Читать книгу Die schwarze Schlange - Rudolf Stratz - Страница 6
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ОглавлениеUnten in Vrbica warf das nadeldünne weisse Minarett der Dorfmoschee schon einen doppelt so langen schwarzen Abendschatten über Staub und Ziegengemecker und Hammelgeblöke der Gasse, und hoch vom Turm sang, weiss wie ein Vogel vor dem blassblauen Himmel, der Hodscha, der mohammedanische Dorf geistliche, sein Nachtgebet. Auf dem Platz vor dem ärarischen Hotel stand lang und hager, mit langem grauen Schnurrbart, den Tschako auf der Glatze, in seiner himmelblauen Montur, der Herr Major und plauschte mit einer ein wenig kurz geratenen freundlichen Dame, die trotz ihrer Rundlichkeit noch die Wiener Taille zeigte, und oben am Berghang erläuterte der Keinhofer seinem Freund:
„Das is der Geza Farkas. Ein Ungar. Ein Junggeselle. Der hat’s mit die Hunde und fängt Forellen. Der tut dir nix! Und die Mollete daneben — das is die Ladislaja, meine Frau! Die geht der maruschka im Anfang gern zur Hand. Die beiden werden sich schon verstehn! Die Ladislaja ist ein lieber Schneck! Und a Mehlspeisköchin — sag’ ich Euch . . .“
Auf dem Platz schritt ein schwarzbärtiger Riese sporenklirrend auf den Major Farkas zu. Schwarze Büsche von Brauen überdunkelten das Gelb seines Gesichts. Er trug einen dunkelgrünen Waffenrock und hechtgraue Reithosen. Ein schwarzer Federbusch wehte ihm vom Hut. Er salutierte und fragte in tiefem Bass:
„Siehst du sie schon, Herr Major?“ und dessen Fingerzeig folgend: „Ah freilich! Die sind schon auf dem halben Berg!“
„Der Grüne, der wie ein Räuber aus den Abruzzen ausschaut“, sagte im vorsichtigen Abwärtsreiten Kamillo Kienhofer, „das ist unser Gendarmeriezugskommandant, der Rittmeister von Rizzi. Auch ein Hagestolz und dicker Freund von dem Farkas. Jetzt da schau hin, Niki: der, wo eben aus dem ärarischen Hotel kommt, das is der Unserige — der Kompaniekommandant.“
„Der Kabusch?“
„Der Thaddäus Kabusch! Recht a langweiliger Mensch — kann ich dir nur sagen! Nix wie der Dienst und im Dienst nix wie der Gamaschenknopf . . .“
„Wo hat er denn seine Frau?“ rief die Maruschka.
„Die Sina ist noch net da! Die Sonne wird erst noch aufgehn!“
Der Hauptmann Kabusch war mager und mittelgross. Sein längliches, nüchternes Gesicht war glattrasiert. Seine Bewegungen hatten nichts von der österreichischen Leichtigkeit. Da war eher etwas Hölzernes, wie er vor dem Major die Rechte an die Tschakorandung legte, und der lachte:
„Die passt, scheint’s, dein neuer Kompaniezuwachs nicht, Kabusch, weil du gar so grantig hershaust. Aber ich denk’ mir, der Oberst hat so einen feschen jungen Herrn wie den Schlägl gerade deswegen zu dir in die Kompanie gesteckt, dass er von dir einen rechten dienstlichen Ernst und Eifer lernt.“
„Ach — ’s is mir nicht um das Wiener Früchtl zu tun!“ sagte zurücktretend der Hauptmann Kabusch zu dem Gendarmerierittmeister und schaute ärgerlich an der Front des ärarischen Hotels empor. „Mich sekiert was anderes! Wer ist denn der ekelhafte Kerl da oben, der schon wieder seinen Kopf aus dem Fenster steckt. Das muss die Gendarmerie doch wissen!“
„Die Gendarmerie weiss alles!“ sprach der schwarzbärtige Rizzi. „Das ist ein gewisser Nute Pistinner irgendwo aus Galizien, Reisender in ungarischem Bitterwasser bis in die entlegensten Bergdörfer. Insofern macht sich der rothaarige Mensch ganz nützlich! Denn wie sehr die Leut’ bei der Hitz’ und dem Wassermangel a Bitterwasser brauchen — das kennst ja!“
Nute Pistinner war ein noch junger schmächtiger Mann zu Anfang Zwanzig in einem zweifelhaft weissen, sommerlichen Leinenanzug, mit zwei schmalen Backenbartstreifen nach englischer Art und einem ebensolchen Zahnbürstchenschnurrbart unter der scharf wie ein Krummsäbel vorspringenden Nase. Er beugte den sommersprossigen Kopf noch weiter über das Fensterbrett vor und spähte, als ob er etwas erwartete.
„Mir gefällt das Stück galizischer Ghetto nicht!“ sagte der Hauptmann Kabusch.
„Ja — glaubst denn, mir?“ meinte der Rittmeister von Rizzi. „Im Vertrauen: den und sein Bitterwasser hab’ ich schon lang auf dem Strich. Ich mein’ immer, der hat ganz was anderes hier an der Grenze vor. Ich lass’ ihn schon die ganze Zeit heimlich beobachten. Aber was der Schlemihl dich angeht . . .“
„Kerl hat die Dreistigkeit“, der Kompaniekommandant Kabusch sprach das langsame, nachdrückliche, Silbe für Silbe betonende Armeedeutsch, durch das sich zwischen Salzburg und dem Eisernen Tor die k. u. k. Offiziere im Dienst ihren ungarischen, böhmischen, galizischen, kroatischen, slawonischen, mährischen, krainerischen, dalmatinischen, bukowinischen, küstenländischen Mannschaften verständlich machten. Aus Thaddäus Kabuschs Mund klang dies vorshriftsmässige Deutsch noch pedantischer. „Kerl hat die Dreistigkeit“, wiederholte er, „meine Frau auf dem Flur anzureden, ein gesticktes Jackerl überm Arm, und zu fragen, ob er da ein echtes altes albanesisches Stück gekauft habe, indem die Frau Hauptmann doch aus der Gegend dort herum zu stammen beliebten!“
„Und deine Gnädige?“
„Die Sine hat gelacht und geantwortet: Ja — das sei gute, alte Arbeit aus dem Stamm der Dukatschi, und hat nachher noch weiter mit dem Schächer gered’t. Aber ich verbitt’ mir das! Dös is kein Umgang für meine Frau!“
Der Hauptmann schaute zornig nach dem Bitterwasserreisenden Nute Pistinner, der unverfroen auf ihn herablächelte, und dann nach dem Berghang. Die Reitergruppe war schon nahe dem Talboden. Die junge Frau von Schlägl machte grosse Augen.
„Da kommt ja einer von euch von dem Minarett her und trägt statt dem Tschako einen roten Fez auf dem Kopf. Ja — jetzt is doch net Fasching!“
„Der hat in der Moschee seine Abendandacht verrichtet!“ erklärte der Tiroler Kienhofer. „Das is einer von unseren mohammedanischen Leutnants in der Reserve der bosnischen Regimenter — und sonst, wenn er keine Offiziersübung macht, Advokat in Serajewo für die Verhandlungen mit den Kadis, den Scheriatsrichtern für Koranangelegenheiten im Land! So: mit dem Lautnant Haidukowitsch Ibrahim Beg ist jetzt die k. u. k. Garnison vollzählig zu eurem Empfang versammelt!“
„Aber die Sina Kabusch fehlt!“ drängte die maruschka. „Auf die bin ich doch gerad’ so g’spannt. Die interessiert mich!“
„Siehst net die plötzliche Bewegung vor dem Hotel?“ Der Oberleutnant Kienhofer lachte. „Jetzt kommt a Leben in die k. u. k. Streitmacht! Die schöne Sine geruht, aus dem ärarischen Hotel zu treten. Da siehst du sie — gross und schlank — sie hat so was Schreitendes in den Bewegungen wie ein Hirsch — und immer den Kopf im Nacken . . .“
„Ganz weiss ist sie angezogen!“ Die Blicke der Maruschka von Schlägl ruhten neugierig auf der fernen fremden Frau.
„Immer. Alle Albanesen. Ihre verstorbene Mutter war doch eine Albancsin — eine katholische Mirditin aus Durazzo! Die sind alle so gross und schlank!“
„Und der Vater is auch einer aus dem Balkan?“
„Der alte Volo stammt eigentlich aus Malta. Das is dort schon ganz eine verdrehte italienisch-arabische Blutmischung. Davon hat die Sina das strenge klassische Profil und die blauschwarzen Haare! . . . Und a Geld!“ setzte der Kamillo Kienhofer hinzu. „Der Genario Volo is durch seine Heirat aus Albanien in den Sandschak Novibasar hinübergekommen und hat’s in Plewlje schon ordentlich zu was gebracht. Er war schon einmal hier und hat seine Tochter besucht. Mit Kleinigkeiten gibt sich der kleine, vierschrötige, pechschwarze Kerl nicht erst ab! Das ist ein Gewaltmensch. Der betreibt seinen Grosshandel mit europäischen Waren . . .“
„Ja — kaufen denn die Leut’ drüben so was?“ unterbrach die Maruschka.
„Ja — was halt die Halbwilden so brauchen — Petroleumlampen, Zucker, bunte Stoffe, Reibhölzeln, Spiegel, Schmucksachen — also das schafft er mit seinen Maultierkarawanen im Sandschak bis in die entlegensten Bergdörfer. Den Volo kennen die Spitzbuben dort alle. Dem tut keiner was, weil sie ihn zu nötig haben. Den zählen s’ schon halb zu den Ihrigen!“
„No — ich freu’ mich recht auf die Ladislaja, dein Frauerl, Leutnant Kienhofer!“ sprach oben am Berg aus dem Sattel die Maruschka.
„Gleich sagst: Kamillo!“
„Alsdann: ich freu’ mich recht auf die Deinige, Kamillo. Und auch auf die Sine Kabusch. Die wird einem was erzählen können. Eine Frau, die alle Geheimnisse von dem wilden Bergland hier kennt!“
„Die spricht so gut serbisch und albanesisch und italienisch wie deutsch!“
„ . . . und dabei doch eine militärfromme, östreichische Leutnantsfrau! Das is schon ganz merkwürdig.“ Die junge Frau von Schlägl drehte den hübschen Blondkopf nach rückwärts. „Niki — warum hältst denn da hinten mit deinem Gaul? So mach’ doch voran!“
Ihr Mann hörte es kaum. Er starrte über den Pferdekopf hinunter in das schon nahe Dorf. Auf dem Platz vor dem ärarischen Hotel schimmerte ein schlanker, weisser Strich. Um ihn herum war blaues und grünes Uniformgeglitzer.
„Wie die Fliegen um den Honig!“ lachte der Kienhofer.
„Niki — so komm doch!“
Der Leutnant Niki von Schlägl strich sich mit der Hand über die Stirn.
„Ich weiss net!“ sagte er mühsam. „Mir is net so recht extra! Ich möcht’ am liebsten absteigen und a bissel rasten!“
„Mariandjosef — doch kein Sonnenstich?“ schrie die Maruschka.
„Ach —Sonnenstich — Kapricen hat er!“
„In einer stund’ können wir ja weiterreiten, wenn’s kühler und dunkler is!“ meinte matt der Niki. Und seine Frau:
„Unterdessen gehen s’ da unten wieder heim!“
„Dann gehn s’ halt heim!“ rief der Niki Schläglplötzlich verbissen, in einem dumpfen Zorn. Der Regimentskamerad fasste das Pferd des andern am Halfter und zog es im Anreiten mit sich.
„Die unvernünftige Kreatur is g’scheiter als wie du!“ sagte er. „Die weiss, dass man seine Vorgesetzten nicht warten lässt! Vorwärts! So is recht! Kopf hoch, Niki! wenn ich auch net weiss, was dir fehlt!“
„Jetzt is da unten noch ein Türk’ dazugekommen — a richtiger Türk’!“ verkündete begeistert die Maruschka. „A ganz nobler Türk’, scheint’s!“
„Das is der Hadschi Fehim Beg, der Grossgrundherr der hiesigen Gegend. Dem sind alle die bosnischen Bauern ringsherum zinspflichtig“, erläuterte Kamillo Kienhofer. „’s is a Crux mit den Begs. Tun tun’s nix, und durch ihren Landbesitz sind’s doch von grösstem Einfluss auf das Volk!“
Der Hadschi Fehim Beg war breitschulterig und wohlbeleibt. Tränensäcke des Trinkers hingen ihm über den Graubart auf die schlaffen Wangen. Auf dem Haupt trug er den goldgesticken weissen Turban des Mekkapilgers. Unter dem langen, offenen, safrangelben Überrock schimmerte purpurn die Jacke, blau die gepluderten Kniehosen, weiss die Wollstrümpfe bis zu den ledernen Halbschuhen. In dem mit Halbedelsteinen besetzten breiten Hüftgürtel aus Rindshaut staken zwei Pistolen. Er stand auf einen Stock gestützt und radebrechte, dröhnend lachend, deutsch mit dem Major und dem Rittmeister.
Der rothaarige Nute Pistinner hatte seinen Beobachtungsposten oben am Fenster verlassen und war auch vor das Hotel getreten. Die Hände in den Hosentaschen, schlenkernden Gangs, bummelte er heran und gesellte sich neugierig, mit offenem Mund, zu den Offizieren und ihren Damen und horchte zu, was sie redeten, und grinste, weil der Beg als Mohammedaner des Gesprächs mit Damen ungewohnt war und gegenüber der ihn sehr kühl aus ihren grossen schwarzen Augen musternden Sine Kabusch nur ein paar verlegene serbische Worte hervorbrachte. Deren Mann trat vor den Bitterwasserreisenden hin.
„Was drängeln’s Ihnen denn hier heran?“ fragte Thaddäus Kabusch streng. „Gehören S’ zur bewaffneten Macht? Sein S’ a Beg? Sein S’ den Damen vorgestellt? Nein! Also schauen S’, dass S’ weiterkommen!“
Nute Pistinner lächelte versöhnlich, zuckte die Hängeschultern und schlurfte gegen das Hotel hin zurück. Frau Sina Kabusch hatte den Zwischenfall nicht beachtet. Sie hielt den Arm um die Taille der viel kleineren, molligen Frau Leutnant Kienhofer geschlungen und plauderte mit den Offizieren, von denen nur der riesige Rittmeister von Rizzi ihren ihren hohen Wuchs überragte. Sie sprach das gemütliche Österreischisch-Deutsch wie die anderen alle. Aber ihre Stimme war so tief und voll, dass es ganz anders und fremdartig klang. Auch wenn sie wie jetzt lachte, wich nicht der Ausdruck einer düsteren Schönheit von ihrem Gesicht. Es war nur, wie wenn einSonnenstrahl die Berge Albaniens, ihrer mütterlichen Heimat, erhellte, ohne deren Wildheit zu mildern. Aber wie sie mit den Herren plauschte, sich bewegte, mit dem Taschentuch der fern sich nähernden Reitergruppe zuwinkte, war sie eine Dame so gut wie die kleine Ladislaje neben ihr oder sonst irgendeine Gnädige hier im Land.
„Niki — du armes Hascherl — jetzt nimm dich mal zusammen!“ mahnte am Berghanh im Reiten die Maruschka Schlägl. „Gleich sind wir im Dorf! Was sollen s’ denn von dir denken? Da wedelt uns schon die Sina Kabusch mit ihrem Schnupftüchl zu!“
Der Leutnant Niki liess das Fernglas sinken, mit dem er die Gruppe drüben gemustert hatte. Denn es war noch zu weit, um mit blossem Auge die Gesichter zu erkennen.
„Ich find’ die Frau gar net so schön!“ sagte er. „Ganz jung is sie auch net mehr!“
„Höchstens Mitte der Zwanzig!“ erwiderte Kamillo Kienhofer. „Und eine Frau, die wie drei Gewitter ausschaut, is freilich nicht nach jedermanns Gusto! Mir is so ein lieber Schneck wie meine Ladislaja auch lieber! Aber schön wie a Bild ohne Gnad’ is die Sine Kabusch doch . . . Ah — da schaut’s her: da kommen’s ja hintereinander — drüben vor dem ärarischen Hotel!“
Der Hauptmann Thaddäus Kabusch war dort mit langen, sporenklirrenden Schritten auf den Nute Pistinner zugegangen. Sein längliches, bartloses Gesicht war so erregt, als die Nüchternheit seines Wesens es zuliess.
„I mach’ Ihnen schon Beine, mein Lieber!“ sprach er.
„Nü?“ Eine fragende Schulterbewegung.
„Was haben S’ denn ewig meine Frau anzuglotzen und ihr vertraulich zuzugrinsen? Mit die Keckheiten hat’s jetzt ein End’! Marsch ab! Wird’s?“
„Werden Sie mir schon zu befehlen haben . . .“ versetzte verstockt und verächtlich der junge rothaarige Pistinner.
„Dann wird’s der Herr von rizzi tun! Der hat hier die Polizeigewalt!“
„Ich fordere Sie amtlich auf, sich zu entfernen, nachdem Sie sich hier ungebührlich benehmen!“ sprach der schwarze Riese im grünen Waffenrock, und als Nute Pistinner sich kopfschüttelnd getrollt hatte: „Du, Hauptmann — tu’ mir die einzige Liebe und mach’ mir den Sohn Abrahams net kopfschen! Der interessiert mich brennend! Ich sag’ dir nachher, warum! Jetzt ist keine Zeit! Eben kommen’s angeritten!“
„Was hast denn, Sine?“ fragte im selben Augenblick die Frau Leutnant Kienhofer die grosse schlanke Frau neben ihr, die immer noch den Arm um ihre Taille geschlungen hatte. „Warum bist denn eben so zusammengefahren? Ich hab’s doch deutlich gespürt! Und ganz blass wirst!?“
„Ach — ich ärger’ mich über meinen Mann, dass er wegen mir mit dem Schubiak da oben Händel anfängt! So a galizischer Musterreiter is doch kein Entrüstungsgegenstand für Kavaliere net!“ sagte die Sine Kabusch und schaute dabei auf den Leuutnant Niki von Schlälgl Edlen von Bruckwehr, der eben mit seiner Frau auf den Platz einbog, hinter ihm der Kamillo Kienhofer.
„Fesch schaut er aus!“ rief die Ladislaja. Sina Kabusch hatte ihre Ruhe wiedergefunden.
„Der Ruf geht ihm ja auch voraus!“ sagte sie.
„Und sie is auch recht lieb! Da hebt er sie vom Pferd und der Major begrüsst sie!“
Der Major Geza Farkas hatte sich über die Hand der Maruschka gebeugt. Der alte Ungar lächelte ritterlich.
„Sagen Gnädige nur immer gleich, dass Ehefrau sind!“ sprach er in seinem harten Deutsch. „Sonst hält Sie jeder für a Madel!“
Die Maruschka hatte wirklich noch etwas Mächenhaftes im Antlitz und Wesen. Sie lachte frisch mit.
„Ich muss mir manchmal selber sagen, dass ich net mehr die Maria Kemenater in Wien, sondern a Leutnantsfrau bei die Bosnier bin!“ rief sie und lief vor allem auf die beiden Damen zu und gab der kleinen Frau Kienhofer einen tüchtigen Schmatz.
„Du bist die Ladislaja! Das weiss ich schon!“ sprach sie und drehte sich zu der anderen. „Ja — grüss’ dich Gott, Sina! Gelt —wir sagen gleich zueinanden ,du‘? Wir sind ja hier aufeinander angewiesen. Jetzt sind wir wenigstens a Kleeblatt!“ Sie sah, dass die Sine Kabusch ihren schönen Kopf mit den schwarzen Augen und dem blauschwarzen Haar ihr zuneigte und kam ihr auf halbem Weg entgegen, und die Lippen der beiden jungen Frauen berührten sich.
„Werde jetzt Gnäigen die Herren vorstellen!“ versetzte der Major. Er nannte die Namen. Zuletzt wies er auf einen kleinen kraushaarigen und vollbärtigen Mann im Bürgergewand, der im letzten Augenblick gekommen war. „Herr Moise Sabbatai, Besitzer einer Wollknüpferei hier in der Nähe! . . . Es is schon a Spaniol“, erläuterte er dem jungen Ehepaar, während der Teppicherzeuger bescheiden zurücktrat. „Einer von den spanischen Juden, die im Mittelalter aus Spanien vertrieben und hier ins Land gekommen sind — aber sonst ganz ein netter Mensch! Ja —und da läst sich’s der Dorfälteste nicht nehmen und will auch sein Sprüchel beten. Gehen S’, Frau Sina. Übersetzen S’ doch dem Muchtar seine Anrede! So. Danke. Mein Kompliment!“
„Da habt S’ ja einen Husaren in a Mönchskutten gesteckt! Ja — schämt S’ euch denn net?“ Die Maruschka verschlang ungläubig die Hände, und der Major Farkas lachte.
„Bitt’ schön: is schon a richtiger Religioser von die Franziskaner, der Pater Simeon, der da vorbeikommt — aus naher Ordensniederlassung!“
„Wir tragen die Schnurrbärte noch von der Türkenzeit her, wo wir als Türken verkleidet gehen mussten, um nicht vom Volk erschlagen zu werden!“ sprach schmunzelnd der braune Mönch, und die maruschka erwiderte verwirrt:
„Ach so! K’ss d’ Hand, Hochwürden!“
Ihr Gatte hatte sich inzwischen bei dem Major und dem Hauptmann, strammstehend mit der Rechten am Tschako, als in das 5. Bosnische Infanterieregiment, 13. Kompanie 4ten Bataillons, transferiert gemeldet und dann ihnen und allen k. u. k. Kameraden und dem Tükenbeg und dem Franziskanerpater und dem Spaniolen die Hand geschüttelt. Nun wandte er sich zu den Damen. Mit der Ladislaja, der Frau seines Freundes Kamillo Kienhofer, nannte er sich gleich „du“. Dann küsste er der Sine Kabusch die Rechte. Sie erwiderte es mit einem liebenswüdigen Hädedruck des Willkommens. Auch er lähelte unter dem feschen Schnurrbart.
„Sie kommen aus Wien, Herr von . . . Mein Gott . . . jetzt hab’ ich wieder Ihren Namen vergessen . . .“
„Schlägl, Gnäigste!“
„Richtig! Der Herr von Schlägl! Haben Sie eine gute Reise gehabt?“
„Danke der Nachfrage! Es war schon mordsschön!“
„Das hör’ ich gern!“
„Die Herrschaften werden sich jetzt auf ihre Zimmer zurückziehen!“ Der Major Farkas trat hinzu. „Und nach dem heissen Ritt a bissel restaurieren. Auf Wiedersehen nachher! Da nachtmahlen wir alle z’sammen draussen im Garten!“