Читать книгу Zwischen Gott und den Menschen - Rudof Kainz - Страница 7

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Einleitung

Zu keiner Zeit ist die Frage Jesu, die er im Lukasevangelium (Lukas 18,8) stellt, so zeitgemäß gewesen wie gerade in unserer Zeit: „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?“

In Europa wird in den kommenden Jahren ein drastischer Rückgang der Christen in den verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften festzustellen sein. Ein paar Ursachen mögen hier genannt werden, die bewusstmachen sollen, welche großen Aufgaben den Christen in Zukunft bevorstehen.

Die Ablehnung des Glaubens an Jesus als den Sohn Gottes, seiner Wunder, seines Todes, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt geschieht nicht nur, weil man in einer „aufgeklärten“ Zeit lebt, in der solche, sich der menschlichen Logik entziehenden Dinge, kaum noch Platz haben. Die Ursache liegt tiefer. Jesus beschreibt die Ursache für die Ablehnung durch das Volk ihm gegenüber in dem Gleichnis von den anvertrauten Pfunden. Der Ruf der Bürger, und damit des Volkes, ist nämlich: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lukas 19,14). Eben dieses „Wir wollen nicht“ ist gleichsam zur herrschenden Gesinnung geworden.

Eine weitere Ursache für den mangelnden Glauben der Christen ist ihre Angst davor, ihr Verhalten ändern zu müssen. Diese ist nicht in erster Linie in dem Wissen zu suchen, dass das Leben endlich ist. Es handelt sich vielmehr um die Tatsache, dass man sich nicht ändern will, weil es bequemer ist, zu bleiben, wie man ist. Denn die Beschäftigung mit Gedanken an ein ewiges Leben „stört“ nur den gewohnten Tagesablauf. Selbst wenn man erkennt, dass man nicht „ewig“ so weitermachen kann, hat man immer noch den vermeintlichen Trost, zuletzt alles besser machen zu können. Nur wer weiß, wann dieses „Zuletzt“ ist?

Wenn man mit Lehrerinnen und Lehrern spricht, hört man Klagen über das Verhalten der Kinder. Als Hauptursache wird die Tatsache genannt, dass die Erziehungsaufgabe, die die Eltern gewöhnlich zu erfüllen haben, immer mehr der Schule überlassen wird. Gerade im religiösen Bereich gibt es immer weniger Eltern, die für ihre Kinder ein Vorbild im Glauben sind. Die Kirche und die kirchlichen Institutionen können kaum in Ordnung bringen, was im Elternhaus versäumt wurde. Wenn aber die wichtigsten „Grundbegriffe des Glaubens“ nicht beigebracht werden und die Begeisterung für Jesus nie entfacht wurde, wird es mitunter schwer möglich sein, für Jesus zu „brennen“. Sicher kann der Mensch ohne Jesus leben, und zwar scheinbar auch sehr gut. Was aber geschieht, wenn der Mensch in eine Situation gerät, in der er nicht aus noch ein weiß? An wen soll er sich wenden, wenn er den einzigen Helfer nicht kennt? Abgesehen davon ist Jesus nicht der „Notnagel“, sondern das Lebenselement par excellence.

Eine weitere Ursache könnte sein, dass der widergöttliche Geist, – Satan genannt –, alles, was mit Jesus zusammenhängt, beseitigen möchte. Das Wort des Apostels Paulus muss ernst genommen werden: „Lasst euch von niemandem verführen, in keinerlei Weise; denn zuvor muss der Abfall kommen und der Mensch des Frevels offenbart werden, der Sohn des Verderbens“ (2. Thessalonicher 2,3).

Gerade in seinen Endzeitreden (z. B. Matthäus 24) warnt Jesus immer wieder vor den falschen Propheten und vor den „falschen Christussen“, die vorgeben, Heil zu bringen, aber in Wirklichkeit ein Schaden für den Menschen sind. Ein Nachfolger Jesu ist aber einer, der ausschließlich hinter Jesus hergeht und ihm nacheifert und damit immer im Aufbruch und in Bewegung bleibt, getrieben von der Sehnsucht nach dem Reich Gottes.

Eine Geschichte aus Südamerika

Zwei Brüder waren verfeindet. Sie hatten keine Gemeinschaft und gingen sich aus dem Weg. Am liebsten wollten sie sich nie mehr sehen. Einer der Brüder hätte zwar gerne die Situation geändert, scheiterte aber an dem sturen Kopf des anderen. Die Häuser der beiden Brüder lagen nicht weit auseinander. Zwischen diesen floss ein kleiner Fluss, über den es aber keine Brücke gab.

Eines Tages bekam der eine Bruder Besuch. Ein Zimmermann war auf der Walz und bot seine Dienste an. Der Bruder war froh, hatte er doch viel Holz, das verwertet werden sollte. Er bat den Zimmermann, während seiner Abwesenheit – er hatte eine längere Reise geplant – aus dem Holz eine lange und hohe Mauer zu errichten. Er wollte seinem Bruder nie mehr in die Augen schauen müssen.

Nach einigen Wochen kam der Bruder zurück. Was stellte er fest? Anstelle der Mauer fand er eine Brücke. Über diese lief ihm sein Bruder freudestrahlend und ganz beglückt entgegen. Er umarmte ihn und dankte ihm für seine grandiose Idee, eine Brücke zu bauen. Zuerst wehrte sich der Auftraggeber und wollte den Brückenbauer zur Rede stellen. Als er aber die Freude des Bruders und dessen Familie sah, wurde er selbst davon angesteckt und lobte am Ende die Arbeit des Zimmermanns. Schließlich bat er diesen zu bleiben, da er für ihn genug Arbeit habe. Jener lehnte dankend mit dem Hinweis ab, dass er weiterziehen müssen. Es gäbe auf der weiten Welt so viele Mauern. Er sei dazu berufen, Brücken zu bauen.

„Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären“ (Johannes 21,25).

Wer in der Bibel liest oder Gottesdienste besucht, wird Jesus, dem Brückenbauer, begegnen. Reicht das nicht? Wenn es schon Johannes nicht möglich war, alle Taten Jesu zu beschreiben, wie soll es einem Buch wie diesem gelingen, den Brückenbauer Jesus umfassend zu würdigen?

Dieses Buch kann nur auf ein paar einzelne Steine eines unvergleichlichen Mosaiks aufmerksam machen. Dem Leser werden auch einige Impulse gegeben. Das bekannte Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“ soll nicht nur gesungen werden; die darin enthaltenen Worte „In Wort und Werk, in allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen“ mögen vielmehr zu einer Lebensaufgabe werden. Diese zu erfüllen, scheint gerade heute fast unmöglich zu sein. Immer mehr stellt man fest, dass eher die folgenden Worte Jesu Erfüllung finden: „Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten“ (Matthäus 24,12).

In Matthäus 22,37–40 erklärt Jesus, was er unter dem „Gesetz“ versteht: „‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.‘ Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

2. Timotheus 3,1–5 zeigt auf, welche Folgen die Missachtung des Gesetzes hat. Es klingt wie eine Prophetie für „die letzten Tage der Menschheit“, wenn Paulus schreibt: „Das sollst du aber wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden. Denn die Menschen werden viel von sich halten, geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, unversöhnlich, schändlich, haltlos, zuchtlos, dem Guten feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen. Sie lieben die Ausschweifungen mehr als Gott; sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie; solche Menschen meide!“

Die Begriffe beschreiben Verhaltensweisen, die der Dichter Georg Zinser in folgende Worte kleidete (Neuapostolisches Gesangbuch von 2004; 342,2): „Wer nur von Zank zerrissen, erfüllt von Hass und Neid, will nichts von Liebe wissen und nichts von Ewigkeit …“ Drei Beispiele von heute zeigen die Aktualität der genannten Aussagen.

Krieg ist weltweit die zentrale Fluchtursache. In fast jedem siebten Land der Erde herrscht Krieg oder ein bewaffneter Konflikt. Rund 80 Millionen Menschen sind hiervon betroffen und suchen Schutz.1

700 Millionen Menschen auf der Erde leiden unter extremer Armut. In Deutschland liegt die Lebenserwartung dreißig Jahre höher als in manchen afrikanischen Staaten, die unter Hunger leiden.

200 Millionen Christen werden verfolgt. In vielen Gegenden wird auf lange Sicht hin versucht, die Christen an den Rand der Gesellschaft zu drücken, indem sie vom gesellschaftlichen Leben, von Arbeitsmöglichkeiten und sogar vom Zugang zu Krankenhäusern ausgeschlossen werden. Sie werden als zweitklassige Menschen behandelt.

Das ist nur „die Spitze des Eisbergs“. Vor allem berührt es, wenn man hört, liest oder erlebt, was Kinder in den verschiedenen Ländern an Bösem erleben müssen.

Scheint es angesichts dieser Tatsachen nicht aussichtslos zu sein, noch Hoffnung auf eine Besserung der Zustände zu haben?

1www.spiegel.de, 18.06.2020, „Politik“, Angaben des UNO-Flüchtlingshilfs- werks UNHCR

Zwischen Gott und den Menschen

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