Читать книгу Berge blau und die Fahne rot - Rudi W. Berger - Страница 9

Bühnenbild

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Grundeinrichtung: Eine Abrissruine mit dem Firmenschild MÖZEU, die in eine ungeräumte Parkecke mit einer Bank ausläuft. Gegenüber die Fassade des Autosalons OPELLA und die Skulptur des Karpfenpfeifers, im Hintergrund ein städtischer Platz mit Bankfiliale und Polizeiinspektion. In der Ferne Trommeln

1.

Ede und Karl, Bierflaschen in den Händen, dösen auf der Bank vor einem Busch. Bierdosen liegen verstreut. Vor dem Autosalon stehen einige Modelle. Er wird mit Girlanden und Fähnchen geschmückt. Großes Plakat: Heute Neueröffnung

Anita: (Stolpert als Straßenmädchen mit hohen Absätzen herein und späht nach Kundschaft aus) Hoppla! Eiei!

Brenn: (späht aus den Büschen und gibt ihr das Zeichen eines Freiers) Sst! Bienchen, Bienchen. Ssssst! Feines Gestell.

Anita: Mach die Flocke, du Zwerg. Verpiss dich!

Brenn: Doofe Schnecke!

Japaner: Wonderful. (Mit Kameras behängt. Schrift auf dem Hemdrücken: I like German. Geht mit dem Camcorder gebannt die Fassade des Autosalons an) Wonderful! Is ja wonderful! Auf den Knien gerät er mit der Kamera Anitas Beine hoch. Wonderful! Wonderful! (sie fasst ihn und zerrt ihn in die Büsche)

Lässig: (In Nadelstreifen und Handschuhen, rügt Hacke und Boxer in blauen Overalls mit großen OPELLA-Aufnähern, die lustlos fegen) Das nennt ihr fegen? Hab ich’s nicht schon hundertmal gezeigt. Pikobello sag ich. Dass ihr mich ja nicht blamiert. Gleich kommen die Herrschaften. (Am Spalier der Angestellten vorbei eilt er Gästen und Reportern entgegen) Die Frau Regierungsrat! Der Herr Direktor! Der Herr Bürgermeister! Danke, Danke! (Nimmt geehrt die Geschenke entgegen und führt sie, von Bewunderungsrufen begleitet, an seine Modelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal. Das juckt in den Fingern, nicht wahr? Und hier mein Superschlager: OPELLA Nostalgia. Zweihundert PS, dreizehn Airbags und Sonderausstattung. (Er reißt den Wagenschlag auf, dahinter ein Porzellanklo montiert ist) Mit Goldrand, meine Herrschaften.

Frau Rat: Exellent! Wunderbar! Exquisit! – Das muss belohnt werden. Der Bundes – Autobambi mit Schärpe für Sie, mein lieber, bester Herr Ratskollege. (Sie überreicht eine mörderische Skulptur)

Lässig: (Küsst und reißt sie wie ein Sieger hoch) Wenn ich Sie zu einem bescheidenen Imbiss bitten dürfte. Meine Herrschaften. Ein Gläschen gefällig? (Er führt sie zum Buffet, an dem die Angestellten bedienen. Sektpfropfen knallen. Man trinkt und stößt an) Auf ihr Wohl, meine Herrschaften!

Bürgerm.: Ein Glück, dass es Sie gibt. Bravo, Herr Kollege!

Frau Rat: Wie heldisch investorisch! Sie sind wunderbar!

Reporter: (Ablichtend) Was fühlen sie heute an ihrem großen Tag, Herr Stadtrat Lässig?

Lässig: (in Pose) Autos.

Reporter: Und wie Sie das geschafft haben.

Lässig: Aber ja. Autos.

Reporter: Und wie denken Sie auf morgen?

Lässig: Autos, immer nur Autos.

Frau Rat: (Beifall im Abgehen) Was für ein Management, kolossal! Und Ihre Ideen, bester Herr!

Bürgerm.: Ihre Weitsicht. Männer wie Sie braucht unsere geliebte Karpfenpfeiferstadt.

Direktor: Nehmen Sie mich beim Wort. Meine Bank ist die Ihre.

Anita: (kriecht mit den Kameras des Japaners behängt aus dem Gebüsch und zieht den Rock tiefer) Bist du wirklich der Lässig? Dolfo, he, hast du dich aber rausgemacht!

Lässig: Nur der Fleiß. Nicht wie früher im MÖZEU. Und ehrlich, das währt am längsten.

Anita: Weiß ich, he. Ehrlich, bis auf die Knochen.

Lässig: Anita! Mädchen! Dass ich dich wieder treffe. Joi, joi! (Beide ins Autohaus)

Japaner: Wonderful! Wonderful! (Kriecht auf allen Vieren aus dem Gebüsch und wieder hinein) Wer haben meine Kameras, meine Kameras?

Brenn: Flämmchen, Flämmchen, Feurio! (Schleicht sich zündelnd heran) Und brennt die ganze Stadt / Ruinen hat sie satt / deshalb ich renn und brenn / Juchhe, Ruinenbrenner Brenn. (Sirenen und Trillerpfeifen)

Lässig: Haltet ihn! Haltet ihn! (Stürzt aus dem Salon. Brenn rennt ihn um und flüchtet)

1. Polizist: (Hält ihn mit dem Fuß nieder) Das isser. Ich riech’s. Das isser!

Lässig: Ihr Dussel! Mensch, ihr Pfeifen! Da vorne rennt er.

2. Polizist: Isser nicht. (steckt die Pistole weg und warnt) Fort ist er wieder mal, verpicht! Gerochen, ja, wie einer brändelt, bombardiert. So eine Büberei. / Da saust die Polizei. / Ja, wenn ich den erwisch, den Lumpenhund, / ich zerr ihn übern Tisch.

Lässig: Gerochen, jaja. (vor Hacke und Boxer, die emsig putzen und polieren) Meine OPELLAs! Autos, Autos, blitzeblanke Autos. Was fummelt ihr da herum. Keine Ausstrahlung. Kein Verkaufsflair. Und lahmarschig seid ihr auch. Nicht mal den Brändler fassen. Autos, blitzeblanke Autos und keiner kauft. Ran an die Kundschaft! Wirft ihnen Prospekte zu. OPELLAla, OPELLAla für Opa, Oma und Mama.

2.

Hacke und Boxer stürzen ohne Overall aus dem Autosalon. Ede und Karl dösen noch. Ede wälzt sich auf der Bank und der andere fällt herunter.

Karl: (Rüttelt ihn wach) Ssst. Ede, he! Hab ich’s nicht gleich gesagt? Er hat sie rausgeschmissen, ausgetrickst, so wie mich auch.

Ede: (Die beiden setzen sich mürrisch mit dem Rücken zueinander. Ede streckt sich) So ein Dunst und Beschiss. Wo man hinguckt, Dunst und Beschiss.

Karl: Durst meinst du wohl. Durst.

Ede: >Dunst hab ich gesagt. (Lässt sich eine Dose reichen und leert sie) Theater, alles Theater.

Karl: Was Theater?

Ede: Alles. kaputt. Alles hinüber.

Karl: Was denn hinüber?

Ede: Mach doch die Käsnäppeln auf. Die von der Verwaltung sparen sich noch tot, sie müssen. Und auf wessen Kosten?

Karl: Uns sparen sie tot, wen sonst.

Ede: Früher arbeiteten paar tausend beim VEB MÖZEU, Tischler, Anlagenfahrer, was du willst. Stadt der Möbel Weltstadt. Und was ist heute?

Karl: Musst du mir das sagen? Nicht mal mehr Geld hat unsere schöne Stadt auf der Höhe für ihr Karpfenpfeiferfest, geschweige denn für unsereins. Jeden Tag gucke ich zum Rathausturm hoch und sehe, wie die Göttin der Gerechtigkeit, unsere „Gette“ fröstelt.

Ede: Mit Waage und Schwert, haha. Dieses Eisen der Ungerechtigkeit. Mich fröstelt auch.

Karl: Das Loch im Sparstrumpf der Räte wird immer größer. Der Schwarm der Arbeitslosen wächst, uns eingerechnet. Wir modernen Sklaven.

Ede: (Winkt nach einer weiteren Dose, die Karl beflissen öffnet, aber antrinkt, leert und vor den Salon wirft) Durch diesen Autofritzen da drüben auch.

Karl: (Gegen Hacke und Boxer, die heran stolpern) Die zwei müssten es ja wissen.

Hacke: (Wütend) Der da, der Boxer.

Boxer: Ebenfalls wütend) Hacke, er selber, ha. Er ist schuld, dass ich rausgeflogen bin.

Hacke: Alles machte er mir zum Schur.

Karl: Jaja. Sich gegenseitig auf die Füße treten Möööönsch! (Zeigt einen Vogel) Rabotten wie verrückt und dann doch fliegen.

Ede: Mobbing.

Karl: Idioten.

Boxer: Genau das. Der da hat’s gemacht.

Hacke: Nein, der da. Immer auf mich rein. (Beide aufeinander los)

Ede: No, no, no. (Trennt sie) Und hast dich nicht gewehrt?

Hacke: Na, wie denn?

Ede: Das weißt du nicht?

Karl: (Ironisch, schulmeisterlich) Befreien Sie sich aus der Rolle des gedemütigten Opfers. Treten Sie ihren Widersachern selbstbewusst entgegen. Machen Sie ihm klar, dass Sie nicht länger gewillt sind, sich schikanieren zu lassen.

Ede: Ja, ja, ja, und …

Karl: Unterdrücken Sie alle Signale, die auf Angst hindeuten: stockendes Sprechen, hängende Schultern oder ausweichende Blicke.

Ede: Und …

Karl: Demonstrieren Sie Stärke durch aufrechte Körperhaltung, festen Schritt, offenen Blickkontakt, Ruhige Hände und …

Ede: Ja und, und, und …

Beide: Wenn Sie neue Arbeit finden, erwähnen sie niemals, dass Sie je gemobbt wurden, denn …

Ede: Schluss damit. Alles Theater, ha! Ich hau hier ab. Ich mach’ in diesem Kaff die Mücke.

Karl: Du? Jetzt? Aber … Und was machen wir?

Ede: Was aber? Hab ich’s nicht schon gesagt? Was will ich noch hier?

Karl: Magst ja recht haben. Was geschieht hier schon für uns. Die Stadt ist zu langsam.

Ede: Die meisten, die noch bleiben, haben nischt auf dem Kasten, keinen Pfiff, keine Ideen und wir jungen Leute kein Glück.

Karl: Aber wohin? Meinst du, anderswo ist es besser?

Ede: Wohin denn, wohin? Das ist es ja. (Trinkt, Trommelklang naht) Sind die schon wieder da?

3.

Der Platz belebt sich. Im Hintergrund ein Transparent: „Karpfenpfeifers Ersatzfest: Freude, Lust und Trommelklang.“ Bürger und Schüler kreiden Pflastersteine an. Protagonisten mit Hüten pflanzen einen Glücksbaum. Sie reichen Tagesblätter, sammeln Existenzzeichen und hängen sie an den Baum.

Sprecher: (Mit Megaphon, von den Trommlern begleitet) Ersatz für unser Karpfenpfeiferfest. Wo die Kunst nach Luft schnappt, geht auch alles andere ein. Aber die Zuversicht stirbt nicht. Wir pflanzen einen Hoffnungsbaum. Schreibt eure Taten und Wünsche in die Tagesblätter ein, schenkt ihm ein Zeichen eurer Existenz und tanzt mit uns, damit er groß wird und blüht. Für jedermann. Und zählten nur hundert ohne Arbeit, sie wären zu viel für unsere Stadt. (bei den Ankreidern) Für jeden von ihnen einen Stein. Ja, zwanzig, damit meine Mutti eine neue Stelle bekommt. Dreißig, damit ich morgen eine Lehrstelle habe. (Protagonisten tanzen zu den anderen und bieten die Tageblätter zum Einschreiben an)

Ede: Alles Theater, he!

Karl: Traumtänzer, verschwindet!

Boxer: Wer hört euch denn? Geht in unser Zeuromeer baden! Sie bewerfen die Akteure mit leeren Büchsen. (Anita kommt als Dame aus dem Salon, schreibt verstohlen in ein Tageblatt, gibt ihren Talisman als Zeichen für den Glücksbaum das zu Boden fällt, verschwindet mit den Protagonisten und die Trommeln verklingen)

Karl: Ui! Habt ihr gesehen?

Boxer: In dem Türchen das Figürchen…

Hacke: Das ist ein Bienchen! Kenn’ ich die nicht?

Karl: Mein, sage ich. (Hebt den Anhänger auf)

Ede: Haste gedacht. Her damit.

Karl: Rede kein Blech.

Ede: Rede ich oder du? Na also. (Reißt Karl den Anhänger aus der Hand, geht zum Salon, liest den Namen und kommt verwirrt zurück) Wenn der Lässig … Kann doch nicht wahr sein. Sag, ist das wirklich unser ehemaliger Chef vom VEB MÖZEU?

Hacke: Wer denn? Hast du das nicht gewusst?

Ede: (Betrachtet verloren den Talisman) Anita … ich meine, diese Frau, sie kam von drinnen und ging da wieder hinein?

Hacke: Was denn sonst.

Boxer: So ist es.

Karl: Ede, Mensch. Is was? He!

Hacke: (Flüstert mit den anderen) Hab ich’s nicht gleich gewusst. Anita ist es, sein Liebchen. Er bumste sie damals in der Heizung.

Boxer: Da war’s schön warm, haha.

Hacke: Und er, der Lässig, einer seiner Chefs …

Karl: Der selber auf sie scharf war …

Hacke: Jaja. Erwischt und ihn gefeuert oder feuern lassen.

Ede: (Noch immer verwundert) So einen Salon, Mensch. Und wo hat er den Schmand dafür her?

Hacke: Er hatte dich hinausgeekelt, dann ging er in die Vollen. Abgewickelt, na klar. Alles für eine Mark und noch nen Happen bei.

Ede: Dieser Gauner! Na warte. (Setzt die Bierbüchse energisch auf die Bank. Ich muss da mal rein.

Hacke: In diesen pinkfeinen Laden?

Ede: Egal, ich muss rein.

Boxer: Wie denn, was denn?

Ede: Ich kauf ein Auto.

Hacke: (Lacht. Ein Auto? Du? Gibst deinen alten Schlitten gleich in Zahlung?

Ede: Genau.

Hacke: Diese Rostlaube von dunnemals.

Ede: Bin ich Zahnarzt oder Rechtsanwalt?

Hacke: Na eben, wärst du’s doch.

Boxer: Da kommt sie, he. Pass auf. Ihr Scheich ist gleich dabei.

Karl: (Mit den anderen ab) Hat sie gepufft, haha. Gepufft, haha!

4.

Lässig hält nach Kunden Ausschau. Er greift unlustig zum Besen und wirft ihn wieder weg. Er rügt Anita, gut gekleidet mit Eimer, Leder und Schwamm.

Lässig: Meine OPELLA. Pikobello, sag ich. Immer nur pikobello. Und was ist das? (prüft mit dem Finger und unterweist sie) Ein Stäubchen. Was will ich mit Stäubchen? So wird es gemacht. Alles fürs Geschäft.

Anita: Willst du nicht wieder jemanden einstellen? Meine Hände, guck nur.

Lässig: Ich kann nicht. Ich hab andere Sorgen. (schaut an ihr herunter) In dieser Kleidung? Jetzt bei der Arbeit? Meinst du, sie kostet nichts?

Anita: Aber Dickerchen! Mein guter Dolfo!

Lässig: Nix Dickerchen. Nix Dolfo. Alles fürs Geschäft. (Er geht, Anita putzt gelangweilt. Ede nähert sich ihr)

Anita: (Vorerst ohne aufzuschauen) Kratz die Kurve, Penner. Wa… was … Ede, du?

Ede: (Holt verlegen den Anhänger aus der Tasche) Das hab ich gefunden.

Anita: Gefunden? Aber ich gab ihn doch…

Ede: Du hast ihn weggegeben, unseren Talisman?

Anita: Ja, was sonst?

Ede: Einfach weggegeben?

Anita: Was du nur willst? Ich bin hier im Geschäft.

Ede: Bei diesem Gauner? Bei dem? Hast du denn alles vergessen?

Anita: Besorgt. Wenn er kommt. Du willst was. Sag, du suchst ein Auto.

Ede: Ein Auto, ja, Anita. Ein Geschäft, wenn du es sagst.

Anita: Für deinen alten Skoda? Da hätten wir schon was zum Freundschaftspreis. Ich werde mit ihm reden.

Ede: Mit dem? Nein, nicht mit ihm. Unser Talisman. Anita.

Anita: Ede, das ist schon hundert Jahre her. Beide rasch auseinander, weil Lässig kommt.

Lässig: (In Erwartung eines Kunden freudig) Sie werden bedient? Das ist ja wunderbar. Meine Modelle, Opela eins, Opela zwei. Sie brauchen nur … (Er schaut überrascht an ihm hoch zu Anita) Ja, was wünschen Sie denn?

Anita: Er sucht einen Gebrauchten.

Lässig: Einen Gebrauchten? Aber ja, warum nicht?

Anita: Für einen Freundschaftspreis. Seinen alten Skoda…

Lässig: Freundschaftspreis? Aber ja. Alle unsere Kunden sind unsere Freunde. Und meine gute Anita ist zu jedem freundlich. Legt provokant den Arm um ihre Schulter Nicht wahr, meine Liebe. (Beiseite) Drecksack, dem will ich’s zeigen. Übertrieben freundlich Die alte Mühle, Verzeihung. Ich meine, so eine richtig schöne Rostlaube? Aber selbstverständlich nehmen wir sie in Zahlung. Herr, Herr …, wie war doch gleich ihr Name?

Anita: (Flüsternd) Das ist doch Eduard.

Lässig: Eduard, der Herr Eduard. Was für ein schöner Name. Schauen Sie sich um, vorerst. Dann reden wir. Zieht Anita beiseite Hast du es so dicke? Deine ewige Dusselei.

Anita: Wie er dran ist. Merkst du denn nichts?

Lässig: Eben deshalb. Weil er so dran ist.

Anita: Wir arbeiteten zusammen. Er war unser Kollege.

Lässig: Unser? Deiner, ja, verdammt. Und er ist es wohl immer noch? Wie du dich plötzlich für dieses Ersatzkarpfenpfeiferfest interessierst. Meinst du, ich weiß es nicht und warum? Hat er dich aus dem Dreck geholt oder ich?

Anita: Hilf ihm, Dolfo, tue mir den Gefallen.

Lässig: Ich habe an Arbeitsscheue nichts zu verschenken. Ein Versager, der nicht rechnen kann. Nicht rechnen. Das ist es.

Anita: Das ist der Unterschied zu ihm. Du kannst es nur zu gut.

Lässig: Ich bin der Popanz, natürlich. Immer ich. Weißt du nicht, wie ich dran bin? Dein Denkfehler heißt Nostalgie. Kann ich dafür, dass es mich so erwischt hat? (verschwindet im Salon, Anita zögerlich hinterher)

Ede: Ärgerlich vor den Autos Ausputzer! (greift einen Stein, besinnt sich, wirft ihn aber hinter sich ungewollt auf eines der Autos) Scheiße! (flüchtet erschrocken)

Lässig: (wütend aus dem Salon) Das hab ich mir gedacht! Du Banause! Die Polente kriegst du auf den Hals! (rennt über den Platz zum Polizeirevier) Polizei, Polizei!

Ede: (grübelt abseits auf der Bank über Anitas Anhänger. Die Trommeln dröhnen gedämpft in der Ferne) Anita … Anita …

5.

Anita dirigiert die Angestellten, die Tische und Stühle heranschaffen, Fähnchen und OPELLA-Embleme platzieren. Lässig geht sorgenvoll auf und ab. Der Direktor kommt über den Platz. Er läuft ihm entgegen. Jener aber eilt davon. Danach der Bürgermeister. Aber auch der weicht ihm aus. Er lässt sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.

Lässig: Meine schönen OPELLAS. Warum nur, warum?

1. Untern.: (Aufgeregt mit Ordner) Rechnungen, Rechnungen, alles Rechnungen. Sie zahlen einfach nicht.

2. Untern.: (Schwenkt Schlüpfer, groß bedruckt: IN CHARACHO. IMMER RAN! DURCHHALTEN!) Meine Dessous. Das Allerbeste und Modernste. Sind sie nicht wunderbar? Meine Dessous

3. Untern.: (Mit Getränkekasten herein, öffnet jedem eine schäumende Flasche, wonach alle rülpsen) Bombastus Gambrinus. Kraft aus der Flasche. Meine Kreation. Kaufen Sie, kosten Sie, meine lieben Mitstreiter, kosten, kosten und Sie, meine Verehrteste. Oh, diese Lohnnebenkosten!

Frau Rat: (Mit Redemanuskript herein, trinkt ebenfalls) Rülpsen und furzen Sie, wie schon Luthern sagte. Ein Zeichen der guten Verdauung, die uns so unternehmerisch kühn werden lässt. Das macht uns keiner nach. Rülpst) Das ist der Aufschwung.

2. Untern.: (Beifall klatschend) Bravo, bravo! Sie haben ein Licht leuchten lassen, meine Gnädigste. Ich verehre Sie.

3. Untern.: Welch ein Gleichklang der Seelen. (führt ihr die Flasche zum Mund) Trinken Sie.

2. Untern.: Sehen Sie, meine rassigen Büstenhalter. Probieren Sie.

Frau Rat: Meine Herren, was unterstehen Sie sich!

2. Untern.: Aber was denken Sie von uns? Beginnt sie zu entkleiden und anzuprobieren. Ein fescher Bikini? Amouröse Spitzenträume? Ein Highlight Zaubertraum. Ihr zarten Äpfelchen, oh, meine Dame.

Frau Rat: Aber meine Herren, bitte…

2. Untern.: Meine ausgezeichneten Schlüpferchen, ganz exquisit mit Motivdruck. Sexy, sexy jeden Tag. Probieren, meine Dame, probieren.

Frau Rat: Sie werden doch nicht! (Die Herren bemühen sich dennoch. Sie flieht halb nackt)

Lässig: (Angeschlagen) Meine schönen OPELLA. Keiner kauft, keiner kauft.

1. Untern.: Meine Rechnungen, keiner zahlt.

2. Untern.: Meine wunderbaren Dessous … Keiner mag sie!

3. Untern.: Mein Bombastus Gambrinus! (alle trinken betrübt und rülpsen)

Lässig: (Seine letzten beiden Angestellten treten gemächlich heraus. Sie sehen ihn kommen und fummeln eifrig) Auf meine Kosten ausruhen. Meint ihr, ich bin blind? Ab ins Büro. Entlassen. Entlassen (Aufregung. Man redet laut aufeinander ein)

1. Untern.: Keiner zahlt.

2. Untern.: Meine Dessous …

3. Untern.: Mein Bombastus Gambrinus

1. Untern.: Die sind schuld! Die machen uns und die Stadt kaputt!

2. Untern.: Nein, die sind schuld!

3. Untern.: Die sind schuld! (Jeder zeigt in eine andere Richtung)

Lässig: Nein, die da sind schuld! (Zeigt energisch auf die Entlassenen ohne Overall, die davonschleichen wollen, aber von den Mittelständlern eingekreist werden) Solche da und alle die Stromer dort, die unser Geld einstecken, ohne dafür zu wackeln.

Lässig: Ich mit denen paktieren? Da lieber wandere ich aus.

Anita: Aber Dolfe, Dolfo.

Alle: Die da, jawoll!

Lässig: Die Sozialknete runter und unsere Steuern auch.

Alle: Die da, jawoll!

Lässig: Wir rennen uns den Kopf ein, blechen und die da tummeln sich im Einkaufspark. Die verzocken den ganzen lieben langen Tag auf unsere Kosten. Da muss mal wer dazwischenfunken. Ein starker Mann. Mal zeigen, wo Boom wohnt.

Alle: Die da, jawoll! Rumtreiber. Faulenzer. Tagediebe! (Der Ring verengt sich. Beide Entschlüpfen. Alle hinterher an den Polizisten vorüber, die Brandgeruch schnüffeln und mit gezogener Pistole heran pirschen)

1. Polizist: Gestern die WEMA, vorgestern die insolvente Gummistrickerei und heute? Riechst du es? Da muss der Brändler sein, ganz in der Nähe.

2. Polizist: Ich riech’s. Ich hab’ die Nase voll. Gleich packe ich den Lumpenhund.

1. Polizist: Der Lump, der Lump, elend frecher Hund.

Brenn: (Reibt sich versteckt die Hände) Gleich knistert gleich die alte Ziegelei. (Schleicht den abgehenden Polizisten zündelnd hinterher) Das Alte weg, ritze, ratz / Ich schaffe neuen Platz / deshalb ich renn und brenn. / Juchhe, Ruinenbrenner Brenn. (Rauch, Trillerpfiffe, Schüsse)

Japaner: (Mit Kamera gebannt einschwenkend) Wonderful, wonderful!

6.

Ede und seine Truppe lagern gelangweilt auf ihrem Platz. In der Ferne tönen die Trommeln der Spieler. Lässig rechnet mit Anita am Monitor, springt auf und fällt erschöpft zurück. Anita, ebenso unruhig, drängt es hinaus. Sie greift nach einem Plakat: Gute Verkäufer gesucht. Legt es aber wieder weg. Ein Boy verkauft Zeitungen.

Boy: OTZ, lest die Ostthüringer Zeitung, Sensation! Sensation! Autohändler beschimpft Arbeitslose und fordert schärfere Gangart! Helle Empörung bei den Karpfenpfeifern. Hunderte Leserproteste!

(Die Männer pfeifen, schimpfen und lachen)

Truppe: Seht nur! – Ah! – Eisenfresser! – Der Lässig, Eisenfresser! Eisenfresser!

Boxer: Stadtrat, Sponsor, Investor, ha ha ha. Da hat er’s.

Karl: Soll er doch auswandern.

Hacke: Auf den Mond schießen

Ede: Da passt er hin, ja. Er soll sich öffentlich entschuldigen.

Karl: Der wird uns was husten. (Anita kommt auffallend mit dem Plakat und zweckt es an. Sie wird angemacht)

Truppe: Ah! – Oh! – Hallo, Bienchen!

Hacke: He, soll ich dir helfen?

Karl: Klappt’s mal mit uns beiden?

Boxer: Wie wir ihn lieben, deinen Stecher, Hihi!

Ede: Grüß ihn schön von mir! (Anita geht und lässt die Jalousie fallen. Sie werfen mit leeren Bierbüchsen. Ede skizziert Lässig als Eisenfresser und hält das Bild gegen den Salon)

Im Chor: OPELLA, Lässiga, wir sind da! Lässiga, tirallala! (beide Polizisten kreuzen martialisch auf, die Truppe weicht aus)

Ede: (Holt mit Blick auf den Aushang ein Schreiben aus der Tasche) Ich hab so einen Wisch von der Arbeitsagentur. (liest) Sehr geehrter Herr …

Hacke: (Klopft sich auf die Tasche) Ich auch. Sehr geehrter Herr … Sehr geehrter Herr…

Ede: Weißt du, wie das bei dem Lässig drinnen, dem Herrn Stadtrat, abläuft? Der guckt dir nicht nur vorn, sondern auch hinten rein.

Hacke: Für ein Trinkgeld kannst du putzen und fummeln! Ich-AG. (Tippt sich an den Kopf) Du wirst ja sehen. Der macht dich fertig.

Ede: Wenn er kann. Theater! Haha! Alles Theater!

7.

Ede liegt auf der Bank. Das ferne Getrommel schwillt an Lässig lasst wütend die Jalousie fallen und wirft sich vor dem toten Fernseher in den Sessel.

Anita: (eine Weile unentschlossen) Musst du mit den Leuten auch so umspringen. Jetzt hast du es und ich auch. Ich trau mich gar nicht mehr hinaus. (Sie zieht die Jalousie hoch. Er springt auf, lässt sie wieder fallen. Sie aber reißt sie wieder hoch) Wie eingesperrt lebe ich. Ich halte das nicht mehr aus!

Lässig: Und ich? Dieser Radau draußen. Sag mir doch, warum es dich da hinauszieht. Warum? Dein Lotterleben, wie lange treibst du es schon wieder? (Lässt die Jalousie wieder fallen)

Anita: Mit Ede jede Nacht. Das willst du doch hören. Du verfährst mit ihm und den anderen auf eine Weise, die mich anwidert. Wenn ich an früher denke, Dolfo. Was ist aus uns geworden?

Lässig: Früher, früher. Das ist aus mir geworden. (Weist auf einen Haufen Auszüge und Rechnungen) Heut hab ich Kassensturz gemacht. Schulden, Schulden, Schulden! Das ist aus mir geworden.

Anita: (Bringt den Schlafanzug und setzt sich zu ihm. Er weist sie ab. Auch das Glas Wasser, das sie ihm reicht und wankt ins Schlafzimmer) Schlaf dich mal richtig aus. Ich bitte dich. Du machst uns beide kaputt.

Brenn: (Schleicht heran. Brenn, ich brenn, Ruinenbrenner Brenn. / Und wenn es mal was Neues ist, OPELLA, tirallala / da mach ich kein Geflenn. (Er beginnt zu brändeln und muss sich vor Vermummten verstecken) Drauf! Gibs ihm! Uns wird er nicht vergessen. (Sie springen herbei, beknüppeln Lässigs Supermodelle und fliehen, weil die Sirene aufheult)

Lässig: Da sind sie, da, da! (Er kommt mit der Pistole, schießt in die Luft und stolpert über Brenn, der ebenfalls flüchten wollte) Jetzt hab ich dich, jetzt. jetzt! (Brenn schlägt ihn nieder und flieht. Die Polizisten mit Trillerpfeifen und Pistolen fassen Lässig)

1. Polizist: (Hält ihn schnüffelnd mit dem Fuß nieder) Das isser! Ich riech’s. Jetzt hammern endlich. (Klopft sich auf die Schulterstücke) Da kriegmer tüchtig etwas drauf.

Lässig: Ihr Brummer. Habt ihr Dreck auf den Augen?

2. Polizist: Ich riech’s och. Doch hammern wieder nicht. Gleich kriegen wir anderswo was drauf. Der nicht. Fort isser wieder mal, verpicht.

1. Polizist: Der Lumpenhund!

2. Polizist: (Hebt warnend den Zeigefinger zum Publikum und lässt ihn resigniert fallen) So eine Büberei, / da saust die Polizei. / Statt ich ihn nun erwisch, / jaja, der Lumpenhund, / uns zerrt er übern Tisch. (Beide geschlagen ab)

Lässig: (Rappelt sich hoch, taumelt an seine Supermodelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal, OPELLA Nostalgia! Nostalgia!… Er hat sie kaputt gemacht, dieser Stinker! (Er rennt in den Salon und zerrt Anita im Nachtkleid heraus) Da siehst du, was er angerichtet hat. Meine OPELLA, alle drei! Dieser Verbrecher. Und du scharwenzelst mit ihm. (Er stößt sie weg und geht)

Anita: (Sie lässt sich betrübt nieder. In der Ferne Trommeln Greift nach ihrem Talisman) Mein Zeichen, der Talisman. Ich hab ihn weggegeben. Einfach weggegeben. So hat er gesagt. (Erschrocken als Ede sich neben sie setzt) Bist du verrückt?

Ede: Ich war es nicht, aber ich hoffte, dass du heraus kommst. Anita! Anita!

Anita: (Nimmt seine Hand von ihrem Knie) Ich schreie, wenn du …

Ede: Was wenn? Du in seinem stinkfeinen Käfig? (Befühlt das feine Nachthemd und küsst sie gegen ihren Willen) Lebst aber wie ein Hund, den er pfeift. Geh mit mir, Anita. So einen hast du nicht verdient. Wir verduften aus diesem kalten Nest.

Anita: Lass mich. (Sie löst sich mit Anstrengung von ihm und flüchtet ins Haus)

8.

Lässig steht vor seinem Salon. Er grüßt, aber die Bürger gehen geflissentlich an ihm vorbei. Anita arbeitet am Computer und schaut immer wieder auf, als erwarte sie jemanden. Sie bringt ihm eilig ein Papier.

Lässig: (Reißt ihr das Blatt aus der Hand) Das kann nicht sein. Ich hab es selber nachgerechnet.

Anita: Die Rückstände, diesmal schon die dritte Mahnung. Ich hab sie begleichen müssen, wie du sagtest.

Lässig: (Genervt) Gleich pack ich ein. Nur wegen dieser Kerle und der halben Stadt, die mich verleumden, nur weil ich die Wahrheit über diese Arbeitlosen sagte. (Bemerkt einen Fremden draußen mit Schlapphut und duckt sich) Ich fresse einen Besen. Das ist der feine Herr Direktor von der Bank. Erst futtert er von meinem Bankett, macht große Sprüche und jetzt …? Er luxt, ob jemand bei mir kauft. Und wenn nicht, dann … (Er versteckt sich, weil ein zweiter kommt) Absperren. Ja nicht hereinlassen. Dem hab ich’s auch versprochen und nicht gezahlt. Auf der Straße hat mich schon einer angetatzt. Mafioso, die drohen mit dem Knüppel oder was.

Anita: Die anderen auch. Nicht mit Knüppeln, aber fast. (Edes Truppe, von der Polizei eskortiert, zieht vorbei)

Im Chor: Lässiga, wir sind da. OPELLA, Tirallala! Tirallala …

Lässig: Dein Ede auch. Diese Niete. Sie saufen Schnaps.

Anita: Da kommt er.

Lässig: (Wirft sich groß in seinen Sessel) Der freche Hund. Ich schmeiß ihn hochkant raus.

Ede: (Angetrunken, mit Flasche) Ei, ei. Der Glanz in dieser Hütte. Und diese wunderschönen Wagen. Oh, oh! Sie verkaufen ja wie toll, hab ich gehört.

Lässig: Die Stelle ist besetzt, falls du was willst. Ich lass mich nicht verarschen.

Ede: Besetzt? (Ihn rundum musternd) Woher ich Sie bloß kenne? Und die Gnädigste. Verzeihung, dass mir das passiert. (Küsst ihr die Hand) Diese zarten Fingerchen, nein. Wie sie sich quälen muss.

Lässig: Jetzt aber Schluss mit dem Gequatsche.

Ede: Aber mein Herr. Sie verwechseln mich. Mein Zwillingsbruder … das könnte sein. (Zu Anita) Die grauen Zellen. Man will, doch sie wollen nicht. Ich verzeihe es ihm. So einem Geschäftsmann, der Leuchte unsere Stadt, das anzutun. Was so einer verkraften muss.

Lässig: Jetzt aber raus. (Verwirrt) Nein, nicht raus. Erst zahlst du mir den Schaden.

Ede: Wie, was? Ein Schaden? Ein Stein vielleicht auf diese wunderbare Metallic. Das sieht ihm ähnlich.

Lässig: Ich hol die Polizei.

Ede: Die Polizei? Ah, jetzt fällt mir’s wieder ein. Mein Brüderchen hat mir von früher was erzählt. Und Sie, meine Gnädigste, waren Sie nicht auch dabei?

Lässig: Suffkopp. Wenn du nicht zwei linke Hände hättest, gäbe ich dir die Stelle.

Ede: Für die paar Piepen? (Schwankend zu Anita) Der Salon, welch eine Pracht für ein paar Milliönchen. Wie man das wohl macht? So ein Deal mit der treuen Hand. Vereinigungsgeschäftchen, Wirtschaftskriminalität, sagte mein Brüderchen. Vielleicht weiß es die Polizei. Ich muss mal überlegen. Ha, da kommt sie. Am besten, ich frage sie gleich selber.

Truppe: (Empfängt Ede mit Hallo. Während er mit den Polizisten spricht, provoziert sie im Chor und zieht ab) Lässiga, wir sind da. Tirallala! Lässiga, wir sind da. OPELLA, Tirallala!

Lässig: (Betreten) Er hat mit ihnen gesprochen Hast du es gesehen?

Anita: Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Lässig: Meine Schliche und so, als damals die MÖZEU platt gemacht wurde. Er weiß alles. Er macht mich fertig. Dazu der Bänker und der andere. Die kommen wieder. Was mach ich nur? (Überlegt) Vielleicht, dass ich mit ihm ins Geschäft komme. Ich ließe mich nicht lumpen. Schenk ihm bei Gelegenheit einen Kaffee ein. Wir reden drüber. Nein, nicht jetzt. (Der Japaner kommt) Er kann sich nicht entschließen zu kaufen Hilf mal ein Bisschen nach. Mach ihm schöne Augen oder was.

9.

Anita setzt sich an den Computer und schreibt. Lässig putzt an seinen Autos. Als sich der Japaner filmend nähert, verschwindet er vorerst und verfolgt dann händereibend den Verlauf des Geschäftes.

Japaner: (Landet mit dem Objektiv auf Anitas Schreibtisch und stutzt) Oh! Oh, Oh! Is ja wonderful!

Anita: Yes, Yes! (Führt ihn aufreizend an die Modelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal. Lucki, lucki, alte Zitrone. Mach deine Gucker auf. Ich weiß schon, was du von mir willst.

Japaner: (Ihr auf die Beine schauend hinterher) Ist ja wonderful, wonderful!

Lässig: (begeistert) Klasse, klasse!

Anita: Und das da, du Schlitzauge, unser Bestworn. Ist allerbest. OPELLA, Nostalgal, eh, Nistagol …, OPELLA Nostalgia. (reißt den Wagenschlag auf)

Japaner: (verwundert) OPELLA Nostalgie? What all that?

Anita: Mit Scheißhaus, du Ochs.

Lässig: (händereibend) Mädchen, Mädchen.

Japaner: Oh, oh. Wonderful. I like that. German kolossal.

Anita: German, German. Rede deutsch, wenn du kannst, du gelbe Zwiebel.

Japaner: Kann ich auch, meine Gute, kann ich auch. Was heißt gelbe Zwiebel?

Anita: (Streichelt ihm die Wange und spricht wie es geschrieben wird) Schöne Face, mein Darling, schöne Face. Sehr fotogen.

Japaner: Ich zeigen dir fotogen. (Er gibt ihr seinen Camcorder und legt alle Apparate ab. Er biegt sie in eine exzentrische Haltung, wobei sie fallen)

Anita: Hilfe! Hilfe! Er vergewaltigt mich. Hilfe!

Lässig: (Der Japaner flieht. Lässig hält ihn auf und zeigt ihm die Polizisten draußen) Du kriminell, kriminell. Polizei! Polizei!

Japaner: Nix Polizei. Ich zahlen.

Lässig: Nix zahlen. Du kaufen. Sonst hier. (Zeigt mit den Fingern ein Gitter)

Japaner: Ich kaufen OPELLA Schwart. Yes, Yes.

Lässig: Und OPELLA Rustikal.

Japaner: No, no!

Lässig: (Zeigt wieder ein Gitter) Und OPELLA Nostalgia.

Japaner: No, no! No!

Lässig: Polizei, he Polizei! (Winkt den Polizisten)

Japaner: Yes, yes. OPELLA Smart, OPELLA Rustikal, OPELLA Nostalgia. (Schlägt sich auf die Taschen zum Zeichen, dass sie leer sind) Ich müssen auf Bank.

10.

Tänzer und Trommler agieren auf dem Platz. Die Protagonisten führen die Hoffnungsfigur umher. Sie sammeln weitere Existenzzeichen ein und lassen die Passanten sich in die Tageblätter einschreiben. Anita serviert Ede einen Kaffee und redet auf ihn ein, bevor er sie verlässt. Die Akteure ziehen ab. Lässig tritt wieder in Nadelstreifen heraus. Der verkleidete Direktor und andere Gläubiger kommen ihm entgegen. Er flieht und versteckt sich, während Edes Truppe am Rande des Platzes lagert.

Ede: Haste gesehen? (Er nimmt Platz, lässt sich von Karl ein Bier reichen, das er genüsslich trinkt)

Karl: Hab ich. Der geht stiften.

Boxer: Dem geht der Arsch wie Grundeis. Wie hast du das gemacht? Hast du gar die Stelle?

Ede: Stelle? Bei dem? Ach was. Er sitzt fest. Seine Vergangenheit und, und … haha. Ich hab ihn eingesackt. So dass er uns jetzt braucht.

1. Angest.: Uns brauchen? Der?

Ede: Wir helfen ihm wieder auf die Sprünge.

Karl: Wir ihn? Ede, nie!

Ede: Denkt er. Aber wir hauen ihn in die Pfanne. Wir spielen ein bisschen Theater. Anita hat es mir schmackhaft gemacht.

Hacke: Anita? Ich hab dich mit ihr turteln sehen.

Ede: Lasst euch was vorführen, blättert in den Prospekten. Ihr seid jetzt alle seine Kunden. Fragt nicht so viel. Putzt euch ein bissel raus. Zu futtern und zu trinken gibt es auch.

2. Angest.: Zu futtern und zu trinken. Fehlt nur noch ein kleines Feuerchen Wäre dieser Salon nicht der richtige Braten.

Brenn: (Flüsternd) Da steht nun dieser Klotz herum, warum? / Ach sind die Leute dumm. / Ich aber brenn und spring, / damit ich wieder Arbeit bring. (Anita richtet einen Imbiss, Lässig bringt unter dem Gejohle seiner Scheinkundschaft einen Kasten Bier, steckt die entlassenen Angestellten wieder ins Overall und lässt unter Radiomusik die Werbung aufhängen: Tag der offenen Tür)

Lässig: (Da alle ans Büfett stürzen, teilt er Besen und Leder aus) Erst wird geputzt, pikobello, damit ihr es wisst. (Jetzt erst zugelangt. Sie essen und trinken geräuschvoll, bis er zwei Gestalten entdeckt, die sich auffällig unauffällig nähern) Wie er späht und lauscht. Das ist er, der Herr Direktor inkognito. Und da, der andre auch, dieser Mafioso.

Anita: Auch der Bürgermeister mit Frau Rat. Los, alle auf die Plätze! (Sie schreibt am Computer, überall Betriebsamkeit, von den Gästen bewundernd registriert)

Hacke: Dürfte ich mal telefonieren? Wegen der Überweisung, wissen Sie.

Anita: Aber selbstverständlich.

Boxer: Die Extras mit Navigation?

1. Angest.: Na klar. Vom Bahnhof nach Auma bis zum Mond, wenn Sie wollen.

Brenn: Diese Feuer in der Stadt. Dieser Funkenflug. Das ist ja lebensgefährlich.

2. Angest.: Da empfehle ich ihnen unsere Sonderanfertigung, feuerfest, gepanzert, auf Raupe. Selbstredend sparsam mit Rapsöl.

Boxer: Ein Amphibienfahrzeug, falls ich durch die Talsperre muss.

1. Angest.: Durch die Talsperre? Okay, okay. In Weida kommen Sie dann wieder raus.

Ede: Schönes Wetter heute. (Tritt Lässig auf den Fuß)

Lässig: Und so nette Leute. (Stößt ihm den Ellenbogen in die Seite)

Reporter: Unverwüstlich wie ein Fettauge, jetzt in der Flaute.

Lässig: Immer oben, sehr richtig. Fett schwimmt immer oben.

Reporter: Und die bösen Leserbriefeschreiber?

Lässig: Ich liebe sie. Sehen Sie nur, sie kaufen, kaufen, kaufen.

Reporter: Und wie sehen sie jetzt ihre Zukunft?

Lässig: Rosarot, Metallic, Kolossal!

Anita: (Mit Handy Der Herr Rat.

Lässig: Oh, das tut mir aber leid. Alles ausverkauft. Nur noch auf Vorbestellung. (Die Gäste reagieren mit Bewunderungsrufen. Dazu die Mittelständler ganz außer Fassung mit ihren Utensilien: Ordner, Dessous und Bombastus-Gambrinus)

Japaner: (Eilig, sich besorgt nach den Polizisten umschauend) Ich haben mir versäumt. Exkuse me. Jetzt wir machen Geschäft. One, two, three, no, no. Einmal OPELLA Schwart. (unterschreibt Scheck und überreicht ihn)

Lässig: No, no. Zwei, drei, alle drei. (zeigt mit den Fingern ein Gefängnisgitter)

Japaner: Two, two. Alle beide. Ye, yes. Scheck mit Unterschrift.

Lässig: OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal, Wunderbar. Was für Wagen. Das Beste haben sie noch vor sich. Sehen sie nur. (winkt die Polizisten näher)

Japaner: (Nur Augen für Anita, die vorüberschwebt) Wonderful, oh, wonderful. OPELLA Nostalgia, Yes, yes! (Signiert unter den Augen der staunenden Gäste, übergibt den Scheck und eilt Anita nach)

Lässig: (Generös unter dem Beifall der Gäste) Sehen Sie, das ist Fleiß und Tüchtigkeit. So wird’s gemacht.

Gäste: Bravo, Bravo. Unser Herr Lässig, er lebe hoch, hoch, hoch!

Bürgerm.: Ist ja fulminant, Herr Kollege!

Frau Rat: (Hände schüttelnd) Sie sind unser Retter. Die Stadt blüht auf. Ich bewundere Sie.

Direktor: Meine Bank die Ihre, nein, deine Bank, sage ich. Mein Lieber. Wie viel?

Lässig: Was wie viel?

Direktor: Kredit, mein lieber Dolfo, Kredit.

Lässig: Fünfzigtausend?

Direktor: Fünfzigtausend? Das ehrt dich, mein Lieber. Aber ich sage Fünfhunderttausend, wie du es brauchst. Komme dann in deine Bank.

Frau Rat: Beifall, meine Herrschaften, Beifall.

1. Untern.: Meine Rechnungen, wer bezahlt meine Rechnungen?

2. Untern.: Meine Dessous, Kaufen Sie! Kaufen Sie!

3. Untern.: (Drängt ihn beiseite) Bombastus-Gambrinus! Bombastus Gambrinus! Er verteilt, man trinkt und rülpst)

Frau Rat: Mit Flasche. Bombastisch, bombastisch, alle meine lieben Bürger. Kraft aus der Flasche! Kraft, Kraft! (Im Abgehen trällernd, alle folgen) Dideldadeldideldein / Aufschwung machen ist so fein / Aufschwung, Aufschwung dideldadeldideldein …

11.

Lässig stolziert im Nadelstreifenweiß vor seinem Autosalon einher. Die Passanten grüßen ihn respektvoll. Anita, von ihm kontrolliert, hantiert wie ein Putzteufel und muss sich auch noch an den Computer setzen.

Bürgermeister: (Im Vorbeigehen) Gute Geschäfte heute, prächtig, prächtig.

Lässig: Danke, danke. Ausgezeichnet.

Direktor: (Im Vorbeigehen) Ein Bombenerfolg gestern, mein lieber Dolfo. Dazu die neuen Verbindlichkeiten. (Sich umschauend, ins Ohr) Ich sag nur Steueroasen, Rotlichtviertel und Waikiki. Rentite, diese Rentite!

Lässig: Danke für die Hinweise, danke, mein Lieber.

Anita: (Eilig) Dolfo! Dolfo! Der Japaner … die Schecks … alle falsch.

Lässig: Alle falsch? Und die OPELLA? Anita. Schon ausgeliefert.

Lässig: Was? Wie? Schon ausgeliefert? Alle drei!

Anita: Und dieses Fax, ich trau mir gar nicht … (Reicht es ihm)

Lässig: Der andre. Nein noch einer. Dieser Mafiose. Ein Zahlungsbefehl oder … oder Pfändung. Und gestern, der Ede, dieser gerissene Hund. Du stellst alle vier Angestellten wieder ein, sagte er, oder ich packe aus, wie du zu deinem Laden gekommen bist. (Er knickt ein)

Anita: Dolfo! Dolfo! Hilfe! Ein Arzt! Einen Arzt! (rennt hinaus)

Lässig: (quält sich im Alptraum) Weg da! Verschwindet!

Japaner: (Stimme) OPELLA, wonderful! One, two, three! Wonderful!

Lässig: Weg, weg.

Ede: (Stimme) Rache ist Blutwurst. Hörst du sie?

Stimme: Ich bin MÖZEU. Hab dich großgefüttert und hast mich in die eigene Tasche gemöbelt.

Stimme: Dort kam ich raus. Ich, dein Salon. Ab – und wieder aufgewickelt, hoho! So bin ich wieder da.

Stimme: Alles für ‘ne Mark, ‘ne Mark, hihi! Die klitzekleine Mark, das bin ich.

Lässig: Weg, weg.

Stimme: Ich bin die Bank, die du prellst und alle meine Sparer.

Stimme: Und ich der Polizist, der dich gleich tatzt. Klick-klack! Klicke-klick!

Lässig: (Weinerlich) Die anderen, die anderen. Ich bin unschuldig. Alles tat ich für die Stadt, für meine lieben Mitbürger und Karpfenpfeifer. Anita! Anita! (Er fällt aus dem Sessel)

Anita: (Mit Arzt) Da ist er. Schnell, schnell.

Lässig: (Weicht vor dem Weißkittel mit der Spritze zurück) Ich doch nicht. Nicht, nicht! (Sie überwältigen ihn. Er wird gespritzt und schläft ein)

Ede: Anita. Anita! (Er klopft an, schwankt herein) Der alte Sack, Anita. Lass ihn sausen. Der ist nichts für dich und die Stadt auch nicht. Wir machen die Flocke.

Anita: Wohin Ede, wohin?

Ede: Mit mir gehst du, einfach mit mir. (Er stolpert über Lässigs Beine fängt sich und bedrängt Anita) Wir hauen ab aus diesem Kaff. Was auch kommen soll, wie beide packen es, Anita. Meine Anita.

Anita: Geh, verschwinde. Gleich wird er zu sich kommen. (Sie drängt ihn hinaus und lässt das Rollo fallen. Er reißt es herunter)

Lässig: (Kommt zu sich, sieht ihn verschwinden und ist hellwach) Deshalb also. Mir lässt du eine Spritze verpassen und machst mit ihm dein Späßchen.

Anita: Aber Dolfo, Dolfo! Ich …

Lässig: Nix Dolfo … Hab geglaubt, dass wir uns ein schönes Leben machen, hab ich geglaubt.

Anita: Schönes Leben? Mit dir? Pikobello robotten, picobello fegen und fummeln. Pikobello, pikobello und dann ins Bett. Dafür hast du mich gebraucht.

Lässig: Ich? So redest du mit mir? Wo kommst du denn her? Dort wo dein Ede immer noch steckt. Im Dreck. Du … du … (holt aus)

Anita: Immerzu. Schlag doch und sag, was ich bin. Sag’s doch.

Lässig: Reinen Wein werde ich ihm einschenken, deinem, deinem … Damit er weiß, was du für ein Flittchen bist. (Er geht. Die Trommeln tönen gedämpft. Anita weint)

12.

Halbdunkel. Ede lagert mit seiner Truppe an der Bank. Die Trommler erscheinen mit den Akteuren. Die leibhaftige Hoffnung wird auf dem Platz herumgeführt. Man neckt sie tanzend, zeigt die Tageblätter vor und richtet den Hoffnungsbaum ein: mit vielen an Fäden aufgehängte Existenzzeichen und Sprüche aus den Tageblättern. Lässig lässt die Jalousie herab. Anita geht verkleidet aus dem Salon. Er folgt ihr. Auch die Truppe mischt sich unter die Besucher.

Hacke: Schnefte, schnefte. Hast du gesehen Ede? Sie schlich aus dem Salon und ihr Macher hinterher. Was du bloß an ihr hast? Sie ist doch eine richtige …

Ede: (Derber Rippenstoß) Was ist sie?

Hacke: (Jammernd) Grüne Neune. Ich mein doch bloß … Da, sie greift die Existenzzeichen durch, mal einen Bleistift oder eine Klammer. Doch sie wird nichts finden.

Ede: Du meinst, sie sucht?

Hacke: Siehst du es nicht?

Ede: Rasch, rasch! (Er gibt ihm den Talisman, damit er ihn zu den anderen gibt)

Anita: Mein Talisman. (Sie hängt ihn ab, presst ihn an die Brust und schaut sich um, als suche sie nach Ede)

Hacke: Sie hat ihn und wie.

Ede: Die feine Dame, was sucht sie unterm Hoffnungsbaum mit meinem Talisman und unsereins in dieser Runde? Ein Existenzzeichen, ha! (Sie nimmt es und schmeißt es wieder weg)

Hacke: Alles Mache. Hab ich Recht? Diese Weiber lieben immer nur ihr Spiel.

Ede: Alles Theater, Theater. Ich sollte dieses Zeug herunterreißen und ihr um die Ohren werfen. – Zigarette?

Hacke: Fini.

Ede: Ein Bier!

Hacke: Fini, Ede, das letzte. (Reicht ihm die Flasche und kehrt seine Hosentaschen um)

Sprecher: (Mit Trommlern, Halbmaskierten und den Tageblättern) Da steht es, das sind eure Sprüche. Sagen wir es laut: Die Stadt ist zu langsam und bringt uns kein Glück.

Ede: Das könnte von mir sein.

Sprecher: Ich will der Stadt zurückgeben, was sie mir gegeben hat. Aber wer braucht mich?

Hacke: Genau. Wie die Faust aufs Auge.

Ede: Diese kalte Stadt. Weg aus diesem Nest. Morgen mach ich ganz die Mücke. (Die Trommeln dröhnen. Mit den Rufen Hoffnung, Hoffnung umtanzen die Akteure die leibhaftige Hoffnung. Lässig sucht im Gedränge Anita. Sie lehnt, vom Geschehen gebannt, schier in Edes Armen. Er erkennt sie und lässt überrascht die Flasche fallen) Sie ist es, Anita. Mir wird ganz heiß, heiß.

Anita: (Beiseite) Dieser Hoffnungsbaum fällt gleich auf mich nieder. Hoffnung, Hoffnung.

Ede: (Beiseite) Sie die Kalte, Schöne. Ein Nichts bin ich für sie, ein Narr für ihre Lust.

Anita: (Beiseite) Ede, ach, Ede.

Ede: (Beiseite) Eine Wut hab ich im Bauch. Gleich greif ich ihre Schenkel.

Anita: (Beiseite) Dieser Dummkopf. Dass er mir die Schlüpfer nicht zerreißt und Mama davon erfährt.

Ede: Anita! (Er drückt sie gegen die Wand und hält ihr den Mund zu) Ich bin ich ein Macho, ein Macho. Sei still!

Anita: (wehrt sich eine Weile) Ede … Ede …

Ede: Still, Anita, still. (Das Spiel, nun ein freudiger Tanz, verliert sich im Dunkel. Ein Fotograf blitzt. Die Trommeln verstummen. Licht geht an. Rufe aus der Menge:) Aha! – Allerhand! – Ein Skandal!

Lässig: Bube, hab ich dich! Mein Schwert! (Er streckt wie ein Mime die offene Hand vergebens nach hinten aus) Er hat sie überfallen, ein Sexualtäter. Haltet ihn! Lasst ihn nicht entkommen. Polizei! Polizei!

Hacke: Schnauze!

Boxer: Kratz die Kurve!

Lässig: Anita! Anita! (auf sie zu, aber sie flieht) Gehst du also wieder auf den Strich!

Ede: Dreckskerl! (Er stürzt sich auf ihn. Gerangel. Trillerpfeifen. Polizei. Die Truppe bringt Ede in Sicherheit. Die Pfiffe entfernen sich. Lässig wankt in seinen Salon)

13.

Ferner Trommelklang. Die halbmaskierten Akteure tanzen heran. Sie leeren den Hoffnungsbaum und verschwinden. Der Salon liegt im Dunkeln.

Ede: Allein auf der Welt, vom schlechten Gewissen geplagt. Da hat es mich erwischt. Immer wieder hat es mich. Rindvieh, du, Holzkopf, Flasche! (Er schaut die Flasche an, setzt sie an, wirft sie weg und geht an den Salon. Anita! Anita! (Er pocht, pocht wieder) Anita, Anita! (Geht zurück und legt sich resigniert auf die Bank)

Anita: (Sie hockt still im Salon und springt auf, weil Lässig Licht macht) Du hast ihn angezeigt.

Lässig: Hat er dich genötigt oder nicht?

Anita: Frage was du willst.

Lässig: Hat er oder nicht?

Anita: Was geht es dich an?

Lässig: Wenn das jemanden angeht, dann wohl zuerst mich.

Anita: Einen feuchten Kehricht geht dich das an. Nimm es zurück oder du siehst mich zum letzten Mal. Hast du verstanden?

Lässig: So einer und du, ein Arbeitsscheuer und ein Flittchen, wie schön ihr zusammenpasst.

Anita: Hast du mich verstanden oder nicht?

Lässig: Frage nur, frage. Und was ist mit meiner Frage? Hat er dich genötigt oder nicht? (zieht verschwitzt seine Jacke aus. Gegen ihr Schweigen) Keine Antwort ist auch eine Antwort. Und das vor der ganzen Stadt. Du mit ihm. Machst dir einen Spaß und mich zum Hahnrei. Pfundig, was? So hat er dich angefasst. So, so. Das kann ich auch. (wird handgreiflich, derb. Sie stößt ihn mit Mühe weg)

Anita: Du kennst nur dich, immer nur dich.

Lässig: Und du? Wen kennst du? Immer nur mich, wenn du was brauchst. Das, das und das. Deine Wünsche. Ich habe dir alles gegeben.

Anita: Ich etwa nicht? Mehr als du verdienst. Viel zu viel, habe ich manchmal gedacht. Das, was er eben nicht hat, doch jeder Mensch braucht. Aber das begreifst du wohl nie.

Lässig: Nicht begreifen? Das musst du mir sagen. Wie du wieder da hockst. Deine besten Sachen.

Anita: Meine? Deine besten Sachen, ja. (zieht den Rock aus)

Lässig: Und die Bluse, wegen ihm total verdreckt.

Anita: Das kam von der Wand. (zieht die Bluse aus)

Lässig: Anita! Anita! (versucht vergebens, sie zu halten)

Anita: (entkleidet sich im Halbdunkel und wirft ihm ihre Dessous zu) Meine, nein, entschuldige, alles deine besten Sachen, dein letztes Geschenk. (Nahe) Na, wie gefalle ich dir jetzt?

Lässig: (Gepresst) Anita

Anita: Dolfo, der kluge, nie zu schlagende Dolfo in Hemdsärmel, ganz ohne Nadelstreifen. Der immer feine Herr Lässig, seine arrogante Erhabenheit, seine berechnende Unberechenbarkeit. Woher hat er sie wohl? Und jetzt, wo ist sie hin? (Sie knöpft ihm den Kragen auf) Du schwitzt, Dolfo. Wovor hast du Angst? Deine schönen treuen Hundeaugen, so könntest du mir direkt gefallen. (Er steht wie ein Pfahl. Sie wirft sich ein Cape über und geht wie sie gekommen ist, als Dirne. Die Jalousie fällt)

Ede: (Auf der Bank vom Geräusch aufgeschreckt, sieht er sie kommen und eilt auf sie zu) Ich hab auf dich gewartet.

Anita: Ich eigentlich auch. (Wirft das Cape ab) Da bin ich, Ede. Damit du weißt wie du dran bist. Du kannst mich haben. Jetzt gleich. Und ganz umsonst.

Ede: (Hängt ihr das Cape wieder über, bewegt) Dass mir so was passiert, immer mir, so einem Trottel! Meine Exfrau …

Anita: Sie? Ich hab es mir gedacht.

Ede: Sie schubsen dich umher. Sie betrügen oder prellen dich, wo du hinguckst, so sagte sie, als sie wegging. Spuck sie an. zahle es ihnen zurück. Aber das kannst du nicht. War schon halb draußen, da schleppte sie, Rotz und Wasser heulend, den Jungen noch mal her und zeigte mit den Fingern auf mich. Schau ihn dir an. Das ist dein Papa. Schau richtig hin. Der lernt es nie. So groß wie er ist, so dumm ist er auch, weil er sich alles gefallen lässt.

Anita: Nimm es, wie es ist, Ede. Ich ja auch. Wie bin ich da nur reingeraten? Soll ich dir erzählen?

Ede: Nein, nein. Bestimmt nicht.

Anita: (Fasst nach seinem Arm) Das erste Mal, das schlimme erste Mal, Ede.

Ede: Ich kann es mir vorstellen. Nein, nein. Und doch. Die Frauen, Anita, euch hat es am Ärgsten getroffen auch hier in der Stadt.

Anita: Wohin gehen wir?

Ede: Ich weiß nicht. Anita Ich weiß es auch nicht. (Sie kriechen auf der Bank unterm Cape zusammen)

14.

Licht flammt auf. Der Salon ist taghell erleuchtet Lässig hantiert müde und verdrossen in seinem Schreibsessel. Er vernichtet Unterlagen und schreibt.

Lässig: Mein Testament … Ja, so … Ja … Ja … Ja… Der auch, doch … selbstverständlich … Nein, sie nicht … Keiner. Soll das Zeug vergammeln. (Schlägt resigniert die Mappe zu und greift zur Pistole) Diese schnöde Welt. Ich hab sie mir besser vorgestellt. (Er legt sie an die Schläfe, drückt pathetisch ab und sinkt vom Sessel, obgleich es nur klickt. Er kraucht wieder hoch, schaut in das leere Magazin und wirft sie weg. Er bekommt einen Strick zu fassen, will ihn um seinen Hals legen, stolpert aber über das lange Ende und fällt. Schließlich hockt er finster vor seinem Salon) Pleite, Pleite. Alles aus.

1. Polizist: (schnüffelnd) Wir haben ihn gerochen / bald wär es was geworden / mit einem großen Orden.

2. Polizist: (schlägt sein Wasser ab und schnüffelt) Ich hab es im Urin, / wir packen ihn bestimmt, / da wird er gleich vertrimmt.

Brenn: (Sieht sie gehen und schleicht zündelnd heran) Für Ede. Dem Autogauner zahl ich’s heim.

Lässig: (Erspäht ihn und hat einen Einfall) Das ist es. Heu, heu! Heureka! So machen wir’s.

Brenn: (Das Feuerzeug geht aus. Er wirft es wütend zu Boden) Leer, leer, leer!

Lässig: (Packt ihn) Ah, der brave Brenn, mein früherer Monteur.

Brenn: Nicht die Polizei. Meine Frau … meine Kinder … (Er versucht zu fliehen, aber Lässig hält ihn) Ich tue es nie wieder, nie. Ich schwöre.

Lässig: Hast wohl kein Feuer mehr, he? Aber ich. Heu, heu! (Macht sein Feuerzeug an) Ich borg es dir, wenn du…

Brenn: Was wenn?

Lässig: Wenn du, da … da … Huiiii! Aber pikobello.

Brenn: Da, deine noble Hütte? Wie? So ein bisschen Versicherungsbetrügerei? Nein, nein. Ich bin kein Spitzbub. Ich mach kein Feuer mehr.

Lässig: (Winkt mit Geldscheinen) Natürlich nicht umsonst.

Brenn: Und das wird nachher neu aufgebaut?

Lässig: Pikobello.

Brenn: Wenn ich da wieder als Monteur arbeite und …

Lässig: Was und?

Brenn: Karl, Boxer und die andern auch?

Lässig: Versprochen. (Da Brenn schon zündelt, aber wieder zurück kommt) Was denn noch? Gleich kommt die Polizei wieder.

Brenn: Der Ede …

Lässig: Niemals, der nicht.

Brenn: Ede, sag ich.

Lässig: Nein. Hält ihm die Geldscheine hin.

Brenn: Dann haste Pech. (Geht pfiffelnd)

Lässig: (hält ihn) Dann ja doch, Verdammt.

Brenn: Okay. Okay. (Er beginnt zu brändeln und tanzt) Knickse, knackse, schönes Haus, / besser siehst du später aus, / wenn ich drinnen wieder schaff / und nicht in die Gegend gaff. / So ein Glück, dass keiner kennt den Ruinenbrenner Brenn. (Er verharrt und schlägt das Feuer nieder)

Lässig: Was? Wie? Was denn nun?

Brenn: (Sich entfernend) Schluss. Aus mit der Brändelei. Mach deinen Dreck selber.

Lässig: Halt, halt! (Er rennt ihm nach und kommt auf der anderen Seite als Brenn verkleidet wieder herein. Er tanzt wie Brenn, trompetet den Text mit den Lippen, außer den Schluss) So ein Glück, dass keiner kennt den Ruinenbrenner Brenn. Er brändelt den Salon nieder. (Sirenengeheul, Trillerpfiffe und Schüsse. Brenn, alias Lässig, wird von der Streife gefasst)

1. Polizist: Da isser! da!

2. Polizist: Dort isser! Dort! Ich hab ihn geschnappt! Beide bringen ihn im Polizeigriff Das isser, verpicht.

1. Polizist: Der Lumpenhund!

2. Polizist: (Warnend Zeigefinger zum Publikum) So saust die Polizei. / Hammersch aber gleich gewusst. / Jetzt machmer ihn zum Ei. (Mit ihm ab)

15.

Der Salon ist wieder aufgebaut. Anstelle Edes dösen Karl, Hacke, Brenn und Boxer vor der Bank auf dem Rasen. Am Autosalon stehen wieder die gleichen Modelle. Ein Boy verkauft Zeitungen Unter Girlanden und Fähnchen geht ein Straßenmädchen nach Kundschaft Ein großes Schild prangt: Heute Neueröffnung.

Boxer: (Mit Blick auf ein Straßenmädchen. Da ist schon wieder eine.

Hacke: (Trinkt, wirft die leere Büchse) Zisch ab! Nischt mehr los bei den Karpfenpfeifern ohne Ede. Ich hau dann auch Sack.

Boxer: Und ich? Was mache ich?

Boy: Brändler gefasst! Ruinierter Geschäftsmann, nicht geständig! Vergewaltiger noch immer flüchtig.

Hacke: (Mit Zeitung) Karpfenpfeifer, Bürger, he, sperrt eure Frauen weg!

Karl: Hat’s ihn doch erwischt, unseren Herrn Lässig und seine schönen Pikobello.

Brenn: (Lachend) Ein Brändler, so was, so was. Den möcht ich gern mal sehen.

Hacke: Ede, wo er bloß steckt?

Ede: (Verborgen) Pst, pssssst! He!

Karl: Ede?

Hacke: Ede, Mensch. Wenn sie dich greifen.

Ede: Die und mich greifen? Ha! Ich mach, wir machen die Flocke. (Ede und Anita mit gepacktem Koffer. Lautes Hallo und dann Stille)

Anita: Ich bin sein Alibi.

Hacke: Ede, Ede und was wird aus uns? Wollen wir nicht wenigstens noch eins trinken? (Er schaut sich um, weil nichts mehr da ist und hebt kleinlaut die Schulter)

Ede: Ach was. Kommt, ich gebe noch einen für den Abschied aus. (Er zieht mit Anita einen Kasten Bier herein)

Japaner: (Führt wie eingangs mit dem Camcorder die Fassade des neuen Autosalons hoch) Wonderful! Ist ja wonderful! Auf den Knien geht er mit der Kamera die Beine des Bankdirektors hoch, der als neuer Besitzer heraus tritt) Selfmademan, oh! Wonderful!

Direktor: (Weist ganz in Blau und Handschuhen seine Angestellten in blauen Overalls mit großen OPELLA-Aufnähern ein, die lustlos fegen) Das nennt ihr fegen? Habt ihr es noch immer nicht gelernt? So wird gefegt. (Er fegt im Takt Eins, zwei, drei … Und pokopelli, pokopelli sag ich. Das heißt sauber. Dass ihr mich ja nicht blamiert. Angetreten, dalli, dalli. Gleich kommen die Herrschaften. (Am Spalier der Angestellten vorbei, eilt er wie vormals Lässig den Gästen und Reportern entgegen) Die Frau Regierungsrat! Der Herr Bürgermeister! Welch eine Ehre. Und meine lieben Kollegen unseres hochgeschätzten Mittelstandes. (Nimmt die Geschenke entgegen und führt sie von Bewunderungsrufen begleitet an seine Modelle) OPELLA Eins, OPELLA Zwei. Prächtig, prächtig, nicht wahr? Und hier mein Schlager jetzt dreihundert PS, dreizwanzig Airbags und Sonderausstattung (Er reißt den Wagenschlag auf, dahinter der Japaner mit Dirne, und schlägt ihn wieder zu) Mit Spitzenhöschen, äh, für alte Schachteln Puderdöschen mit Goldschnitt, meine Herrschaften.

Frau Rat: Frenetischer Beifall. Exzellent! Wunderbar! Exquisit! – Und Ihre Neuheiten zur Verschönerung der Arbeit?

Bürgerm.: Die ganze Stadt spricht schon davon.

Direktor: Aber ja, meine Herrschaften. Sehen Sie. (Lässt wieder fegen. Was für eine schlappe Körperhaltung) Diese verderbliche Duldsamkeit, oh! Wo bleibt die Ästhetik des Alltags? Angetreten, marsch. Alles hört auf mein Kommando. Aaachtung! Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei… (Die Angestellten fegen rhythmisch) Halt! Und jetzt mit dem Leder schön sanft an meine Supermodelle. Das stimuliert und hebt. Sehen Sie? Aaachtung! Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Halt! Das ist Noch gar nichts. (Die Truppe steht. Er verabreicht jedem eine Kraftpille auf die Zunge, dazu eine Schluck Bombastus – Gambrinus Aaachtung! Doppelt schnell) Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei … Haha! (Deklamiert) Nur die Besten kommen ran. / Da muss nicht viel geschehen./ Gleich greifen alle Mann / und wer nicht kann, kann gehen.

Bürgerm.: Furios! Phantastisch fordistisch! Phantastisch fordistisch!

Frau Rat: Mein lieber, bester Herr Direktor, wie sie sich aufopfern. Das muss belohnt werden. (Sie überreicht wiederum eine mörderische Skulptur und hängt ihm die Schärpe um. Beifall und Händeschütteln)

2. Untern: (Überreicht seine pikanten Dessous) Von Herzen, mein lieber Herr Kollege.

3. Untern: (Überreicht und verteilt) Und für die Seele Bombastus – Gambrinus. Trinken Sie, trinken Sie. (Alle trinken und stoßen auf, während Ede mit seiner Truppe wieder hereinkommt, den alten Platz einnimmt und Frau Rat auf sie zugeht)

Frau Rat: Einige Unverbesserliche nennen diese unsere lieben Mitmenschen arbeitslos. Wisset aber, einst wurden die gebeutelten MÖZEUBLER drangsaliert. Jetzt aber, meine Herren, in diesen goldenen Zeiten gehen sie mit uns wie und wann sie wollen. Diese wundervolle freizügige Bewegung, sehen Sie, diese zunehmende Mobilität ist ein Segen für jedermann. (stellt die Paare zusammen) Ein ergreifendes Bündnis in Freiheit. Gehen wir Hand in Hand. Bitteschön! Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei … Sie dirigiert die beinschwingenden Paare)

Alle: Gehn wir im Ringelreihn / unser Bündnis ist so fein! (Jedes der Paare antwortet heiter und schneidet sich gegenseitig Fratzen)

Boxer: Sind wir schon ein ganzes Heer / und es wächst noch immer mehr.

1. Untern.: Und ich freue mich darauf / weil ich dich dann billig kauf.

Hacke: Er doch vieles mehr schon hat / aber nimmer wird er satt.

2. Untern.: Ist es doch nur Neid, nur der Neid / wird er aber nie gescheit.

Karl: Kommst du mir mal süß, mal barsch / Leck du mich doch gleich am Arsch.

3. Untern.: Vergisst du Dummkopf einfach glatt / wer hier doch das Sagen hat.

Frau Rat: Gehen wir im Ringelreihn / unser Bündnis ist so fein! / Geht es mal nach hinten los, / ist es doch famos famos. (Ede und der Direktor äffen nach, während Brenn heimlich zu brändeln beginnt. Die Polizisten führen Lässig als Häftling mit dem Schild, Stadtbrändler stolz vorbei und geraten in den Reigen, bis es wieder raucht und die Sirene heult)

1. Polizist: Wie? Wer? Was?

2. Polizist: Ei, verpicht! Was ist denn das? Schnuppernd halten sie das Ganze mit ihren Pistolen in Schach.

Lässig: Da ist er, da, der Vergewaltiger und Brändler. Schnappt ihn, da! Sie auch. Dieses Flittchen hat ihn angestiftet. Und sein Koffer. Eine Bombe, Bombe! Da!

1. Polizist: Eine Bombe, ei verflixt.

2. Polizist: Und ist unsereins noch immer ausgebüchst. Volle Deckung! (Sie gehen zu Boden)

Ede: Eine Bombe. (Er öffnet den Koffer und bombardiert die Polizisten mit Anitas Unterwäsche, die schießen. Es raucht und zündelt aber weiter. Sirene. Lässig entwischt in der Turbulenz und die Polizei verfolgt ihn ballernd) Eine Bombe, ha ha. Das muss begossen werden.

Boxer: Wozu, Ede?

Hacke: Ja, wozu, Ede, wenn du gehst?

Karl: Freunde, Ede, drei gute Freunde. Und mit dir zusammen vier. Was willst du anderswo?

Ede: Und was sagst du, Anita?

Anita: Ede, weißt du es nicht?

Ede: Anita. (nimmt sie in die Arme. Die anderen sammeln die Unterwäsche auf, schieben die Koffer weg und lassen das Paar hochleben)

Berge blau und die Fahne rot

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