Читать книгу Ela und Filou - Sabine Böhm - Страница 2

Kapitel 1

Оглавление

Es war ein herrlicher Morgen, mitten im Mai. Die Vögel zwitscherten munter und die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel. Ein leichter Wind spielte mit den Vorhängen am Fenster und machte Platz für einen Sonnenstrahl direkt auf Ela, die noch tief und fest schlief. Die Sommersprossen auf ihrer Nasenspitze begannen lustig zu tanzen, als Ela mit ihre Stupsnase zuckte, um die kribbelnden Strahlen zu verscheuchen.

„Weg da!“ murmelte sie verschlafen und wedelte ziellos mit ihrer Hand. Mit einem Auge blinzelte sie vorsichtig auf ihren Wecker.

„7:17. Oh, gut. Noch 13 Minuten, bis ich aufstehen muss.“ Schnell kuschelte sie sich wieder in ihre Decke und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Doch dann fiel ihr schlagartig wieder ein, welcher Tag heute war und sie schreckte blitzartig hoch. Heute war doch ein ganz besonderer Tag! Ihr zehnter Geburtstag! Wie hatte sie das nur vergessen können? Auf diesen Tag fieberte sie doch schon so lange hin.

Mit Schwung warf sie die Bettdecke von sich und sprang auf. Da stand sie nun in ihrem rot-blau karierten Schlafanzug und wusste vor lauter Aufregung gar nicht, war sie zuerst tun sollte. Ihr Herz pochte bis zum Anschlag. Aufgeregt lugte sie durch einen Spalte ihrer Zimmertür, ob sich schon etwas in der Wohnung bewegte. Auf ein ganz bestimmtes Geräusch hoffe sie besonders. Aber es war alles still. Kurz machte Ela sich Sorgen, dass ihre Mutter ihren Geburtstag verschlafen haben könnte. Sie atmete tief ein.

„Toastbrot. Es riecht nach frischem, heissem Toast. Ein gutes Zeichen.“ Erleichtert atmete sie wieder aus.

Ela stolperte fast über ihre eigenen Füße, als sie sich in Windeseile ihre Lieblingskuschelsocken über zog. Auf einem Bein hüpfend zupfte und zerrte sie an einem widerspenstigen Socken, bis er endlich halbwegs richtig saß.

Auf leisen Sohlen schlich sie sich in Richtung der kleine Küche die mit uralten, überhaupt nicht zusammen passenden Holzmöbeln vollgestopft war. Ela und ihre Mutter hatten beschlossen, dass es so am gemütlichsten war. Auf dem kurzen Weg taumelte sie immer wieder, obwohl sie doch eigentlich Weltmeisterin im Anschleichen war. Trotzdem schaffte sie es irgendwie ungehört an der Küchentüre anzukommen. Gierig atmete sie den köstlichen Duft des frischen Toasts ein.

„Psst.“ flüsterte sie ihrem immer noch laut schlagen Herzen zu und legte den Finger auf ihre Lippen.

„Ich will Mama doch überraschen, dass ich es geschafft hab' vor dem Wecker aufzustehen. Nicht, dass du mich noch verrätst mit deinem Gepocher.“ Sie legte den Kopf schräg und lauschte nochmal genau ihrem Herzschlag.

„Besser“, murmelte sie, breitete ihre Arme weit aus, ging ein wenig in die Hocke und sprang mit einem gewaltigen Satz mitten in die Türöffnung:

„Guten Morgen, Mama! Es ist mein Geburtstag. Wo ist denn mein neuer Hund?“

Ela wünschte sich so sehr einen Hund und ihre Mutter hatte die letzten Tage sehr geheimnisvoll getan. Außerdem hatte sie bestimmt wieder ein schlechtes Gewissen, weil sie sich letztens ein Wellness-Wochenende mit ihrer Freundin gegönnt hatte. Ela 'musste' deswegen bei ihrer besten Freundin übernachten. Obwohl Ela nicht müde wurde zu betonen, dass es ihr wirklich nichts ausgemacht hatte eine ausgiebige Pyjamaparty zu feiern, ihre Lieblingsfilme zu schauen und jede Menge Unsinn anzustellen, meinte ihre Mutter sich immer wieder dafür entschuldigen zu müssen. Also, kurz gesagt, es musste einfach geklappt haben mit Pepe, ihrem Hund. Es musste, musste, musste. Während sie im Türrahmen stand drückte sie sich so fest die Daumen, dass ihre Knöchel schon ganz weiß waren.

Erschrocken vom spontanen Auftritt ihrer Tochter ließ Charlotte das Glas fallen, das sie gerade erst mit Elas Lieblings-Orangensaft, dem mit Stückchen, bis zum Rand gefüllt hatte. Mit einem lauten 'Tock' kam das Glas auf den hellen Holzbohlen des Küchenbodens zum Liegen. Glücklicherweise blies es an einem Stück, aber die klebrige, orangefarbene Pfütze verteilte sich langsam und gemütlich über den gesamten Fußboden. Einen Moment lang schauten Ela und Charlotte fasziniert dem kleinen Flüsschen zu, wie es sich zwischen ihnen ganz gemächlich unter den kleinen, vermackten Tisch arbeitete. Dann rissen sich die beiden von dem Anblick los, schauten sich an und lachten herzlich. Charlotte schüttelte ungläubig den Kopf, dann breitete sie ihre Arme weit aus:

„Guten Morgen, mein Engel. Du bist aber überraschend früh auf.“

„Hah!“, dachte Ela, „Die Überraschung hat geklappt.“

„Na dann, Große,“ fuhr Charlotte fort, „hüpf' mal über den reißenden O-Saft-Bach zu mir rüber.“ Ela folgte der Aufforderung und schloss ihre Mutter in die Arme. Charlotte knuddelte und wuddelte ihre Tochter, bis diese völlig atemlos und zerzaust da stand.

„Meine Güte, wie du schon wieder gewachsten bist“ blickte Charlotte ihre Tochter erstaunt an. Ela verdrehte die Augen. Wie sie dieses Getue um ihr Wachstum nervte. Sie war ein Kind, da war es völlig normal, dass sie ab und an mal ein paar Zentimeter zulegte. Sie seufzte. Es gab jetzt weiß Gott Wichtigeres als ihre Größe.

„Mein Hund! Mein Hund!“ drängelte sie.

„Wo ist er? Im Wohnzimmer? Hast du ihn etwa eingepackt?“ Aufgeregt hopste Ela von einem Bein auf's andere und schaute neugierig in Richtung Wohnzimmer. Charlotte, die gerade mit der Beseitigung der O-Saft-Überschwemmung begonnen hatte, guckte erstaunt und versuchte ihre hibbelige Tochter zu bremsen.

„Nicht so stürmisch, Große. Ich dachte wir haben oft genug besprochen, dass wir keinen Hund halten können. Du bist allergisch gegen Hundehaare.“

„Ist doch egal, dann bin ich halt allergisch. Das ist Youri aus meiner Klasse auch und er hat einen Hund. Einen großen sogar.“ Charlotte musste laut lachen und fing sich prompt einen strafenden Blick ihrer Tochter ein.

„Nein, mein Engel. Youri ist algerisch. Du bist allergisch. Das hat nichts miteinander zu tun.“ Charlotte holte tief Luft, um Ela den Unterschied, zum gefühlt tausendsten Mal, zu erklären, bremste sich aber sofort wieder, als sie Elas enttäuschtes Gesicht sah. Schnell wechselte sie das Thema:

„Aber ich habe eine viel bessere Überraschung für dich.“ Ela wurde neugierig, ließ sich das aber nicht anmerken und setzte einen besonders trotziges Gesicht auf.

„Besser als ein Hund? Na, da bin ich aber gespannt.“ Herausfordernd verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust. Dieser trotzige Tonfall ihrer Tochter trieb Charlotte gewöhnlich in der Wahnsinn, aber heute konnte sie es sehr gut verstehen und war auch viel zu gespannt auf Elas Gesichtsausdruck, wenn sie mit der Überraschung herausrücken würde.

„Wir fahren heute nach der Schule für ein ganzes Wochenende zu Tante Yenene. Da wolltest du doch schon lange mal wieder hin.“

Noch bevor Ela wirklich verstanden hatte, was ihre Mutter gerade gesagt hatte, hakte sie empört nach:

„Kein Hund?“ und setzte ihre schärfste Waffe ein: Einen Schmollmund, wie es ihn kein zweites Mal auf der Welt gab. Wenn das nicht half, dann wüsste sie auch nicht weiter. Es half offensichtlich nicht. Charlotte wirkte völlig unbeeindruckt, während sie grinsend die O-Saft getränkten Küchentücher in den Müll stopfte.

„Nein, Ela, immer noch keinen Hund.“ sagte sie ganz ruhig und schaute ihrer Tochter, die gerade offensichtlich auf der Leitung stand, tief in die Augen. Ela stand wirklich auf der Leitung.

„Mist!“ dachte sie. Sie hatte so gehofft, Mama dieses Mal um den Finger gewickelt zu haben. Es ist ja nicht so, als hätte sie ihrer Mutter nicht das ein oder andere Mal bettelnd zu verstehen gegeben, dass sie gerne so einen flauschigen, kleinen Welpen haben wollte. Sie hatte unzählige Hundebilder gemalt, mit der Aufschrift 'Mein Hundi' und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit an alle Verwandten und Bekannten verschenkt. Einmal hatte sie sogar angefangen diese Bilder in der Fußgängerzone an vorbeilaufende Passanten zu verteilen, bis Charlotte sie entdeckte und, peinlich berührt, den Rückzug befahl.

Jeden Morgen begann Ela mit einem herzzerreißenden Jaulen, direkt vor dem Frühstück. Dann erzählte sie ihrer Mutter in aller Ausführlichkeit wie toll ihr Hund sein würde:

Er würde immer Männchen machen und am liebsten mochte er Marmeladenbrote, aber nur mit Himbeermarmelade. Die mochte Ela nämlich nicht. So würde er ihr garantiert nichts wegfuttern. Er würde den ganzen Tag spielen wollen. Sie würde ihm beibringen, wie man Teeparty spielt und würde ihm eine Rastafrisur machen. Rastalocken waren nämlich gerade 'mega-cool'. Jeden zweiten Tag würde sie mit ihm baden gehen, dann könnten sie sich Seifenblasen zustupsen. Er würde ihr bei den Hausaufgaben helfen, indem er die Seiten umblätterte und er würde ihr die Matheergebnisse zubellen. Natürlich würde er nur dann bellen, ansonsten wäre er ganz lieb und kuschelig. Er wäre so schlau, dass er nie Gassi gehen müsste, sondern das Klo benutzen könnte. Und ja, Mama, wie man die Klobürste benutzt würde er auch lernen.

Seit Wochen ging das nun so. Und jeden Tag erklärte Mama Ela aufs Neue, dass sie gar keine Zeit hätte mit dem Hund zu spielen, oder zu kuscheln, weil sie mit allergischem Niesen und Kratzen beschäftigt wäre.

Diese Diskussion war mittlerweile schon ein morgendliches Ritual geworden und lief immer gleich ab. Ela erzählte von den tollen Eigenschaften des Hundes, ihre Mutter von den allergischen Reaktionen, die auf Ela warten würden. Wenn es Charlotte zu bunt wurde rief sie „Schluss jetzt!“ Dann zog Ela eine Fratze und tat beleidigt.

„Dann will ich jetzt ein Schokocreme-Brot.“ Damit beendete sie die Diskussion jedes Mal, so hatte sie nämlich das letzte Wort und das war wichtig, damit sie sich wieder besser fühlte.

„Das heißt 'Ich möchte'.“ korrigierte Charlotte sie dann.

„Ich möchte jetzt ein Schokocreme-Brot.“ antwortete Ela schnippisch und in Gedanken fügte sie „Sofort!“ hinzu und hatte damit wieder ihr letztes Wort. Hah!

Nach der ersten Woche Dauernölen war Charlotte es bereits leid und begann schon damit ein Schokocreme-Brot fertig zu machen, während Ela vor sich hin wetterte. Aber kaum war die Scheibe verputzt, hüpfte die gerade noch zu Tode beleidigte Leberwurst auch schon wieder fröhlich durch die Gegend. Der gemeinsame Morgen endete jedes Mal damit, dass Ela das Haus Richtung Schule mit den Worten „Tschüß Mama, bis später und nachher reden wir über meinen Hund.“ verließ.

Diesen Vorsatz wiederholte sie abends vorsichtshalber noch etwas eindrücklicher:

„Gute Nacht Lieblingsmama. Du bist die tollste Mutter der Welt und das bleibst du auch dann, wenn ich einen Hund habe. Aber da können wir ja morgen drüber reden.“

Dann gähnte Ela immer herzhaft und kuschelte sich in ihre Decke. Charlotte setzte sich auf die Bettkante und gab ihrer kleinen Nervensäge seufzend einen Gute-Nacht-Kuss.

Heute Morgen allerdings fiel das Nölen viel kürzer aus als gewöhnlich. Gerade als Ela Luft holte, um ihr übliches Gejammer vorzutragen, stutzte sie. Ihre Augen begannen zu glänzen und ihr Herz pochte wieder ganz aufgeregt, als sie endlich begriff was Mama gerade gesagt hatte.

„Hast du gesagt wir fahren zu Tante Yeni?“ Elas zog erstaunt ihre Augenbrauen hoch und ihr Mund stand vor Erstaunen sperrangelweit offen. Besuche bei Tante Yenene waren immer etwas Besonderes, dort warteten die verrücktesten Abenteuer, Freiheit und jede Menge Spaß.

Eigentlich hieß Yenene Marlies, aber sie konnte ihren Namen noch nie ausstehen und bekam jedes Mal vor lauter Grusel eine Gänsehaut, wenn jemand sie so nannte. Marlies, so hießen spießige Frauen, die jeden Tag fünfmal den Boden wischen und die goldenen Wasserhähne polieren ließen. Schrecklich! Außerdem: Unpassender ging es wohl kaum. Yenene legte auf wesentlich wichtigere Dinge wert, als auf Ordnung und perfekt glitzernde Wohnungen. Für sie zählte nur, was für eine Person ein Mensch war. Und da ein blitzender Wasserhahn niemanden zu einem besseren Menschen machte, konnte sie gut darauf verzichten.

Zu dieser Einstellung war sie während ihres Aufenthalts bei den nordamerikanischen Ureinwohnern schnell gekommen. Sie hatte seit ihrer Jugend jedes Buch und jeden Bericht über deren Lebensweise verschlungen. Eines Tages wurde die Sehnsucht, sich ein eigenes Bild zu verschaffen, so groß, dass sie spontan ein Flugticket kaufte und sich ohne weitere Planungen auf eine Reise ins Unbekannte machte.

Ihre Hoffnungen wurden nicht enttäuscht, so dass sie ganze 19 Jahre bei 'ihrem Stamm' verbrachte. In dieser Zeit erhielt Marlies auch ihren indianischen Namen: Yenene. Dieser Name passte viel besser zu ihr, entschied sie. Erstens klang er in ihren Ohren angenehmer und zweitens gefiel ihr die Bedeutung. Das Wort bedeutete nämlich 'Zauberin'.

Diesen Teil ihrer indianischen Geschichte hatte Tante Yeni Ela zumindest erzählt, als sie sie nach dem doch ungewöhnlichen Namen gefragt hatte. Ela war die Bedeutung schon etwas unheimlich, denn es lag tatsächlich immer ein Gefühl von Zauber oder Magie in der Luft, wenn sie ihren Urlaub bei Yeni verbrachte.

Wenn sie ihren Freundinnen von den unglaublichen Erlebnissen in der Waldhütte erzählte, passierte es nicht selten, dass die Mädchen sie für eine phantasievolle Geschichtenerzählerin hielten, ihr aber kein Wort glaubten. Nur ab und an zweifelten sie an dieser Theorie, wenn Ela hartnäckig bei ihrer Geschichte blieb, obwohl diese mehr als unglaubwürdig war. Doch Ela wusste genau was sie erlebt hatte und dass ein Hauch Magie die einzige Erklärung dafür war. Außerdem würde ihre Tante sie nie belügen.

Nur ein einziges Mal kam Ela der Gedanke, dass Yeni vielleicht alles nur erfunden hatte und jetzt einfach schrullig und verrückt war. Nämlich als Yenene behauptete sie könne sogar mit Tieren reden. Zwar nicht mit allen Tieren und sie würde auch nicht immer alles verstehen, was sie ihr sagen wollten, aber es kämen trotzdem immer wieder Tiere zu ihr, um ihr einen Rat zu geben, oder selbst Rat zu suchen.

Ela blieb solange skeptisch, was diese angebliche Fähigkeit anging, bis sie einmal heimlich beobachtete, wie Yenene mit einem Fuchs redete. Der Busch hinter dem Ela kauerte war zwar zu weit weg, als dass sie etwas hören konnte, aber so wie Yenene dort hockte und dem Fuchs in die Augen sah, konnte es keinen Zweifel geben: Der Fuchs schien ihr wirklich zuzuhören. Sein Kopf war leicht zur Seite geneigt und die Ohren hatte er spitz aufgestellt, als wollte er kein Wort verpassen. Dann, als Yeni sich wieder streckte, schien er zu nicken und lief schnurstracks in den Wald zurück.

Ela zuckte mit den Schultern: Dann konnte Yeni wohl doch mit Tieren reden. Irgendwie war das schaurig und beruhigend zugleich, stellte sie fest. Immerhin wusste sie nun, dass ihre Tante nicht verrückt war und sie nicht angelogen hatte.

Ela freute sich riesig darauf, Yeni an diesem Wochenende wieder zu sehen. Außerdem gab es bei den Besuchen noch ein weiteres, unschlagbares Highlight für ein Kind aus dem Vorort einer Großstadt: Tante Yeni wohnte in einer kleinen Blockhütte mitten in einem urigen, immer grünen Wald. Es roch überall nach Moos, Unterholz und ein wenig nach Harz. Eine willkommene Abwechslung zu den Abgasen und sonstigen unangenehmen Gerüchen der Stadt. Ein freundlicher, kleiner Bach floss ganz in der Nähe. Sein Gurgeln und Rauschen war Nachts bis in die Hütte zu hören und wirkte auf Ela so beruhigend, dass sie nicht mal bis Zehn beim Schafe zählen kam, wenn sie abends in ihrem kuscheligen Bett lag.

Bei dem Gedanken an Yeni und ihre Hütte wurde Ela ganz zappelig vor Freude. Aufgeregt sprang sie von ihrem Stuhl auf und rannte in ihr Zimmer. Sogar ein halbes Schokocreme-Toast ließ sie unbeachtet liegen.

„Ich packe!“ rief sie ihrer ziemlich verdattert dreinschauenden Mutter im Vorbeiflitzen zu.

Noch bevor Charlotte ihren erstaunten Gesichtsausdruck abschütteln konnte, stand Ela auch schon wieder vor ihr. Sie hatte sich in Windeseile angezogen und sich ihren kleinen Beutel, der vorsichtshalber immer gepackt an ihrem Bettpfosten hing, umgehängt und strahlte bis über beide Ohren.

Der Beutel war ein Geschenk von Yenene zu Elas Einschulung gewesen. Yeni hatte ihn mit vielen bunten Perlen verziert und behauptet er würde ihr immer Glück bringen. Bei ihren Ausflügen war der Beutel immer dabei. Mehr als seinen Inhalt brauchte sie nicht.

„Wir können los!“ rief sie nun aufgeregt und griff nach ihrer Jacke. Charlotte war immer noch ziemlich baff, rappelte sich aber langsam wieder auf.

„Ela?“ schaute sie ihre Tochter verdutzt an.

„Ja? Ja? Ja? Was denn? Ich habe sogar meine Zahnbürste!“ stolz zog sie sie aus dem Beutel und präsentierte sie ihrer Mutter.

„Ela, du musste erst noch in die Schule.“

„Oh, ups.“ Das hatte Ela total vergessen.

Schnell warf sie ihrer Mutter den Beutel zu, schnappte sich ihren Schulranzen und rannte zur Tür hinaus.

„Wenn ich schnell in der Schule bin, dann bin ich auch schneller wieder zurück!“ rief sie und war, wie der Blitz, um die nächste Ecke verschwunden.

Tatsächlich war sie an diesem Mittag schneller zuhause als üblich.

„Ich bin den ganzen Weg gerannt.“ verkündete sie völlig aus der Puste, aber stolz auf ihre Leistung. „Fahren wir jetzt endlich los?“

Charlotte lachte.

„Willst du nicht erst noch etwas essen? Du musst doch Hunger haben, nachdem du heute dein halbes Frühstück stehen lassen hast.“ versuchte sie das drängelnde Geburtstagskind zu bremsen. Doch Elas Ungeduld siegte:

„Dann nehme ich das jetzt einfach mit. Lass uns fahren, Mama!“ Charlotte seufzte resigniert, griff zu ihrer Handtasche, warf sich die Jacke über den Arm und wühlte nach dem Autoschlüssel.

„Na dann komm, du Wirbelwind.“

„Juhuuuuuuuuuuuuu!“ rief Ela, schnappte sich ihren Beutel, das halbe Brot und ihren uralten Lieblings-Stoffaffen und flitzte auch schon wieder zur Tür hinaus.

„Fahr los! Fahr los!“ rief sie ungeduldig vom Rücksitz ihres dunkelblauen Kombis.

„Lass mich doch erst einmal einsteigen, du Nervensäge.“ lachte ihre Mutter und quetschte sich umständlich auf den Fahrersitz. Das Auto war mittlerweile zwölf Jahre alt und hatte seine besten Zeiten hinter sich. Der Fahrersitz ließ sich nicht mehr vor oder zurück bewegen und hatte einen langen Riss in dem grauen Stoff. Etliche Kaffeeflecken waren im Laufe der Jahre dazugekommen. Es roch auch nicht mehr besonders schön.

Ela hatte die ganze Rückbank, die auch nicht besser aussah, für sich. Reste von Kaubonbons, Kakao und diversen Säften waren dort verewigt. Zum Glück war sie endlich ihren nervigen Kindersitz los, aber ein neuer Gurtschoner wäre auch nicht schlecht, dachte sie, als sie sich an den gelben Teddybär kuschelte.

Endlich ging es los. Ela spielte nervös mit dem Band ihres Kapuzenpullis und kaute darauf herum, was ihr einen bösen Blick ihrer Mutter einbrachte.

„Doofer Rückspiegel.“ dachte Ela und schaute demonstrativ nach draußen.

Ela und Filou

Подняться наверх