Читать книгу Barmherzigkeit und Gnade - Jesu Versprechen - Rudolf Hopmann - Страница 4
Die Versuchungen Jesu Ein Kampf um Macht und Hoheit
ОглавлениеDie berühmte Geschichte der Versuchungen Jesu ist eine dramatische Auseinandersetzung mit dem Satan. Sie wird von Matthäus und Lukas berichtet. Im Folgenden stütze ich mich auf Matthäi Bericht (4,1-11).
Viele Bibelwissenschaftler meinen, dass Jesus, zwar Gottessohn, ihm selber aber dies zunächst nicht unbedingt bewusst war. Die Taufe im Jordan durch Johannes brachte ihm die unausweichliche Gewissheit (Mt 3,16-17): „Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich zukommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe!“
Diese grundstürzende Botschaft veranlasste Jesus, sich in die Wüste zurückzuziehen, und zwar veranlasst durch den „Geist“, den Widersacher Satans. Dort fastete er vierzig Tage, denn Jesus, „vollkommener Mensch“, sah sich genötigt, die Fülle seines Seins selber zu begreifen. Seinem Beispiel sind viele Menschen, die man Eremiten nannte, gefolgt, weil sie das Bedürfnis hatten, sich selber und ihren Weg zu Gott zu finden.
Über diese Zeit in der Wüste berichtet Matthäus (4,2-4): „Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“
Der Versuchung des Satans begegnet Jesus mit einem Satz aus dem 5. Buch Mose, Deuteronomium (Dt. 8,3). Dort heisst es: „Durch Hunger hat er dich (das Volk Israel) gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht.“, eine Weisung, die allerdings sehr fundamental ist und uns Menschen heute gleichermassen fordert wie jene der damaligen Zeit, an die diese Worte gerichtet waren. Dass neben dem körperlichen Wohlergehen das Geistige nicht zu kurz kommen darf, wird immer wieder gesagt, aber von vielen heute ignoriert. Sie hecheln dem Konsum nach, dröhnen sich mit Popp zu und übersehen dabei, dass sie ihrem Geist jene notwendigen Ressourcen vorenthalten, die für Ausgeglichenheit im Leben unabdingbar sind. Die Folge ist oft eine Sinnentleerung, der neuerlich durch oberflächliche Hektik zu entfliehen versucht wird, und oft Depressionen, die in Medikamenten und in psychiatrischen Behandlungen endet.
„Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Beim Beten dieses Satzes aus dem Vaterunser denke ich am wenigsten an das tägliche Brot, das uns zu nähren vermag – dafür ist Gott nicht zuständig –, sondern vor allem an das geistige Brot, von dem oben die Rede ist.
Für Jesus ist das Ansinnen des Satans ein No-go, doch der Satan lässt nicht locker. Auch er kennt sich in den alten Schriften aus (Mt. 4,5-6): „Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst.“ (Ps.91,11-12). Doch vorsichtigerweise lässt er den Vers 13 weg: „Du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen.“, denn mit diesen Tieren könnte ja genau er gemeint sein!
Der Tempel in Jerusalem ist die Verkörperung des israelitischen Judentums, die Zinnen krönen ihn. Sich von dort herabzustürzen, würde bedeuten, sich in die Niederungen des pharisäischen Judentums zu stürzen, das gedankenlos die mosaischen Gesetze praktizierte, nur auf Befreiung vom römischen Joch aus war und dem alles recht, billig und behilflich gewesen wäre, dies Ziel zu erreichen. Das war aber keineswegs Jesu göttlicher Auftrag. Das war ihm in den vierzig Tagen des Fastens in der Wüste wohl klar geworden. Satans Wunsch zu erfüllen, hätte alles wieder in Frage gestellt, ja konterkariert. Jesus fand die richtige Antwort auf dieses Ansinnen: „In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“ (Dt. 6,16).
„Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“ (Mt 4,7-9)
Alle Reiche dieser Welt mit ihrer Pracht und ihren Schätzen: Was könnte verlockender sein, als diese sein Eigen zu wissen! Das wäre doch der direkte Weg, die Völker dieser Erde Gott, seinem Vater, zuzuführen und das Reich Gottes zu verwirklichen. Aber die Hinterhältigkeit Satans kennt ja keine Grenzen, denn wenn Jesus sich vor ihm niederwerfen und ihn anbeten würde, hätte er sich ihm unterworfen und die Reiche dieser Erde wären noch immer Satan zu Eigen gewesen, Jesus sozusagen nur sein Statthalter.
Diese Art der Versuchung ist auch eine Versuchung unserer Mitmenschen, die einen hohen Berg, den Gipfel ihrer Carriere, erklimmen konnten. Auch sie meinen, alles sei ihnen eigen, sie beten den Mammon an, häufen Reichtümer an und fühlen sich als die Könige dieser Erde und Herrscher über all die Menschen, die ihnen zugeordnet sind. Doch dann bricht das schöne Kartenhaus in sich zusammen, denn es ist auf Sand gebaut und hat kein sicheres Fundament, dessen Eckstein Jesus ist.
„Da sagte Jesus zu ihm (Dt. 6,16): Weg mit dir, Satan. Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.“
Lukas schränkt allerdings ein (4,16): „Nach diesen Versuchungen liess der Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab.“ Jesus bleibt nämlich Mensch mit allen Emotionen (Vertreibung aus dem Tempel!) und Schwächen („Herr“, betet er im Garten Getsemani, „lass diesen Kelch an mir vorüber gehen!“). Die Pharisäer versuchen, ihn immer wieder in eine Falle zu locken, fordern Zeichen der Wunder zum Beweis seiner messianischen Sendung, oder Zeichen eines Widerstandes gegen die römische Besatzungsmacht. Beharrlich widersetzt er sich solchen Ansinnen.
Aus diesen dreifachen Versuchungen, die auf seinen Selbsterhaltungstrieb, sein Geltungsstreben und seinen hybriden Stolz zielen, geht er als glänzender Sieger hervor. Uns allen in der Nachfolge Christi, ständig mit Versuchungen dieser Art konfrontiert, ist dieser Bericht zu gleich Trost, aber auch grosse Herausforderung, den Versuchungen, mit denen wir täglich konfrontiert sind, standzuhalten. Die Versuchungen jesu sind nämlich auch die Versuchungen unseres Lebens. Doch welche Rezepte gibt es, ihnen standzuhalten oder auszuweichen? Dies wird in den nachfolgenden Versen aufgefaltet, die unmittelbar danach im Kapitel 5 - 7 des Matthäus-Evangeliums folgen: die Seligpreisungen der Bergpredigt, die Rede von der wahren Gerechtigkeit. Jene Forderungen der Bergpredigt zu erfüllen oder ihnen nachkommen zu wollen, ist die wahre Herausforderung des Christseins. Die Geschichte von den drei Versuchungen Jesu und die Bergpredigt müssen unbedingt im Zusammenhang gesehen werden.