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Hippodrom

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Von Sport und Politik

In den Gassen widerschallender Hufschlag, ohrenbetäubendes Getöse hölzerner Wagen, begeisterte »Bravo-Rufe« und tobender Beifall – so muss es einst geklungen haben, wenn die Gespanne der Rennparteien zur Unterhaltung der Bevölkerung an den Rängen des hufeisenförmigen, im Türkischen At Meydanı (»Pferderennbahn«, griech. hippódromos) genannten Platzes vorbeidonnerten und um Sieg und Ehre kämpften. Diesen großen Hippodrom stiftete Kaiser Septimius Severus (193–211 n. Chr.) neben zahlreichen weiteren Bauten im Rahmen der neuen Stadtplanung nach der Belagerung Byzantions. Was für die Bürger Roms der Circus Maximus war, war für die Einwohner von Byzanz die neue Stiftung außerhalb der antiken Stadt, die auf der Landspitze lag, welche das heutige Serail einnimmt. Für den Bau dieser Anlage, mit der das Volk bei Laune gehalten werden sollte, musste das in einem Tal auslaufende Gelände zunächst aufwendig terrassiert werden, wovon heute noch die großen Bögen am abschüssigen Grund zeugen. Nach dem Tode des Kaisers sollte die Anlage zwar zunächst unvollendet bleiben, ist aber dennoch heute das einzige noch sichtbare Zeugnis seiner Bautätigkeit.


Wo einst die Gespanne der Rennparteien um die schnellsten Runden wetteiferten, geht es heute bei einer Rundfahrt deutlich beschaulicher zu.

Im Zuge der konstantinischen Neugründung der Stadt wurde der Hippodrom dann erweitert und schließlich fertig gestellt. Am 11. Mai 330 fanden hier die Gründungsfeierlichkeiten der neuen Hauptstadt statt. Die Rennbahn war eingefasst von zweistöckigen Tribünenbauten, die sich auf gewaltigen Substruktionen mit 25 Kammern und Tonnengewölben erhob und ca. 15 bis 20 Sitzreihen hatte. Die Schätzungen über das Fassungsvermögen an Zuschauern gehen aufgrund verschiedener Befundinterpretationen weit auseinander; sie differieren zwischen 50 000 und 150 000. Entlang der sich über 400 m erstreckenden Längsseiten befanden sich Wandelhallen mit Geschäften und Lokalen, wo man sich verköstigen lassen konnte und der neueste Klatsch und Tratsch die Runde machte. Unter dem großen Halbrund am Südwestende, der Sphendone (»Wölbung«), lagen die Stallungen und Remisen für die Wagen. In der Mitte der Rennbahn, die etwa 3,50 m unter dem heutigen Geländeniveau lag, bildete die Spina zwischen den Wendepunkten eine bauliche Begrenzung der beiden Bahnhälften, denen heute der äußere Straßenring folgt. Auf diesem etwa 390 m langen gemauerten Podest befanden sich einst verschiedene Siegesdenkmäler, von denen heute nur noch drei erhalten sind. Ein repräsentativer Torbau, die porta triumphalis, begrenzte im Nordosten den Hippodrom; hier befanden sich die Räume der Teilnehmer. Weitere Zugänge befanden sich an den Längsseiten. Auf dem Turm im Norden stand das »eherne Viergespann«, das im Zuge des Vierten Kreuzzugs nach Venedig gelangte und sich heute im Original im Museo Marciano befindet.

Zunächst ein Ort für Wagenrennen, Tierhatzen und Spiele, entwickelte sich der Hippodrom seit dem 4. Jh. mehr und mehr auch zu einem politischen Forum und wurde ein Zentrum des öffentlichen Lebens. Aus den Rennparteien, die farblich benannt waren und mit denen sich die Zuschauer in hohem Maße identifizierten, entstanden allmählich auch politische Gruppierungen. So bekannte man sich zur blauen oder zur grünen Mannschaft, was etwa mit »konservativ« oder »reformfreudig« gleichgesetzt wurde, oder zu den Weißen bzw. Roten. Dies führte nicht zuletzt dazu, dass der Sieg einer bestimmten Mannschaft durchaus politische Folgen mit sich bringen und letztendlich bis zum Thronverlust des Kaisers führen konnte. So nahmen im Folgenden auch Revolutionen auf den Tribünen des Hippodroms ihren Anfang.

Eines der folgenschwersten Ereignisse fand 532 statt: Durch die Unterdrückung eines Aufstands erhoben die Blauen und die Grünen gemeinsam den nach ihrer Parole »Nika!« (»Siege!«) benannten Nika-Aufstand. Die Forderung galt Justinian, der seine beiden engsten Berater entlassen sollte. Obgleich er dieser entsprach, legten sich die Unruhen nicht und ein großer Teil der Stadt wurde daraufhin in Brand gesteckt.

Anhänger des zum Gegenkaiser ausgerufen Flavius Hypatios, die sich im Hippodrom versammelten, ließ Justinian I. durch seine Truppen an Ort und Stelle niedermetzeln. 30 000 Tote sollen den Berichten zufolge die Wettkampfstätte bedeckt haben. Nachdem der Aufstand niedergeworfen war, wurden die entstandenen großen Schäden behoben sowie das anschließende Kathisma-Palais und der in Teilen zerstörte Stufenbau wiederhergestellt. Für einige Jahre sollten daraufhin die Spiele ruhen.

Niedergang und Zerstörung

Wie zahlreiche andere Bauten blieb auch der Hippodrom nicht vor mehrfacher Zerstörung bewahrt. Im Jahre 406 ruinierte vermutlich ein Brand die Sitze, die Kaiser Arcadius (395–408) wieder ausbessern ließ. An der Wende zum 6. Jh. wurde die Anlage wiederholt stark beschädigt, und 507 kamen die tragenden Gewölbekonstruktionen zum Einsturz.


Im 6. Jh. wurden die Mauerdurchbrüche des mächtigen Gewölbes zugemauert.

Mitte des 6. Jhs. wurde die Sphendone durch ein Erdbeben stark beschädigt, und die Gewölbe mussten durch Hilfskonstruktionen stabilisiert werden. Zudem wurden nun die Öffnungen an den Gewölben zugemauert und die dabei entstandenen Kammern als Zisterne genutzt.

Wenngleich im 12. Jh. die Wagenrennen sich nicht mehr der Beliebtheit früherer Tage erfreuten, wurde der Hippodrom weiterhin – wie auch für andere Zwecke – genutzt. Der Zustand der Anlage war allerdings inzwischen deutlich heruntergekommen, so dass z. B. Zuschauer während eines Wagenrennens durch herabstürzende Bauteile getötet wurden.

Als die fränkischen Eroberer 1203/1204 die Stadt in Brand steckten, wurden auch große Teile der westlichen Tribüne zerstört. In der Zeit danach wandelte sich die Nutzung des Hippodroms, weg von den Wagenrennen hin zu Turnieren. Gegen Ende des Jahrhunderts verlor die Anlage als Versammlungsort an Bedeutung, und Turniere fanden nur noch gelegentlich statt, wobei aber dennoch einzelne bauliche Veränderungen feststellbar sind, wie etwa Umbauten zur Einrichtung einer Tribüne für die Damen des Hofs.

Entgegen seiner ursprünglichen Bestimmung fanden im Hippodrom auch die Hochzeitsfeiern und Beschneidungsfeiern des Hauses Osman statt, die 40 Tage und 40 Nächte dauerten, und er diente Familien, die Erdbeben, Bränden oder anderen Katastrophen entkommen waren, als Notunterkunft. Ebenso schlugen hier Flüchtlingstrecks aus Rumelin ihr Lager auf, bevor ihnen Unterkünfte zugewiesen wurden.


Mit seinen Ruheplätzen, Cafés und Restaurants gehört der At Meydanı heute zu einem der wichtigsten touristischen Anlaufstellen Istanbuls.

Trotz aller Höhen und Tiefen, die dieser Ort über all die Jahrhunderte hinweg erfahren hatte, galt er stets als Zentrum der Stadt. Daher finden sich Bauwerke nahezu aller Epochen in unmittelbarer Umgebung. Heute flanieren Touristen über den zur Parkanlage umgestalteten Platz und beginnen häufig von hier aus ihre Besichtigungstouren, wodurch ihm im übertragenen Sinne erneut die Bedeutung zukommt, die er über viele Jahrhunderte hinweg innehatte: Herz der Stadt.

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