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Kapitel 2

Lennox Walsh war seiner Verlobten nicht böse. Wahrscheinlich hätte ich an deiner Stelle nicht anders gehandelt, dachte er und überlegte. Ob ich zu ihr fahre? Er kratzte sich am Kinn und schüttelte den Kopf. Nein, das hat nicht viel Sinn! Aber ich sollte jemand anderen in die Sache einweihen. Ich denke, es wird Zeit.

Dieser andere Jemand war Clairé Beauvais, die ungemein attraktive Frau, mit den französischrussischen Wurzeln.

Ihr Bild erschien vor seinem geistigen Auge. Sie war fünfundzwanzig Jahre als, hatte blauschwarzes Haar, Kohleaugen und besaß ideale weibliche Proportionen. Er war einer der wenigen, der wusste, dass sie neben ihrem Rotlicht-Gewerbe als Callgirl auch jederzeit gern einen Job für den Yard übernahm. Erst vor etwa einem Jahr hatte sie ihm geholfen, einen schwierigen Fall in der ›High Society‹ zu lösen.

Kurz entschlossen wählte er ihre Nummer. Es war keine, die man irgendwo im Telefonbuch oder Internet fand. Sie wurde nur von Angehörigen gewisser Schichten im Flüsterton hinter vorgehaltener Hand dem besten Freund anvertraut.

Clairé Beauvais meldete sich sofort. Ihre Stimme ließ einem Mann auch am Telefon automatisch wohlige Schauer über den Rücken laufen. Sie war voll an erotischer Ausstrahlung.

Lennox nannte seinen Namen.

»Was, Chief Inspector Lennox Walsh?«, entfuhr es ihr überrascht.

»Ja, ich bin es«, bestätigte er gepresst. »Ich stecke bis zu beiden Ohren in der Patsche.«

»Aha! Und um was geht es diesmal?«

»Das kann ich dir am Telefon nicht sagen.«

»Okay! Du weißt ja, wo ich wohne.«

Lennox fiel ein Stein vom Herzen, als er das Gespräch beendete und sein Smartphone zurück in die Jackentasche steckte. Aufmerksam sicherte er nach allen Seiten. Es herrschte reger Verkehr, und Passanten hasteten scheinbar wahllos durcheinander. Schnell mischte er sich in das Gewühl und ließ sich mittreiben, bis er seinen Wagen erreicht hatte.

Kaum hatte er den Verschlag geöffnet, gewahrte er eine Bewegung hinter sich. Aber seine Abwehr kam zu spät. Er spürte, wie sich ein harter Gegenstand in seine Seite bohrte.

»Keine falsche Bewegung!«, zischte eine Stimme. »Steig' ein!«

Widerwillig klemmte sich Lennox hinter das Lenkrad, aber der Fremde drängte ihn auf den Beifahrersitz, wobei er kurz in sein Blickfeld geriet. Er hatte den Mann noch nie zuvor gesehen. Doch vermutlich war das gar kein Wunder, denn sein unverhohlener Glasgow-Slang des vierschrötigen Kerls verriet, dass sein Betätigungsfeld normalerweise außerhalb Londons lag. »Was wollen Sie von mir?«, fragte er.

Der Gangster lachte hämisch auf.

Lennox bemerkte, dass sein Wagen umstellt wurde. Gleich darauf kletterten die Komplizen des Burschen auf die Rücksitzbank.

»So, und jetzt rück' mal schnell das Tagebuch raus!«

»Tagebuch?«, zeigte sich Lennox erstaunt.

Blitzschnell schlug der Gangster, der hinter ihm Platz genommen hatte, zu.

Lennoxs Kopf flog zur Seite. Er spürte, dass die Haut über dem linken Jochbein aufplatzte. Blut rieselte über seine Wange.

»Wir haben das Telefonat von deiner Nutte abgehört, sind also im Bilde, Freundchen! Wenn du nicht spurst, werfen wir dich den Geiern zum Fraß vor. Dann stürmen wir die Bude von deinem Flittchen und holen uns den Umschlag … Falls wir bei dir nicht finden, was wir suchen!«

Abgesehen davon, dass es keine Geier in England gibt, jagten Lennoxs Gedanken, was mache ich jetzt? Die scheinen zu allem entschlossen zu sein! Eine verdammte Zwickmühle, aus der ich wohl nicht so mir nichts dir nichts verschwinden kann. Also gibt es nur eins: Zeit gewinnen! »Ich habe das Ding nicht bei mir!«

Wieder folgte ein brutal ausgeführter Schlag.

Diesmal schaffte er es aber seinen Kopf im letzten Augenblick wegzuducken. Der Hieb streifte sein Ohr und wurde von seiner Schulter abgefangen, worauf sofort sein linker Arm erlahmte. Nein, dachte er, mit diesen Typen ist nicht zu spaßen! Ich muss tun, was sie wollen. Außerdem werden sie es eh bei Isabelle finden, wenn sie mich erledigen. Zögernd griff er deshalb in die Innentasche seiner Jacke.

Blitzschnell zuckte die Rechte des Gangsters neben ihm vor, griff nach seinem Schnurbart und verdrehte ihn.

Lennox presste vor Schmerz die Zähne zusammen.

»Keine Tricks!«, warnte der Gangster hinter ihm und drückte ihm einen Revolver ins Genick.

»Ich wollte euch gerade das Tagebuch geben«, keuchte Lennox. »Ihr wisst doch, dass ich meine Waffe am Gürtel trage.«

Die Kerle ließen sich nicht beirren. Der eine griff in Walshs Jackentasche, riss seine Hand heraus und fasste wieder hinein. Gleich darauf wurden die Augen der Unterweltler groß und rund, als sie das schwarze abgegriffene Büchlein sahen, das ihr Kumpan zum Vorschein brachte.

Der Kerl, der es ihm entwendet hatte, blätterte es schnell durch. »Tatsächlich!«, flüsterte er ehrfurchtsvoll. »Es ist Richards' Tagebuch. Hier hat er alles aufgezeichnet, bevor ihn der Teufel holte.«

Für einen Moment waren die Männer abgelenkt. Eine Zeitspanne, die Lennox Walsh voll und ganz genügte. Er knallte dem Gangster hinter ihm die geballte Hand ins Gesicht und stieß gleichzeitig den Wagenverschlag auf.

Ein Schuss löste sich, durch den vorgeschraubten Schalldämpfer kaum hörbar, und die Kugel zischte in den Wagenhimmel. Zu einem zweiten Schuss kam es nicht mehr, denn schon war Lennox draußen und verschwand im Gewühl der Menge.

»Lasst ihn laufen!«, befahl der Glasgower seinen Komplizen. »Den finden wir schon noch!« Er hielt das Tagebuch hoch. »Außerdem haben wir ja, was wir wollten.«

»Was meinte der Bursche eigentlich mit Clairé Beauvais, als er mit seiner Schlampe telefonierte?«

Die beiden anderen sahen sich achselzuckend an.

»Vielleicht sollten wir deswegen den ›Londoner‹ einmal fragen«, schlug ein anderer vor.

Jeder der Ganoven sprach einen anderen Slang. Keiner stammte aus London – eine Tatsache, die auch Lennox Walsh aufgefallen war. Sie bewies ihm, dass etwas sehr Bedeutsames in der Unterwelt vor sich ging.

***

Spiel mit dem Feuer

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