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Der Charakter der einzelnen Laute Zweiter Vortrag, Dornach, 25. Juni 1924

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Nachdem ich gestern versucht habe, im Allgemeinen den Charakter des Sprachlichen als solchen, den Charakter dieser besonderen, sichtbaren Sprache der Eurythmie zu erörtern, möchte ich heute zunächst den Charakter der einzelnen Laute vor Sie hinstellen, denn erst dann, wenn der Charakter, die innere Wesenheit der einzelnen Laute vor uns steht, werden wir die Elemente des Eurythmischen auch wirklich verstehen können. Ich mache dabei aufmerksam darauf, daß durchaus im Leben der Menschheit, in der Entwicklung der Menschheit immer ein mehr oder weniger deutliches Bewußtsein davon vorhanden war; nur in unserer Zeit sind wir, wie ich gestern sagte, so zusammengeschrumpelt in Bezug auf die Handhabe der Sprache. Es war immer mehr oder weniger ein deutliches Bewußtsein vorhanden, daß in diesem Durchlaufen der Laute, das im Worte liegt, eben doch überall in den Konsonanten ein Nachbild äußerer Formen oder äußeren Geschehens vorhanden ist, und in den Vokalen ein inneres Erleben. Dieses Bewußtsein ist mehr oder weniger in die Buchstabenformen übergegangen, sodaß man schon in ursprünglicheren Buchstabenformen, namentlich zum Beispiel in hebräischen Buchstabenformen eine Art Nachahmung desjenigen sehen kann – und zwar im Hebräischen bei den Konsonanten –, was da eigentlich in der Luftform, in der Luftgestaltung geschieht. In den neueren Sprachen – und da rechne ich natürlich unter die neueren Sprachen alle diejenigen, die etwa, sagen wir, beim Lateinischen beginnen, das Griechische hat noch etwas von dem, was ich jetzt eben meine – ist dann dies in der entsprechenden Schrift mehr oder weniger verlorengegangen; aber es erinnert noch manches durchaus daran, daß man versuchte, in den Buchstabenformen dasjenige nachzubilden, was eigentlich in der Formierung, in der Gestaltung des Wortes liegt, wenn man das Wort herausbildet aus dem Konsonantischen – das ist der Imitation des Äußeren – und dem, was man dabei empfindet, was man erlebt als von innen kommend, von der Seele her stammend. Wir können sagen, heute ist so etwas im eigentlichen Sinne nur noch deutlich vorhanden in gewissen Empfindungsworten, in gewissen Empfindungslauten oder -worten. Wollen wir einmal ein Beispiel studieren; gerade solch ein Beispiel kann uns vielleicht tief in das Wesen des Eurythmischen hineinführen. Sehen Sie, dasjenige, was wir das h nennen, wenn wir es aussprechen, wenn wir es nicht bloß hauchen, der h-Laut, das ist so etwas, was eigentlich mitten drinnensteht zwischen dem Konsonantischen und dem Vokalischen. Es ist das bei allem der Fall, was in einer gewissen Beziehung mit dem Atmen in Beziehung steht. Das Atmen wurde immer wie etwas empfunden, wo der Mensch zum Teil innerlich erlebt, zum Teil aber schon nach außen geht. Nun, dieses h, der einfache Hauchlaut, kann empfunden werden und wurde auch von den primitiven Menschen empfunden als die Nachahmung, die Gestaltung in der Luft, also die nachahmende Gestaltung in der Luft des Heranwehenden, so wie der Atem, die Atemluft heranweht, das Heranwehende. Also sagen wir: Das h kann man empfinden als das Heranwehende. – Alles, was erlebt wird als ein Heranwehendes, wird durch irgendein Wort ausgedrückt werden, in dem dieser h-Laut drinnen ist, weil das h selbst empfunden wird als das Heranwehende. Das u – also ein Vokal – kann empfunden werden als dasjenige, was seelisch-innerlich erkältet, versteift, erstarrt. So ist das innerliche Erlebnis des u, was erkältet, was versteift, erstarrt, wobei einen friert. Also u: das Erkältende, Versteifende. Und das sch, das ist das Wegblasende, alles, was etwas wegbläst, was man so empfindet als das Wegblasende, was vorüberbläst. In gewissen Gegenden sagt man, wenn ein kalter Wind bläst, heran-bläst, einen etwas erstarren, versteifen macht, wenn er da vorüber-bläst: husch-husch, husch-husch. In dem Empfindungswort, in der Interjektion, haben Sie noch vollständig das durchfühlte h u sch drinnen: husch-husch. In der Ursprache waren alle Worte Interjektionen, Empfindungsworte. Nun wollen wir einmal eine andere Zusammenstellung von Lauten machen. Nicht wahr, Sie kennen alle das r, das, was man das r-r-r nennt. Erlebt wird richtig das r, wenn man es als das Drehende empfindet, das r als ein Rad empfindet: r-r-r. Also das r ist das Wälzende, Drehende; alles das, was irgendwie den Eindruck macht, daß es rrrt. Das Drehende, Walzende, Rollende. So muß es gedacht, angeschaut werden: Von dem a sprach ich schon gestern. a, habe ich gesagt, ist die Verwunderung. Das sch haben wir schon; das ist das Wegblasende, das Vorbeiblasende. Und jetzt empfinden wir das Wort »rasch«. Sie können es anschauen – wenn etwas rasch ist, so wälzt es sich vorbei, es verursacht einige Verwunderung und geht fort, wird weggeblasen: rasch. Sie sehen also, es kann sich schon darum handeln, in den Konsonanten überall die Nachahmung von irgendetwas zu empfinden. In dem r das Wälzende, Rollende, Sich-Drehende; in dem a (vokalisch) das innere Verwundern; in dem sch das, was weggeht, was vor-übergeht. Sie werden jetzt empfinden, daß es eine gewisse Berechtigung hat, von einer Ursprache zu sprechen, denn Sie werden empfinden, wenn die Menschen ganz richtig die Laute durchführen würden, so würden sie alle gleich reden; sie würden dann naturgemäß aus ihrer Organisation heraus alles in gleicher Weise bezeichnen. In der Tat, so etwas – es zeigt uns das die Geisteswissenschaft – gab es einmal auf der Erde, und es ist nicht bloß Mythe, Legende, als Mythe, Legende kennen Sie es ja alle, es ist nicht bloß Mythe, Legende, sondern es ist etwas, was wirklich allen Sprachen zugrunde liegt, eine in dieser eben geschilderten Weise aufgebaute Ursprache. Wenn man auf gewisse Tatsachen des Lebens sieht, wie sie mit ungeheurer Weisheit in Parallelbenennungen auftreten, so wird man außerordentlich überrascht von der Weisheit, die da waltet in dem ganzen Werden zum Bespiel des Menschen, überhaupt in dem Werden der Welt. Bedenken Sie doch nur einmal das Folgende – es ist keine Spielerei, die ich da vorführe, sondern es rührt von einer wirklichen Urempfindung der Menschen her. Gerade für den, der wirklich über Erkenntnisprobleme nachdenkt, werden eben gewisse Dinge, die intimer, möchte ich sagen, drinnen-stehen im Leben, Probleme, werden Rätsel, an denen der andere Mensch einfach grobschlächtig vorbeigeht. So kann es einem schon zum Rätsel werden, daß eine Parallelbenennung existiert zwischen Muttermilch und Muttersprache. Daß man nicht Vatermilch sagt, ist begreiflich; aber daß man nicht Vatersprache sagt, das ist schon weniger begreiflich. Was ist da die Parallelbenennung: Muttermilch und Muttersprache? Für solche Dinge gibt es durchaus überall innere Gründe; wenn auch die äußeren Gründe manchmal blendend bewiesen werden können, aber für diese Intimitäten des Werdens in der Menschheit gibt es überall innere Gründe. Wenn das Kind zur Welt kommt, sorgt die Muttermilch für die Gestaltung des physischen Leibes am besten. Die Muttermilch sorgt für die physische Gestaltung des Leibes am besten. Hätten wir dazu die Zeit, so könnten wir das ja auch tun, doch gehört es eigentlich nicht in die eurythmischen Vorträge, wenn wir untersuchen würden richtig, aber nicht tot-chemisch, sondern lebens-chemisch, die Muttermilch, so würden wir schon finden, warum die Muttermilch gerade am besten in der ersten Lebensepoche den physischen Leib des Menschen ernährt, durchgestaltet müßte man eigentlich sagen, wenn man medizinisch-naturwissenschaftlich richtig spricht, durchgestaltet. Das ist das erste, die Muttermilch, die gestaltet den physischen Leib. Und die Muttersprache – wir haben gestern gesagt, die Muttersprache ist der Ätherleib – , die gestaltet wiederum weiter den Ätherleib. Daher diese Parallelbenennung. Da kommt zuerst der physische Leib dran mit der Muttermilch; dann kommt der Ätherleib dran mit der Muttersprache. In solchen Dingen ist schon eine tiefe Weisheit; sowohl in derjenigen Wortgestaltung, die auf frühe Zeiten zurückgeht, wie auch in manchen sprichwörtlichen Anschauungen finden wir tiefe Weisheiten. Wir dürfen nicht alles, was zum Beispiel in Volkssprichworten auftritt als Weisheitssprüche, etwa bloß als Aberglaube ansehen, sondern da sind manchmal großartige, bedeutsame Traditionen drinnen. Nachdem ich Ihnen dieses gesagt habe, Ihnen dasjenige anschaulich gemacht habe, was eigentlich gemeint ist, wollen wir jetzt an die Charakteristik des Wesens der Laute gehen. Wenn wir verstehen, was die Laute darstellen, wie die Vokale das innere Erlebnis, die Konsonanten das Nachbilden des Äußeren darstellen, wenn wir verstehen, wie das im Einzelnen der Fall ist, dann werden wir auf der einen Seite an das Künstlerisch-Eurythmische, auf der zweiten Seite an das Pädagogisch-Eurythmische, auf der dritten Seite an das Heilpädagogische der einzelnen Laute herangeführt. Ich werde jetzt sozusagen alles, was es gibt, zu Hilfe nehmen, um Ihnen die einzelnen Laute in ihrer Wesenheit vor Augen zu führen, damit Sie dann die Gestaltungen, die wir eurythmisch suchen für diese Laute, morgen in ganz verständnisvoller Weise aufnehmen können. Beim a haben wir schon gesagt: Verwunderung, Erstaunen. Beim b – ich habe auch gestern schon darüber gesprochen – ist überall eine Nachahmung von etwas, das einhüllt, das Schutz vor dem Äußeren gibt; b ist das Einhüllende. Das können Sie noch im Buchstaben b verfolgen; nur in den neueren, modernen Buchstaben ist im B das Einhüllen doppelt darinnen: einmal einhüllen, noch einmal einhüllen. Das b ist immer ein Einhüllen, ein Schutzgewähren; ganz grob dargestellt: das Haus, in dem man darinnen ist. Das b ist das Haus. Ich will also jetzt die deutschen Buchstaben nehmen; wir könnten ebensogut ältere nehmen, aber wir wollen ja jetzt die Lauteurythmie an Hand der deutschen Buchstaben, der deutschen Laute haben, und so wollen wir charakterisieren nach dem, wie die deutschen Buchstaben, die deutschen Laute eigentlich in ihrem Wesen sich offenbaren. Wenn Sie dann zum c kommen, ich will natürlich nicht bei den einzelnen Lauten auf die Buchstabenformen eingehen, die sind vielfach korrumpiert, die geschriebenen Buchstaben brauchen uns für das Eurythmische nicht zu interessieren: Sie werden in dem Laute c empfinden, c-c, daß da etwas nachgeahmt wird, was in Bewegung ist. Man wird nicht fühlen können, daß dasjenige, was man mit dem Laute c nachahmen will, in Ruhe ist: c, es ist ein Stoßen; aber wenn Sie innerlich erfühlen, was in dem c liegt, so wird Ihnen auffallen, daß Sie sich unmöglich vorstellen können, wenn Sie c, c sagen, daß Sie etwas Schweres haben. Sie werden nicht auf die Idee kommen, daß Sie mit dem c nachahmen sollen, wenn Sie es so handhaben, daß Sie schwitzen dabei. Das läßt sich nicht in diesem Laute nachahmen. Es läßt sich nur dasjenige nachahmen, was nicht schwer, sondern was leicht ist. Die Eigenschaft des Leichtseins, die wird nachgeahmt in dem c-Laute. Ich kann also einfach sagen: In dem c wird nachgeahmt das Leichtsein. Sie können, wenn Sie eingehen auf solche Intimitäten des Lautens, des Lautierens, Sie können schon empfinden, was Sie tun würden, wenn Sie, sagen wir, wie man es manchmal im Zirkus sieht, Kugeln haben, scheinbare Eisenkugeln, wo draufsteht »1000 kg« – dann hebt sie der Clown rasch auf! Nehmen Sie einmal an, Sie würden in dem Glauben, da wäre eine Eisenkugel mit tausend Kilo, die, sagen wir, wenigstens zehn Kilo wiegt, Sie würden herankommen, sie aufheben und Sie werden so etwas Ähnliches ausstoßen wie den Laut c-c. Die Natur macht es auch, denn das Niesen ist fast dem c ähnlich. Das Niesen ist eine Erleichterung. Und die alten Okkultisten haben gesagt: Das c, das ist in dem Urworte der Regent für die Gesundheit. – In Österreich sagt man noch heute, wenn einer niest: Zur Gesundheit! – Man ruft ihm zu: Zur Gesundheit! – Das sind eben Empfindungen, die man an die Laute anknüpfen muß, sonst versteht man das Wesen der Laute nicht. Das d – wann werden Sie auf naturgemäße Weise zum Ausstoßen des d kommen? d, d, d, ich glaube, Sie können es nachempfinden, wenn Sie jemand fragt, wo etwas ist, und Sie wissen es, so werden Sie die Gebärde des Hinweisens, die Sie machen, am ehesten mit dem Laute d begleiten. Und wenn Sie noch ausdrücken wollen, daß er über Ihr schnelles Informieren erstaunt sein soll, verwundert sein soll, dann sagen Sie eben: Da. – Wenn Sie das Verwundern weglassen: d. Da sind Sie nicht so eitel, ihn in Verwunderung bringen zu wollen, sondern Sie deuten ihm nur hin. Sie strahlen nach allen Seiten Deutungen aus mit dem d, und Sie können das empfinden. Sodaß wir sagen können: Das d ist Hindeuten, Hinstrahlen. Die Nachahmung dieses Hindeutens, Hinstrahlens, das Aufmerksammachen, daß etwas da ist, das liegt in dem d. Das e ist ein Laut, der immer eigentlich die Menschen außerordentlich interessiert hat. Ich sagte schon gestern, e ist der Laut, der eigentlich darauf hinweist: Etwas hat einem was getan, und man hat sich dagegen aufrechterhalten. e: Man läßt sich nicht anfechten durch etwas, was einem geschieht. Wir können hier einfügen dasjenige, was der Laut t bedeutet – Tao, t. Sie wissen vielleicht, daß man dem Tao, t, eine tiefe Ehrfurcht entgegenbringt, wenn man versteht, was darinnen lebt. Dieses Tao, t, ist eigentlich das, unter dem man sich vorzustellen hat, daß es darstellt das Gewichtige, sogar das Schöpferische, dasjenige, was auch deutend strahlt, aber im besonderen vom Himmel auf die Erde strahlt. Es ist das wichtige Strahlen. Sagen wir also, dieses t: Bedeutsam von oben nach unten strahlen. Nun aber kann natürlich etwas, was als etwas Majestätisch-Großes in gewissem Zusammenhang empfunden wird, auch im gewöhnlichen Leben auftreten. Nehmen wir diese drei Laute. e, wie wir es kennengelernt haben, würde also darstellen: Es hat mir etwas getan, aber ich behaupte mich dagegen –; es ist dieses Erlebnis. Das t, Tao: Es hat eingeschlagen. – Wollen wir ausdrücken, was dem Erlebnis gemäß ist: Irgendetwas hat mich berührt, ich behaupte mich dagegen: e. Es ist ein Ereignis, das eingeschlagen hat, aber es geht vorüber. Es geht vorüber, das Wegblasende: sch Wir bekommen die Lautzusammenstellung »etsch«. Wann sagen Sie »etsch«? Nun, wir sagen es zum Beispiel, wenn einer irgendetwas Gewichtiges sagen will, das aber falsch ist, und Sie kommen gleich darauf: es ist falsch. Wenn Sie es also rasch wegblasen können, wenn es Sie berührt, wenn er wie ein Blitz gewichtig einschlagen will, aber Sie zersplittern es ihm, Sie werden es wegblasen: »etsch.« Da haben Sie diesen Lautzusammenhang. Darinnen können Sie fühlen das e, das Berührtwerden. Man könnte sich nicht vorstellen, daß man »itsch« oder »atsch« in solchem Fall sagt, sondern man muß es einfach selbstverständlich, wenn das Erlebnis so vorliegt, daß man das, wovon man berührt ist, wieder wegblasen kann, man muß es halt als »etsch« haben. Nun werden Sie dann in der Art, wie wir das e gestalten, eurythmisch eben völlig empfinden, was in manchen Gegenden noch dazu gemacht wird. Es wird aus der Gebärde heraus das eurythmische e geformt: »etsch, etsch«(mit der entsprechenden Gebärde). Da eurythmisiert man schon das e drinnen. Das sind solche natürlichen, selbst-verständlichen Empfindungen. Also wir haben im e das Berührtwerden und SichAufrechterhalten, sich erhalten in der Berührung. Natürlich, wenn man die Dinge beschreibt, so nimmt es sich immer ein bißchen ungeschickt aus, aber man muß es eben empfinden. F: das ist vielleicht schwer zu empfinden in dem heutigen, sprachlich so verschrumpelten Leben. Aber es kann einem dann etwas zu Hilfe kommen, eine Redensart, die Sie alle kennen, die ziemlich allgemein gebraucht wird. Man sagt nämlich, wenn einer über etwas Bescheid weiß: Er kennt die Sache aus dem ff. – Es ist eine außerordentlich interessante Empfindung, dieses: Einer kennt die Sache aus dem ff. – Wenn man das, was man heute auf der Straße findet: Einer kennt die Sache aus dem if –, vergleicht – ich sagte, ich werde alles gebrauchen, was sich nur herbeitragen läßt, damit die Laute Empfindung werden können, wo es auch immer gelehrt oder ungelehrt herbeigeholt werden kann, meistens aber ungelehrt selbstverständlich –, wenn man das, was man also auf der Straße findet: Er kennt die Sache aus dem if –, vergleicht mit dem, was über das f in alten Mysterien gesagt worden ist, dann stellt sich etwas ganz Merkwürdiges heraus. In alten Mysterien, wo lebendig war: »Im Urbeginn war das Wort und das Wort war bei Gott...«, wo also das lebendig war, was ich Ihnen gestern auseinandergesetzt habe, wo man wirklich das Schöpferische des Wortes, des Logos empfand – denn Logos ist nicht zu übersetzen mit Weisheit, mit dem manche Moderne ihr Unverständnis für die alten Sachen zeigen möchten, Logos ist schon zu übersetzen mit Verbum, Wort, nur muß man es dann, das Wort, so nehmen, wie wir es gestern auseinandergesetzt haben –, nun, wenn über das f gesprochen worden ist, da sagte man etwa das Folgende in alten Mysterien, namentlich in den vorderasiatischen, afrikanischen, südasiatischen Mysterien. Man sagte, wenn jemand das f spricht, stößt er den ganzen Atem aus; der Atem aber ist dasjenige, wodurch die Gottheiten den Menschen geschaffen haben, was also die ganze menschliche Weisheit im Winde enthält, in der Luft enthält, im Windhauch enthält. Sodaß der Inder alles dasjenige, was er etwa lernen konnte, indem er in der Yogaphilosophie den Atem beherrschen lernte, dadurch sich mit innerer Weisheit füllte, dann fühlte, wenn er das f ausstieß. Und im älteren indischen Yogaüben empfand man das auch so; man machte seine Yogaübungen, deren Technik darinnen bestand, daß man innerlich fühlte die Organisation des Menschen, die Fülle der Weisheit. Und im Aussprechen des f fühlte man, wie einem die Weisheit im Worte bewußt wurde. f kann daher nur dann richtig empfunden werden, wenn man auch noch nachfühlt, wie eine gewisse Formel, die wenig bekanntgeworden ist in der Welt, die aber vorhanden war, wie eine gewisse Formel in den ägyptischen Mysterien lautete: Willst du anzeigen, was die Isis ist, die da weiß das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige, die niemals ganz enthüllt werden kann, so mußt du es in dem Laute f tun. Das Sich-Erfüllen mit der Isis in der Technik des Atems, das Erleben der Isis im ausgehauchten Atmungsvorgang ist im f. Sodaß eigentlich f nicht ganz genau, aber annähernd gefühlt werden kann als: Ich weiß. – Aber es ist mehr drinnen als das: Ich weiß. – »Ich weiß »ist noch ärmlich, wenn man das f empfindet. Es wurde daher am frühesten verloren die f-Empfindung. Es läßt sich eigentlich fühlen als: Wisse du – der andere, zu dem man spricht; f sage ich zu ihm, um ihn aufmerksam zu machen, daß ich ihn belehren kann –, wisse, daß ich weiß. Ich werde es daher als natürlich empfinden, durchaus als natürlich empfinden, wenn jemand, der einen belehren will, auf ihn losgeht und in irgendeiner Form f haucht. Es ließen sich nun interessante Worte studieren – doch das kann ich Ihnen selber überlassen –, in denen das f in irgendeinem Zusammenhang vorkommt. Sie werden schon erinnert werden an dasjenige, was ich Ihnen jetzt als eine intime Empfindung über das f gesagt habe. Über das h habe ich vorhin gesprochen; es ist das Heranwehende. Und nun i; i ist leicht zu empfinden als die Selbstbehauptung, als die feste Selbstbehauptung. In der deutschen Sprache gibt es ein sehr glückliches Wort, das ist das Wort der Bejahung: Ja – wo allerdings in Konsonantisches umgedeutet das i da ist und nachher das Erstaunen folgt, die Verwunderung. Man kann die Bejahung nicht besser ausdrücken als durch die Selbstbehauptung der Verwunderung. Wir haben gestern gesagt, die Verwunderung ist eigentlich der Mensch. Wenn wir die Selbstbehauptung noch hinzufügen: Ja-, so haben wir die deutliche Bejahung. i ist also die Selbstbehauptung. Wir werden sehen, was das für die eurythmische Darstellung für eine Bedeutung hat, daß i immer eine sich verteidigende Selbstbehauptung darstellt. Ein merkwürdiger Laut ist das l – da ist das e dabei –, der bloße Laut l. Denken Sie nur einmal, was Sie da alles tun, wenn Sie ein l lauten lassen. Denken Sie an Ihre Zunge, wenn Sie ein l lauten lassen. Sie gebrauchen Ihre Zunge in einer sehr kunstvollen Weise, wenn Sie ein l lauten lassen: l-l-l. Sie fühlen das Schöpferische, das Formende, indem Sie ein l lauten lassen. Man könnte sagen, wenn man nicht besonders stark hungrig ist, und man spricht ein laus, recht lang und recht deutlich, das könnte einen fast satt machen. So empfindet man das l als etwas Reales, wie wenn man einen Kloß essen würde, der besonders schmackhaft ist und den man, weil er nicht hart ist, sondern weich ist, an der Zunge leicht zerschmelzen läßt in innerem Wohlgefallen. Dieses Erlebnis kann man so haben im deutlichen Aussprechen des l-l-l. Es ist etwas Schöpferisches dadrinnen, etwas Gestaltendes. Und der Plastiker, der Bildhauer, der wird leicht versucht werden, ohne das l anlauten zu lassen, zu probieren die Formen, die er schafft, mit einer Bewegung der Zunge, weil die besonders empfindlich ist – mit der Bewegung der Zunge, die ähnlich ist den Bewegungen, die die Zunge macht bei dem l-Lautieren. Wenn einer eine Nase mit der Zunge empfinden kann, wobei stark das Formen des l drinnensteckt, dann ist er ganz gewiß ein guter Plastiker für das Gestalten der Nase. In den alten Mysterien hat man gesagt: Das l ist das in allen Dingen und Wesen Schöpferische, Gestaltende, die die Materie überwindende Formkraft. Sie werden leicht begreifen, daß ei, der Doppelvokal, so etwas wie ein liebevolles Anschmiegen bedeutet. In der Behandlung des Kindes gebraucht man diesen Laut ei-ei: liebevolles Anschmiegen. Wir werden gleich nachher noch das m besprechen, werden sehen, daß das m etwas hat, was auf alles eingeht, die Form von allem an-nimmt. Nehmen wir jetzt einmal an – es ist auch das keine Spielerei, sondern ist wirklich aus einer weit, weiten Geschichte hergeholt, was ich Ihnen jetzt sagen werde –, nehmen wir an, wir hätten eine Substanz, von welcher wir voraussetzten, sie soll Materie in Form umgestalten. Setzen wir die Geschichte einmal zusammen. Also von dieser Substanz fordern wir zuerst, sie soll Materie in Form umgestalten. Das soll ihr eigenes Wesen sein. Sie soll Materie in Form umgestalten, aber sie soll das so tun, daß sie sich liebevoll anschmiegt an etwas anderes, wie wenn man ein Kindchen streichelt: ei-ei, wenn man da etwas anschmiegt also. Sie soll sich anschmiegen. Und sie soll dann, dieses Anschmiegen beibehaltend, gewissermaßen die fremde Form in sich selber aufnehmen, sodaß es gerade so ausschaut wie die fremde Form, also verständig nachahmt die fremde Form. Und nun nehmen wir an, wir sollten das lauten, wir sollten die Materie in Form umgestalten. Wir werden sagen: l Sich anschmiegen: ei. Die fremde Form annehmen: m. Und wir haben ein Wort, »Leim«, das ganz besonders in der deutschen Sprache charakteristisch ist, abgesehen von allen Nebenableitungen und so weiter. Daß sich diese überhaupt bilden, daß das im Geheimnis des wirkenden, werdenden Sprachgenius drinliegen kann, darauf beruht eben gerade dieses Leben des Sprachgenius. Es geschieht zuweilen, daß auch, wenn in irgendeiner Sprache irgendein Wort schon undeutlich da ist, es dann umgestaltet wird in einer Sprache, die später ausgebildet wird, aber angeähnelt wiederum dem ursprünglichen Empfinden, wenn bei dem empfangenden Volke dieses ursprüngliche Empfinden da ist. Das Sprache-Verstehen ist eben durchaus viel komplizierter, als man gewöhnlich denkt. Heute macht man ja etwas Entsetzliches in Bezug auf die Sprachen, etwas ganz Fürchterliches. Für das äußere Leben, das heute auf Konvention und Oberflächlichkeit beruht – nun, da taugt es gerade; aber auf die menschliche Seele wirkt es riesig verheerend zurück. Man kann gar nicht sagen wie verheerend. Man nimmt irgendetwas, sagen wir zum Beispiel ein Buch oder ein Gedicht in irgendeiner Sprache, und will das in einer andern Sprache zum Ausdruck bringen. Da schaut man nach im Wörterbuch oder in seinem Gedächtnis, was das Wort in der entsprechenden Sprache bedeutet. Und dann nimmt man es herüber und sagt, man hat es übersetzt. Man hat eigentlich wirklich dasjenige, was da in Betracht kommt, richtig übersetzt, nämlich man ist darüber hinweggelaufen eigentlich. Es ist diese Art, so von einer Sprache in die andere hinüberzugehen, eben eigentlich das Entsetzlichste, was passieren kann. Denn betrachten Sie diese Sache einmal von folgenden Gesichtspunkten aus. Wenn wir sagen, es ist eine Ursprache möglich – die dann für alle gleich sein muß, sie war auch einmal da – , woher kommen denn die vielen Sprachen? Woher kommt es denn, daß, wenn wir ein deutsches Wort nehmen, zum Beispiel »Kopf«, und wir würden es ins Italienische übersetzen, wir dann »testa« sagen müßten? Also wir haben das deutsche Wort Kopf, das italienische Wort testa. Wenn die Dinge so durchempfunden sind, wie kommt es denn, daß der Italiener plötzlich die ganz verschiedenen Laute testa empfindet, wenn der Deutsche Kopf empfindet? Übersetzungsgemäß soll es doch dasselbe bedeuten. Wenn Kopf irgendwie wirklich empfunden ist, so müßte ein Italiener und sogar der Chinese auch Kopf sagen. Woher kommt es denn, daß diese verschiedenen Sprachen da sind? Nun werde ich Ihnen etwas sagen, worüber Sie sich vielleicht kugeln möchten vor Lachen, aber es ist doch wahr. Zu demselben, meine lieben Freunde, zu dem der Deutsche Kopf sagt, würde der Italiener auch Kopf sagen, wenn er es überhaupt benennen würde. Aber er benennt es niemals. Das liegt außerhalb seines Gesichtskreises. Dasjenige, was wir im Deutschen als den Kopf bezeichnen, jedenfalls so benennen, das kommt für den Italiener nicht vor in seinem Sprachschatz. Würde es vorkommen, so würde er geradeso wie der Deutsche sagen Kopf. Was meint denn der Deutsche, wenn er sagt Kopf? Meine lieben Freunde, wenn der Deutsche sagt Kopf, dann meint er die Form, die runde Form. Es ist in dem Worte Kopf richtig durchempfunden die runde Form. Wir werden dann, wenn wir das k und alles beisammen haben, was wir brauchen, darauf schon aufmerksam machen können. Er meint also die runde Form. Versuchen Sie einmal zu sehen, wenn das Wort Kopf eurythmisiert wird, wie das Runden in der Mitte sein wird (Ausführung). Da haben Sie das Runden in der Mitte drinnen. Der Deutsche bezeichnet die auf dem Körper auf-sitzende Rundung als Kopf. Würde der Italiener die auf dem Körper aufsitzende Rundung empfinden, so würde er auch Kopf sagen, nicht testa. Was empfindet aber der Italiener? Der Italiener empfindet gar nicht die Rundung, sondern er empfindet dasjenige, was wir aussagen, was etwas testiert, dasselbe, was im Worte Testament liegt; also was etwas testiert, aussagt, bekräftigt, das empfindet er, da sagt er testa. Er meint etwas ganz anderes. Es schaut nur so aus, als ob es dasselbe wäre – testa und Kopf; in Wahrheit ist es grundverschieden. Das eine Mal wird das, was da oben auf dem Körper sitzt, in seiner Form im Deutschen ausgedrückt. Und will man es ganz deutlich machen, mit einer manchmal verächtlichen Bedeutung, so kann man die runde Form noch besonders andeuten und kann sagen: Kohlkopf. Dann weiß man schon, daß die Rundung gemeint ist, nicht wahr. Aber dasjenige, was da auf dem Körper droben sitzt, das empfindet der Italiener nicht als das Runde, sondern er empfindet dasjenige, was behauptet, was etwas aussagt, was etwas feststellt. Da sagt er testa. Das wird in diesem Worte empfunden. Und so ist es überall, wo wir übersetzen. Wir übersetzen ganz ohne Bewußtsein davon, daß wir erst hinübergleiten müssen zu dem Sinn, den man treffen will in der andern Sprache. Denken Sie nur, wie äußerlich es ist, wenn man einfach lexikographisch übersetzt! Man geht über das Wesentliche gerade hinweg. Man hat kein Bewußtsein davon. Wollen wir noch das m hinzufügen, jenen Laut, der in so großartiger Weise schließt das heilige Wort Indiens: »aum«; m' dasjenige, was alles versteht, was so hinübergeht im Atem, daß es sich allem anschmiegt und alles versteht. m, das ist noch tief empfunden. Sehen Sie, wenn mein Dorfschullehrer ausdrücken wollte, daß ich etwas richtig gesagt habe, da sagte er: Mhn, er hat’s verstanden, es stimmt –; das hn ist nur die Freude darüber. Das m ist also das Ausdrücken dessen: Es steht im Einklang, es stimmt. Es schmiegt sich an, es stimmt, wie das m am Ende des Wortes Leim. Wir werden nun in diesen Beispielen zunächst schon gesehen haben, wie eigentlich in jedem Laute ein ganzes Leben drinnen liegt. Und man kann schon empfinden, wenn man Laute sprechen würde, so würde zwar das, was man so ausdrückt, statt mit unseren Worten, primitiver und einfacher sein, aber es würde zu gleicher Zeit eine viel größere Intimität mit den Dingen und mit sich selbst darstellen. So müssen Sie eben einfach die Laute empfinden, wenn Sie sich hineinfinden wollen in das Eurythmisieren, denn das Eurythmisieren ist in gewissem Sinne ein Bilden von Gebärde und Geste, aber nicht von vorübergehenden, willkürlichen Gebärden, sondern von den kosmischen, bedeutungsvollen Gebärden, von denjenigen, die nicht anders sein können, die keiner Willkür der menschlichen Seele entstammen. Ich werde nun morgen noch die andern Laute charakterisieren, die heute nicht charakterisiert worden sind, und dann wollen wir allmählich den Übergang finden zu der Charakteristik der Formen, die wir in der Eurythmie gebrauchen und die wirklich nun gebärdenhaft ganz genau dasselbe ausdrücken in ihrem Wesen, was die Laute selber in die Luft hineinblasen, in die Luft hineingestalten.

Eurythmie als sichtbare Sprache

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