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Vielgenannt – kaum bekannt: das ist noch immer das Los des Flusses und der Landschaft. Man spricht den Namen Mosel rasch und geläufig, zugehörig, vereinend mit dem des Rheines aus. Aber es liegt nur eine Gewohnheit, eine Oberflächlichkeit, eine wirklich falsche Vorstellung darin. Die Mosel liegt abseits, auch ihre Schönheit, ihre Reize sind abseits. Fast könnte man sagen: fremd. Feinzart, unmerklich ist ihr Zauber, den dennoch jeder Empfindende an sich erfährt. Er ist sanft, aber sehr eigen. Er ist stark, aber verhalten. Er ist eindringlich, aber stille. Er ist licht, aber gedämpft. Er ist tief, aber ungewöhnlich. Er ist bestimmt, aber nicht handgreiflich. Er ist unvergeßlich, aber leicht.

Jede Landschaft, so scheint es, muß neu erobert werden von dem Geschlecht der Lebenden. Anders trügt sie. Nichts kann trügerischer sein als die Bilder und die Schilderungen, die eine andere Zeit sich von diesem Fluß und Land gemacht hat. Das Mittelalter verwandelte die Landschaft um der Burgen und Mauern, der Wehr- und Wachttürme willen, die in den Anschauungen, im Leben der Menschen eine so große Rolle spielten, in einen Aufbau von Bastionen, die die Natur ihm zuliebe gleichsam anbot und ausgebildet hatte. Die Weinberge der damaligen Zeit sahen sicher nicht anders aus als die heutigen. Aber die Vorstellung übertrug den befestigten Charakter des Landes auf sie, und sie mußten darin mittun. Es kam – viel später – die Zeit der Romantik und forderte auch von der Mosel ihr Teil. In dieser Zeit sahen die nämlichen Berge und Hügel wilder, zerrissener, phantastischer, romantischer aus als je. Die Vorstellung der Menschen, der Wunsch nach Romantik, war stärker als die Natur und sah einen Zustand in sie hinein, der über ihre eigenen Gefühle, aber nicht über das Gesicht des Landes bündigen Aufschluß gab. Jeder Hang wurde versteilt, jeder Felsbruch vergewaltigt. Und Ruinen „schmückten“ das Land, wurden betont, vermehrt, wo irgend der Anblick es zuließ. Das Bild der Landschaft folgte der Neigung der Zeit. In ihren Veduten, zahllosen kleinen Stichen und Ansichten, die dem heutigen Besucher noch allenthalben in den altertümlichen Schenken, Häusern und Gaststätten begegnen, ist die wahre Landschaft kaum wiederzuerkennen. Wird man unserem Auge später einmal den Vorwurf machen, seine Sachlichkeit, sein Wirklichkeitssinn, seine Bescheidung habe der Landschaft gleiche Gewalt angetan? Wie auch immer: die ganze Romantik der Mosel stammt aus dem romantischen Auge einer vergangenen Zeit. Die Mosel ist ehrlicher – nicht zu ihrem Nachteil. Ihr Zauber, ihre Schönheit sind größer, tiefer, sind wirklich die der Natur in Verbindung mit menschlichem Leben. Köstlicher, wahrer sprechen Land und Fluß, sprechen die Menschen zu uns; und wir wollen so zu uns sprechen lassen.

Moselfahrt aus Liebeskummer

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