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Bei Dr. Huuse

Dr. Huuse war ein so freundlicher und mitfühlender Arzt und es war ihm deutlich anzusehen, wie schwer es ihm fiel, mit den beiden zu reden. Schon bei der Begrüßung rieb er sich dabei mit dem Daumen an der Nase, ein alter Tick von ihm, wenn er unter schlimmer Anspannung stand. „Ich hätte so gerne eine bessere Nachricht für Sie und ihre kleine Tochter Anna gehabt, es tut mir so leid …“, begann er und seufzte leise. „Die Behandlung hat nicht so angeschlagen, wie wir es erhofft haben. Wir können nur noch Zeit gewinnen, aber …“

Ein lauter Schluchzer von Bauer Hünning unterbrach ihn, seine Schultern zuckten leise. Tränen rannen ihm über das Gesicht und er machte sich nicht einmal die Mühe, sie weg zu wischen. „Oh, Lena, ich will dich noch nicht verlieren …“, weinte er. Seine Frau schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn ganz, ganz fest, bis die Tränen von ihrem großen starken Mann schließlich wieder versiegten.

„Es tut mir so leid“, begann Dr. Huuse wieder, doch nun unterbrach ihn Frau Hünning.

„Wie lange noch?“, fragte sie. Ihre Stimme klang dabei ganz fest. „Ich muss wissen, wie viel Zeit ich noch habe. Ich habe eine kleine Tochter und …“

„Ich weiß, Frau Hünning. Also, wenn die Behandlung so weitergeführt wird, wenn wir die Dosis vielleicht sogar noch erhöhen, dann schaffen wir es vielleicht noch bis zum Winter …“

„Vor oder nach Weihnachten?“, fragte Annas Mama.

„Ich … ich weiß es nicht“, murmelte der Arzt leise.

„Also gibt es nicht einmal eine Garantie für ein letztes gemeinsames Weihnachten … Und wer weiß, wie das werden würde, wenn ich so schlimm krank bin. Also, wie lange habe ich noch, wenn ich jetzt nach Hause gehe und die Behandlung abbreche?“

„Das ist nicht so einfach“, Dr. Huuse schüttelte mit dem Kopf und rieb sich dabei noch doller als gewöhnlich mit dem Daumen an der Nase. So dolle, dass seine Nase inzwischen schon purpurrot angelaufen war. „Vielleicht noch bis zum Ende des Sommers … Aber das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Frau Hünning? Wir könnten doch noch …“

Doch Annas Mama schüttelte mit dem Kopf und sagte in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete: „Ich will nach Hause.“ Ja, und wenn Annas Mama sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, da war sie wie ihre Tochter, da gab es dann niemanden mehr, der sie hätte umstimmen können. „Ich habe schon vor diesem Gespräch darüber nachgedacht, Dr. Huuse, was ich will, wenn ich nicht wieder gesund werden kann. Ich habe gekämpft und getan, alles, was möglich war, auch für meine Tochter und für meinen lieben Mann.“ Dabei drückte sie ihrem Mann so fest, wie sie nur konnte, die Hand. „Wir alle haben es uns anders gewünscht. Aber nun müssen wir aufhören mit dem Kämpfen und dankbar sein, dass wir noch diese Zeit haben, voneinander Abschied zu nehmen. Und ich will zu Hause sterben, nicht hier in diesem Krankenhaus, auch, wenn alle immer so nett sind zu uns. To Huus blievt doch to Huus, Doktor Huuse.“

Dr. Huuse nickte. „Ja, Frau Hünning, Zuhause bleibt Zuhause, da haben Sie recht. Und Sie haben sich das alles ja schon so in den Kopf gesetzt und Ihr Mann ist offensichtlich auch ganz Ihrer Meinung, auch, wenn er keinen Ton hervorbringt nach dem Schock. Also, wann immer Sie uns brauchen, wir sind für Sie da. Zu jeder Zeit. Und wir werden Ihnen dabei helfen, alles zu organisieren, was Sie nun zu Hause brauchen, damit diese letzte Zeit für Sie alle drei so gut wie nur möglich werden kann …“

Und so kam es, dass Bauer Hünning und seine Frau nach dem Gespräch zurück in das Krankenzimmer gingen und gemeinsam die Sachen zusammen packten … Für die Heimreise …


Bertha und Anna und der Tod

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