Читать книгу Die Narben aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen - Страница 4

Zukunftsvision

Оглавление

Dass ich überhaupt zu dieser Kirmes gehe, liegt nur an dem Umstand, dass ich mir dort mein Quäntchen Zukunftsvision holen will. In diesem Herbst treibt es mich mehr denn je zu diesem Einblick in meine Zukunft.

Die Vorhersage der Hellseherin Madame Moinette, die dort jedes Jahr ihr Zelt aufschlägt, hatte sich bisher für mich in vollem Umfang erfüllt. Sie hatte mir gesagt, dass ich auf jemanden treffen werde, die mein ganzes Leben verändern wird. Und so ist es dann auch gekommen. Ich bin auf Carolin gestoßen. Nun muss ich wissen, wie es mit uns weitergeht.

Daniel und Ellen gehen dicht hinter uns durch die Menschenmasse, die sich über den lauten, bunten Platz schiebt.

Ich halte Carolins Hand fest in meiner. An ihrem Gesichtsausdruck sehe ich, dass sie sich unwohl fühlt. Sie wirkt in dieser schrillen, lauten Buden- und Karussellwelt klein und zerbrechlich. Immer wieder wird sie angerempelt und ich ziehe sie dicht an mich heran. Sie wirkt wie ein Plastikball in einem tosenden Meer.

Für Ellen hingegen scheint das hier eine Welt zu sein, die sie täglich erleben könnte und sie hätte doch nie genug davon. Sie zieht Daniel zu einer Bude und fordert von ihm, dass er ihr eine Rose schießt. Natürlich lässt er sich nicht lange bitten, bezahlt und schießt aus dem Stegreif drei Rosen ab. Ellen gibt er eine Weiße und eine Rote. Carolin hält er eine Gelbe hin, die sie unsicher nimmt. Sein Lächeln ist entwaffnend und ich denke, nur deshalb nimmt Carolin die Rose überhaupt an und knüllt sie wenig später ziemlich lieblos in ihre Handtasche.

Ich besehe mir das Ganze mit gemischten Gefühlen. Dass Daniel ihr die Rose gab, ließ in mir eine Welle der Entrüstung hochtreiben. Aber dass Carolin sie dann in ihre Handtasche knautschte, ließ diese Welle wieder zu einer seichten Gischt werden. Und sie fordert nichts von mir. Weder, dass ich ihr eine Blume schieße, noch sonst etwas.

Ellen drängelt bei einer Hot Dog Bude, dass sie Hunger hat und wir holen uns alle ein Hot Dog.

Immer wieder treffen wir auf Bekannte und bleiben hier und da stehen, um jemanden zu begrüßen und uns kurz zu unterhalten. Dabei versucht Carolin mehr als einmal sich von meiner Hand zu lösen.

Ich weiß, es sind die verblüfften Blicke, die sie treffen und verunsichern. Hier und heute scheint auch der Rest der Welt zu erfahren, dass ich nicht mehr der Alte bin. Es gibt ein Mädchen an meiner Seite und ich bekenne mich ganz offen zu ihr.

Aber scheinbar ist das immer noch ein Problem für Carolin, dass ich nicht einschätzen kann. Mittlerweile denke ich aber, dass ihre Ausbruchversuche nur dazu dienen, den neuen Erik nicht vor allen bloßzustellen. Denn viele sparen nicht mit dummen Bemerkungen diesbezüglich, was mir wieder vor Augen hält, was alle über mich denken. Ich gelte immer noch als Junkie, Drogendealer, Schläger, Geldeintreiber, irrer Draufgänger und Frauenherzenbrecher, den bisher keine länger als eine Nacht halten konnte. Und für den einen oder anderen bin ich wahrscheinlich auch noch ein seelenloser Mädchenhändler. Das zumindest meine ich in den Gesichtern der Leute zu erkennen, die mich an diesem Abend begrüßen und ansprechen - mehr oder weniger freundlich, aber vollkommen überrascht darüber, mich nun mit einer Frau an meiner Seite zu sehen.

Dass Carolin lieber nicht der Gerüchteküche um mich herum auch noch Nahrung geben will, verstehe ich zwar, entlasse sie aber keinen Moment aus meinem festen Griff. Ich habe mich geändert und sie an meiner Seite zu haben soll das jedem klarmachen. Wo ich immer glaubte, mit so etwas eher Schwäche zu zeigen, erfüllt es mich nun mit Stolz. Zu viele Menschen hatten in den letzten Jahren begonnen, mich als Irren hinzustellen, statt meinen Lebenswandel als cool zu bezeichnen. Ich schnallte das nur lange nicht und eins ist mir klar … ich will nicht mehr als irrer Draufgänger ohne vernünftige Lebensperspektive bezeichnet werden, der sein Leben einfach nicht geschissen bekommt.

Ich versuche den Weg zu dem etwas abgelegenen Zelt zu finden, in dem ich mir meine Zukunftsvision holen will, was sich aber bei jeder Kirmes erneut als schwierig erweist. Es sind so viele Straßen und Gassen und man hat nur schwer einen Überblick. Außerdem bin ich nervös. Was werde ich erfahren? Und wenn es eine schlechte Nachricht ist, wie soll ich dann damit umgehen?

Mir ist unwohl bei dem Gedanken. Aber ich muss es tun.

Wir schieben uns weiter durch die Menschenmengen, als wir erneut stehen bleiben, weil Ellen freudig ausruft: „Bitte Daniel! Bitte, bitte!“

Er lächelt sie ergeben an und geht an den Tresen, um sich die Auswahl an Zuckerherzen zeigen zu lassen.

In mir bäumt sich alles auf. Aber ich muss feststellen, dass für Daniel ein normaler Lebenswandel so einfach zu meistern ist, wie für die meisten Menschen. Er ist da so ganz anders als ich.

Ich sehe Carolin unschlüssig an, die sich einfach nur das Treiben um uns herum ansieht, ohne weiter auf Ellen und ihre Bitte einzugehen.

Daniel steht unschlüssig an der Bude und besieht sich die Aufschriften der Herzen, während Ellen ihn mit leuchtenden Augen beobachtet.

Unsicher beuge ich mich zu Carolin herunter und frage dicht an ihrem Ohr: „Möchtest du auch?“ Dabei nicke ich zu der Bude, an der Daniel steht.

„Bitte nicht. Ich steh da nicht so drauf und es wäre mir peinlich, den ganzen Abend damit herumlaufen zu müssen“, antwortet sie fast schon entsetzt.

Ich atme auf. Grinsend nehme ich sie in den Arm und flüstere ihr erleichtert ins Ohr: „Ich glaube, du wurdest extra für mich gemacht.“ Ich küsse sie auf die Schläfe und sie sieht mich verdutzt an.

In dem Moment ruft Ellen ohne Gnade: „Erik, du musst auch eins kaufen.“

Ich starre sie an. Warum tut sie das? Aber dann fällt mir etwas ein, als ich Ellens leuchtenden Augen sehe und brumme: „Sie ist so nervig! Aber sie hat dich zu mir gebracht und dafür hat sie ein wenig Dank verdient.“

Carolins Blick trifft meinen und ich zwinkere ihr zu. „Sie will, dass ich auch eins kaufe?“ Mit dieser Frage ziehe ich Carolin zur Bude und neben Daniel. Der hat gerade eins herausgefischt, dass er der dicken Verkäuferin präsentiert. „Das nehme ich.“

„Und ich das“, sage ich. Ein kurzer Blick in Carolins fassungsloses Gesicht sagt mir, dass sie das überhaupt nicht verstehen kann. Aber sie weiß schließlich nicht, was ich vorhabe.

Die Verkäuferin lächelt und zieht unter dem Tresen die zwei richtigen Herzen hervor. Wir bezahlen und Daniel dreht sich zu Ellen um und hängt ihr seins um.

Die Liebe meines Lebens - prangt mit weißer Zuckerschrift von dem riesigen Herz.

Ellen springt ihm an den Hals und küsst ihn stürmisch, völlig überwältigt von so viel offengezeigter Zuneigung. Sie steht da voll drauf.

Ich warte, bis der erste glückliche Anflug vorbei ist und Ellens Blick auf mich trifft. Sie sieht mich verunsichert an und löst sich von Daniel.

Ich hänge ihr mein viel Kleineres um den Hals, auf dem steht: „Mein Glücksbringer.“

Ellen sieht irritiert auf das kleine Herz über dem großen.

Ich erkläre ihr: „Du hast mir mein Glück gebracht.“ Mit den Worten ziehe ich Carolin dicht an meine Seite und küsse sie.

Carolin, sowie auch Ellen, scheinen von meiner Geste betroffen zu sein. Und ich weiß, so eine Aktion hätte mir keiner zugetraut … vor allem Ellen nicht. Aber es macht mir immer wieder Spaß, alle mit etwas zu Schocken, womit sie bei mir nicht rechnen.

„Musst du mir wieder die Show stehlen?“, brummt Daniel, lacht dann aber und schlägt mir freundschaftlich auf den Arm.

„Carolin will keins. Also kriegt Ellen eins“, sage ich nur und fügt noch einmal hinzu: „Wenn Ellen Carolin nicht angeschleppt hätte, wäre mein Leben immer noch ein trostloses Nichts.“ Ich weiß, das klingt wie aus einem Kitschroman … ist aber die volle Wahrheit.

Carolin drängt sich aus meiner Umarmung und zieht mich schnell weiter, als hätte sie Angst, dass es noch schlimmer mit mir werden könnte. Ich muss darüber schmunzeln. So wenig mir bisher solche theatralischen Gesten lagen, genauso wenig steht auch sie in aller Öffentlichkeit auf dergleichen.

Ellen hingegen kann ihr Glück gar nicht fassen, gleich zwei Herzen tragen zu dürfen.

In einer Sackgasse finde ich am Ende der langen Budenreihen das bunte Zelt der Hellseherin.

„Das habe ich gesucht“, raune ich leise und ziehe Carolin in die Richtung.

„Och ne, Erik, nicht schon wieder!“, ruft Ellen und verzieht das Gesicht.

Daniel raunt dicht hinter uns genervt: „Alle Jahre wieder.“

Ich werfe ihm einen schnellen Blick zu. „Ihr müsst nicht warten. Aber ich muss schauen, was sie diesmal sagt“, erkläre ich.

Carolins irritierter Blick wandert von Daniel zu Ellen, die ihr missmutig erklärt: „Das ist eine Hellseherin. Alles völliger Humbug!“

Ich glaube meine Aktion rechtfertigen zu müssen und sage: „Bisher hat sie wirklich gute Aussagen gemacht.“

„Hat sie Carolin vorausgesagt?“, fragt Ellen bissig.

„Sie sagte zumindest, dass ich im Sommer auf jemanden treffen werde, und dass das meine Welt verändern wird“, antworte ich gelassen und Ellen sieht mich überrascht an. Da sie nichts mehr erwidert, frage ich Carolin: „Willst du auch?“

Sie schüttelt entsetzt den Kopf.

„Gehst du denn mit rein?“, frage ich, weil auch sie dem Ganzen ziemlich entrüstet gegenübersteht.

„Besser nicht. Ich warte hier!“, antwortet sie. Ihr ganzes Gesicht spiegelt eine Angst wider, die ich kenne. Anfangs ging mir das auch so. Wenn man auf diese Weise in die Zukunft blicken lässt, kann das einen auch in einen Abgrund stoßen. Aber bisher erfuhr ich auf diese Art nur Annehmbares.

Ich nicke und wende mich an Daniel und Ellen: „Bleibt ihr dann doch bitte bei ihr?“

„Natürlich!“, sagt Daniel sofort.

Ich gebe Carolin einen Kuss und gehe schnell zu dem Zelteingang. Noch nie schlug mein Herz so heftig und war meine Unsicherheit so groß, als ich in das Zelt trete.

Die gleiche Gehilfin, wie bei der letzten Kirmes im Frühjahr, tritt mir entgegen und lächelt mich freundlich an.

„Ist Madame Moinette frei?“, frage ich sie und sie antwortet mit einer angenehmen Stimme: „Sie erwartet Sie bereits.“

Ich sehe sie überrascht an und folge ihr in den hinteren Teil, froh nicht warten zu müssen.

Hinter dem Tisch sitzt Madame Moinette und sieht mir aus ihren dunklen Augen freundlich entgegen.

Ich gehe zu ihr und setze mich auf einen der zwei Stühle.

„Erik“, sagt sie nur und macht keinerlei Anstalt zu einer weiteren Begrüßung.

Ich bin nervös und raune ohne Umschweife, um das zu kaschieren: „Madame Moinette, ich möchte Sie heute erneut bitten einen Blick in meine Zukunft zu werfen.“

Ich will ihr erklären, wieso und dass ihre letzte Aussage sich bewahrheitet hat. Aber sie hebt nur die Hand, dass ich nicht weiterreden soll. Einige Zeit sieht sie mich nur mit einem unergründlichen Blick an. Dann nickt sie fast unmerklich und schiebt sich an den Tisch heran.

„Du wirkst verändert. Die Kälte hat dich nicht mehr so fest im Griff. Es gibt etwas, das dich erwärmt und doch auch ängstigt. Gib mir deine Hand.“

Fast wie unter Hypnose reiche ich ihr meine Hand, die sie fest mit ihrer umschließt. Ihre andere Hand gleitet an einen Gegenstand, der unter einem Tuch verborgen ist. Ich warte und alles in mir beginnt nervös zu beben.

„Ruhig“, raunt die alte Frau vor mir, deren schwarzen, langen Haare über eine weiße Bluse fallen, die die Schultern freilässt. Ein buntes Kopftuch hält die Mähne zurück.

Ich kann nur auf die geschlossenen Augen starren, die von langen schwarzen Wimpern umrahmt sind und versuche mich zu beruhigen und an nichts zu denken.

Es dauert, bis sie raunt: „Dein Leben erfährt im Moment viele Höhen und Tiefen. Du hast einige Erfolge zu verzeichnen, aber auch schlimme Niederlagen. Das, was du dir als deine Zukunft erhofft hast, erwies sich als Sackgasse. Dafür trat etwas anderes in dein Leben und gibt dir eine neue Perspektive. Und es gibt dir auch Kraft.“

Einen Moment scheint sie sich erneut konzentrieren zu müssen und ich sehe, wie sich ihre Stirn runzelt, bevor sie fortfährt: „Du bist nicht mehr allein. Ich sehe, es gibt eine Frau an deiner Seite. Ihr Schicksal und deins sind untrennbar durch die gleichen Schrecken in der Vergangenheit, starken Gefühlen und einer gegenseitigen Abhängigkeit verbunden. Was ich sehe ist aber nicht nur gut. Diese Frau birgt ein dunkles Geheimnis, das ich nicht erkennen kann. Etwas zieht sie von dir weg. Es wird schwer sein, sie an dich zu binden, obwohl du sie brauchst. Aber sie entscheidet letztendlich, was mit euch geschieht.“

Die Worte der Hellseherin nehmen mir den Atem. Wo sie anfangs noch ertragbar klangen, bin ich nun erschrocken und verunsichert. Das, was sie über Carolin sagt, beunruhigt mich.

„Aber werden wir zusammenbleiben können, wenn sie es zulässt?“, frage ich atemlos.

Es dauert, bis Madame Moinette antwortet: „Da ist etwas, das sie zwingen will sich gegen dich zu stellen. Aber wenn sie dem widersteht, wirst du ihre Liebe behalten. Ihr werdet auch glücklich werden können, aber …“ Ihre geschlossenen Augenlider flackern. „Erik, in deinem Leben sehe ich keine Kinder.“

Ich bin etwas verwirrt. Was interessiert mich, ob ich Kinder haben werde?

Ihre Hand löst sich aus meiner und ich will nach ihr greifen. Das alles ist viel zu verwirrend. Ich brauche genaueres. Aber sie setzt sich zurück und sieht mich nur an.

„Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen. Da ist etwas, das dein Schicksal seltsam verschleiert und ich weiß nicht genau, warum sich das mit deiner Kinderlosigkeit so in den Vordergrund drängt. Möchtest du Kinder haben? Unbedingt?“

„Nein!“, antworte ich wie aus der Pistole geschossen. „Ich habe mir darüber auch noch nie Gedanken gemacht.“

Madame Moinette steht auf und ihre Gehilfin tritt ein, um mich hinauszubegleiten.

Ich bin noch gar nicht bereit zu gehen. Aber ich weiß, mehr wird sie mir nicht sagen. Dennoch wende ich mich noch einmal um: „Bitte, Frau Moinette, kann ich Ihnen eben jemanden schicken, in deren Zukunft Sie bitte auch sehen? Es ist mir wichtig.“

Sie nickt nur, überhaupt nicht überrascht und winkt ihrer Gehilfin zu, die mich hinausbegleitet. Ich zahle ihr zwei Sitzungen und raune: „Ich schicke sie sofort herein. Bitte warten Sie!“

Ihr Lächeln sagt mir, dass sie natürlich nichts anderes tun wird und ich komme mir blöd vor.

Vor dem Zelt sehen mich Ellen, Carolin und Daniel fragend an.

„Nah, biste jetzt schlauer?“, fragt Ellen ironisch.

Statt auf ihre Frage zu antworten, sage ich zu Carolin: „Und nun du. Sie wartet! Wenn du nicht allein gehen willst, kann ich mitkommen … oder Ellen.“

„Was ist mit mir?“, brummt Daniel gespielt aufgebracht. „Vielleicht möchte sie lieber mich mitnehmen?“

Carolin wird blass und sieht mich ungläubig an. „Bitte, ich möchte wirklich nicht.“

„Aber ich habe bezahlt und sie wartet“, brumme ich und will sie unbedingt in dieses Zelt kriegen. „Komm, die ist wirklich gut!“, versichere ich ihr.

„Bitte Erik …“, versucht Carolin dem Unvermeidlichen zu entgehen.

„Abgelehnt“, raune ich und lasse keine Widerrede zu.

„Ellen!“, ruft sie entsetzt und hält ihr mit flehendem Blick die Hand hin.

„Ich darf mit?“, kreischt Ellen aufgeregt.

„Alleine gehe ich da bestimmt nicht rein“, mault Carolin aufgebracht, weil ich sie zu so etwas zwinge. Aber ich sehe das als Notwendigkeit an. Für mich und für sie.

Ellen greift energisch ihre Hand und geht sogar vor.

Ich sehe den beiden hinterher und ziehe nervös eine Zigarette aus meiner Zigarettenschachtel.

Daniel sieht mich mit einem seltsamen Blick an und murmelt: „Und, gut oder schlecht?“

Ich kann nur die Schultern hochziehen und äußere mich nicht weiter. Daniels Blick wandert besorgt zu dem Zelteingang, hinter dem Ellen und Carolin verschwunden sind. Dann sieht er mich wieder an. Er tritt dicht an mich heran und raunt leise und mit ernstem Gesicht: „Ich glaube, es ist Ansichtssache, ob man solchen Hellsehern glaubt oder nicht. Wenn sie nichts Gutes zu sagen hatte, dann hoffe ich, dass du dich davon nicht runterziehen lässt.“

Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Aber ich ahne, dass er einfach nicht möchte, dass es in meinem Leben nicht gut läuft, denn er ist untrennbar damit verbunden. Schon durch Ellen. Und in der Vergangenheit waren ich und meine Schwester nicht leicht für ihn zu ertragen gewesen. Das ist mir mittlerweile, ohne das großkotzige Gefühl durch die Drogen, die alles verwischen, klar. Ich war oft genug ein unausstehliches Arschloch, auch ihm gegenüber.

Endlich kommt nach zwei Zigarettenlängen Ellen aus dem Zelt. Sie ist verwirrt und verunsichert und sieht zum Zelteingang zurück.

Auch ich werde nervös. Wo ist Carolin?

„Die Tussi hat mich einfach rausgeholt. Mittendrin. Frag mich nicht, warum. Ich würde die Aura stören“, brummt Ellen aufgebracht.

Ich will zum Zelteingang stürzen, als Ellen ihre Hand um meinen Oberarm legt und mich aufhält. „Wir sollen dieser Moinette einige Minuten geben, hat die Tussi gesagt.“

Ich bleibe stehen und gebe in Gedanken der ganzen Sache fünf Minuten, dann nehme ich den Laden auseinander.

Aufgebracht greife ich nach meinen Zigaretten und nehme mit fahriger Bewegung eine dritte. „Eine Zigarettenlänge“, brumme ich und zünde sie an. Viel zu schnell rauche ich sie auf und will erneut losstürmen, als Carolin aus dem Zelt tritt, blass und nach Luft schnappend.

„Puh, was hat sie noch von dir gewollt? Mich hat die eine Tussi schon rausgeholt“, erklärt Ellen ihr, weil Carolin verwirrt ist, dass sie draußen wartet.

Carolin schüttelt unwillig den Kopf und kommt direkt auf mich zu. Ohne ein Wort schiebt sie sich in meinen Arm und ich lege meine Arme um sie.

Verdammt, was ist da drinnen passiert?

Ich hauche ihr einen unsicheren Kuss auf die Stirn und frage mit belegter Stimme: „Alles in Ordnung?“

„Ja, alles okay“, raunt sie nur.

Ellen meint: „Gruselig. Und was für ein blödsinniger Kauderwelsch. Ich habe nichts von dem verstanden, was die gebrabbelt hat … außer das mit den Kindern. Naja, Kinder kriegt jeder“, murrt sie.

Carolin sieht mich an und ich sie. In mir zieht sich alles zusammen. Was ist mit Kindern? Hat Madame Moinette ihr gesagt, dass sie welche bekommt?

In mir spannt sich alles wie eine Gitarrenseite und ich habe das Gefühl, etwas könnte jeden Moment in mir zerreißen.

Ich schlucke und versuche in Carolins Blick eine Antwort darauf zu finden. Aber ich werde warten müssen, bis ich sie fragen kann. Und ob sie mir eine Antwort geben wird ist fraglich.

Es ist schwer, wieder in die Atmosphäre des Jahrmarktes einzutauchen. Ich möchte Carolin wegbringen und mit ihr über alles reden. Aber ich weiß auch, dass es ihre Entscheidung ist, ob sie mir sagen wird was die Hellseherin ihr gesagt hat. Genauso wie es ihre Entscheidung ist, ob wir zusammenbleiben. Das hat Madame Moinette zumindest zu mir gesagt.

Wir kehren dem Zelt den Rücken zu und stürzen uns wieder in die Kirmeswelt. Ich drücke Carolins Hand und sie sieht mich an. Sie wirkt genauso bedrückt und verwirrt, wie ich mich fühle. Vielleicht hätte ich sie nicht zwingen sollen zu Madame Moinette zu gehen?

Von hinten bekommt Carolin einen Schubs und ich kann sie gerade noch davor bewahren, nach vorne zu stürzen. Es ist das Trampel Susanne, die Lesbe, die sie von hinten in einem Anfall von Freude anfiel. Ich muss mich zurückhalten, um sie nicht zusammenzufalten. Aber auch Carolins andere Freundinnen sind da und freuen sich darüber, uns gefunden zu haben.

Ich freue mich gar nicht. Und noch weniger, als ich Julian und Michaela einige Meter von uns entfernt stehen sehe.

Julians Blick ist starr auf Carolin gerichtet, als wolle er sie hypnotisieren.

Michaela sieht mich an und ich frage mich, was sie bereit ist zu tun, um meine Aktion von damals zu rächen? Sie kann mich nur hassen.

Carolin schluckt verdattert, als ihr Blick auf ihren Bruder fällt.

Ich drücke beruhigend ihre Hand. Er wird nicht an sie herankommen, solange ich es verhindern kann.

Daniel und Ellen schieben sich neben sie und ich weiß, die beiden wollen sie auch beschützen.

Sabine fällt Carolin als nächstes um den Hals. Sie hat einen Typ an der Hand, der Carolin offensichtlich nicht unbekannt ist.

Ich registriere drei oder vier weitere Leute, die ich nicht kenne und nehme sie sofort in Augenschein, um ihr Gefahrenpotenzial einzustufen. Die beiden Männer registrieren meinen Blick, scheinen aber nicht weiter an uns interessiert zu sein. Das Mädchen gehört scheinbar mit zu Carolins Clique.

„Dass wir euch hier gefunden haben. Echt Hammer!“, ruft Sabine aufgedreht Carolin zu.

Es ist klar, dass alle davon ausgehen, dass wir mit ihnen mitgehen und es scheint keinen Ausweg zu geben. Ellen ist sogar richtig froh, auf die Bande gestoßen zu sein.

So ziehen wir gemeinsam weiter. Ich bleibe mit Carolin weit vorne in der Gruppe und sehe, dass Julian und Michaela am Ende bleiben. Das ist sein Glück.

Vor der Geisterbahn beschließen einige hineinzugehen. Scheinbar will Carolin einen Ausbruchversuch wagen und geht stur weiter, mich mitziehend. Aber Andrea und Sabine tauchen hinter uns auf und halten sie zurück. „Wartet, wir wollen da rein!“, ruft Sabine mit leuchtenden Augen.

Es werden Karten gekauft und Ellen kommt grinsend zu uns und wedelt mit ihren vor meiner Nase herum, um uns zum Mitfahren zu bewegen.

Ich sehe zu den Gondeln, in die immer vier Personen passen. Aber das ist mir wirklich zu albern.

Carolin schüttelt energisch den Kopf und knurrt: „Ne, ich will da nicht rein.“

Ellen versucht sie zu überreden und dann noch mal, ob sie mich erweichen kann. Aber letztendlich fahren Julian und Michaela mit ihnen mit.

Carolin schiebt sich in meinen Arm und ich halte sie umschlungen. Ihre Nähe tut gut und nimmt etwas den Schrecken, der immer noch durch meine Adern kriecht, ausgelöst von meinem Besuch bei der Hellseherin … und von Julians Anwesenheit.

Lachend und johlend tauchen die ersten in ihrer Gondel wieder aus dem Bauch der Geisterbahn auf und steigen aus.

„Mann, war das irre!“, ruft Sabine schon von weitem. Daniel und Julian kommen als nächstes. Julians Blick wandert sofort suchend zu Carolin, die sich noch dichter an mich heranschiebt.

Ich verstehe nicht, was das zwischen den beiden ist. Warum legt Julian es so darauf an wieder an Carolin heranzukommen?

Zum ersten Mal schiebt sich mir ein ungehöriger Gedanke in den Kopf. Er ist schließlich nur ihr Halbbruder …

Unverkennbar ist Daniel mit Julian ganz gut klargekommen. Ich kann nur darauf hoffen, dass Daniel herausfindet, wie Julian so tickt und was er vorhat. Ich verdränge den Gedanken, dass Julian andere Gefühle für Carolin hegt als rein geschwisterliche.

Die ganze Gruppe zieht weiter, nun von Ellen und Michaela angeführt, die Daniel und Julian mitziehen. Angesichts dieses Trends lassen Carolin und ich uns nach ganz hinten fallen.

Der Break Dance wird als nächstes angesteuert und auch mir juckt es in den Nervenbahnen. Ich liebe den Kick der schnellen Karussells und würde gerne auch einmal fahren.

„Wollen wir auch?“, frage ich Carolin mit wachsender Vorfreude.

„Tut mir leid, ich kann mit so etwas nicht fahren“, antwortet sie verlegen. „Ich habe noch nie ein Karussell überstanden, ohne dass ich hinterher kaum noch stehen konnte und mein Magen Harakiri begehen wollte.“

„Schade“, sage ich und bin doch etwas enttäuscht.

„Bitte, geh mit den anderen mit. Ich rühre mich auch nicht von der Stelle“, fleht sie mich an.

Ich sehe Julian hinterher, der zur Kasse geht und Karten kauft und schüttele energisch den Kopf.

„Bitte Erik, ich möchte, dass du mitgehst. Sonst habe ich ein schrecklich schlechtes Gewissen“, jammert sie auf.

Daniel taucht neben uns auf. „Komm Alter, ich habe Karten. Los, die anderen setzen sich schon.“ Er zeigt auf Julian, der neben Michaela Platz nimmt und mir ist klar, er kann Carolin nichts tun, wenn er mitfährt.

Carolin schiebt mich energisch in Daniels Richtung und ich greife eine seiner Karten und folge ihm.

Daniel setzt sich zu Ellen und ich setze mich allein hin. Ich sehe Carolins besorgten Blick, als es losgeht und genieße es, in einer wilden Abfolge von Schleudervorgängen hin und her geschüttelt zu werden.

Als es vorbei ist, kehre ich zu Carolin zurück, ziehe sie übermütig grinsend an mich und küsse sie.

Ihre Augen leuchten auf und sie bittet mich: „Bitte, geh überall mit, wonach dir ist. Das tut dir so gut!“

Das nächste ist der Flip Flop, an dem wir Männer nicht vorbeigehen können, ohne eine Fahrt mitzunehmen. Da Julian auch mitfährt und Ellen bei Carolin bleibt, fahre ich auch mit.

Wir werden etlichen Meter in die Höhe geschleudert, wie auf einer Riesenschaukel. Das lässt mich alles Schlechte dieses Tages vergessen.

Carolin scheint sich wirklich für mich mitzufreuen. Sie strahlt mich so glücklich an, wie ich mich in diesem Moment fühle. Und dann überrascht Julian alle, weil er noch eine Runde schmeißt. Und diesmal auch für die Mädels mit, die entsetzt aufkreischen, sich das aber unter diesen Umständen nicht zweimal sagen lassen.

Julian kommt zu mir und reicht mir eine Karte. Sein Blick fällt auf Carolin und er sagt mit fürsorglicher Stimme: „Nah, für dich ist das ja nichts. Stimmt’s? Du konntest das noch nie ab.“

Dabei funkeln seine dunkelbraunen Augen in diesem viel zu gutaussehenden Gesicht auf, und ich spüre klar Eifersucht durch meine Adern kriechen.

Er dreht sich um und geht und ich sehe ihm hinterher. In dem Moment ruft Daniel mir zu, dass ich zu ihnen kommen soll und ich sehe Carolin verunsichert an.

Ohne ein weiteres Wort entlässt sie mich aus ihrem Arm und ich nicke. Ihr kann nichts passieren, wenn wir alle mitfahren.

Schnell laufe ich zu den letzten Plätzen der Gondeln und als ich zurücksehe, wirft sie mir einen Handkuss zu.

Ich setze mich auf einen der wenigen freien Plätze und die Sicherungen fahren herunter. Langsam schrauben sich die drei Gondeln in die Höhe.

Ich kann noch einen letzten Blick auf Carolin werfen und erstarre. Sie sieht lächelnd zu mir herauf, aber hinter ihr steht Julian …

In mir setzt alles aus. Verdammte Scheiße, ich hatte nicht darauf geachtet, ob Julian auch wirklich in das Karussell eingestiegen war. Nun ist er bei Carolin und ich sitze in dieser Gondel fest, die langsam in die Höhe steigt.

Es ist unmöglich, Carolin auch nur annähernd im Auge zu behalten und irgendwann gebe ich es auf und hoffe nur, dass die Fahrt schnell endet. Aber wie alles, was schnell zu Ende gehen soll, dauert es eine gefühlte Ewigkeit.

Endlich senken sich die Gondeln endgültig ab und als die Sicherungen uns freigeben, sprinte ich zu Carolin, die alleine dasteht und wie zum Schutz ihre Arme um sich geschlungen hält. Sie wirkt verwirrt und so schrecklich verletzlich. Es versetzt mir einen Stich.

Ich starre Julian an, der mich nur angrinst. Am liebsten würde ich ihm an die Gurgel springen, als er auch noch die Schultern hochzieht, als könne er doch gar nichts dafür, dass er und Carolin die Einzigen waren, die bei diesem Spiel übriggeblieben sind.

„Carolin, ist alles in Ordnung?“, frage ich sie und ziehe sie in meine Arme. Es tut mir so unendlich leid, dass ich nicht aufgepasst habe und nur an mich und meinen Spaß dachte.

„Erik, es ist alles gut. Es ist nichts passiert“, raunt sie leise.

Michaela steuert auf Julian zu, der sie anlächelt. Zwischen ihm und uns bauen sich die anderen auf, die wahrscheinlich gar nicht mitbekommen haben, dass Julian nicht mitgefahren war. Selbst Daniel scheint nichts zu schnallen, als ich ihm einen aufgebrachten Blick zuwerfe.

Wir ziehen weiter und Carolin wirkt wie verändert.

Mir ist klar, Julian hat die Minuten genutzt, um sie sich zu schnappen. Aber ich kann sie hier nicht fragen, was vorgefallen war.

Wir kommen wieder an einem wahren Monsterkarussell vorbei. Wir waren an diesem Abend schon einmal davor stehen geblieben und Carolin sieht auch jetzt fast schon entsetzt auf die wild schleudernden Gondeln, die nur an seitlichen Aufhängungen befestigt eine unglaublich wilde Fahrt garantieren.

Ich würde gerne damit fahren, aber ich werde Carolin nicht noch einmal allein lassen.

Daniel winkt mir, dass er Karten holt und ich schüttele energisch den Kopf.

„Du kannst ruhig mitgehen“, sagt Carolin und sieht mich bittend an.

Ich sehe zu Julian, der meinen Blick erwidert, und schüttele den Kopf. „Noch mal wird ihm das nicht gelingen“, knurre ich.

„Ach bitte, ich will nicht, dass du was verpasst.“

Ich lache auf und knurre aufgebracht: „Das Wichtigste habe ich schon verpasst. Und zwar dich vor Julian zu beschützen.“

„Es ist mir nichts passiert! Er will mir nichts tun!“, versucht Carolin mich zu beruhigen.

„Sagt er! Ich traue ihm nicht und ich will nicht, dass er dir nochmals zu nahekommt“, kann ich ihr nur wütend entgegenschleudern.

„Dann lass uns gehen. Wir verschwinden. Wir müssen nicht mit denen mitgehen.“ sagt Carolin und sieht mich bittend an.

Sie spricht mir aus der Seele.

Nach ihrer Hand greifend, ziehe ich sie in die Menschenmasse, die sich an dem waghalsigen Karussell vorbeischiebt. Ich sehe mich kurz noch einmal um, aber keiner hält uns auf. Die meisten sitzen im Karussell und die anderen starren gebannt auf die wilde Fahrt.

Erst als ich mir sicher bin, dass uns keiner mehr verfolgt, werde ich langsamer und lege Carolin meinen Arm um die Schulter. Bei der nächsten Süßigkeitenbude halte ich an. „Komm, wir holen uns noch ein bisschen Proviant für den Nachhauseweg und verschwinden dann. Was magst du am liebsten?“

„Gebrannte Mandeln“, antwortet sie sofort.

Ich stupse lachend an ihre Nasenspitze. „Ich sagte doch, du wurdest für mich gemacht.“

Ich kaufe eine große Tüte gebrannte Mandeln, die auch für mich ein Muss auf jeder Kirmes sind.

Arm in Arm gehen wir dem nächsten Ausgang entgegen und verlassen das bunte Treiben, das sich für diesen Abend scheinbar dem Ende nähert. Einige Buden schließen schon.

Wir nehmen den kürzesten Weg nach Hause und füttern uns gegenseitig mit den süßen Mandeln.

Carolin sieht mich erstaunt an, als wir am Hasetor ankommen und ich grinse sie an. Sie kennt sich immer noch nicht genug in der Stadt aus, um immer wieder nach Hause zu finden und ich spüre, wie sehr sie auf mich angewiesen ist. Und ich will, dass sich das niemals ändert.

Unter der Eisenbahnbrücke ziehe ich sie an mich, drücke sie an die Wand und schiebe mich dicht an sie heran. „Ich glaube, wir brauchen eine kleine Pause. Mir ist nach einem Kuss …“, raune ich und lege eine Hand in ihren Nacken, um sie festzuhalten.

Carolins Augen funkeln mich an und sie schlingt ihre Arme um meinen Hals. Wir küssen uns und ich spüre eine Hitze durch meine Adern jagen, als unsere Zungen sich berühren. Ich dränge mich dichter an ihren warmen Körper, der plötzlich zu erstarren scheint. Sie beendet den Kuss und nimmt ihre Arme von meinem Nacken.

„Was ist los?“, frage ich sie beunruhigt und sehe, dass sie mich traurig und besorgt mustert. „Nichts“, haucht sie aber nur und sieht an mir vorbei.

Ich bin mir sicher, dass sie lügt. Irgendetwas stimmt nicht.

„Komm!“ Ich ziehe sie unvermittelt weiter und in meinem Kopf kreisen die Möglichkeiten, was in ihrem vorgehen könnte. Es kann keine Lappalie sein, wenn sie sich sogar meinem Kuss entzieht.

Ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken, als Julian sich in meinen Kopf schiebt.

Wir überqueren die Straße und gehen den Wall hinauf.

Ich kann das Schweigen zwischen uns nicht länger ertragen und frage barsch: „Was hat Julian zu dir gesagt?“

Carolin sieht mich erschrocken an und ich zwinge sie stehen zu bleiben. „Ich will es genau wissen!“, knurre ich aufgebracht.

Es dauert bis Carolin antwortet. Scheinbar sucht sie nach einem Ausweg nicht antworten zu müssen. Aber den gibt es nicht und sie raunt leise: „Dass er dich in den Knast bringen kann.“

Er hat ihr also genauso gedroht wie mir. In mir kriecht Wut hoch und ich könnte mir eine reinhauen, dass ich ihm die Möglichkeit dazu gab.

„Das hat er mir auch angedroht. Aber er kann mir gar nichts, wenn ich keine Drogen bei mir habe und nichts nehme. Gar nichts! Und wenn er mir noch so viel die Polizei auf den Hals hetzt“, fauche ich wütend. Ich ziehe sie weiter. „Vielleicht buchten sie mich ein paar Tage ein, bis sie Gewissheit haben, dass ich sauber bin. Aber ansonsten …“, brumme ich.

„Ein paar Tage?“, raunt sie neben mir entsetzt.

Ich bleibe wieder stehen und sehe die Angst in ihren Augen. Ich nehme ihr Gesicht in beide Hände und versuche sie zu beruhigen. „Carolin, sie können mir nichts! Wirklich!“

„Julian will dir etwas unterjubeln“, stammelt sie.

Ich schließe kurz die Augen. Das ist also sein Plan.

„Das wäre schlecht“, raune ich leise und ziehe sie weiter. „Aber ich passe auf. Und Daniel stellt sich mit ihm gut, um ihn etwas zu bespitzeln“, versuche ich ihr erneut die Sorgen zu nehmen.

„Julian weiß, dass du Daniel auf ihn angesetzt hast. Er hat es mir gesagt“, sagt sie daraufhin nur und ich schüttele den Kopf. „Der ist gar nicht so dumm“, brumme ich.

„Bitte sei vorsichtig. Und lass mich bitte noch einmal mit ihm sprechen. Wenn ich nur wieder mit ihm reden muss und etwas nett sein muss, damit er euch in Ruhe lässt, dann mache ich das“, sagt Carolin und mir stockt der Atem. Wenn sie „etwas nett“ zu ihm sein muss?

Erneut braut sich in mir ein Verdacht zusammen, dass Julian ihr nicht nur ein Bruder sein will. Und hatten wir ein ähnliches Thema nicht auch schon bei Tim? Hatte sie mir da nicht auch gesagt, sie muss etwas nett zu ihm sein, damit er glaubt, sie gehört noch ein wenig ihm, damit er uns in Ruhe lässt.

Mir wird übel und die Mandeln rühren in meinem Magen wie in einem Betonmischer.

Wir überqueren die Straße, um kurz darauf in unsere einzubiegen.

„Nein, eher lasse ich mich einknasten“, fauche ich.

Ich ziehe sie im Eilschritt hinter mir her und sie kann nur mit Mühe Schritt halten. Aber ich will nach Hause, hinter uns alle Türen schließen und die Welt ausgrenzen, die ich nicht einschätzen kann. Nichts kann ich mehr einschätzen. Nicht mal mehr das, was Madame Moinette gesagt hat. Meine Welt verliert jeglichen Halt.

Endlich biegen wir in unsere Einfahrt ein. Ich schließe kurz darauf die Haustür auf und ziehe sie hinein, während sie resigniert jammert: „Das lasse ich nicht zu. Erik, ich kann das alles nicht ohne dich. Auch nicht nur ein paar Tage.“

Ich lasse die Tür ins Schloss fallen und atme tief ein, weil ich das Gefühl habe, mir bleibt die Luft weg.

Sie sieht mich aus traurigen Augen an und ich ziehe sie in meine Arme. „Das wäre auch mein Untergang. Ich würde verrückt werden, wenn ich dich hier allein und schutzlos wüsste.“

So stehen wir nur da, halten uns fest und wissen, dass Carolin eigentlich gar nichts anderes übrigbleibt, als ihren Bruder wieder als Bruder in die Arme zu schließen. Aber will er etwas anderes, werde ich ihn ins Jenseits befördern.

Irgendwann meldet sich mein Handy und ich entlasse Carolin verunsichert aus meiner Umarmung, um es aus meiner Tasche zu ziehen.

„Hallo Daniel“, sage ich nach einem Blick auf das Display.

Daniel ist gut gelaunt und aufgedreht und fragt, wo wir stecken und ob wir noch mit ins Alando kommen.

„Ne, wir sind schon zu Hause. Geht man alleine und viel Spaß noch“, raune ich resigniert.

„Ey, die sind alle echt gut drauf. Komm, sei kein Spielverderber. Die machen wegen euch schon blöde Sprüche“, ruft Daniel viel zu überdreht ins Telefon und ich knurre aufgebracht: „Ist mir egal. Wir hatten keine Lust mehr und nachdem Julian es doch noch geschafft hat, Carolin zu bedrohen, sowieso nicht mehr.“ Ich drücke erbost das Gespräch weg und knurre: „Die wollten, dass wir noch ins Alando kommen.“

Carolin betätigt erneut den Lichtschalter, um die Treppe zu beleuchten und geht vor mir hoch zu unserer Wohnung. Oben schließt sie auf und ich lasse die Tür hinter mir wieder ins Schloss fallen und schließe zu. Für heute ist Schluss.

Wir ziehen unsere Schuhe aus und hängen die Jacken auf.

„Magst du auch noch einen Cappuccino oder Tee?“, frage ich und gehe in die Küche. Carolin folgt mir nicht, aber ich setze trotzdem Wasser auf. Als sie wenig später doch erscheint, stehen schon zwei Tassen auf dem Tisch und in ihrer liegt ein Teebeutel und neben meiner stehen das Cappuccinopulver und der Zucker. Aber ich fühle mich von meinen Gedanken erschlagen, die mich alles noch einmal Revue passieren lassen. Der Schreck, als Julian hinter ihr stand und ich in diesem Karussell festsaß, ihre Worte, dass er mich in den Knast bringen will, wohl um sie alleine und ohne meinen Schutz angehen zu können, die Ungewissheit, was er dann mit ihr vorhat und zu guter Letzt die Worte der Hellseherin, das Carolins und meine Zukunft ungewiss ist, weil sie ein dunkles Geheimnis hütet ...

Carolin kommt mit dem heißen Wasser an den Tisch und gießt es in unsere Tassen. Ich registriere das, bin aber wie gelähmt. Mir wird klar, wie hoffnungslos und schwierig unsere Situation ist.

„Was kann ich nur tun?“, frage ich fast stimmlos. „Wegen Julian!“

Carolin setzt sich zu mir und antwortet ziemlich brüsk: „Nichts. Lass ihn einfach in Ruhe. Ich regele das. Wenn er etwas Schwesterngetue von mir verlangt, dann soll er das haben. Hauptsache er lässt dich in Ruhe. Und du schaust, dass er dich und Daniel wirklich mit nichts belasten kann.“ Ihre Stimme hat einen erschreckend rüden Unterton und klingt wütend.

Sie steht auf und geht ins Wohnzimmer zurück. Ich sehe ihr nach, immer noch wie gelähmt. Sie kommt mit ihrem Handy zurück und setzt sich auf ihren Platz.

Ich werfe ihr einen beunruhigten Blick zu.

„Den Zucker musst du selbst nehmen“, sagt sie und zeigt auf meine Tasse, während sie eine SMS eintippt.

Ich kann nur resigniert den Kopf schütteln, als sie sie mir zu lesen gibt. „Julian, du sollst dein Schwesterngetue haben. Aber Erik und Daniel lässt du ganz in Ruhe. Haben die auch nur einmal Schwierigkeiten, dann ist es für immer mit der Geschwisterliebe vorbei. Carolin.“

Dass sie Julian das schrieb, macht mich völlig fertig. Aber ich weiß auch, dass Julian am längeren Hebel sitzt und mir nichts anderes übrigbleibt, als die Lage zu akzeptieren wie sie ist.

Niedergeschlagen raune ich: „Ich habe wirklich gedacht, dass nie wieder jemand so etwas mit mir machen kann.“

Carolin beugt sich vor und während sie mir sanft meine Locken über der Stirn zurückstreicht, sagt sie: „Es ist nicht so schlimm für mich, wie du denkst. Ich komme schon klar, wenn wir beide einfach nur zusammen sein können.“

Sie gibt den immer noch fehlenden Zucker in meine Tasse und rührt um. „Komm Schatz, wir schaffen das! Julian hat mir versichert, er will mir nichts Böses mehr. Und ich glaube ihm das.“

Will sie mich beruhigen?

Wir nippen an unseren Tassen und hängen unseren Gedanken nach. Es gibt nichts mehr darüber zu sagen. Sie hat sich für mich geopfert und ihrem Bruder geschrieben, dass sie bereit ist, ihn wieder in ihr Leben zu lassen, wenn er mich und Daniel dafür in Ruhe lässt. Sollte er ihr aber doch dumm kommen, bringe ich ihn um.

Carolin geht schon bald ins Bett und ich rauche noch eine Zigarette, bevor ich ihr folge. In meinem Kopf schreit alles nach einer Prise Weiß, um das hier ertragen zu können. Aber selbst das kontrolliert Julian jetzt. Einmal und er kann mich schon hochnehmen, egal was er Carolin für ihren Einsatz verspricht.

Die erwartet mich tief unter ihre Decke versteckt und ich sehe ihr an, wie sehr sie das alles wieder mitnimmt.

Ich ziehe mich aus und schiebe mich zu ihr unter die warme Decke. Sie zieht mich an sich und legt ihre Arme um mich. Offenbar ist mir nicht mal böse, dass ich einfach nicht in der Lage bin, sie zu beschützen und mein Leben sie zu Dingen zwingt, zu denen sie niemals gezwungen werden sollte. Es wäre so, als müsste ich Freundschaft mit Daniela, dem Kindermädchen von damals, schließen, dass mich als fünfjährigen entführte und mir die Brust zerfetzte. Undenkbar.

Ich seufze leise und verdränge den Gedanken.

Sofort schiebt sich Madame Moinette in meinen Kopf und was sie mir sagte. Carolin wird entscheiden, ob wir zusammenbleiben und etwas versucht sie dazu zu bringen, dass sie mich verlässt.

Mir schießt sofort Julian in den Kopf.

Außerdem werde ich nie Kinder bekommen. Madame Moinette war selbst überrascht, warum das so deutlich hervorstach.

Für mich hat das keine Wichtigkeit. Überhaupt keine.

Ich liege auf Carolins Brust und horche auf ihren Herzschlag. Ellen schiebt sich in meinen Kopf, wütend und aufgebracht aus dem Zelt der Hellseherin stampfend und brummend: „Was für ein blödsinniger Kauderwelsch. Ich habe nichts von dem verstanden, was sie gebrabbelt hat … außer das mit den Kindern.“

Mir stockt der Atem, und ich erstarre innerlich. Plötzlich wird mir eiskalt.

Carolin streicht mir durch das Haar und ich sehe auf. Der seichte Schein der kleinen Nachttischlampe lässt ihre Augen funkeln und sie erwidert meinen Blick.

„Carolin?“, frage ich und mir stockt jetzt schon der Atem.

„Ja?“

„Sagst du mir, was die Hellseherin dir gesagt hat?“, flüstere ich.

Carolin zögert und raunt dann vorsichtig: „Ich glaube, das sollten wir besser nicht.“

Ich schiebe mich noch dichter an sie heran und frage: „War es so schlimm?“

„Ich weiß nicht! Ich habe nicht viel von dem verstanden, was sie sagte“, antwortet sie zurückhaltend.

Ich sehe wieder auf. „Beantwortest du mir wenigstens eine Frage … ganz ehrlich?“ Ich kann es einfach nicht dabei belassen.

Sie sieht mich an und nickt unschlüssig.

„Hat sie etwas über Kinder gesagt? Ob du mal welche bekommst, meine ich“, frage ich, und meine Stimme klingt wie ein verstimmtes Klavier.

Sie antwortet nicht und ich schiebe mich auf meine Ellenbogen, um sie ansehen zu können. Ich überfliege ihr Gesicht nach einer Regung, die mir eine Antwort gibt.

„Zwei“, sagt sie plötzlich und unerwartet.

Ich lasse mich auf den Rücken fallen und schließe betroffen die Augen. Jetzt weiß ich, warum das mit meiner Kinderlosigkeit so wichtig ist. Die Einsicht nimmt mir den Atem, raubt mir meine Energie und den Verstand. „Verdammt!“

„Warum?“, fragt Carolin und ist sichtlich erschrocken über meine Reaktion.

„Keine Kinder“, antworte ich nur, als hätte sie mir die gleiche Frage gestellt.

An ihrem Gesicht sehe ich, dass ihr gerade klar wird, was das heißt. Wir haben keine gemeinsame Zukunft. Unsere Liebe ist zu Ende, bevor sie richtig beginnt.

Ich möchte aufspringen und fliehen, mich in meinen Panikraum einschließen und für immer alles vergessen. Und wirklich für immer. Bevor ich ertragen muss, dass sie mich verlässt.

„Warte!“, ruft Carolin plötzlich, als hätte sie eine unglaubliche Idee. „Ich bin Doppelträger!“

„Was?“, frage ich verständnislos und spüre einen Schmerz durch meine Eingeweide kriechen, als wäre schon heute alles für uns vorbei.

Carolins Gesicht leuchtet auf und ihre Augen glänzen wie im Fieber. Sie wirft sich lachend auf mich. „Oh Mann, das ist die Lösung!“

Ich lege locker meine Hände auf ihren Rücken, als könne ich mich an ihr verbrennen. Ihren Stimmungswechsel kann ich nicht nachvollziehen. In mir ist alles, als läge es im Sterben.

„Ich bin Doppelträger, hat sie gesagt. Das heißt, ich habe zwei mögliche Schicksale, die sich erfüllen können. Und eins ist mit zwei Kindern und ohne Liebe und mit ganz viel Hass und Ärger“, erklärt sie völlig überdreht. „Aber das andere ist mit keinem Kind, Liebe, Verbundenheit durch schlimme Vergangenheit … Das bist du! Erik, sie meinte dich damit!“, ruft sie übermütig und sich vollkommen sicher. „Mein zweites Schicksal bist du! Ist ja logisch!“ Sie schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

Ich sehe sie nur verständnislos an. „Was, wie? Ich? Aber du sagtest … zwei Kinder“, raune ich verunsichert.

„Nur, wenn sich das Schicksal erfüllt, das ganz schlimm für mich ist und das ohne richtige Liebe sein wird. Aber es gibt ein weiteres, das für mich vorgesehen ist und das ist ohne Kind und mit dir. Ich will keine Kinder. Ich will nur dich! Jetzt verstehe ich, was sie mir gesagt hat“, sagt Carolin mit leuchtenden Augen.

„Und das erste Schicksal mit den zwei Kindern ist wer?“, frage ich betroffen.

Sie stutzt. „Keine Ahnung. Für mich nicht relevant. Sie hat gesagt, dass es dort nur Hass und keine Liebe gibt“, antwortet sie atemlos. „Erik, sie meint, dass wir eine Zukunft haben! Wir beide!“

Ich sehe sie verunsichert an und in mir schreit alles danach, ihr glauben zu wollen. Alles andere ist zu unerträglich. Aber wie soll ich das glauben? Wie das verstehen? Und das mit den Doppelträgern? Hat Carolin sich das gerade ausgedacht, um mich zu beruhigen?

„Ich glaube, ich will das noch mal ganz genau von ihr wissen. Ich gehe noch einmal zu ihr“, murmelt ich nur.

Carolin nickt nur und zieht mich wieder an sich.

Ich schlinge meine Arme um ihren schmalen Körper und sehe noch einmal vorsichtig in ihr Gesicht. Aber alle Anspannung scheint von ihr abgefallen zu sein. Sie sieht fast glücklich aus.

Das verunsichert mich noch mehr, weil sie sich scheinbar plötzlich ganz sicher ist, recht zu haben. Und mir wird klar, wie sehr ich mir das wünsche. Aber mir reicht eine Vermutung nicht. Ich brauche Gewissheit.

Am Sonntagabend ziehe ich Carolin erneut zu dem Zelt der Wahrsagerin. Es ist schönstes Herbstwetter und dementsprechend sind viele Menschen auf der Kirmes, die sich durch die Gänge schieben.

Mir ist es recht. So bleiben wir unerkannt. Denn ich habe nur ein Ziel, was mich auf die Kirmes treibt … und das hat nichts mit dem zu tun, was all die anderen Menschen hier wollen.

„Okay, und du gehst mit, ob du willst oder nicht“, brumme ich und dulde keine weitere Ausrede, füge aber noch ein „Bitte“, hinzu.

Carolin sieht mich fast schon panisch an. Sie will nicht noch einmal zu dieser Frau gehen. Ihr reicht ihre Einsicht vollkommen aus. Mir aber nicht.

„Erik, ich habe Angst. Was machen wir, wenn sie uns nichts Gutes zu sagen hat?“, fragt sie plötzlich. Also ist sie sich doch nicht ganz sicher.

Ich sehe sie nur an und versuche das ungute Gefühl zu unterjochen, das mich seit gestern fest im Griff hat. Ich versuche alle Gefühle aus meinem Inneren zu verbannen und nicht daran zu denken, was das für uns heißen würde. In der Nacht und den ganzen Tag über habe ich den neuen Erik in einen Kerker aus Eis gesperrt und den alten Erik wieder rausgelassen. Der, den kein Gefühl erreichen kann. Aber zu meinem Entsetzen muss ich feststellen, dass die Wut und Gefühlslosigkeit, die diesen Erik zeitlebens beherrschte, längst nicht mehr so tief sitzt.

„Aber wir brauchen Gewissheit. Es ist egal, was sie sagt. Nichts bringt uns auseinander. Aber wenn es etwas zu bekämpfen gibt, dann will ich das wissen. Und ich will wissen, was das für eine Doppelgeschichte ist“, murre ich und habe auch die alte Stimme wieder, die den alten Erik ausmachte.

Wir tauchen in das Zelt ein und die junge Frau, die ihre Aufgabe darin hat, die Kunden herein- und hinauszubegleiten und zu kassieren, sieht uns schon entgegen.

Bevor ich etwas sagen kann, sagt sie mit ihrer klaren, hohen Stimme: „Madame Moinette erwartet euch schon. Ich bringe euch zu ihr.“

Carolin sieht mich erschrocken an und ich umfasse ihre Hand fester. Diese Frau, zu der wir gehen, weiß natürlich, dass wir kommen. Mich überrascht das nicht. Schließlich ist das ihr Job.

Die schwarzhaarige Frau sieht uns schon entgegen. Aber ich habe gleich das Gefühl, dass sie unser Erscheinen nicht freut. Ihre Gesichtszüge sind starr und wie gemeißelt.

Die junge Frau deutet uns, dass wir uns setzen sollen.

Ich lasse Carolin den Vortritt und setze mich neben sie. Ohne Umschweife frage ich: „Frau Moinette, wissen Sie warum wir hier sind?“

Sie lehnt sich vor und sieht erst Carolin, dann mir in die Augen. „Erik und Carolin. E+C. Ihr wollt wissen, welche Chance ihr habt. Aber sie hat Angst. Angst vor dem, was ich sagen könnte“, sagt sie und nickt zu Carolin hin.

Ich werfe Carolin einen schnellen Blick zu, die Frau Moinette nur anstarrt.

Mich vorbeugend, raune ich: „Ich möchte wissen, ob wir eine Zukunft haben und was ich tun muss, damit wir zusammenbleiben können.“

Carolin wirft mir einen Blick zu, den ich nicht deuten kann.

Frau Moinette sieht mich lange an, bevor sie antwortet: „Zukunft! Zukunft ist wann? Und wann endet die eine Zukunft und wird zu einer anderen? Du willst wissen, ob dein Schicksal mit Carolins verknüpft ist? Das ist es natürlich. Ihr lebt zusammen, ihr liebt euch. Eure Seelen sind auf eine Weise verknüpft, dass ihr euch finden musstet. Aber du willst wissen, warum Carolin auch ein Leben als Mutter führen kann, wo du wahrscheinlich niemals Vater wirst.“

Ich setze mich zurück. „Genau.“ Sie spricht aus, was tief in mir wütet.

„Ich möchte dir etwas erklären“, sagt Madame Moinette an mich gerichtet. „Schicksale sind vorgegebene Zukunftsereignisse, die immer mehrere Menschen und Geschehnisse miteinander verbinden. Deshalb sind sie auch änderbar. Denn jeder hat einen gewissen Grad an Mitbestimmung für seinen eigenen Lebensverlauf. Erik, du hast dein Schicksal, das dir ein glückliches, aber wahrscheinlich kinderloses Leben beschert, wenn du den Weg weitergehst, den du beschritten hast. Ich habe dir im Frühjahr gesagt, dass du in diesem Sommer auf einen Menschen triffst, der dein Leben verändern kann, wenn du es zulässt. Du bist auf Carolin gestoßen. Du hättest dein Leben aber auch so weiterführen können, wie du es vorher getan hast und ihr wärt niemals auf diese Art zusammengekommen. Verstehst du das?“

Ich nicke, von den schwarzen Augen wie in einen Bann gezogen. Ahnt diese Frau, wie ich vor Carolin war? Oder weiß sie es sogar? Ich hätte Carolin tatsächlich in mein Bett zerren können, um sie wie alle anderen hinterher abzuservieren.

„Und dass Carolin sich auf dich eingelassen hat unterliegt ihrem Willen, denn sie hat zwei Wege in sich, die sie wählen kann. Der eine war lange Zeit ihr eigentlicher Hauptweg. Aber euer Schicksal ist miteinander verwoben und sie musste auf dich stoßen und eine Entscheidung treffen. Auch das war ihr vorbestimmt.

Offensichtlich hat sie sich für das Schicksal mit dir entschieden und es somit zur Realität werden lassen. Dass sie das tat, war aber keinesfalls fest vorprogrammiert.“

Sie wendet sich an Carolin. „Das andere Schicksal in dir ist sehr mächtig und fordert sein Recht auf Erfüllung. Außerdem hängen zwei Männer daran, deren Schicksale wahrscheinlich auch zwei Wege beschreiben. Doch wenn du dich weiterhin für ein gemeinsames Leben mit Erik entscheidest und er diese Entscheidung mitträgt, dann fallen für die anderen beiden der gemeinsame Weg mit dir weg.“

Carolin fragt neben mir mit tonloser Stimme: „Wenn ich Eriks Schicksal bin, was würde dann mit ihm passieren, sollte ich mich für das andere entscheiden?“

Ich werfe ihr einen schnellen, aufgebrachten Blick zu. Warum fragt sie das?

„Das kann ich dir nicht sagen. Wenn er dann zu mir kommen würde, könnte ich den Weg sehen, den sein Schicksal dann nimmt. Da du ein Doppelträger bist, ist es besonders schwer klar zu sehen, was passieren wird und was das Schicksal dann für Erik bereithält.“

Sie wendet sich an mich: „Ich kann zu diesem Zeitpunkt nicht klar erkennen, ob ihr zwei zusammenbleibt und was für dich vorgesehen ist. Es ist alles wie in einem dunklen Meer eingeschlossen und ich kann nicht bis auf den Grund des Wassers sehen. Ich sehe nur dein jetziges Leben mit Carolin und dass auch noch etwas anderes für sie vorgesehen ist.“

„Aber hat dann nicht jeder mehrere Schicksale in sich?“, fragt Carolin.

Madame Moinette scheint einen Augenblick unentschlossen zu sein, was sie uns sagen soll, beginnt dann aber: „Wir haben alle einen festen Plan, dem wir folgen sollen. Es gibt Bestimmungen im Leben, die wir trafen, als wir dieses Leben wählten und welche, die uns auferlegt werden, während wir dieses Leben zu meistern versuchen. Ich kann nicht immer klar erkennen, was uns vorbestimmt ist und was wir selbst steuern. Ich kann es nur zu interpretieren versuchen. Und die Doppelträger bringen alle vorgegebenen Wege immer wieder ins Wanken, und erschweren uns das Sehen und Deuten erheblich, denn in ihnen leben wahrscheinlich zwei Seelen, die ihren Weg suchen. Genau wissen wir das nicht. Auch uns offenbart sich nicht alles und in seiner ganzen Klarheit.

Bei dir, Erik, sehe ich ein dunkles, graues Leben, das du aber dem Licht zuführen sollst. Das wurde dir aber erst möglich, als du auf Carolin getroffen bist. Darum setzt du alle Hoffnung in sie und deshalb glaube ich, dass Carolin für dich ein fest vorgegebener Weg für dein Leben ist. Das ist, was ich jetzt sehen kann. Aber irritierend ist für mich der Punkt, dass zum jetzigen Zeitpunkt deine Kinderlosigkeit seltsam hervorsticht. Ich weiß nicht warum, und auch nicht, wieso das so vordergründig erscheint. Es drängten sich schon oft bei meinen Sitzungen Kinder in meine Wahrnehmung, aber noch nie Kinderlosigkeit. Und ich spüre klar, dass du niemals auch nur einen Gedanken an Kinder verschwendet hast und daher kein übergeordneter Kinderwunsch präsent ist.“

Ich starre in die Augen der Frau vor mir. Ich verstehe diese Kindergeschichte auch nicht und dass mit den Doppelschicksalsträgern ist der pure Wahnsinn! Sie bringen den Verlauf der Welt ins Wanken und Carolin soll so eine sein?

„Und bei dir, Carolin“, wendet sie sich von mir ab, „drängen sich diese Kinder in den Vordergrund, obwohl ich bei dir einen enormen Widerwillen gegen Kinder spüre. Aber du bist Doppelträger. In dir ist etwas, was dich leitet und in eine bestimmte Richtung drängen will … zu einem bestimmten Weg.“ Sie klingt verstimmt, als sie leiser raunt: „Eure Geschichte … das, was ich sehe und was ich bei dem Doppelträger, der vor euch bei mir war, sah, irritiert mich. Es ist auch mit ihm eine Seelenverwandtschaft vorhanden, aber in einem für mich unerklärlichen Zusammenhang. Ich bin damit etwas überfordert. Aber ich versuche es zu verstehen.“ Einen Augenblick scheint ihr die Konzentration abhanden zu kommen. Dann fährt sie fort: „Ich sagte gestern schon, dass in dir etwas schlummert, das deinen Weg beständig zu bestimmen versucht, obwohl ich ihn nicht als guten Weg empfinde. Es sind zwei Schicksale daran gekoppelt, von denen einer der andere Doppelträger ist. Ich kann nicht klar erkennen, was es damit auf sich hat und verstehe nicht ganz, warum diese zwei Kinder so wichtig darin bestand haben. Ich sagte ja schon, sie sind von zwei verschiedenen Vätern und entschuldigt, dass ich das sage - das eine ist keine Konstellation, in der man Kinder zeugen sollte.“

Ich verstehe nur noch Bahnhof. Doppelträger, vorgegebene, selbstbestimmte, gute und schlechte Wege, Kinderlosigkeit und Kinder mit mehreren Vätern, die in trauter Mehrsamkeit zusammenhausen und besser keine Kinder zeugen sollten …

Ich versuche alles noch einmal auf einen für mich verständlichen Punkt zu bringen, aber Madame Moinette spricht weiter: „Außerdem steht etwas Dunkles dahinter, das ich als Bedrohung ausmache, aber nicht klar definieren kann. Es ist alles so verworren und als wolle ein Schleier es unsichtbar machen.“

„Okay“, sage ich leise. „Heißt das, dass allein bei Carolin die Entscheidungskraft liegt, weil sie mein Schicksal, aber auch das von zwei anderen ist?“

„Die wahrscheinlich beide auch Doppelträger sind. Ja. Eine unglaubliche Häufung, die mir so noch niemals untergekommen ist. Ich bin etwas verwirrt darüber, kann es aber nur so deuten“, gesteht die Frau vor uns und scheint einen Augenblick in eine andere Welt abzutauchen. Leise murmelt sie, eher an sich selbst gerichtet: „Wir wissen zu wenig über diese Doppelschicksale, ihre Ursache und ihre Entstehung.“

Langsam geht mir diese Doppelgeschichte wirklich auf den Geist.

„Aber ich bin definitiv eins ihrer Schicksale?“, frage ich geradeheraus.

„Offensichtlich.“

„Gut, wenn sie sich also für mich entscheidet, wird unser Schicksal sich erfüllen, wie es auch immer weitergeht?“

„Genau“, sagt Madame Moinette.

„Frau Moinette, und ich habe keine Mitbestimmungsgewalt?“, frage ich mürrisch noch einmal nach.

Sie sieht mich seltsam an und antwortet: „Aber natürlich. Wenn du sie verprügelst und betrügst wird sie dich verlassen und sich dem anderen Schicksal zuwenden. Das ist, was du selbst bestimmen kannst und was den Weg von deiner Seite aus ändern kann. Auch wenn ihr Schicksal sagt, dass ihr zusammen alt werdet.“

Ihre Worte sind wie ein Hieb ins Gesicht. Ich werde Carolin niemals schlagen oder betrügen. Aber sie muss einiges bei mir aushalten, dass ich nicht ändern kann und das jede andere, die wählen könnte, schon längst in die Flucht geschlagen hätte.

Carolin flüstert neben mir „Und was können die anderen tun, damit sich das Schicksal zu ihren Gunsten wendet?“

Madame Moinette sieht von ihr zu mir und dann wieder Carolin an. „Ich sagte schon, dass du ein Schicksal in dir trägst, das mächtig ist und nicht nur von Betroffenen herbeigesehnt wird, sondern auch von Außenstehenden, die aus der Erfüllung Kapital schlagen wollen. Dem zu widerstehen und dagegen anzukämpfen kann eure ganze Kraft fordern und die anderen letztendlich gewinnen lassen, wenn ihr nicht stark genug seid.“

Ihre Worte winden sich wie klebriger Schleim in meinem Kopf. Carolin hatte nichts davon erwähnt, dass es da auch noch irgendwelche anderen Einflüsse gibt, die sie in das andere Schicksal drängen wollen. Von was oder wem sprechen die beiden?

„Sie sagen, es betrifft zwei Männer. Aber es ist doch nur ein Schicksal“, sage ich und versuche das Ganze irgendwie zu verstehen.

„Deren Leben ist unweigerlich miteinander verbunden. Die beiden Männer tragen das gleiche Schicksal, dass bei Erfüllung dann für jeden einzelnen weitergeht, ohne die Verbindung zu Carolin zu verlieren. Und es ist ihr Schicksal, mit beiden gleichzeitig verbunden zu sein“, antwortet die Frau vor uns.

„Hä? Wie, sie ist dann mit beiden zusammen?“, frage ich aufgebracht.

„Was ich sehen kann … sie ist mit beiden fest und ausschließlich verbunden. Das sehe ich klar … und die Kinder, die daraus entstehen werden, und die seltsam Wichtig über Allem zu thronen scheinen. Aber solange ich nicht weiß, welches Schicksal Carolin zur Erfüllung bringt, kann ich nicht sehen, wie es weitergeht.“

Carolin sieht völlig überfordert von mir zu der Frau vor uns. Ihr Gesichtsausdruck wandelt sich von verunsichert in mürrisch und ich sehe Madame Moinettes Augen zu ihr wandern und sie mustern. Fast scheint es um uns herum zu knistern.

„Gute Einstellung. Ich sagte dir gestern schon, das ist ein guter Weg“, raunt sie Carolin mit weicher Stimme zu, ohne dass diese auch nur ein Wort gesagt hat.

Carolin wirkt kurz verdutzt und ich versuche zu ergründen, was hier gerade vor sich geht. Dann nickt Carolin kaum merklich und sieht mich an.

„Und nun geht. Ich habe euch alles erklärt, was ich euch sagen konnte. Ich wünsche euch alles Gute und dass ihr stark seid“, sagt die Frau vor uns und erhebt sich.

„Vielen Dank, Madame Moinette“, sagt Carolin viel zu schnell und steht auf.

„Vielen Dank“, raune ich, bin aber unzufrieden. Ich habe nicht das Gefühl, genug zu wissen, um klar erkennen zu können, was ich tun soll und welche Chancen wir haben.

Die junge Frau erscheint hinter uns und begleitet uns in den vorderen Teil des Zeltes. Ich frage sie, meine Geldtasche zückend: „Was kostet das Gespräch? Der übliche Preis?“

Sie schüttelt den Kopf und winkt ab. „Madame Moinette möchte diesmal keine Bezahlung.“ Sie schiebt uns zum Ausgang und ich sehe sie nur fassungslos an. Dass sie kein Geld wollen, verunsichert mich, weil ich nun das Gefühl habe, es war keine Vorhersage unserer Zukunft, sondern eine Erklärung und ein Wegweiser für arme, hoffnungslose Fälle, die der Frau da drinnen nur leidtun.

Als uns die frische Luft umfängt, atme ich gierig die sauerstoffreiche Luft ein und uns umfangen sofort der Rummel und der Lärm wieder. In dem Zelt hatte ich nichts davon mitbekommen.

Ich greife nach Carolins kalter Hand und ziehe sie mit mir fort, dem nächsten Ausgang entgegen. Ich will nach Hause, über alles nachdenken und Carolin und mich in unserer Wohnung einsperren, bis ich weiß, was ich tun soll. Vielleicht für immer. Dann kann uns nichts angreifen, nichts uns auflauern und nichts uns zerstören.

Wir laufen nach Hause und sprechen unterwegs kein Wort. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Ich versuche die Worte der Hellseherin zu verstehen, zu durchleuchten und einen Weg zu finden, der mein und Carolins Schicksal zu einem Einzigen werden lässt, dass kein anderes, mächtiges, von der Welt angeblich gefordertes bedrohen kann.

Erst als die Haustür hinter uns ins Schloss fällt und wir die Treppe zur Wohnung hochgehen, atme ich auf. Ich fühlte mich da draußen verletzlich und unsicher. Hier ist unsere Welt, in die nichts und niemand eindringen kann.

Als ich die Wohnungstür hinter uns zuschließe, sehen wir uns unschlüssig an.

Ich schüttele den Kopf und raune leise: „Ich habe die ganze Zeit versucht, dieses Durcheinander von Schicksalen auf die Reihe zu bekommen und ich komme gar nicht drauf klar, dass dich ein Schicksal mit gleich drei Männern verbindet.“

Carolin sieht mir in die Augen und sagt entschieden: „Falsch! Ein Schicksal verbindet mich mit dir und das andere mit zwei anderen. Das hat Madame Moinette ganz klar so gesagt. Aber mich interessiert sowieso nur das Schicksal mit dir und ich werde persönlich dafür sorgen, dass nur das sich erfüllt.“

Ihre Worte müssten mich trösten und aufbauen. Aber ich bin in einem Gefängnis aus Kälte und Unsicherheit gefangen und knurre nur, alles Schlechte auf den Tisch werfend: „Ein Kinderloses?“

Ohne zu zögern antwortet Carolin: „Ja, ich wähle das Kinderlose. Das hat einen ganz wichtigen Grund. Wenn ich ein Kind in die Welt setze, weiß ich nicht, ob es nicht auch mit dem alten Vermächtnis des Alchemisten belastet wird und das möchte ich keinem Kind zumuten.“

Die alte Geschichte aus ihrer Familie, die auch nichts ist, was mein Gehirn verstehen kann.

Carolin sagt leise und niedergeschlagen: „Allerdings ist es schade, wenn du kein Kind bekommst. Du wärst bestimmt ein guter Vater. Vielleicht etwas zu übervorsichtig, aber total lieb. Und so ein kleines, blondes Lockenköpfchen mit braunen Augen … Aber wie gesagt, in meinem Leben sind Kinder keine gute Idee.“

Sie geht an mir vorbei ins Wohnzimmer und ich sehe ihr nach. Es war unverkennbar etwas in ihrer Stimme, dass sie bedauert, dass es diesen kleinen Lockenkopf nicht geben wird. Sie ist wie alle Frauen. Irgendwann wird sie Kinder haben wollen und dann?

Ich gehe zum Wohnzimmerfenster, während Carolin sich auf das Sofa fallen lässt. Mir eine Zigarette anzündend, sehe ich hinaus und ziehe den Zigarettenrauch tief in meine Lunge.

„Hm, zumindest bin ich beruhigt, dass ich auch wirklich eine Rolle in deinem Leben spiele“, sage ich nach einiger Zeit und das ist wirklich das Einzige, das von den ganzen Ausführungen der Hellseherin klar zu sein scheint.

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das alles so mit diesen Schicksalen funktioniert“, meint Carolin nachdenklich. „Was ist mit all den anderen Menschen, die man mal kurz oder länger getroffen hat? Ist das auch alles im eigenen Schicksal integriert oder nur die wichtigen, großen Dinge? Also ich weiß nicht, ob das alles so stimmen kann … mit dieser Schicksalsgeschichte.“

„Keine Ahnung. Ich steige da auch nicht durch. Vielleicht hätte man niemals zu ihr gehen sollen und wäre dann zwar nicht schlauer, aber auch nicht so durcheinander“, antworte ich ihr.

Ich rauche meine Zigarette und sehe auf die Stadt hinaus, die sich vor unserem Fenster ausbreitet, höre die Autos brummen und das Heulen von Sirenen. Aber in meinem Kopf laufen so viele Fragen ab, dass sie alles übertönen. War es mir von Anfang an bestimmt gewesen, diese Daniela als Kindermädchen zu bekommen und war es ihre Bestimmung, sich mir gegenüber so zu verhalten und mich so zu verletzen, um dann für Jahre dafür ins Gefängnis zu gehen? Oder war das ein Punkt gewesen, wo sie die Möglichkeit gehabt hatte, einen besseren Weg einzuschlagen und versagte? Und was war mit den vielen Frauen, die ich verletzte, um mich letztendlich für die Tat von Daniela zu rächen? War das das Ergebnis des Resonanzprinzips oder sollte jeder Frau eine Möglichkeit geboten werden, meine Rachegedanken niederzuringen, was jedoch keiner gelang? Dazu musste erst Carolin kommen.

Carolin ist mein Schicksal. Mit ihr musste es anders laufen, denke ich energisch. Sie ist kein Zufall, bei dem ich zufällig anders tickte. Sie ist meine Bestimmung … und dass zwei anderer Typen.

Hinter mir springt Carolin vom Sofa auf und rennt aus dem Wohnzimmer.

Ich drehe mich erschrocken um und werfe den Zigarettenrest aus dem Fenster. Dass sie plötzlich aus dem Zimmer stürmte, verunsichert mich.

Ich laufe zum Badezimmer und höre sie sich über der Toilette übergeben. Sie kniet auf dem Fußboden, am ganzen Körper zitternd.

„Carolin, oh Mann, was ist denn los?“

Ihr Zustand, der plötzlich so umschwenkte, erschreckt mich zutiefst.

Sie lässt sich an die Wand neben der Toilette gleiten und zieht etwas Toilettenpapier von der Rolle, um sich den Mund abzuputzen.

Ich spüle und ziehe sie auf die Beine. Besorgt frage ich sie: „Hast du dir den Magen verdorben?“

Sie schüttelt nur den Kopf und haucht leise und zittrig. „Geht schon wieder.“ Aber in ihrem Blick liegt Verzweiflung und ich wüsste zu gerne, was der Auslöser ist. Aber ich ahne, sie wird es mir nicht verraten. Wie sie mir nichts verrät.

Ich bringe sie zum Sofa zurück, auf das sie sich fallen lässt und murmelt: „Das ist nur die ganze Aufregung und mein empfindlicher Magen.“

Ich ziehe sie an meine Brust und wünsche mir erneut, ihre Gedanken lesen zu können. Sie hatte mir nichts davon gesagt, dass ihr zweites Schicksal viel stärker als unseres sein soll und sogar andere es erfüllt wissen wollen, um, wie hatte die Hellseherin gesagt, Kapital daraus zu schlagen. Sie wusste davon und hatte mir nichts gesagt. Was weiß sie noch, was sie mir verschweigt? Mir hatte Madame Moinette gesagt, dass Carolin ein dunkles Geheimnis in sich birgt.

Aber um sie hier und jetzt zu beruhigen, antworte ich leise: „Ich bin auch ziemlich durcheinander und fühle mich auch nicht besonders gut“, und küsse sie auf ihre verschwitzte Stirn. „Das ist auch alles nicht leicht zu verkraften. Komm, ich bringe dich ins Bett. Ruhe dich einfach aus und ich gehe eben nach Daniel sehen, ob er schon wieder da ist.“ Ich sprach es aus, ohne selbst über die Bedeutung nachgedacht zu haben. Es war ein eigenständiges Handeln meines Körpers und Kopfes und ich bin verwirrt, während ich sie aus meinen Armen schiebe.

Mir wird klar, ich brauche etwas und deshalb zieht es mich zu Daniels Wohnung. Ich komme sonst nicht mehr klar.

Carolin sieht mich an. Ich fühle fast ihr stummes Entsetzen und sehe zu Boden. Auch sie weiß, was ich damit ausdrücke und was ich damit meine.

Langsam erhebt sie sich, als müsse sie das ganze Dach erst hochheben, um stehen zu können und raunt: „Ich gehe ins Bett. Geh du nur. Ist vielleicht besser.“

Ihre Worte klingen aufgebracht und resigniert und sind das, was sie sein sollen: Eine Anklage. Sie weiß, ich komme nicht mehr klar und meine offensichtliche Schwäche macht mich wütend.

Sie geht an mir vorbei ins Schlafzimmer und ich sehe ihr hinterher. Hätte sie mich an die Hand genommen, gesagt, dass sie mich nicht gehen lässt, so würde ich bleiben. Aber sie lässt nur die Tür laut ins Schloss krachen.

Ich spurte los, von Selbstzweifeln und Wut getrieben, greife meine Jacke und verlasse die Wohnung. Dabei lasse ich die Tür hinter mir genauso laut zufallen, wie Carolin es zuvor mit der Schlafzimmertür getan hatte. In meinem Bauch liegt ein Stein und ich spüre betroffen seine Schwere, die meine Unzulänglichkeit auf erdrückende Weise zum Ausdruck bringt. Das schürt meine Wut über alles, was mir immer wieder passiert und mit einem Mal fühlt sich sogar die Liebe zu Carolin falsch an.

Vor Daniels Tür klingele ich Sturm. Aber er macht nicht auf. Er ist nicht da und ich verlasse wütend das Haus und laufe in die Stadt. Ich bin am Ende und alles übersteigt meine Kräfte.

Es ist kalt und nieselt leicht. Ich schließe meine Jacke und laufe geduckt durch die Straßen. In einer Nische eines Schuhgeschäftes bleibe ich stehen und zünde mir eine Zigarette an. Ich nehme mein Handy in die Hand und will Daniel anrufen, um zu erfahren, wo er steckt. Aber noch bevor ich seine Nummer drücke, frage ich mich, was ich ihm sagen soll?

Du, Daniel, komm mal schnell nach Hause, ich brauche dringend meine Dosis Weiß?

Er würde mich genauso ansehen wie Carolin.

Ich schüttele den Kopf und atme tief durch. Aus dem Nieseln wird Regen und ich sehe auf der anderen Straßenseite eine kleine Kneipe, die mir wenig einladend entgegenleuchtet. Vielleicht genau das Richtige für meine aufgebrachte, trostlose Verfassung.

Schnell sprinte ich zur Tür, trete meine Zigarette aus und gehe hinein. Es ist nicht viel los und ich setze mich an die Theke. Eine brünette, ältere Frau beugt sich über den Tresen und fragt: „Was solls denn sein?“

„Ein Bier“, brumme ich, weil sie mich ansieht wie Sam und Teddy Frischfleisch. Doch dann verbessere ich mich: „Ne, mach mir ein Wodka O-Saft … einen doppelten am besten.“

Sie nickt und grinst mich ziemlich herausfordernd an und ich sehe mich um, ob es nicht noch andere Männer in dem Laden gibt, denen sie sich widmen kann. Aber es sitzt nur ein steinalter, betrunkener Kerl in einer alten Strickjacke an der anderen Seite der Theke, und eine Männerrunde mit scheinbar dem Altersheim entlaufenen Kartenspielern an einem Tisch. Mir ist klar, warum ich hier gerade zur Attraktion werde.

Sie stellt mir ein Glas hin und ich trinke einen Schluck. Das mit dem Doppelten hat sie wirklich wörtlich genommen. Zumindest was den Wodkaanteil angeht, der schmeckt wie der Doppelte vom Doppelten.

Da auch andere rauchen, zünde ich mir eine Zigarette an und die Wirtin beginnt Gläser zu polieren. Aber sie sieht dabei nicht die Gläser an …

Ich trinke meinen Wodka eilig aus, weil ich lieber schnell wieder gehen möchte. Aber bevor ich mir den letzten Schluck in die Kehle kippe, steht schon ein neuer Dring da. „Geht aufs Haus“, sagt die Wirtin. „Du siehst so aus, als brauchst du noch einen.“

Sie hat recht. Demnach könnte sie mir gleich die Flasche hinstellen.

„Danke“, raune ich und trinke das erste Glas leer.

Die Wirtin bringt an den Rentnertisch neue Getränke und einer packt ihr doch tatsächlich an den Hintern. Ich kann es nicht fassen! Und sie quiekt auf, als wäre sie fünfzehn.

Ich trinke das zweite Glas auch ziemlich schnell leer und die Wirtin fragt: „Noch einen?“

Ich will eigentlich gehen, aber ich kann nicht. Ich fühle mich einfach noch nicht bereit für die Welt da draußen. Außerdem wird Carolin sauer sein, weil sie denkt, ich bin schon wieder zugedröhnt und ich wäre das auch, wenn Daniel zu Hause gewesen wäre.

Bevor ich etwas sage, steht schon das dritte Glas vor mir.

Die Wirtin sieht mich an und murmelt: „Das Leben ist ein Schwein.“

Sie spricht mir aus der Seele und ich nicke. Und dann sage ich leise: „Und ich bin auch eins. Meiner Freundin geht es nicht gut und ich bin einfach abgehauen.“

Es dauert, bis die Wirtin sagt: „Warum solltest du anders sein als all die anderen Männer?“

Ich sehe sie mürrisch an. „Ich muss anders sein. Sonst hätte sie sich nicht in mich verliebt.“

Sie lacht gehässig auf. „Weißt du, Junge, wahrscheinlich hast du recht. Ich habe mir schon immer gedacht, dass es anders sein muss, als es nach außen hin scheint. Ihr Männer seid die Guten und ganz okay. Es sind die Frauen, die euch zu Schweinen machen, stimmt’s?“, sagt sie und ihre Worte klingen verdammt ironisch.

Will sie mich verarschen?

Ich nehme das dritte Glas und trinke einen Schluck. Ich glaube, langsam ist schon aus dem doppelten ein dreifacher geworden. Die Wirtin grinst, als ich mein Gesicht verziehe. Leise raune ich: „Nein, ich war vorher schon eins. Meine Freundin hat aus dem Schwein einen Menschen gemacht. Sie hat so was wie mich gar nicht verdient. Sie hat sogar mal gesagt, dass sie nicht weiß, was sie verbrochen hat, um mich zu verdienen.“ Ich lache wütend bei der Erinnerung daran auf. „Und trotzdem ist sie immer noch da.“

Das Gesicht der Wirtin verfinstert sich. „Du schlägst sie doch nicht, oder?“

Ich sehe auf. „Nein! Ich würde ihr niemals wehtun!“ Mein Mund schließt sich und ich frage mich, was ich hier gerade mache. Was ich getan habe, als ich ging. Habe ich ihr damit nicht sogar wehgetan? Es ist noch keine zwei Tage her und sie hatte sich nur eins von mir gewünscht: Dass sie wichtiger für mich ist als meine Drogen. Ich hatte ihr das versichert und sogar noch einen draufgesetzt. Sie ist das Wichtigste für mich auf der ganzen Welt! Jaja.

„Ich bin wieder der alte Arsch. Das alte Schwein, wie schon mein ganzes Leben lang“, murre ich aufgebracht und trinke das Glas leer, um zu gehen.

„Noch einen? Zum Abschluss?“, fragt die Wirtin und hat schon ein Glas in der Hand.

Mir ist komisch. Das Zeug, das sie mischt, ist zu stark und die Gläser verdammt noch mal zu groß.

„Aber bitte einen normalen“, antworte ich und bleibe sitzen.

Sie stellt einen neuen hin und bringt dann wieder Getränke an den Herrentisch. Diesmal drehe ich mich nicht um. Aber die Alten machen Sprüche, als wären sie gerade dem Jungbrunnen entsprungen.

„Mira, mein Mädchen, kommst du mir heute Nacht die Füße wärmen?“

Ein anderer antwortet lachend: „Die wärmt dir nicht nur die Füße. Auch deine verschrumpelten Eier.“

Noch ein anderer brüllt grölend: „Heute nicht. Mira ist auf einen anderen Fang aus.“

Der ganze Tisch grölt los und ich schüttele den Kopf und nehme einen Schluck aus meinem Glas. Das Getränk ist die Hölle und bestimmt kein einfacher Wodka O-Saft. Ich weiß, nach dem muss ich gehen.

Die Wirtin Mira kommt wieder zurück an die Theke und lächelt. Sie ist gar nicht mehr so alt und hat einen Vorbau, der sich sehen lassen kann.

Ich krame meine Geldtasche hervor und brumme: „Was bin ich schuldig?“

Wieder grölt die Rentnerband hinter mir los und mir wird klar, sie verfolgen jeden meiner Schritte.

„Fünfunddreißig“, höre ich die Wirtin undeutlich sagen und haue ihr zwei Zwanziger auf den Tresen, trinke den Rest meines Glases aus und schiebe mich vom Hocker.

„Hey Junge, komm, Jass eine Runde mit uns!“, ruft einer der Opas vom Tisch und gestikuliert wild, dass ich zu ihnen kommen soll.

Ich winke nur ab und gehe zur Tür. Ich muss schnell hier raus, weil ich das Gefühl habe, hinter mir rattert schon ein Bulldozer heran. An der frischen Luft überrollt er mich dann auch gnadenlos.

Ich sehe auf meine Uhr und habe Schwierigkeiten, die Ziffern zu erkennen. Eine Stunde war ich in der Kneipe und habe das Pensum von zwei Abenden hinter mir.

Ich laufe die Fußgängerzone weiter und frage mich, wohin ich eigentlich gehen soll.

Das Leben ist ein Schwein.

Ich kann so nicht nach Hause gehen. Carolin wird mich gleich vor die Tür setzen.

Ich lasse mich auf eine Treppe zu einem Buchladen fallen und zünde mir eine Zigarette an. Es nieselt nur noch, aber hier sitze ich geschützt und die Woge des Alkohols überrollt mich immer mehr. Das Zeug war auch wirklich erschreckend stark. Vielleicht war der Wodka auch von wer weiß woher geschmuggelt oder von irgendeinem Hinterwäldler selbst gebrannt worden.

Mir ist klar, ich werde bald stock betrunken sein und das macht mich wütend, weil ich mich so auf keinen Fall mehr bei Carolin blicken lassen kann, obwohl sie mir mit jeder Minute mehr fehlt. Und dass es ihr so schlecht ging, als ich abhaute, lässt mein schlechtes Gewissen wachsen wie eine Zauberbohne. Verdammt!

Ich stehe auf und suche nach meinem Handy. Vielleicht sollte ich Daniel anrufen und fragen, ob er endlich zu Hause ist. Aber was soll ich ihm erklären? Dass ich wieder einmal mein Leben nicht geschissen bekomme?

Ich hieve mich hoch und gehe los. Es regnet wieder stärker, aber ich merke das gar nicht. In mir toben immer mehr die Gedanken an all den Scheiß, der mich und Carolin ständig umgibt. Warum kann sie nicht einfach nur ein normales Mädchen mit einem normalen Leben sein?

Wie ein kleiner, roter Teufel knurrt eine Stimme in mir: Ein normales Mädchen? Kein normales Mädchen würde bei dir durchgeknallten Kreatur bleiben.

Ich wollte doch nur wissen, was uns in der Zukunft erwartet - verteidige ich mich, als ginge es darum.

Jaja! Und, weißt du es jetzt? Bist du nun zufrieden? Carolin braucht dich nicht. Sie hat noch zwei andere Männer in petto, die nur auf sie warten. Und die Hellseherin sagte doch, wenn du ihr blöd kommst oder betrunken … oder zugekifft, dann ist sie weg.

Ich bleibe stehen und lehne mich an eine Laterne. In meinem Bauch wütet etwas und in meinem Kopf wirbeln kleine Stürme. Ich laufe weiter und weiß, wohin mich meine Füße tragen. Ich gehe in mein Panikreich und werde dort versuchen wieder klar zu werden. Vielleicht sollte ich kalt duschen? Oder mich auskotzen?

Von weiteren wilden Gedanken getrieben, die sich erbarmungslos in meinen Kopf schieben, laufe ich den langen Weg nach Hause.

Wer sind die beiden Kerle, die Carolins anderes Schicksal sind? Und warum sind es zwei? Welche Frau hat ein Schicksal mit zwei Kerlen? Das kann es doch gar nicht geben! Wenn ein Mann zwei Frauen haben will, ist das ja noch verständlich … aber nicht die Sache mit Carolin. UND WER SIND DIE TYPEN?

„Scheiße!“, fluche ich vor mich hin und biege in die nächste dunkle Straße ein. „SCHEISSE!“, brülle ich laut und unbeherrscht.

Tim schiebt sich in meinen Kopf. Seine dunklen Augen und seine schimmernden schwarzen Haare mit dem Blaustich. Und dann Julian, sein Bruder.

Mir stockt der Atem. Zwei Männer, die in einer Verbindung zueinander stehen.

Mein Magen rebelliert und ich lehne mich an eine Hauswand, stütze mich mit der Hand ab und übergebe mich. Ich kotze den Anwohnern direkt auf die Treppe. Nah toll.

Schnell wanke ich weiter und versuche nicht mehr an Carolin und ihre Brüder zu denken. Aber nein … Tim ist nicht ihr Bruder. Er ist nur Julians Bruder. Das hatte er uns doch erklärt.

Ich komme von dem Thema nicht mehr los und trete wütend an einem Hauseingang gegen einen Terrakottatopf mit Blumen. Der springt krachend auseinander und ich laufe weiter. In meinem Kopf brummen Bienen, die langsam zu Hornissen werden. Und dann packt mich die Wehmut. „Das ist meine Carolin!“, jaule ich auf wie ein getretener Hund.

„Kann sie ja auch bleiben“, murrt ein Penner, der ein klappriges Fahrrad schiebt, an dem Tüten und Taschen hängen.

„Du bekommst sie nicht auch noch!“, brülle ich den Typ an und er schiebt sein Fahrrad schnell weiter.

Endlich komme ich nach einer gefühlten Ewigkeit bei der Villa an und versuche mich zusammenzureißen. Im Haus ist alles dunkel und wenn ich Glück habe sind meine Eltern nicht da.

Ich schließe die Haustür auf und stolpere die Treppe hoch. Da keiner in den Flur gestürmt kommt und das Flutlicht anwirft, scheint wirklich keiner da zu sein.

In meinen vier Wänden angelangt, suche ich sofort nach der Fernbedienung und schließe meine Tür mit einiger Mühe, weil ich verlernt habe, sie blind zu bedienen. Und ich bin blind, oder sehe vielmehr alles doppelt, oder sogar dreifach … wie mein Wodka. Die Tussi hat mich voll abgefüllt. Wie einen dummen Buben. Und mehr bin ich auch nicht.

„Carolin, was willst du mit mir?“, frage ich leise und in einem Anflug von Selbstzerstörung. „Du kannst jeden haben. Sogar zwei auf einmal. Aber du willst mich!“, überkommt mich eine traurige Erkenntnis, und lässt mich nicht nur auf mein Sofa fallen, sondern auch einen winzigen Lichtblick in mein Gehirn. Ich suche nach meinem Handy. Ich muss ihr Bescheid sagen, dass ich zu Hause schlafe.

Mit größter Schwierigkeit schreibe ich: „Schatz, sei mir nicht böse. Ich wollte dir so nicht unter die Augen treten und schlafe zu Hause.“

Mehr kriege ich nicht auf die Reihe und versende das. Mein Kopf schaltet sich aus und beginnt wie ein Hamster in einem Rad seine Runden zu drehen. Mir ist wieder übel und ich versuche, auf meinem Sofa liegend und ohne meine Schuhe oder Jacke auszuziehen, schnell einzuschlafen. Carolin hätte mich ins Bett gebracht und schlafen gelegt. Ganz sicher.

Die Narben aus der Vergangenheit

Подняться наверх