Читать книгу Ciao Calotta - Sabine Scherer - Страница 4
Die Tänzerin
ОглавлениеUnterhalb der Rialtobrücke sehe ich eine Frau mit langem schwarzen Haar in einem wunderschönen Kostüm. Sie trägt einen weich fließenden, grünen Rock, der mit vielen Perlen und Pailletten bestückt ist. Sie tanzt nach orientalischer Musik, die vier Musiker auf arabischen Instrumenten spielen. Nicht nur die Hüfte, ihre Hände, Arme, Augen bewegen sich nach Lauten- ,Flöten-, Fiedel- und Trommelklängen. Sie sieht so glücklich und entspannt aus. Sie hat eine wunderbare Ausstrahlung. Ich warte, bis sie ihren Tanz beendet hat und spreche sie an.
„Ich bin Calotta. Du hast bei deinem Tanz so glücklich und entspannt ausgesehen, einfach wundervoll.“
„Danke für das Kompliment. Ich heiße Nicoletta. Es freut mich, dass dir mein Tanz gefallen hat.“
„Die Bewegungen sehen so leicht und einfach aus“, meine ich.
Nicoletta lächelt mir zu. „Komm dann probieren wir ein paar Bewegungen. Zuerst stellst du dich ganz bequem auf deine Füsse. Du musst einen guten Stand haben. Nun machen wir ein paar Übungen zum locker werden.“
Richte deinen Blick gerade aus, bewege nun deine Augen und zwar nur die Augen nach links, dann wieder in die Mitte geradeaus und dann nach rechts, dann wieder in die Mitte.
Mache deinen Mund leicht auf, kreise ganz übertrieben mit deiner Zunge im Mund. Merkst du wie gut das tut? Kreise so oft du möchtest. Diese Übung machen auch viele Sänger und Redner vor ihren Auftritten.
Ziehe deinen Kopf mit dem Kinn zur Brust und richte ihn wieder auf. Dann legst du den Kopf zur linken Seite, richtest ihn wieder auf und legst ihn auf die rechte Seite. Merkst du wie es in den Nackenmuskeln zieht, wie es aber langsam immer angenehmer wird?
Nehme deine Arme auf die Seite. Drehe mit deinen Handgelenken Kreise, ein paarmal im Uhrzeigersinn und dann gegen den Uhrzeigersinn.
Du wölbst deinen Rücken und ziehst deine Schultern nach vorne wie eine Katze. Dann richtest du dich ganz gerade auf und ziehst deine Schultern nach hinten.
Schiebe deine Hüfte nach links, bewege sie nach hinten, dann nach rechts und nach vorne. Führe mit dieser Bewegung einen großen Kreis aus. Dann kommt die andere Seite dran. Hüfte nach rechts, nach vorne, nach links und nach hinten. Ziehe schöne, große Kreise. Eventuell musst du deine Fußstellung etwas korrigieren. Du musst einen guten Stand haben.
In der nächsten Übung versuchst du kleinere Kreise zu ziehen. Du kannst auch versuchen eine liegende Acht mit der Hüfte zu ziehen.
„So einfach wie ich dachte sind die Übungen gar nicht, aber ich merke wie gut sie mit tun“, sage ich.
„Zum Abschluss räkeln und strecken wir uns, dabei gähnen wir ganz ungeniert“, erwidert Nicoletta.
„Um den Orientalischen Tanz zu erlernen, braucht man schon einige Zeit. Es gibt verschiedene Kurse, die bei Tanzschulen oder Tänzerinnen belegt werden können. Ich kann den Orientalischen Tanz nur jeder Frau empfehlen. Jeder Muskel wird trainiert und man fühlt sich sehr weiblich. Wichtig ist, dass man Spaß dabei hat“, empfiehlt sie mir.
„Danke Nicoletta, für’s Zeigen. Ich komme dich bald wieder besuchen, um noch mehr zu lernen.“
„Ciao Calotta“ ruft sie mir mit ihrer samtig weichen Stimme nach.
Ich beschließe zu verreisen und verschiedene Entspannungsmethoden zu erlernen.
Mein Vater hat Besuch. Es ist sein Freund Tom, ein alter Studienfreund aus Padua. Ein netter grauhaariger Mann mit lebhaften Augen.
Wir sitzen gemütlich bei Tee und Cantuccini, einem italienischen Mandelgebäck, zusammen. Ich erzähle von meinen, Plänen verschiedene Entspannungsmethoden zu erlernen.
„Morgen reise ich in das Jacobsche Land weiter. Dort habe ich einen Freund, der lehrt eine Entspannungsmethode namens Progressive Muskelentspannung. Ich kann dir leider nicht viel darüber erzählen, aber wenn du möchtest, kannst du mich gerne dorthin begleiten. Es ist eine 6 Stunden lange Zugreise und wir müssen morgen sehr früh aufbrechen“, sagt Tom.
Da überlege ich nicht lange und sage Tom zu, ihn morgen zu begleiten. Mein Vater schenkt mir noch ein wunderschönes Notizbuch mit marmoriertem Einband. Ich werde Tagebuch führen. Schnell packe ich meine Reisetasche, stecke das Tagebuch in das vordere Reißverschlussfach und versuche zu schlafen. Aber der Schlaf will einfach nicht kommen. Ich bin viel zu aufgeregt. Aber dann klappt es doch und ich schlafe tief und fest ein.
Am nächsten Morgen fühle ich mich ausgeruht und gut. Vater bringt uns zum Bahnhof Santa Lucia. Ein paar Tränen stehlen sich in meine Augenwinkel, als ich ihn zum Abschied umarme.
Tom und ich haben ein Abteil für uns.
Ich schreibe meine ersten Erkenntnisse über Stress in mein Tagebuch:
Unter Stress reagieren wir mit einem alten biologischen Mechanismus, der uns fit macht, damit wir in einer schwierigen Situation bestehen können. Stress entsteht, wenn wir glauben, einer Situation nicht gewachsen zu sein. Unter Stress versteht man im Allgemeinen die negativen Folgen bei Überforderung. Aber auch durch permanente Unterforderung können Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen entstehen, die Stress auslösen. Dazwischen befindet sich der Bereich, in dem sich der Mensch mit den Herausforderungen wohlfühlt, die an ihn herangetragen werden. In diesem Bereich sind wir maximal leistungsfähig und fühlen uns aktiv und ausgeglichen. Viele Situationen können Stress auslösen. Solche Auslöser nennt man Stressoren.
Wie stressig eine Situation ist, hängt vor allem davon ab, welche Strategien man hat, um damit fertig zu werden. Das kann sehr unterschiedlich sein. Die körperliche Reaktion dagegen ist immer die gleiche. Wenn wir uns in Gefahr befinden, nimmt unser Körper alle Kraft zusammen. Er versorgt uns mit Energie, damit wir kämpfen oder weglaufen können. In alltäglichen Situationen, die wir stressig empfinden, können wir meist weder fliehen noch kämpfen. Also müssen wir für so eine Situation eine entspannende Lösung finden, denn bei Daueralarm im Körper können ernste gesundheitliche Schäden entstehen. Dauerstress ist ein Risikofaktor für eine Vielzahl von Krankheiten.
Ich habe bei Nicoletta einer Tänzerin festgestellt, die mir den Orientalischen Tanz zeigte, dass ihre Übungen sehr viel Spaß machen können und ich völlig entspannt war. So schließe ich daraus, dass Tanzen eine Methode zur Entspannung sein kann.