Читать книгу Der Sommer mit dem Erdbeermädchen - Sabine Ludwigs - Страница 8
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ОглавлениеIn der Diele verstärkte sich der Duft von Bolognesesoße. Nicks Magen knurrte gebieterisch, also warf er den Rucksack in sein Zimmer und ging in die Küche, wo er sich eilig die Hände über der Spüle wusch.
Seine Mutter, lässig in Jeansrock, geblümtem Shirt und Flip-Flops, stand mit dem Rücken zu ihm am Herd und rührte in einem Topf. Jetzt drehte sie sich um. „Nick, da bist du ja! Na, alles im grünen Bereich?“
„Klar.“ Er nickte und trocknete sich ab. „Mann, hab’ ich einen Kohldampf. Ich konnte schon im Hausflur riechen, was es gibt.“ Bevor er sich in der Essecke niederließ, küsste er seine Mutter auf den Kopf, wie er es gewöhnlich tat, wenn er heimkam. Er überragte sie bereits um fünfzehn Zentimeter.
Sie lächelte, stellte das Schälchen mit dem frisch geriebenen Parmesankäse und den Korb mit dem warmen Brot auf den Tisch. Danach füllte sie die Teller. „Dein Vater ist auch schon da. Er ist kurz in der Garage.“
Nick verteilte gerade noch mehr Parmesan über seine Nudeln, als sein Vater hereinkam. „Hallo, Nick.“ Auch er wusch sich die Hände und inspizierte den Käseberg auf Nicks Teller. „Grundgütiger, dir wird bestimmt schlecht“, prophezeite er und setzte sich. „Und – wie sieht es mit deinem Zeugnis aus?“
„Äh“, machte Nick. „Kommt schon, das wisst ihr genau. Es ist ganz okay. Eigentlich.“
„Eigentlich.“ Sie tauschten einen dieser beredten Blicke, mit denen sie sich auf geheimnisvolle Art und Weise miteinander zu verständigen schienen. Jedenfalls waren sie nach so einem Elternblick, wie Nick es nannte, meist einer Meinung.
„Nach dem Mittagessen wagen wir uns daran. Deiner Mutter schlagen schlechte Nachrichten ja bekanntlich auf den Magen“, flachste sein Vater und griff nach dem Brot. „Mir dagegen verdirbt nichts so schnell den Appetit! Ich kann eigentlich immer essen. Aber wir wollen ein wenig Rücksicht auf sie nehmen, oder?“ Er zwinkerte Nick dabei zu und fügte an, dass die Noten nach dem, was sie am letzten Elternsprechtag erfahren hatten, wohl kaum eine Überraschung bieten würden.
„Is’ so“, bestätigte Nick, dankbar, dass seine Eltern, anders als Lukis beispielsweise, sich nicht gleich auf das Zeugnis stürzten, um ihn danach ordentlich in die Mangel zu nehmen, sondern es wesentlich gelassener angingen.
Das rührte daher, weil seine Großeltern mütterlicherseits – beides Lehrer – ihre zwei Töchter praktisch in Lauerstellung erwartet hatten und ein Riesentamtam veranstalteten, falls die Noten nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Was im Grunde meistens der Fall gewesen war: Die Zeugnisse konnten ihnen nie gut genug ausfallen.
Als unerträglich hatte seine Mutter das empfunden und sich früh geschworen, es anders zu machen, sollte sie je Kinder haben.
Also saßen sie nur zusammen und unterhielten sich über nichts Besonderes. Es war Sommer, er hatte endlich Ferien und die Spaghetti Bolognese schmeckten wunderbar. Er nahm sich zweimal nach. Trotzdem schaffte er noch grüne Götterspeise mit Vanillesoße zum Nachtisch.
Nick konnte sich keinen Ort vorstellen, der gemütlicher und schöner und heimischer war als diese Küche!
Dessen ungeachtet hatte er heute den unbestimmten Eindruck, es wäre etwas nicht in Ordnung. So, als ob seine Eltern sich zwar mit ihm unterhielten und ihm zuhörten, aber mit ihren Gedanken woanders wären, ganz weit weg. Selbst als das Geschirr abgeräumt war, sie alles wieder in Ordnung gebracht hatten und er schließlich sein Zeugnis auf den Tisch legte, schien das so zu sein.
Wie vorhergesehen, waren sie nicht begeistert über die Verschlechterung seine Zensuren. Sie machten aber auch kein Drama daraus. Gut, es gab Ermahnungen und sie forderten klipp und klar, dass er seine Freizeitaktivitäten zugunsten der Schule einschränkte –was er ohnehin vorgehabt hatte und ohne Umschweife versprach.
In Mathe, meinte Nicks Vater, würden sie sich ernsthaft um Nachhilfe bemühen. Aber in Englisch sollte er sich einfach öfter auf den Hintern setzen und pauken. „Da müssen der Fußballverein und deine Band eben hinten anstehen, Junge. Statt Gitarrensoli und Rockmusik sind Englischvokabeln und Grammatik angesagt.“
Doch das war‘s und Nick glaubte schon, er wäre entlassen, da bat seine Mutter ihn, noch sitzen zu bleiben. „Wir möchten noch eine Sache mit dir besprechen.“
„Okay.“ Es klang gedehnt. „Gibt es ein Problem?“
Wieder tauschten sie einen Elternblick.
„Ein Problem?“ Sein Vater antwortete zögerlich. „Nicht direkt. Jedenfalls nicht hier bei uns. Lass uns ausreden, dann erfährst du alles.“
Und seine Mutter fuhr fort: „Also gut. Marion und Thomas haben ein Mädchen bei sich aufgenommen. Sie ist vierzehn Jahre alt und heißt Lina Saizew.“
„Aha.“
Marion und Thomas, die Schwester seiner Mutter und deren Mann, unterrichteten beide an einer Sonderschule. Nick verbrachte stets einen Teil seiner Ferien bei ihnen, und zwar sämtliche Ferien, und er liebte es bei den beiden zu sein.
Er wusste, dass sie keine eigenen Kinder bekommen konnten. Vermutlich war es seiner Tante und seinem Onkel deswegen ein besonderes Anliegen, Kinder und Jugendliche in Notsituationen als Pflegeeltern zu betreuen.
Sie waren in der sogenannten Bereitschaftspflege. Was bedeutete, dass ihre Gäste, wie sie es nannten, nur vorübergehend bei ihnen untergebracht wurden, bis sie in eine feste Pflegefamilie, ein Heim oder auch wieder nach Hause kamen.
Viele von ihnen hatten Schlimmes erlebt, worüber Nick sich noch nie richtig Gedanken gemacht hatte. Diesmal war es also eine Lina Soundso.
„Ja, und?“, fragte er.
„Lina ist von zu Hause weggelaufen, einen Tag, nachdem ihr Bruder spurlos verschwunden ist“, sagte seine Mutter. „Man nimmt an, sie wollte ihn auf eigene Faust suchen. Zwei Wochen lang lebte sie in Abrisshäusern und U-Bahn-Stationen. Sie hatte keinen sicheren Platz zum Schlafen und nichts Anständiges zu essen. Tagelang war sie auf sich gestellt. Schließlich griff eine Streife sie in einer Kleingartenanlage auf.“
Sein Vater übernahm an dieser Stelle: „Lina wollte nicht mit ihnen fahren. Sie sprach kein Wort. Aber sie trat und schlug aus Leibeskräften nach den Polizisten. Also brachten sie Lina in ein Krankenhaus, wo sie sich ein wenig beruhigte und man feststellte, dass sie weder Alkohol noch Drogen genommen hatte.
Lina schien also in Ordnung zu sein. Aber als ihre Mutter und ihr Stiefvater kamen, um sie abzuholen, erlitt sie einen hysterischen Schreikrampf.
Sie holten einen Psychologen, und der war der Ansicht, dass es für Lina besser sei, wenn sie vorerst nicht in der Wohnung lebt, in der sie alles an Jan erinnert. Das ist ihr Zwillingsbruder, der nicht mehr nach Hause kam … Der Verlust ist zu schlimm für Lina.
Außerdem scheint sie aus irgendeinem Grund ihren Eltern die Schuld für Jans Verschwinden zu geben. Auf jeden Fall muss Lina zur Ruhe kommen, zu sich selbst finden, sagte der Psychologe. Deswegen gibt es vorläufig eine absolute Kontaktpause zu Frau Saizew und ihrem Freund. Und stell dir vor, Lina hat während der gesamten Begutachtung nicht aufgehört zu schreien. Obwohl sie ihr ein Beruhigungsmittel gegeben haben. Kannst du dir so was vorstellen?“
„Nicht wirklich.“
Nicks Mutter holte tief Luft, bevor sie wieder das Wort ergriff. „Sie haben das Jugendamt eingeschaltet, und die haben Marion und Thomas gebeten, sich um Lina zu kümmern. Als sie Lina abholten, hat sie noch immer geschrien. Marion sagt, es war das Schrecklichste, was sie je gehört hat. Es waren hohe, schrille Töne. Wie wenn Lina furchtbare Schmerzen hätte. Dann, von einem Augenblick zum anderen, war sie still. Seitdem ist sie bei Marion und Thomas auf dem Mühlenhof. Und seither hat sie keinen Ton mehr von sich gegeben.“
„Was soll das heißen? Ist sie verrückt geworden?“
„Nein, sie ist nicht verrückt geworden, Nicolas Ritter. Ich möchte nicht, dass du in dieser Weise über Lina redest“, wies seine Mutter ihn nicht unfreundlich zurecht. Dabei sprach sie seinen vollständigen Namen aus, wie sie es nur tat, wenn ihr eine Sache sehr ernst erschien.
„Okay. Tut mir leid. Ich habe es nicht böse gemeint. Ich kapier’ nur nicht, was das mit mir zu tun hat. Kann ich deshalb nicht zu Marion und Thomas?“
„Doch. Vorausgesetzt, du willst überhaupt hin, denn Lina wird ebenfalls da sein.“
Das war neu. Er hatte bisher keinen der Mühlenhof-Gäste kennengelernt, nie war jemand während seiner Besuche dort untergebracht gewesen. Aber selbst wenn: Es handelte sich bloß um Kinder und Teenager. Er war weder ihr Babysitter noch ihr Aufpasser und ihnen zu nichts verpflichtet. Notfalls könnte man sich einfach aus dem Weg gehen. Wo also war der Haken?
Vorsichtig fragte er: „Weshalb sollte ich nicht wollen?“
„Weil es eine schwierige Situation ist. Der Psychologe sagt, das Mädchen hat eine schreckliche Sache erlebt. Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann: Ein enges Familienmitglied ist spurlos verschwunden. Niemand hat etwas gesehen. Niemand etwas gehört. Jans Stiefvater sagt, Jan wollte nur sein Fahrrad in die Garage stellen und seitdem ist er weg. Es gibt keine Spur, die verrät, was geschehen ist.“
Sie holte abermals tief Luft und fuhr fort: „Nur ungefähr zwei Prozent aller vermissten Kinder tauchen nach gut vierzehn Tagen nicht wieder auf. Und Jan wird jetzt seit beinahe vier Wochen vermisst. Man muss nicht allzu gut in Mathe sein, um sich auszurechnen, was das bedeuten könnte. Seine Familie ist fix und fertig. Alles, was sie wissen wollen, ist, was passiert ist. Ob er noch lebt.“
Nick versuchte, sich das vorzustellen. Er schaffte es nicht. Er sah nur Bilder wie aus einem Thriller vor sich, in dem Kinder auf rätselhafte Weise verschwanden und entweder nie oder tot gefunden wurden. Geschrumpft, bleich, manchmal schrecklich verkrümmt. Mit Erde im Haar und auf den geschlossenen Lidern.
Umgebracht von einem Familienmitglied, einem Bekannten oder einem Fremden. Wie dieser Junge, Timo, den sie Anfang des Jahres nach fünf Monaten tot im Wald gefunden hatten. Den Namen und das Gesicht im Fernsehen würde Nick wohl lange nicht vergessen.
Es war das erste Mal gewesen, dass er den Fall eines vermissten Kindes bewusst wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich, weil es in der näheren Umgebung passiert war. Es hatte ihm Angst gemacht, auch, weil seine Mutter ihn seither ständig ermahnte aufzupassen und …
„Nick?“ Das war sein Vater. „Ehrlich gesagt, wären wir froh, wenn du hinfahren würdest.“
„Wieso denn?“
„Marion glaubt, Lina braucht Freunde. Nein, mehr als das. Neue Freunde, verstehst du? Die nichts mit ihrem alten Leben zu tun haben, aus dem Jan verschwunden ist.“
Nicks Mutter spann den Faden weiter: „Es reicht schon einer. Ein einziger, besonderer Freund. Einer in ihrem Alter, bei dem sie lernt, wieder zu reden. Mit dem sie was unternehmen kann, mit dem sie vielleicht sogar ein bisschen lachen kann. Dem sie vertraut.“
„Jemand, dem sie sich möglicherweise anvertraut. Verstehst du? Ein Freund wie ein Bruder“, hörte er die Stimme seines Vaters.
Nick meinte eine unsichtbare Hand zu spüren, die sich auf seinen Verstand legte und sein Denken in eine ganz bestimmte Richtung lenkte.
Dann sprach seine Mutter es aus. „Du könntest dieser Freund sein.“
„Ich? Nein! Nein, das könnt ihr voll vergessen.“
„In Ordnung. Wenn du nicht willst. Niemand erwartet das von dir“, behauptete sie hastig.
„Ach nee? Mensch, Mama, ich bin doch nicht blöd! Warum habt ihr mir das denn alles erzählt, hä?“
Nachdem sie einen Elternblick getauscht hatten, nickten sie. „Zugegeben – wir haben es zumindest gehofft“, räumte seine Mutter ein.
„Wusste ich es doch! Aber darauf habe ich keinen Bock. Nein, echt nicht. Es sind Ferien, verdammt. Ich will endlich chillen. Was habe ich mit irgendeiner Lina zu tun?“
„Gar nichts.“ Sein Vater hob beschwichtigend die Hände. „Es war bloß eine Idee von Marion. Sie hoffte, dass Lina sich möglicherweise mit dir anfreundet und wieder anfängt zu sprechen. Du weißt, sie suchen noch nach Jan, haben aber keine heiße Spur. Darüber bringen sie schließlich jeden Tag was im Fernsehen oder in der Zeitung. Die Polizei vermutet, Lina könnte eine Beobachtung gemacht haben, die ihnen bei der Suche weiterhilft. Etwas von Belang, von dem sie nicht ahnt, dass es wichtig ist. Mehr unbewusst. Ihr Zimmer geht zu dem Garagenhof raus, von dem Jan verschwunden ist. Verstehst du?“
„Ja. Schon.“
„Nach Marions Anruf haben wir uns vorgestellt“, meinte seine Mutter gepresst, „wie es wäre, wenn wir an der Stelle von Linas Eltern wären. Die meisten Eltern denken solche Dinge, wenn ein Kind verschwindet. Wir fragen uns, warum das geschieht. Und wer einem das antun kann. Gleichzeitig sind wir heilfroh, dass es nicht unser eigenes Kind ist. Aber wir malen uns aus, was wäre, wenn. Wie verzweifelt wir wären. Wie machtlos. Was für eine Angst das sein muss. Und man wünscht sich, irgendwas tun zu können, um diesen Familien beizustehen. Irgendwas!“
„Aber die Familie … das Mädchen. Diese Lina …“, nun war Nick ehrlich betroffen. „Ich meine, sie haben doch Pfaffen und Seelenklempner und so Leute. Irgendwelche Spezialisten. Oder nicht?“
„O ja, die haben sie. Aber Lina spricht nicht mit ihnen. Doktor Schilling, ihr Psychologe, vermutet, sie wird auch künftig mit keinem Erwachsenen reden. Nicht mit ihm, ihren Eltern oder jemandem vom Jugendamt. Und auch nicht mit Marion oder Thomas. Doktor Schilling meint, so weit er es beurteilen kann, hat aller Voraussicht nach ein Erwachsener ihre seelische Erschütterung verursacht, indem er ihr den Bruder genommen hat. So beurteilt Lina es zumindest. Daher traut sie keinem von ihnen mehr.“
„Das ist Schwachsinn! Eine fixe Idee.“
„Nicht für sie“, warf sein Vater ein.
Sie schwiegen.
Nick erinnerte sich, in den Zeitungen und den Nachrichten von Jan gehört zu haben. Er war klein für sein Alter, hatte es geheißen. Klein und schmächtig. Nicht so groß und kräftig wie er selbst. Aber er hatte die gleichen dunkelblonden Haare wie Nick, dazu ganz ähnliche hellgraue Augen. Das sah man auf dem Foto, das durch die Presse geisterte. Darauf lächelte der Junge nicht. Ernst schaute er in die Kamera. Als ob er sein Schicksal geahnt hätte.
Was machte er wohl in genau dieser Minute durch?
Scheiße!
„Hat Lina keine Freundin?“
„Doch, eine. Sie ist in den Urlaub geflogen, für sechs Wochen nach Kanada. Sonst keine richtige. Lina lebt in einem Dorf, ein ziemliches Nest. Da gibt es nicht viele Gleichaltrige. Deswegen war Lina sehr viel mit ihrem Bruder zusammen.“
Scheiße, dachte Nick wieder. Das hört sich so an, als ob sie mich wirklich brauchen könnten.
„Ich weiß nicht, ob ich so was bringe, Mama.“
„Warum nicht?“
„Sie ist ein Mädchen. Mit denen kenne ich mich nicht gerade gut aus.“ Er spürte, dass er Drachenohren bekam, weil er blödsinnigerweise an Katharina denken musste, die sich stets über ihn zu amüsieren schien und bei der er nie wusste, was er sagen sollte, wenn er ihr über den Weg lief und deren Küsse, wie er wusste, nach Pfefferminz schmeckten.
„Das macht doch nichts“, entkräftete seine Mutter den Einwand. „Du sollst ihr keine Ersatzfreundin sein. Sondern ein guter Freund, ein Junge, wie Jan. Bestenfalls sieht sie dich als eine Art Bruderersatz und wendet sich dir zu. Sei einfach du selbst.“
Er nickte verständiger als er sich fühlte. „Na ja. Und ich bin nicht wie Luki. Ich bin kein Stürmer, kein Angreifer. Ich bin auch nicht wie Marvin, der Nerven wie Drahtseile hat, wenn er ganz allein im Tor steht. Ich bin bloß in der Abwehr. Ich bin ein Innenverteidiger. Versteht ihr? Ich wehre die Gegner nur ab und bereite Angriffe höchstens vor. Ich will damit sagen, ich bin kein Crack.“
„Auf deine eigene, besonnene und abwägende Art bist du das. Und es ist genau das, was wir hier brauchen“, erklärte sein Vater. „Jemand, der noch Schlimmeres verhindert und eher bedächtig vorgeht.“
„Und wenn ich das nicht will?“
Ganz ruhig erwiderte seine Mutter: „Dann lässt du es bleiben. Niemand kann und wird dir das verübeln. Ganz bestimmt nicht. Jeder muss die Dinge so tun und lassen, wie es ihm gefällt. Außerdem bist du erst vierzehn Jahre alt.“
„Bald fünfzehn.“
„Ja. Bald.“
Er schaute seine Eltern an: Sein Vater Dirk war als Steuerberater in einer Kanzlei tätig. Nicks Mutter Michaela war Grundschullehrerin, weil der Lehrberuf angeblich Tradition in ihrer Familie war und sie gern mit Kindern arbeitete.
Nick hatte nie einen ernsthaften Streit zwischen ihnen mitbekommen und ihm gegenüber zeigten sie sich meist großzügig und verständnisvoll. Außerdem hatten sie bisher keines seiner Konzerte oder Fußballspiele versäumt.
Er fragte sich, was aus ihnen werden würde, wenn ihm, Nick, jemals etwas zustoßen würde. Und er fragte sich, ob es normal war, sich in seinem Alter solche Dinge zu fragen.
„Nick?“
Er schaute auf, direkt in die Augen seines Vaters.
„Ich überlege es mir“, antwortete er.
Und das tat er.