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Vorwort des Übersetzers

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„Wenn mein Geist sich in jene Zeit und jene Momente zurückversetzt, so scheine ich in einer anderen Ära zu leben und manchmal denke ich, dass 'nach uns das Universum untergeht'. Ich versuche nicht zu moralisieren, ich versuche lediglich, einige Momente und Vorkommnisse zu beschreiben, wie sie in jenen stürmischen Tagen von einem armen alten Soldaten des Fußvolks beobachtet wurden. Die Geschichtsbücher berichten von den großen Zusammenhängen, während ich nur von den unbedeutenden Geschehnissen berichte."

Sam Watkins, 1881.


Als Sam Watkins 20 Jahre nach Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs seine Kriegserinnerungen zu Papier bringt, verwahrt er sich ausdrücklich dagegen, ein weiteres Werk zur allgemeinen Geschichtsschreibung beisteuern zu wollen. Im noch immer unter den Folgen des Krieges leidenden Süden der Vereinigten Staaten besteht zu Beginn der 1880er Jahre kein Bedarf an bloßer, die Fakten wiederkäuender Erinnerungsliteratur. Zu frisch (und schmerzlich) ist der Mehrheit der Bevölkerung das Kriegserlebnis noch präsent. Entsprechend liegt der Fokus in Watkins' Erinnerungen nicht auf den Zahlen und Fakten des Kriegsverlaufs, sondern auf den Gedanken und Gefühlen der den Krieg durchleidenden Menschen. Der Autor schlägt eine emotionale Brücke in eine als besser empfundene Vergangenheit, die sowohl seinem Lesepublikum als auch ihm selbst als temporäre tröstliche Zuflucht dient. Hierbei ist bedeutsam, dass „Co. Aytch" im Kern den Versuch einer Eigentherapie darstellt. Watkins ringt mit widerstreitenden Gefühlen: Der Krieg ist geprägt von traumatisierenden Szenen der Gewalt, aber auch der starken und als äußerst positiv empfundenen emotionalen Bindung zu den Kameraden. Glühender Patriotismus und Liebe zur Heimat stoßen auf scharfe Ablehnung des politischen Konstrukts der Konföderation. Das Gefühl der Demütigung und des Hasses auf die Sieger kollidiert mit der aufkeimenden Akzeptanz eines geeinten Vaterlandes. All dies versucht Watkins in einen sinnwahrenden, in sich schlüssigen Zusammenhang zu bringen und die spürbaren „Stimmungsschwankungen" zwischen den einzelnen Kapiteln legen Zeugnis davon ab, welche Mühe ihm dies bereitet. Das entstehende Konstrukt ist notwendigerweise idealisiert, jedoch in seinen Bestandteilen plausibel. Genau so ist es nicht passiert, aber so hätte es durchaus passieren können und jeder Veteran des Krieges findet seine Erlebnisse irgendwo in den Seiten dieses Buches wieder.

Vor dem inneren Auge des Lesers erscheint, verstärkt durch den einnehmenden bodenständig-ländlichen Schreibstil mit gelegentlichen Einsprengseln eines angelesenen Wissenskanons, der einfache Junge vom Lande, der sich aus Liebe zu seiner Heimat kurz nach Ausbruch des Krieges dem 1. Tennessee-Infanterieregiment anschließt. Vier schreckliche Jahre hindurch tut er stets treu seine Pflicht und bleibt immer einer der „einfachen Jungs", bis im April 1865 das verbliebene Häuflein ausgemergelter Gestalten, das einst sein stolzes Regiment war, seine Waffen niederlegen muss, besiegt aber nicht entehrt. Dies ist eine dankbare Projektionsfläche für den damaligen Leser, aber bei aufmerksamer Lektüre blitzen hie und da beiläufig eingestreute Informationen auf, die sich nicht so recht in das Selbstbildnis, das Watkins zu vermitteln bestrebt ist, fügen möchten, jedoch rasch von der nächsten burlesken oder tragischen Szene „verschluckt" und vom Leser leicht überlesen werden. Etwa, wenn Watkins beiläufig erwähnt, dass er für einige Zeit als Stabsoffizier von General Hood Dienst tat. Watkins, der, folgt man seiner Erzählung, nie höher als bis zum Korporal aufstieg, diente als Offizier? In der Tat wurde er im Verlaufe des Krieges zum Leutnant befördert, eine Tatsache die er wohl ausspart, um die das ganze Buch durchziehende Gegenüberstellung von den gemeinen Soldaten, denen er sich zugehörig fühlt und den „hohen Tieren" nicht zu kompromittieren und die Perspektive des kleinen Mannes aufrechtzuerhalten. Generell versteht es Watkins, die Gedanken des Lesers durch Akzentuierungen und Aussparungen in die gewünschte Richtung zu lenken. So schildert er etwa, wie der einfache Soldat sich wünscht „20 Neger zu besitzen", um vom Wehrdienst entbunden zu sein und der Leser überträgt diesen und die damit implizierten wirtschaftlichen Verhältnisse natürlich auf Watkins selbst. Dem gegenüber stehen die äußerst großzügigen Geldsendungen durch seinen Vater (bei einem Monatssold von elf Dollar stellten 800 Dollar für einen Soldaten einen wahren Geldsegen dar) und tatsächlich war Watkins Familie laut dem landesweiten Zensus von 1860 eine der wohlhabendsten von Maury County, Tennessee; sein Vater verfügte über ausgedehnten Landbesitz und besaß fast 100 Sklaven. Womit eine weitere wesentliche Aussparung angesprochen wäre: die nahezu völlige Ausklammerung der Sklaverei. Nun ließe sich anführen, dass der Soldat im Felde natürlich kaum mit der „peculiar institution" in Berührung kam, allerdings kam es nicht selten vor, dass die jungen Herren einen Leibsklaven mit in den Krieg nahmen, was Watkins an einer Stelle auch einräumt, obgleich er die Bezeichnung „Sklave" tunlichst vermeidet. Geradezu verschämt bezeichnet er Oberst Feilds Sklaven Whit als einen „jungen Afrikaner" und seinen eigenen Sklaven Sanker verschweigt er gleich gänzlich. Erst in einem Artikel für die Zeitschrift „Confederate Veteran" im Jahre 1893 entschlüpft Watkins eine beiläufige Erwähnung seines Sklaven.

Kann sich Watkins in den obigen Fällen noch mit erzählerischen Kniffen behelfen, so führt in einem Punkt für ihn kein Weg an einer glatten Lüge vorbei: der sehr eindringlich geschilderten Kapitulation des Regiments am 26. April 1865 bei Greensboro, North Carolina. Tatsächlich war er bei dieser bitteren Szene nicht mehr als Augenzeuge zugegen. Nachdem die konföderierte Tennessee-Armee nach der schweren Niederlage bei der Schlacht von Nashville als effektive Streitmacht zu existieren aufgehört hatte, war Leutnant Watkins unter den zahlreichen Deserteuren und im April 1865 leistete er der Union in Memphis, Tennessee den Treueid.

Da es niemals Ziel dieses Buches war, eine exakte Geschichtslektion zu vermitteln, vermögen diese Ungereimtheiten, sofern man sich ihrer bewusst ist, den Wert dieses Werks jedoch nicht zu schmälern. Es bietet einen wertvollen und eminent lesbaren Einblick in das alltägliche Leben und den inneren Antrieb eines Soldaten der Konföderierten Staaten von Amerika und gilt zu Recht als eines der Standardwerke der Bürgerkriegsliteratur.

Oberstes Anliegen der vorliegenden Übersetzung war es, Watkins' eigentümlichen Sprachstil bestmöglich zu bewahren, gelegentlich erschien eine Angleichung an die Gepflogenheiten der deutschen Sprache jedoch angeraten; insbesondere einige der südstaatlichen Spruchwörter, deren Sinn sich dem heutige Leser durch eine bloße wortgetreue Übersetzung nicht erschließt, wurden behutsam in eine verständliche Form überführt. Die eingestreuten Liedtexte und Gedichte wurden, sofern es sich lediglich um den Titel eines Liedes handelt, unübersetzt übernommen, zitierte Lied- und Gedichtstrophen wurden unter größtmöglicher Wahrung von Versmaß, Reim und Inhalt des Originals übersetzt.

Einfache Fehler, die nicht zum Wesen des Textes beitragen, wurden stillschweigend korrigiert (etwa, wenn Watkins seinen Oberst Hume R. Feild durchgängig „Field" nennt oder die Begriffe „Coup de grâce" und „Coup d'état" verwechselt). Irrtümer, die der Klärung bedürfen sowie Anspielungen, die nicht mittels einfachster Recherche seitens des Lesers aufzulösen sind, werden unter möglichst geringfügiger Beeinträchtigung des Leseflusses im Text erläutert.

Florian Dexheimer

Co. Aytch - Erinnerungen eines Konföderierten an den Bürgerkrieg

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