Читать книгу Sankt Georgs Stellvertreter: Legende - Rudolf G. Binding - Страница 4

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Es begab sich eines schönen Tages, daß der heilige Georg, welcher seit Jahrhunderten die Reiterei der himmlischen Heerscharen befehligte, bei Gott dem Herrn um Urlaub einkam. Dessen hatte sich der Herrgott freilich nicht versehen; denn wenn er es auch gewohnt war, daß sich einige Heilige minorum gentium, die sich nicht gerade in verantwortungsreichen Stellungen befanden, in ihrem Dienst solche Freiheiten erlaubten, denen er großmütig nachsah, so war doch von dem heiligen Georg während der ganzen langen Jahre, die er ihm in Treuen diente, niemals ein Urlaubsgesuch eingegangen. Er ließ ihn also zu sich rufen und beschied ihn, daß das doch ganz gegen die himmlische Ordnung sei, wenn er, der sich noch niemals seinen ritterlichen Heiligendiensten entzogen hätte, damit jetzt auch beginnen wollte wie andere, welche die Sache nicht so genau nähmen. Sankt Georg, welcher als Heiliger der Ritter und als Ritter unter den Heiligen das Haupt hoch und frei trug, so wie ihn Donatello in seinem Standbild an Or San Michele in Florenz dargestellt hat, sah seinem Gott ins Angesicht, und da er einen festen Stand bei ihm hatte, so war er auch um eine freimütige Antwort nicht verlegen, wie er es seiner Ritterwürde schuldig zu sein glaubte. Er sagte also zu Gott dem Herrn, er möge bedenken, daß seine Gerechtigkeit mit diesem Bescheid, den er ihm gegeben, zu dem nämlichen Ziel gelangt wäre wie die Vernunft der Obersten auf Erden, welche da ihre pflichteifrigsten Offiziere, wenn sie wirklich einmal um Urlaub einkämen, teils verwundert, teils entrüstet mit der Begründung abwiesen: „Ja, wie kommen Sie nur dazu? Das fehlte ja gerade noch!“ während sie anderen lustigeren Kameraden jede Dienstumgehung dieser Art als selbstverständlich nachließen. Zudem, so fuhr der heilige Georg fort, sei von einer leichtfertigen Beurlaubung seinerseits gar keine Rede; vielmehr betrachte er eine längere Abwesenheit von seinen Truppen, und zwar mindestens auf ein Jahr, für ganz unerläßlich, da er fühle, daß er seinen heiligen Aufgaben als Befehlshaber der Himmelsreiterei nicht mehr so voll gerecht werden könne; nicht als ob seine Kräfte nachließen, sondern es sei eine ganz bekannte Tatsache der Erfahrung, daß zu langes ununterbrochenes Befehlen an höchster Stelle nicht gut tue, die Leistungsfähigkeit der Befehligten wie des Befehlshabers darunter leide und eine unüberwindliche Stumpfheit auf beiden Seiten Platz greife, von welcher, wie Gott der Herr wohl wisse, nur er selbst als Herrscher des Himmels und der Erden frei sei. Er gedenke aus diesem Grunde sich in längerem Betrachten gänzlich anderer Verhältnisse im Kriegsdienst, der auf Erden ihm unbekannte Fortschritte gemacht haben müsse, neue belebende Gesichtspunkte zu erwerben, wie sie ihm für seine Stellung notwendig erschienen.

Der Allmächtige konnte sich ebensowenig der Richtigkeit der letzten Bemerkungen wie der Einsicht entziehen, daß sein erster ablehnender Bescheid, wie Sankt Georg herausgefühlt hatte, nicht der himmlischen Gerechtigkeit entspräche, welche er übte. Er bedachte sich also. Mochte er auf der einen Seite seinem vornehmsten Heiligen gegen unanfechtbare Gründe nicht entgegentreten, so schien es ihm auf der anderen Seite ganz gegen alle Ordnung, daß die himmlische Reiterei solange ohne einen Führer sich selbst überlassen sein solle. Aber zur Übernahme der himmlischen Stellung des heiligen Georg war kein anderer Heiliger tauglich; das ergab sich ohne weitere Erwägung. Indem er ihm das vorstellte, gedachte ihn Gott von seinem Vorhaben abzubringen. Aber Sankt Georg blieb bei seinem Gesuch; so wie sie jetzt sei, habe die himmlische Reiterei überhaupt keinen Zweck mehr, führte er aus, also müsse er auf neue Erfahrungen für sie ausziehen, und wenn sie nicht für die Zeit seines Urlaubs ohne Befehlshaber belassen werden könne, was er übrigens einsehe, so solle man sie für diese Zeit abrüsten; vielleicht brauche man sie dann überhaupt nicht mehr zusammentreten zu lassen, wenn man den allgemeinen Abrüstungsbestrebungen, die auf Erden sich nur mühsam Boden verschafften, mit gutem Beispiel vorausgehen wolle. Aber davon wollte Gott, solange die Macht der Finsternis bestehe, nichts wissen. Wenn also, wie Georg zugäbe, seine Reiter nicht ein volles Jahr lang führerlos bleiben könnten, so sei der Herr zur Bewilligung seines Urlaubs nur dann in der Lage, wenn er ihm für die Zeit desselben einen geeigneten Stellvertreter bringe, dessen Bestätigung er sich vorbehalte.

„Damit Ihr aber erkennet,“ fuhr Gott fort, „daß ich der Genehmigung Eures Wunsches, dessen Berechtigung ich anerkenne, geneigt bin, will ich selbst, sofern Ihr nur die geeignete Persönlichkeit ausfindig gemacht oder in Vorschlag gebracht habt, Euch beistehen, sie zu gewinnen.“

„Und wie, mein Herr und Gott,“ fragte der heilige Georg, welcher sich mit seiner Nachfolgerschaft oder seiner Vertretung noch nie in Gedanken befaßt hatte, „müßte der beschaffen sein, welcher an meiner Statt dir dienen dürfte?“

„Das ist bald gesagt,“ erwiderte der Herr; „ein Ritter müßte er sein wie Ihr, ohne Tadel und Furcht, und nicht als armer Sünder dürfte er in den Himmel eingegangen sein. — Aber er wird nicht so bald gefunden werden.“ Und mit diesen Worten entließ er ihn.

Daran mußte sich der heilige Georg als an einem weisen, gerechten und gütigen Bescheid genügen lassen, und wenn er auch noch nicht wußte, wo er den Stellvertreter, den Gott verlangte, hernehmen sollte, so verzagte er doch insoweit keinen Augenblick, eingedenk dessen, daß er ihm seinen Beistand versprochen hatte, die geeignete Persönlichkeit zu gewinnen.

Sankt Georgs Stellvertreter: Legende

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