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Regensburg. Im Juli 1545

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Katharina Kerner drehte sich tanzend im Kreis, blickte in den Spiegel und zupfte am Spitzenausschnitt ihres neuen Kleides.

»Dieses helle Blau schmeichelt mir, nicht wahr, Susanna? Nur gut, dass Mutter nicht auf das altmodische dunkelblaue Gewand bestanden hat.«

Susanna, Katharinas fast gleichaltrige Base, lachte. »Da werden dem Veit die Augen übergehen. Dann vergisst er wieder, was er zu dir sagen wollte, und stottert mit knallrotem Kopf herum. Das wird ein Spaß.«

Katharina verdrehte die Augen. »Der Veit, der Veit. Ich weiß schon, dass Vater mich am liebsten mit ihm verlobt sehen würde.« Katharina half nun Susanna, ihr Festkleid anzuziehen.

»Er ist doch ein ehrenwerter Mann, gefällt er dir denn gar nicht?«, wollte Susanna wissen. Katharina überlegte. »Was soll ich sagen? Er ist sicher ein guter, fleißiger Tuchmacher und wird einen treu sorgenden Ehemann abgeben. Aber …«, Katharina schüttelte nachdenklich den Kopf.

»Du meinst: Du bist ihm nicht zugetan?«, versuchte Susanna ihrer Base auf die Sprünge zu helfen.

»Mir gefällt vielleicht ein anderer besser.« Jetzt war es heraus.

»Ach bitte, verrat mir doch, wer es ist«, bettelte Susanna.

»Besser nicht. Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich ihm auch gefalle. Und selbst wenn: Ich glaube nicht, dass wir zusammenkommen können«, seufzte Katharina. Aus dem Spiegel blickten nun zwei junge, festlich herausgeputzte Frauen heraus. Katharina, schlank und groß, mit blondem, hochgesteckten Haar und die etwas kleinere, rundliche Susanna, deren dunkelgrünes Gewand ihre schiefergrauen Augen vorteilhaft betonte.

Nun könnte man meinen, dass Susannas Neugierde erst recht angestachelt sein müsste, wer denn der Galan sein könnte, der ihrer Base besser gefiel als Veit Gesslein, die begehrteste Partie in der Regensburger Tuchmacherzunft. Doch durch Katharinas Geständnis taten sich in Susannas Gedanken ganz neue Möglichkeiten auf. Ja, Veit war zwar ganz offensichtlich von Katharina bezaubert, aber wenn er erst einen Korb von ihr bekommen hatte, rückte ihre, Susannas, Chance näher. Veit Gesslein zum Ehemann zu gewinnen, war ein lockendes Ziel. Sie musste planvoll vorgehen, gleich heute an diesem Festmahl, zu dem ihr Oheim, der Zunftmeister der Regensburger Tuchmacher, geladen hatte. Denn die Konkurrenz um Veit Gessleins Gunst war groß.

Im Saal der Tuchmacherzunft drängten sich die stadtbekannten Mitglieder mit ihren Familien. Peter Kerner ergriff das Wort.

»Hochgeehrte Gäste, seid von Herzen willkommen. Heute gibt es zwei Gründe, ein Festmahl zu halten. Zum ersten gilt es einen neuen Meister in unserer Zunft willkommen zu heißen. Zum zweiten: Mein Sohn Matthias ist wieder heimgekehrt. Nun steht er nicht mehr vor uns im Studentengewand, sondern als Bakkalaureus der Freien Künste.«

Die Blicke der Gäste wanderten neugierig nach links, wohin Meister Kerner gewiesen hatte.

Matthias Kerner hatte sich von einem unscheinbaren blassen Jungen zu einem Mann entwickelt. Aschblondes welliges Haar, ein Bärtchen auf Oberlippe und Kinn und Augen von einem durchdringenden Blau, wie sie niemand sonst in der Familie Kerner hatte. Klein und schmal war er zwar – jedenfalls im Vergleich zu seinem unbekannten Begleiter –, aber das tat seinem erfreulichen Anblick keinen Abbruch. Katharina Kerner stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Ihr Blick galt jedoch nicht ihrem heimgekehrten Bruder Matthias, sondern dem jungen Mann daneben. Gestern hatte dieser ihr galant die Hand geküsst. Michel de Cormont, ein Freund ihres Bruders, aus dem fernen Frankreich. Groß, dunkelhaarig, feuriger Blick, vollendete Ritterlichkeit. So sah der Gemahl ihrer Träume aus.

Matthias freute sich, seine Familie und Freunde nach so langer Zeit wieder zu sehen. Drei Jahre hatte er an der berühmten Heidelberger Universität studiert.

Kathrinchen und Susanna waren von staksenden Füllen zu wohlansehnlichen jungen Frauen gereift. Seine Eltern hatten sich nicht so sehr verändert, nur Mutters Gesicht war von feinen Fältchen durchzogen und Vaters Haar zeigte erste graue Strähnen.

Nach der Ansprache bildeten sich kleine, munter schwatzende Grüppchen. Matthias zog Michel heimlich am Ärmel und ging auf die Runde zu, die sich um Katharina und Susanna gebildet hatte. Veit Gesslein gab gerade eine Anekdote zum Besten. Alle lachten laut, nur Katharina nicht. Sie hatte ein unverbindliches Lächeln aufgesetzt und Veit gar nicht zugehört. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Michel de Cormont. Veit starrte Katharina erwartungsvoll an – eine peinliche Stille entstand.

»Ach, Veit, Ihr wisst so drollige Geschichten«, schob sich Susanna beherzt vor Katharina, hängte sich bei Veit ein und zog ihn ein Stück weiter, »kommt, erzählt uns noch mal, wie das mit dem Lehrbuben war, der in das Farbbecken gefallen ist.« Ein wenig irritiert, aber dennoch geschmeichelt von Susannas Interesse, erzählte Veit mit hochrotem Gesicht weiter.

»Mein Schwesterlein verdreht den Regensburger Mannsbildern den Kopf. Daran war noch nicht zu denken, als ich vor drei Jahren nach Heidelberg gezogen bin«, neckte Matthias seine Schwester liebevoll.

»Ich bin so froh, dass du wieder da bist, Mias, jetzt kannst du diesen balzenden Gockeln Bescheid stoßen. Von mir wollen sie es ja nicht annehmen.«

Matthias lachte. »Was sagst du dazu, Michel, andere junge Frauen wären hoch erfreut über viele Verehrer, nur mein Kathrinchen hat, wie immer, ihren eigenen Kopf.«

»Vielleicht muss nur der Richtige kommen und Catherine ändert ihre Meinung«, lächelte Michel und zwinkerte der jungen Frau verstohlen zu. Wie er »Catherine« gesagt hatte! So melodiös und zart.

Mias klopfte seinem Freund auf den Rücken und fragte: »Peut-être un chevalier d’Amiens?«1 Die beiden Freunde lachten.

Nun begann das Festmahl, danach vergnügte man sich beim Tanz. Katharinas Hand bebte, als Michel sie beim Reigen fest und zärtlich fasste.

Veit Gesslein wunderte sich, dass ihm Katharinas Base vorher noch nie aufgefallen war. Susanna war zwar nicht von blendender Schönheit, aber ihr lustiges freundliches Wesen hatte ihn im Sturm erobert. Außerdem schien sie handfest und tüchtig. Auch war sie aus gutem Hause – genau wie die Ehefrau eines einflussreichen Tuchmachermeisters sein sollte.

In all dem fröhlichen Trubel merkte niemand, dass Agnes und Peter Kerner sich immer wieder ernst und wissend anblickten. Eine unsichtbare Last schien auf ihren Schultern zu liegen.

Matthias Kerner wusste nicht, dass er sich in dieser Nacht das letzte Mal vergnügt zu Bett legte als die Person, die er zu sein glaubte.

Am nächsten Tag nach dem Mittagsmahl hatten Matthias’ Eltern nach ihm schicken lassen. Sie wollten ihn sprechen. Als er in die Wohnstube trat, blickte er sich wehmütig um. Hier schien die Zeit seit seiner Kindheit still zu stehen. Wie hatte er es geliebt, mit seinen Schreibübungen hier an diesem rohen Holztisch zu sitzen, während Mutter am Fenster in eine Stickerei versunken war und Katharina mit ihren Puppen spielte. Mutter sah gerade aus dem kleinen Fenster. Unten im Garten spazierte Katharina an Michels Arm, tief ins Gespräch versunken. »Dein Freund Michel de Cormont scheint mir ein aufrechter Mann zu sein?«

»Ja, Mutter, ich habe in ihm einen wahren Freund – ja fast einen Bruder – gefunden. Michel stammt aus einer angesehenen Familie. Sein Vater leitet die Bauhütte der großen Kathedrale von Amiens. Michel will sehen, ob er hier in der Regensburger Dombauhütte etwas dazulernen kann.«

»Ist seine Familie lutherisch eingestellt?«, wollte Vater Kerner wissen.

»Nein, die Cormonts sind rechtgläubige Leute.«

»Nun gut, Mias, Michel soll uns als dein Freund willkommen sein. Wir sehen, dass Katharina für ihn entflammt ist – er wird wohl kein böses Spiel mit ihr treiben?«

»Seid unbesorgt, Michel ist ein Ehrenmann. Er ist vermögend und jederzeit in der Lage, eine Familie zu gründen.«

Peter Kerner lachte leise. »Dachte ich mir schon, dass der Veit Gesslein vergeblich hoffte. Mir scheint jedoch, gestern hat er die Kelheimer Wollweberzunft entdeckt. Da wird wohl bald ein Freier bei meinem Bruder um Susanna anhalten.«

Alle drei lachten. Dann war Stille im Raum. Seine Eltern blickten sich an. Agnes nickte ihrem Gemahl ernst zu.

»Mias, ich habe vor vielen Jahren einen Schwur getan. Mutter und ich haben lange nachgedacht, wann die rechte Zeit ist, ihn einzulösen. Du bist nun ein Mann und bereit dafür. Du weißt, dass Mutter dich nicht geboren und ich dich nicht gezeugt habe. Trotzdem bist du unser Sohn, und wir lieben dich, als wären wir deine leiblichen Eltern.«

Peter Kerner, dem sonst nie die Sprache abhanden kam, sei es in Verhandlungen oder als Schlichter bei Zunftstreitigkeiten, rang sichtlich nach den richtigen Worten. Er stand auf, öffnete die schwere Holztür, blickte auf den Gang und überzeugte sich, dass dort niemand lauschen konnte. Dann setzte er sich wieder gegenüber von Mias an den Tisch, beugte sich vor und sprach leise weiter.

»Es stimmt auch, dass ich dich als heimatlosen Waisen von einer Reise mitgebracht habe.

Eine Sache haben wir dir aber verschwiegen: Wir wissen nämlich doch, wer deine Eltern waren. Ich habe deiner leiblichen Mutter am Sterbebett geschworen, es dir zu eröffnen, wenn die Zeit dafür reif ist. Du sollst erfahren, dass sie dich von Herzen lieb hatte und nicht alles wahr ist, was man über sie erzählt. Als ich dir im Gasthaus ›Weiße Lilie‹ in Erfurt das erste Mal begegnete, nannten sie dich ›Mias‹. Dein voller Name war ›Jeremias Müntzer‹.«

Alle Farbe wich aus Mias’ Antlitz, fassungslos blickte er zwischen den Eltern hin und her.

»Der … der Satan von Allstedt, der Bauernschlächter … mein – Vater?«

»Behalt es für dich, Mias, niemand darf es wissen. Schon damals wollten die Fürsten dich lieber tot sehen. Deshalb haben wir dich hier in Regensburg nochmals auf den Namen ›Jeremias Matthias Kerner‹ taufen lassen. So gab es keine Spur zurück.«

»Mein lieber, lieber Bub.« Agnes fasste seine Hände. »Wir haben gerungen, den Schwur nicht einzulösen, und dir die Wahrheit zu ersparen. Doch das Gewissen erlaubt es uns nicht.«

Peter Kerner erzählte nun die ganze Geschichte, wie er Mias in der Schänke getroffen, ihn mit Einverständnis Ottilie Müntzers mitgenommen und in Regensburg als Findelkind ausgegeben hatte. Der Pfarrer hatte vorgeschlagen, Mias sicherheitshalber zu taufen, denn man konnte bei einem Balg aus den ketzerischen Gebieten ja nie wissen, ob er das Sakrament in ordentlicher Weise erhalten hatte.

Mias standen Tränen in den Augen. »Aber was soll ich nun mit der Wahrheit anfangen? Was für eine Bürde, einen Ketzer und tausendfachen Mörder als Erzeuger zu haben!«

Peter Kerner räusperte sich. »Sohn, was dich deine Professoren in Heidelberg gelehrt haben über die Reformatoren zu Wittenberg und Thomas Müntzer, ist einzig deren Blick auf die Welt. Ich bin zwar nur Tuchmacher, aber viel herumgekommen. Ich rate dir, nicht gleich alles zu glauben, was geredet wird. Schau lieber selber hin, höre verschiedenen Menschen zu und sinne darüber nach, bevor du etwas für wahr hältst.

In zwei Wochen breche ich zu einer Reise nach Erfurt auf. Wir brauchen Waid. Willst du mich nicht begleiten? Es wäre sowieso an der Zeit, als mein Erbe in der Tuchmacherei den Waidhandel kennenzulernen. Die Reise ins Thüringische wird deinen Blick weiten.«

Mias schaute schweigend vor sich auf die Tischplatte. Dann hob er entschlossen den Kopf. »Ja, Vater, ich begleite Euch. Ich danke Euch für Eure Offenheit und dafür, dass Ihr den Mut hattet, mich als Euer eigen Kind aufzunehmen.«

»Ach Mias, du hast uns so viel Freude in dieses Haus gebracht. Uns war nur bang vor der Stunde, da wir dir dies sagen mussten«, seufzte Agnes.

Den restlichen Tag verbrachte Mias alleine mit einem langen Streifzug zu Pferd.

Bei einer einsamen Stelle am Donauufer band er den Schimmel an einen Baum und ließ ihn grasen. Mias setzte sich auf einen Felsen am Wasser. Die beiden Schwarzerlen daneben boten ein wenig Schatten in der Sommerhitze.

Das Gespräch mit den Eltern ging ihm immer wieder durch den Kopf. Was wusste er eigentlich über die Menschen, die ihn in die Welt gesetzt hatten – Thomas und Ottilie Müntzer? Seit Martin Luther 1517 die 95 Thesen gegen den Ablasshandel an verschiedene Landesherren geschickt hatte, war die Welt der Kirche in den deutschen Fürstentümern gehörig durcheinander gekommen. Luther behauptete, man würde nur durch Glauben vor Gott gerechtfertigt. Gute Werke und Traditionen der Kirche könnten einen nicht vor Hölle und Fegefeuer bewahren. Die römisch-katholische Kirche war anderer Ansicht. Hierüber war ein heftiger Streit entbrannt, der die Menschen schließlich in zwei Lager teilte. Müntzer war zuerst ein Anhänger Luthers, hatte sich danach aber von dessen Lehre abgewandt. Warum, das wusste Mias nicht. Er hatte nur gehört, dass Müntzer alle Obrigkeit ausrotten wollte und sich an die Spitze des Bauernheeres in Thüringen gestellt hatte. Seine ketzerischen Predigten hätten die Bauern in den sicheren Tod getrieben. Die letzte Schlacht ging verloren, Müntzer und andere Anführer bekamen ihre gerechte Strafe für den Aufruhr. Luther hatte ihn einen »Erzteufel« genannt, den »Satan von Allstedt« und »aufrührerischen Rottengeist«. Der Bauernaufstand war heute lange vorbei, aber die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Luthers und den Verfechtern des römisch-katholischen Glaubens schwelten immer noch.

Das war alles, was Mias wusste. Es war nicht viel, aber doch genug, um sein Inneres in große Unruhe zu versetzen. Gut, dass niemand außer seinen Eltern die Wahrheit über seine Herkunft kannte.

Bis zum Nachtmahl hatte er sich äußerlich wieder gefasst, nur das Blau seiner Augen schien matter als sonst. Gut, dass Katharina mit ihrem fröhlichen Geplauder die Runde am Tisch unterhielt, so dass seine Schweigsamkeit nicht auffiel.

Später saß er mit Michel in seiner Kammer.

»Was betrübt dich, mein Freund?«

Michel hatte er nicht täuschen können. Wie sollte er ihm darauf antworten? Mias öffnete eine Truhe und holte ein kleines Ledersäckchen und ein Bündel Schriften heraus. Das hatten ihm seine Eltern am Nachmittag übergeben. Es war die dürftige Habe Ottilie Müntzers.

»Michel, lies diesen Brief; dann sag mir: Was ist das für ein Mensch, der solche Worte schreibt?«

Michel nahm das Papier an sich, rückte nahe zum Kerzenleuchter und las laut.

Mein liebes Weib, dies schreib ich dir aus großer Gefahr. Verloren ist alles, dahingegeben sind wir in die schwere Zucht Gottes. Es kam, wie du prophezeit hast: Jeder hatte nur sein eigen Ding im Sinn und nicht die Sache Gottes. Wie hätte ER da unser Schwert führen sollen? Ich weiß nun nicht, ob es mir gelingt, zu entkommen. Mir scheint jedoch, ein anderer Weg wartet auf mich, ein Kelch schwer zu trinken. So werden wir uns erst in der Ewigkeit wieder begegnen. Du sollst wissen, dass ich niemals bereute, dich zum Eheweib genommen zu haben. Gott hat mir in dir eine Gehilfin gegeben, wie man besser sich nicht wünschen kann. Ich bereu wohl manche unnütze Stund’ in meinem Leben, aber keine einzige von denen, die ich mit dir verbracht. So herze auch unseren lieben Sohn von mir. Unterweise ihn und das noch Ungeborene im lauteren Geiste des Evangeliums. Vertraue dem Boten dieses Briefes, er wird dir helfen, so ich es nimmer vermag. Zuletzt muss doch Gottes Sache siegen!

Auf ewig dein Thomas, gegeben zu Frankenhausen am 15. Mai anno 1525

»Was ist das für ein Brief? Woher hast du ihn?«

»Ein Verwandter hat ihn geschrieben, der schon lange tot ist. Sag, was meinst du, was war er für ein Mensch?«

Michel überlegte. »Ich verstehe nicht alles, was da geschrieben ist. Doch dieser Mann war ein Gelehrter, er hat große Liebe für seine Frau und sein Kind. Mon dieu, Matthias, solch einen Brief könntest du schreiben – ein guter, kluger Mensch wie du kommt mir dabei in den Sinn.«

Mias schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht. »Wie ich, sagst du?«

»Nun löse mir das Rätsel. Wer hat das geschrieben?«

»Michel, ich werde mit meinem Vater auf eine Reise ins Thüringische gehen. Dort will ich sehen, was dieser Verwandte mit mir zu tun hat. Danach kann ich dir das Rätsel lösen.«

»Soll ich dich begleiten?«

Mias schüttelte traurig den Kopf. »Nein, lieber Freund, diesen Weg muss ich ohne dich gehen.«

Später, als er alleine in der Kammer zurückgeblieben war, öffnete Mias den kleinen Lederbeutel und holte seinen Inhalt heraus. Ein silberner Ring. Klein, schmal, darauf etwas eingraviert. Eine Weinranke. Er passte gerade an seinen kleinen Finger. Ottilie Müntzers Ehering. Innen war ein schwarzer Schriftzug zu erkennen: Apo2/10/2

Was mochte das bedeuten? Natürlich, eine Stelle aus der Heiligen Schrift. Mias öffnete nochmals seine Truhe und holte eine Ausgabe der Vulgata heraus. Diese Bibel in lateinischer Sprache hatte ihm sein Vater zum Beginn seines Studiums geschenkt. »Apo« stand für Apokalypse des Johannes. Die Zahlen meinten das zweite Kapitel, im Vers 10 den zweiten Teil. Mias blätterte eine Weile, bis er den Text gefunden hatte.

Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam vitae. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.

Was für ein merkwürdiger Trauspruch.


1 »Vielleicht ein Ritter aus Amiens?«

Im Schatten der Verschwörung

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