Читать книгу Zwischen Gott und den Menschen - Rudof Kainz - Страница 10
ОглавлениеDie Brücke
Welche Funktion hat eine Brücke? Folgende Definition ist wohl allgemein gültig: Eine Brücke ist „ein Bauwerk zur Führung von Verkehrswegen oder Leitungsrohren über Hindernisse (Straßen, Eisenbahnen, Flüsse)“.2
In der Beziehung Gottes zu den Menschen existiert seit dem Sündenfall ein Bruch. Viele Hindernisse haben sich zwischen Gott und den Menschen aufgetürmt. Der Mensch ist dadurch immer mehr in die Gottferne gerückt. Gott liebt aber die Menschen, möchte alles Ungute überbrücken, sie zu sich ziehen, ihnen nahe sein und sie erretten. Jesus hat es in Johannes 3,16.17 wie folgt beschrieben: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“
Zwei weitere Aussagen beschreiben Jesus als Brückenbauer zwischen Gott und den Menschen: „Alles, was mir der Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Johannes 6,37).
Und: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Johannes 14,6).
Jesus wurde zu einem Brückenbauer zwischen Gott und den Menschen. Sein Leben, sein Tod, seine Auferstehung und Himmelfahrt, die Sakramente, die er gestiftet hat, sind ein Beweis dafür. Er ist durch sein Leben und Sterben zu einem Vorbild geworden, das zeigt, wie Brücken von Mensch zu Mensch gebaut werden können, wenn die Menschen ein Leben führen, das sich an Jesus orientiert.
Jesus selbst war es, der einst allen ein „Kommt her zu mir …“ zugerufen hat verbunden mit der liebevollen Einladung, von ihm zu lernen und sanftmütig und demütig zu werden (vgl. Matthäus 11,28 ff.). Immer wieder, auch in unseren Tagen, sucht er die Nähe zu den Menschen und bemüht sich, Beziehungen zu ihnen herzustellen und damit eine Brücke zu bauen, sodass seine Botschaft die Herzen erreicht, erfasst und verwandelt. Wer diese Einladung annimmt, wird die Erfüllung der Verheißung erleben: „… so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matthäus 11,29).
Wie hat Jesus Brücken gebaut?
Worte vermögen nicht auszudrücken, welche Bedeutung das Kreuz für das Leben, Sterben und das ewige Leben des Menschen hat. Es ist die Brücke, über die zu lesen ist: „Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei. Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz“ (Kolosser 1,18–20, vgl. auch 2. Korinther 5,18 ff.).
Jesus hat durch sein Opfer für alle Menschen eine Brücke zum Herzen Gottes gebaut. Diejenigen, die dieses Opfer annehmen und wirken lassen – das heißt seinen Leib essen und sein Blut trinken – ahnen die Liebe Jesu. Sie verspüren das Verlangen und werden getrieben, etwas von dessen Wesen an andere Menschen weiterzugeben, indem sie selbst zu Brückenbauern werden.
Die Lehre Jesu anzunehmen, zu verinnerlichen, sich von ihr prägen zu lassen, ist der Auftrag des Christen. Wozu? Um wie Jesus zu werden, zu leben, zu handeln – er ist nicht nur wahrer Gott, sondern auch wahrer Mensch – so zu werden, wie sich Gott den Menschen vorgestellt hat, nämlich „ein Bild, das uns gleich sei“ (1. Mose 1,26).
Man kann hin und wieder feststellen, dass Kinder dem Vater oder der Mutter im Aussehen und Verhalten so ähnlich sind, dass man geneigt ist zu sagen „Typisch der Vater“ oder „Typisch die Mutter“.
Auch von einem Christen, der sein Leben an Jesus orientiert, sollte man sagen können „Typisch Jesus.“
Aber was ist „Typisch Jesus“?
Jesus gibt in der Bergpredigt seinen Jüngern zwei Aufträge, die einfach klingen, aber in ihrer Umsetzung Glauben, Liebe und Hingabe zu Jesus bedürfen. Ihre Erfüllung und Verwirklichung ist die Voraussetzung dafür, dass der Mensch heute, wie Jesus einst, ein Brückenbauer wird.
2DTV-Lexikon, München 1997, nach Unterlagen des Verlages F. A. Brockhaus, Mannheim, Band 3, Stichwort „Brücke“