwiderte Cody Casson herzlich. „Wenn ich nicht zu alt wäre, würde ich nach Afrika reisen und Andrew zu Hilfe eilen.“

„Bomba will mit Gibo so bald wie möglich nach Afrika aufbrechen“, sagte Laura. „Und ich glaube, es ist das Beste, was wir für Andrew im Augenblick tun können. Keiner weiß besser im Dschungel Bescheid als er.“ Sie hielt einen Augenblick lang inne und betrachtete ihren Sohn mit zärtlicher Sorge. „Hoffentlich verliere ich dich nicht auch noch, mein Junge.“ Er trat wieder an ihren Sessel heran, und sie schloss ihn in einer Aufwallung von Besorgnis und leidenschaftlicher Liebe in die Arme. „Nein, Bonny, ich kann es einfach nicht ertragen, noch einmal von dir getrennt zu werden. Ich werde mit dir gehen, und wenn wir sterben müssen, dann wollen wir gemeinsam sterben.“

„Nein, Mutter“, erwiderte Bomba sanft. „Der Dschungel ist kein Ort für dich. Wenn du dabei wärst, könnte ich nicht meine ganze Kraft dafür einsetzen, Vater zu suchen. Ich würde immer Angst haben, dass dir etwas geschieht.“

„Der Junge hat recht“, bestätigte Cody Casson. „Du kannst nichts tun, was ihm hilft, aber bestimmt würdest du ihm hinderlich sein. Deine Sache wird es sein, die Kosten für die Expedition aufzubringen, aber die Arbeit muss Bomba allein leisten. Du weißt nicht, was er im Dschungel auszurichten vermag — aber ich weiß es. Und du kannst dich darauf verlassen, dass er Andrew retten wird, wenn überhaupt eine Möglichkeit dazu besteht.“

„Niemand im ganzen Dschungel kommt Bomba gleich an Stärke, List und Ausdauer“, begann Gibo in diesem Augenblick in dem singenden Tonfall seiner Indianersprache das Lob seines Herrn zu verkünden. „Niemand hat die Stärke seines Armes — die Schärfe seines Auges. Kein Fuß ist so schnell wie der von Bomba. Kein Herz ist so tapfer wie seines. Sein Pfeil fliegt schnurgerade — seine scharfe Klinge findet immer ihr Ziel. Bomba sendet seine Feinde in das Land der Schatten. Niemand im Dschungel kommt ihm gleich!“

„Schon gut, schon gut“, unterbrach Bomba die indianischen Lobeshymnen seines Gefährten und lächelte ihm zu.

„Was hat er gesagt?“, fragte Laura verwirrt. „Ich konnte kein Wort verstehen.“

„Oh, das übliche“, erklärte Cody Casson lächelnd. „Er findet, dass Bomba der furchtloseste und geschickteste Kämpfer im Dschungel ist, und ich kann ihm da nur beipflichten. Allerdings hat er eine etwas umständliche und pathetische Art, das zum Ausdruck zu bringen.“

Inzwischen hatte Bomba schon seinen Entschluss gefasst, und er verkündete jetzt:

„Morgen werde ich eine Botschaft an Sixtree senden, dass ich bald abreise.“

„Ja, und er soll uns Näheres darüber mitteilen, was mit Andrew eigentlich geschehen ist“, fügte Mrs. Bartow hinzu.

Gemeinsam mit Bomba und seinem Gefährten Gibo wurden dann noch die Einzelheiten der geplanten Reise besprochen, und am nächsten Morgen suchte der Junge sofort ein Reisebüro auf und ließ sich die Abfahrtsliste der Schiffe vorlegen. Es war ein Donnerstag, und er stellte fest, dass am Sonnabend ein Dampfer nach England in See stach. Von dort aus konnte er auf dem Seeweg über das Mittelmeer, durch den Suezkanal und das Rote Meer an der afrikanischen Küste entlang am besten Mombasa erreichen. Dann sollte es weitergehen nach Nairobi, wo Sixtree seine Handelsniederlage hatte. Erst dort konnte er die Fährte seines Vaters in das Innere des dunklen Kontinents verfolgen.

Die zur Verfügung stehende Zeit war sehr knapp bemessen, in diesem Falle erwies sich das Vorhandensein von genügend Geld als eine Wohltat. Ein geschickter Agent wurde beauftragt, die Passformalitäten zu erledigen, und so kam es, dass am Freitagabend alles bis zur letzten Kleinigkeit erledigt und vorbereitet war.

Inzwischen war ein weiteres Telegramm an Sixtree aufgegeben worden, aber die Antwort, die bereits wenige Stunden später eintraf, brachte keine näheren Aufklärungen. Anscheinend waren die meisten Teilnehmer an Bartows Safari getötet worden. Nur ein Eingeborener, der schwer verwundet worden war, sollte entkommen sein. Er war es wohl auch, der die Botschaft nach Nairobi gebracht hatte, dass Bartow nicht getötet, sondern von den Eingeborenen verschleppt worden war. Aus dem Telegramm war nicht zu entnehmen, ob Bartow zu dem Zeitpunkt, als Sixtree es aufgegeben hatte, noch am Leben war. Aus dem Landesinnern waren keine weiteren Nachrichten oder Gerüchte nach Nairobi gedrungen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass Bartow bei dem Gefecht selbst nicht getötet worden war, bedeutete eine große Erleichterung und einen gewissen Trost.

Allerdings wurde Laura Bartow zwischen Furcht und Hoffnung hin und her gezerrt. Es gab Stunden, in denen sie davon überzeugt war, dass ihr Gatte nicht mehr lebte, und dann wieder schöpfte sie aus Bombas zuredenden und tatenfreudigen Worten neuen Mut.

Zusammen mit Casson begleitete sie Bomba zum Kai, um an Bord des schon unter Dampf stehenden Schiffes von ihm Abschied zu nehmen. Das Signal, das allen Besuchern befahl, sofort von Bord zu gehen, war schon ertönt, als Laura ihren Sohn noch immer umschlungen hielt und ihn unter Tränen küsste.

„Oh, Bonny“, schluchzte sie. „Ich möchte dich nie — nie mehr von mir gehen lassen. Mir kommt es vor, als sei es erst wenige Tage her, dass ich dich endlich wiedergefunden habe. Und jetzt soll ich dich schon wieder verlieren!“

„Es ist nur für kurze Zeit, Mutter“, versuchte Bomba die weinende Mrs. Bartow zu trösten, als er sich sanft aus ihren Armen freimachte. „Ich werde bald zurückkommen und Vater mitbringen.“

„Oh, wenn ich nur wüsste, dass es wahr wäre!“, rief die Mutter.

„Aber ich weiß es“, sagte der Junge ernst. „Ich fühle es tief im Herzen, dass ich zurückkehren werde und dass ich meinen Vater wieder zu dir bringe.“

Bomba in einem fremden Land

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