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Einführung
ОглавлениеSieben Tage? Nur sieben Tage, um das Monster zur Strecke zu bringen?
Seit Jahrhunderten betrachten Ärzte Typ-2-Diabetes als Krankheit, die Betroffene lebenslang begleitet. Eine Krankheit, die großes Leid verursachen kann – sie bedroht das Augenlicht, die Gliedmaßen sowie das Herz – und eine, die sich immer weiter verschlimmert, immer mehr Tabletten erfordert und schließlich Insulin notwendig macht. In dem Augenblick, wenn Ihr Arzt Ihnen sagt, „Sie haben Diabetes“, verändert sich Ihr Leben. Da fällt der Hammer. Ihre Gesundheit scheint plötzlich sehr zerbrechlich zu sein. Die Zukunft ist ungewiss.
Doch dann entdeckte ich auf dieser einen Seite den möglichen Durchbruch – das letzte Stück eines Puzzles, das Diabetes vom Typ 2 einfach und umkehrbar aussehen ließ. Es war das Jahr 2006, und ich saß genau da, wo ich jetzt auch sitze, an meinem Schreibtisch. Wissenschaftliche Zeitschriften zu lesen und mich über die neuesten Informationen zu Diabetes auf dem Laufenden zu halten, gehört zu meiner Arbeit, und gerade hatte ich in einer der führenden Diabetes-Publikationen umgeblättert. Von dem Diagramm auf dieser Seite war ich wie vor den Kopf geschlagen.
Es zeigte, was bei Typ-2-Diabetikern in den Tagen unmittelbar nach einer Adipositas-Operation mit dem Blutzucker geschah: Die Kurve stürzte von dem üblichen hohen Wert am Tag vor der Operation bis zum Tag 7 nach der OP auf einen absoluten Normalwert ab. Normale Blutzuckerwerte? In sieben Tagen? Das war bisher noch nie beobachtet worden; mit keiner anderen Behandlung konnte diese spektakuläre Normalisierung erreicht werden. Die gesamte Forschung der letzten paar Jahrzehnte schien sich plötzlich zusammenzufügen. Konnte das wirklich stimmen?
Tatsächlich beginnt diese Geschichte aber schon 1970, als ich, damals noch Medizinstudent an der Edinburgh Medical School, eine Vorlesungsreihe von Prof. Reginald Passmore besuchte, in der er die Physiologie in einer Reihe von logischen Gedanken erklärte. Physiologie ist die Lehre von den Lebensvorgängen im Körper, von unserem Stoffwechsel. Ich habe noch immer seine hochgewachsene, schlanke, grauhaarige Gestalt vor Augen, als er seine klaren Argumentationsketten vortrug – immer gewürzt mit etwas trockenem Humor. Ich war fasziniert, als er demonstrierte, dass allgemein akzeptiertes „Wissen“ durch klares Denken und mithilfe fundierter Informationen darüber, wie etwas funktionierte, hinterfragt werden konnte. Wie sicher oder unsicher konnten wir uns bezüglich allgemein geltender Überzeugungen sein? Das war spannend. Plötzlich konnten „Fakten“ lediglich als Verknüpfungen von schwankender Verlässlichkeit betrachtet werden. Alles konnte und sollte vor dem Hintergrund neuer Informationen nochmals überprüft werden. Schließlich schien Newton mit seinen Gesetzen zu Bewegung und Schwerkraft ab dem 17. Jahrhundert unwiderlegbar Recht zu haben, doch Einstein wies nach, dass sie nicht ganz korrekt waren. Nach aktuellem Wissensstand aber lag wiederum auch Einstein nicht ganz richtig – subatomare Teilchen halten sich nicht an die Relativitätstheorie.
Passmore jedoch wird mit seiner Lehre unangefochten Recht behalten: Wissen sollte kontinuierlich überprüft werden, insbesondere, wenn es darum geht, medizinische Entscheidungen zu unterstützen, bei denen der allgemein anerkannte Bezugsrahmen von „Fakten“ offen für einen wiederholten prüfenden Blick bleiben muss, wenn sich neue Ansätze herauskristallisieren.
Einige Jahre später, als Berufsanfänger, begann es mich zu faszinieren, wie alle Hormone im Körper zusammenarbeiten, um unsere Gesundheit zu steuern. Insbesondere faszinierte mich jedoch, dass das Hormon Insulin bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht richtig funktioniert. Ein paar Jahre lang versuchte ich den Zusammenhang zwischen Insulin und Diabetes zu verstehen. Während dieser Zeit arbeitete ich weiterhin hauptsächlich als Arzt in der Notaufnahme, spezialisierte mich jedoch immer mehr auf Diabetes.
Im Jahr 2006 hatte ich als Teil eines millionenschweren Forschungsprojekts an der Newcastle University gerade hervorragende Physiker mit hochmodernen bildgebenden Geräten an einen Tisch gebracht, um das Newcastle Magnetic Resonance Center, ein Zentrum für Kernspintomografie, zu gründen. Der Gedanke war, neue Techniken zu entwickeln, um jedes einzelne Körperorgan anschauen zu können, doch mich interessierte natürlich vor allem die Untersuchung jener Organe, die hauptsächlich an Diabetes beteiligt waren. Und nicht lange nach der Eröffnung des Zentrums hatte ich besagtes Aha-Erlebnis – die Grafik mit ihrem neuen Konzept, dass ein hoher Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetikern in nur sieben Tagen auf den Normalwert gesenkt werden konnte. Wie es der Zufall so will, waren wir perfekt darauf vorbereitet, um die in diesem Buch beschriebenen bahnbrechenden Studien durchzuführen.
Im Jahr 2011 waren wir dann in der Lage, den wissenschaftlichen Nachweis zu veröffentlichen, dass Diabetes vom Typ 2 reversibel ist, und innerhalb von fünf weiteren Jahren konnten wir auch das „Wie“ und „Warum“ eines Vorgangs bestätigen, der bislang als unmöglich galt. Sowohl der Anfangsbeweis als auch die Nachfolgestudien beruhten auf der faszinierenden Geschichte, wie der Körper mit der Energie umgeht, die ihm über die Ernährung zugeführt wird.
Sie erinnern sich sicher bruchstückhaft an Ihren Biologieunterricht in der Schule: Das Herz pumpt Blut durch den Körper, und die Lunge ermöglicht die Aufnahme von Sauerstoff sowie die Abgabe von Kohlendioxid. Doch es gibt eine dynamische Funktion, die der absolute Schlüssel zur Erhaltung eines gesunden Körpers ist, und von der die meisten Menschen überhaupt nichts wissen: Was geschieht mit der Nahrung, wenn sie den Darm verlässt, wenn sie also aus dem Dünndarm resorbiert wird? Wie läuft die Energieversorgung ab? All das werde ich im Folgenden erklären.
Wenn Sie fragen, was Typ-2-Diabetes ist, wird man Ihnen wahrscheinlich antworten, dass die Krankheit etwas mit zu viel Zucker zu tun habe. Es stimmt, dass es zu Diabetes kommt, wenn sich über längere Zeit übermäßig viel Glukose im Blut befindet – mit verheerenden Auswirkungen auf Augen, Füße, Herz und Gehirn. Meine Forschungen haben jedoch ergeben, dass Diabetes vom Typ 2 tatsächlich nur durch einen Faktor verursacht wird, nämlich durch zu viel Fett in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse. Funktioniert der Körper normal, bildet die Bauchspeicheldrüse Insulin, um die Leber bei der Überwachung der Glukoseversorgung des ganzen Körpers zu unterstützen. Befindet sich jedoch übermäßig viel Fett in der Leber, spricht diese schlecht auf Insulin an, bildet zu viel Glukose und reicht übermäßiges Fett an die Bauchspeicheldrüse weiter. Infolgedessen stellen die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse ihre ordnungsgemäße Funktion ein.
Wichtig zu erwähnen ist, dass Sie nicht fettleibig sein oder auch nur übergewichtig aussehen müssen, um von Typ-2-Diabetes betroffen zu sein. Jeder Einzelne hat seine „persönliche Fettschwelle“ – das ist der Punkt, an dem die Aufnahmekapazität der normalen Fettzellen (in der Fettschicht unter der Haut, insbesondere um die Oberschenkel und am Rumpf) erreicht ist. Das überschüssige Fett muss aber irgendwohin und landet dann nicht nur in der Bauchhöhle, sondern auch in den Hauptorganen des Körpers. Sind die Insulin ausschüttenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse anfällig für fettbedingte Probleme, ist nun der Punkt erreicht, an dem das Geschehen in Richtung Diabetes kippt. Diese Anfälligkeit ist allerdings dem Zufall geschuldet und hängt von Ihren Genen ab.
Ich verfolge mit diesem Buch das Ziel, allen Menschen das neue Verständnis von Typ-2-Diabetes zugänglich zu machen. Und ich möchte gleichzeitig allen Betroffenen und ihren Familien zu helfen, so effektiv wie möglich damit umzugehen. Ich zeige Ihnen genau, wie sich ein Diabetes vom Typ 2 entwickelt, und ich stütze mich dabei auf die neuesten experimentellen Erkenntnisse. Dabei erkläre ich Ihnen auch die Arbeitsweise Ihres Körpers, damit Sie erkennen, wie unser moderner Lebensstil in die wunderbar ausgeglichenen Prozesse eingreift, die sich über die Jahrtausende entwickelt haben.
Es gibt eine überraschend einfache Lösung. Eine, zu der ausdrücklich die Gewichtsabnahme gehört, wobei es sich aber nicht wirklich um eine Diät im klassischen Sinne handelt. Das Wort allein reicht schon aus, um jeden abzuschrecken, denn „Diät“ wird tendenziell mit einer ungenießbaren Ernährungsumstellung und (meist) einem Scheitern der gewünschten Gewichtsveränderung in Verbindung gebracht. Unsere ursprüngliche Herangehensweise an diese Probleme in Newcastle machte uns klar, dass zwei sehr unterschiedliche Phasen für den Erfolg nötig waren: Zuerst eine deutliche Veränderung beim Gewicht und dann eine langfristige Veränderung des Lebensstils. In unserer allerersten Studie erfuhren wir auch, dass eine zusätzliche Phase, ein allmählicher, gelenkter Übergang zwischen diesen beiden Phasen, hilfreich war.
Anfangs hatte ich die Idee, diese Methode zum Abnehmen einfach als Forschungsinstrument zu nutzen, damit wir die Veränderungen untersuchen konnten, zu denen es kam, wenn Diabetiker potenziell wieder zu einem Normalzustand zurückkehrten. Es ging um eine Möglichkeit, die Ursache von Typ-2-Diabetes nachzuvollziehen. Tatsächlich erwies sich diese pragmatische Art abzunehmen, die hauptsächlich auf handelsüblicher Formula-Ernährung beruhte, als höchst effektiv. Und überraschenderweise fanden unsere freiwilligen Probanden den Ansatz tatsächlich annehmbar und bei Weitem nicht so schwierig, wie sie sich das vorgestellt hatten. Die meisten von ihnen nahmen in acht Wochen 15 kg ab und fühlten sich wirklich wohl. Bevor wir uns versahen, entwickelte die „Newcastle-Diät“, wie sie von den Teilnehmern spontan genannt wurde, ein Eigenleben. Sie ist also ein Grundrezept für den Erfolg – für alle Betroffenen, die ihren Typ-2-Diabetes endgültig überwinden möchten.
Ich hoffe, diesem Buch gelingt es, Typ-2-Diabetiker darüber aufzuklären, wie sie wieder vollständig gesund werden können. Ich stelle auch praktische und gesicherte Ratschläge vor, wie sich das Leben genießen lässt, ohne einen Rückfall zu erleiden. Ich möchte, dass alle Leserinnen und Leser nach der Lektüre verstehen, wie der Körper mit der zugeführten Nahrung umgeht, und was im Falle einer, wie wir jetzt wissen, relativ einfachen Krankheit schiefgeht und was zu tun ist, um ihren Fängen zu entkommen.