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Kapitel 1

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Freitag, 23. Dezember 2011

Anne hatte gestern ein paarmal versucht ihren Vater telefonisch zu erreichen, doch er ging nicht ans Telefon. Deswegen nahm sie sich vor, zu ihm rauszufahren wenn sie heute Mittag mit der Arbeit fertig war.

Leider wohnte Michael, Annes Vater, seit fast einem Jahr etwas außerhalb von Luxemburg in Petingen. Darum war es für Anne unmöglich, ihn jeden Tag zu besuchen, doch heute hatte sie ja nur am Vormittag zu arbeiten.

Als sie um Punkt zwölf Uhr den Laden verlies, fuhr sie vorher noch schnell bei McDonalds vorbei um für sich und ihren Vater etwas zu Essen zu holen.

Michael liebte diese fettigen Burger von McDonalds und Anne wollte ihm damit eine Freude bereiten.

Zum Glück war der Verkehr heute nicht ganz so schlimm und darum war sie eine Stunde später bei der kleinen Wohnung von ihrem Vater angekommen.

Anne läutete an der Haustür und eine jüngere Dame öffnete ihr die Tür.

„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“, fragte sie höflich. Anne war verwirrt. Wer war das?

„Guten Tag. Ähm, ich möchte zu meinem Vater Michael, wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“ Diese junge Dame an der Tür entschuldigte sich dafür, sich nicht gleich vorgestellt zu haben.

„Tut mir leid, ich bin die Pflegerin Ihres Vaters. Hat er Ihnen denn nicht Bescheid gegeben?“, fragte sie nach, und Anne war sichtlich verwirrt.

„Nein, er hat mir nichts gesagt. Aber darf ich nun bitte reinkommen, dann soll er mir gleich erklären, was hier vor sich geht“, meinte sie etwas schroff zu der Pflegerin. Anne fühlte sich schlecht, so reagiert zu haben. Sie ging hinein und fand ihren Vater im Wohnzimmer vor, er wirkte blass.

„Hallo Papa, was ist denn los? Geht es dir nicht gut?“, fragte sie besorgt, und er schenkte ihr ein schwaches Lächeln.

„Hallo meine Kleine. Doch, mir geht es gut, aber ich bin halt nicht mehr der Jüngste“, meinte er und deutete seiner Tochter, sie sollte sich doch zu ihm auf die Couch setzen. Was Anne auch sofort tat, und ihn mit Fragen bombardierte.

„Warum bist du so blass im Gesicht, stimmt etwas nicht?“ Michael sah sie an.

„Naja, bin zur Zeit ein bisschen schwach auf den Beinen und hatte vor ein paar Tagen eine kleine Kreislaufschwäche, deshalb auch die Pflegerin“, versuchte er ihr zu erklären, aber Anne wurde wütend.

„Du hattest einen Schwächeanfall, nimmst dir eine Pflegerin aber findest es nicht für notwendig, mir Bescheid zu geben?“, fauchte sie ihren Vater an, der versuchte aus dem Schlamassel wieder raus zu kommen.

„Ach, meine Kleine, es war doch nicht so schlimm und ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen.

Ich war beim Doktor und auch zur kurzen Untersuchung im Krankenhaus und die haben mir eine Pflegerin zugeteilt. Die kommt dreimal am Tag kurz für eine halbe Stunde vorbei, bringt mir Essen und sieht nach, ob alles in Ordnung ist“, sagte er, und Anne beruhigte sich nun wieder ein bisschen.

„Hm, also gut, das finde ich dann irgendwie gut, wenn die Helferin ab und zu mal bei dir vorbei schaut“, meinte sie und sprach gleich weiter.

„Aber Papa, besser wäre es einfach, wenn du diese Wohnung hier aufgibst, ich suche mir dafür eine größere und wir ziehen zusammen, dann kann ich für dich Sorgen“, sagte sie gefühlvoll und ihr Vater legte seine Hand auf die ihre.

„Schatz, das ist eine gute Idee. Doch nun werde ich noch etwas hier in Petingen in meiner Wohnung bleiben und irgendwann können wir darüber reden, dass wir zusammen ziehen“, erwiderte er darauf, und Anne nickte.

„Hm, wie du meinst. Mir wäre trotzdem wohler dabei, wenn ich dich in meiner Nähe haben könnte.“ Er tätschelte sie.

„Ja, ich weiß. Aber jetzt erzähl doch mal, wie komm ich dazu, dass du mich heute schon besuchen kommst, wenn morgen erst Weihnachten ist?“, fragte er seine Tochter, die nun endlich wieder ein Strahlen ins Gesicht bekam.

„Deswegen bin ich ja hier. Wir sind für morgen bei Sophie und Paul zum Weihnachtsessen eingeladen, sie hatte mich gestern früh angerufen und uns beide eingeladen, toll, oder?“, sagte sie und zauberte somit ihrem Vater ein Lächeln ins Gesicht.

„Oh schön, das freut mich sehr. Dann komme ich auch wieder mal raus“, meinte er glücklich und Anne war zufrieden.

„Ja, ich finde es auch schön. Ich werde dich morgen Nachmittag abholen, wir fahren gemeinsam zur Kirche und gehen in den Weihnachtsgottesdienst. Danach ist dann das leckere Essen bei der Familie Böhm, das wird sicher ein schöner und lustiger Weihnachtsabend“, sagte sie zu ihrem Vater.

Sie aßen das Essen, das Anne mitgebracht hatte, tranken Kaffee und aßen Kekse, ein wenig später verabschiedete sich Anne und machte sich auf den Heimweg. Die Gedanken in ihrem Kopf spielten verrückt.

„Warum geht es meinem Vater so schlecht? Er sieht gar nicht gut aus und ich, ich habe nie etwas gemerkt“, machte sich Anne Vorwürfe, stützte ihren Ellbogen auf das Innenfenster und legte ihren Kopf in die Hand.

„Als ich letzte Woche bei ihm war, ging es ihm doch noch so gut und jetzt auf einmal hatte er eine Kreislaufschwäche. Ich verstehe das einfach nicht, hoffentlich ist er bald wieder fit“, meinte sie traurig und drehte das Radio lauter.

**


Dienstag, 27. Dezember 2011

Anne und ihr Vater verbrachten wunderschöne Weihnachtstage, es war sehr schön bei der Familie Böhm und alle genossen es.

Denn auch Sophie und Paul fanden es gut, in diesen Feiertagen nicht alleine zu sein, denn ihre beiden Töchter waren ja nach Australien ausgewandert und hatten ihre Eltern alleine in Luxemburg zurück gelassen.

Sie telefonierten viel über Skype, auch Anne machte das so, denn sie vermisste ihre beiden Freundinnen genauso wie die Böhms ihre Töchter. Aber das ist nun mal so, und ja, es ist auch gut so. Zoe und Lina haben in Australien ihr Glück und die große Liebe gefunden.

Als Anne an diesem Morgen in ihrer kleinen Küche saß und über ihre Freundinnen nachdachte, überkam sie das Gefühl der Traurigkeit.

Sie dachte an Joshua.

„Ach, ich würde so gerne wissen, wie es ihm geht, oder ob er auch öfter an mich denkt“, meinte sie zu ihren Vögeln.

„Verdammt, warum hat er mich bloß geküsst? Ich vermisse ihn und weiß nicht, was ich dagegen tun soll“, sprach sie mit sich selbst, stand auf und trug ihre Tasse zur Spüle.

Anne sah aus dem Fenster, überlegte kurz und beschloss, ihren Vater zu besuchen, denn sie hatte diese Woche noch Urlaub. Sie zog sich an und machte sich etwas hübsch, schloss die Tür hinter sich ab und machte sich auf den Weg zu ihrem Papa.

Die Freude war groß, doch das würde sich an diesem Tag leider schnell ändern.

Anne kam bei der Wohnung von Michael an, doch als sie klingelte öffnete ihr niemand die Tür, sie klingelte erneut, aber es rührte sich nichts. Anne nahm das Telefon aus ihrer Tasche und versuchte ihn zu erreichen. Sie hörte das Telefon innerhalb der Wohnung läuten, aber es folgten keine Schritte, Schritte die zu dem Telefonapparat gingen um endlich abzuheben. Anne wurde nervös und ungeduldig, denn Michael war immer zuhause, die Einkäufe erledigte jetzt seine Pflegerin. Es hieß, ihr Vater solle sich in den nächsten Tagen und Wochen etwas schonen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Als Anne umkehrte und zum Auto gehen wollte, kam ihr die Nachbarin entgegen und rief ihr zu:

„Hallo Kleines, was machst du denn hier? Bist du denn noch gar nicht auf dem Weg ins Krankenhaus?“, fragte sie, und Anne bekam weiche Knie.

„Hallo Frau Williams. Warum denn ins Krankenhaus? Ist etwas passiert?“, fragte sie sofort nach, und die alte Dame ging auf Anne zu.

„Haben sie dich denn noch nicht angerufen? Dein Vater wurde vor einer halben Stunde mit dem Rettungswagen abgeholt und eingeliefert. Ich weiß nur so viel, dass er von der Treppe runter gestürzt war und sie vermuten, dass er einen Herzinfarkt hatte“, versuchte sie Anne so schonend wie möglich beizubringen.

„Oh mein Gott, ich muss sofort zu ihm. Vielen Dank Frau Williams“, sagte sie schnell und lief zum Auto.

Anne raste ins Krankenhaus und fragte an der Anmeldung sofort nach ihrem Vater. Ihr wurde gesagt, dass er sich derzeit im OP befand und sie warten musste.

Sie fuhr mit dem Lift in das Stockwerk, wo sich der OP befand, sie erkundigte sich, ob es schon was Neues von ihrem Vater gab. Doch die Krankenschwester sagte nur, sie solle doch bitte im Wartezimmer Platz nehmen und warten, bis der Doktor mit der Operation fertig war. Es dauerte Minuten, nein Stunden, es kam ihr ewig vor und es war wieder ein Augenblick in ihrem Leben gekommen, an dem sie sich alleine fühlte. Sie saß im Krankenhaus im Wartezimmer und wartete nun seit zwei Stunden, bis sie mit der Operation fertig waren. Anne war alleine, alleine mit ihrer Angst und ihren Sorgen. Sie fragte sich, ob sie vielleicht Sophie anrufen sollte, um ihr zu sagen, was mit Michael geschehen ist. Doch Anne beschloss, damit noch zu warten, es könnte doch nicht mehr lange dauern, ihr Vater war stark und er würde das schon überstehen und bald wieder ganz gesund sein. Anne holte sich noch einen Kaffee aus dem Automaten. Hm, naja, wenn man es so nennen konnte.

Sie setzte sich wieder in das Wartezimmer und wartete, stand auf und lief im Gang auf und ab, als auf einmal ein Doktor durch die OP-Tür kam.

Anne ging sofort schnurstracks auf ihn zu.

„Herr Doktor, wie geht es meinem Vater? Ist alles in Ordnung mit ihm? Wird er wieder gesund?“, fragte sie schnell und ängstlich. Der Doktor sah Anne in die Augen und nahm sie am Arm.

„Frau Weber?“, meinte er fragend und Anne nickte.

„Kommen Sie kurz mit, setzen wir uns“, meinte er und sie wurde ungeduldig.

„Ich will mich nicht setzen, denn ich sitze nun schon seit fast drei Stunden hier rum. Herr Doktor, sagen mir doch bitte endlich, was mit meinem Vater los ist, was hatte er und wie geht es ihm?“, fragte sie ungeduldig und drängte ihn auf eine Antwort.

„Es tut mir leid. Ihr Vater ist schwer gestürzt, er hatte vermutlich einen Herzinfarkt und er wurde mit schweren inneren Blutungen eingeliefert“, sagte er und sprach weiter.

„Wir haben ihn sofort notoperiert, doch wir konnten leider die Blutungen nicht stoppen. Ich muss ihnen leider mitteilen, dass das Herz von ihrem Vater diese inneren Blutungen nicht verkraftet hat und aufhörte zu schlagen“, erklärte er ihr mitfühlend und tätschelte ihren Arm.

Um Anne herum brach nun eine Welt zusammen, sie hatte das Allerliebste in ihrem Leben verloren:

Ihren Vater.

Nun hatte sie niemanden mehr, sie war alleine, denn sie hatte ihre ganze Familie verloren.

Der Arzt sprach und sprach weiter, doch Anne hörte nicht mehr wirklich zu. Das einzige, was sie nebenbei noch aufnahm, war, als er sagte, sie sollte doch jemanden aus der Familie oder Freunde anrufen, die ihr dabei helfen würden.

Jetzt war es soweit und sie musste auf Sophie und Paul zurückgreifen, denn alleine konnte sie das unmöglich durchstehen. Sie ging hinaus vor das Krankenhausgebäude und setzte sich auf eine Bank. Anne nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer von Sophie. Es dauerte auch nicht lange, schon hörte sie jemanden an der anderen Leitung.

„Hallo, Böhm am Apparat.“

Anne wartete einen kurzen Moment und atmete nochmal tief durch.

„Hallo Sophie, hier ist Anne“, sagte sie.

„Oh, ja, hallo Anne. Wie geht es dir? Das freut mich aber, dass du anrufst“, sagte sie fröhlich und nun nahmen Annes Tränen freien Lauf und Sophie hörte das.

„Meine Liebe, warum weinst du denn? Was ist denn los? Geht es dir nicht gut“, fragte sie fürsorglich und Anne musste sich nun zusammen reißen.

„Sophie, es ist was Schreckliches passiert. Ich würde dich gerne um etwas bitten“, meinte sie und konnte nicht weiter sprechen.

„Kleines, ich und Paul, wir würden alles für dich machen. Was ist geschehen, wo bist du?“

„Könnten du und Paul bitte schnell ins Krankenhaus kommen?“, fragte sie nervös und hoffte auf die Hilfe ihrer Freunde.

„Was ist denn das für eine Frage, wir machen uns sofort auf den Weg und sind in ein paar Minuten bei dir. Wo finden wir dich?“, fragte Sophie.

„Ich sitze vor dem Eingang und warte auf euch.“ Das Gespräch war beendet und Anne konnte sich nicht mehr zurückhalten, sie weinte und zitterte am ganzen Körper.

Zum Glück dauerte es auch nicht lange und die zwei kamen schon den Parkplatz herunter gelaufen. Paul nahm sie sofort in die Arme.

„Meine Liebe, was ist denn geschehen, du weinst ja fürchterlich?“, fragte er besorgt und Anne schmiegte sich in seine starken Arme. Sophie tätschelte ihre Wange.

„Mein Vater, also er, er ist über die Treppe gestürzt“, versuchte sie zu erklären und Paul sprach sofort dazwischen.

„Oje, das hört sich nicht gut an. Doch das wird doch alles wieder heilen oder?“, meinte er lieb und Anne begann wieder zu weinen.

„Erzähl uns doch mal in Ruhe, was denn passiert ist, Kleines“, sagte Sophie liebevoll, denn sie dachte sich schon, dass etwas Trauriges geschehen sei. Anne sah sie an.

„Papas Herz, also er ist …, er hatte so starke innerliche Blutungen, dass sein Herz das nicht mehr schaffte. Er ist vorhin während der Operation gestorben“, flüsterte sie und begann wieder zu weinen. Paul versuchte sie gleich etwas zu trösten, und Sophie musste nun ebenfalls weinen, denn Anne hatte ihren Vater verloren und sie einen guten Freund.

„Du bist doch sicher mit dem Auto da, oder?“, fragte sie und Anne nickte.

„Komm, wir zwei fahren nach Hause und Paul wird hier alles mit dem Doktor klären“, sagte sie mit fragendem Blick zu ihrem Mann, der ihr sofort zustimmte.

„Genau, ihr zwei, so machen wir das. Ihr fahrt in Ruhe nach Hause und macht euch einen heißen Tee und ich werde hier alles Weitere klären“, sagte er zu den beiden, und Sophie gab ihm einen Kuss.

„Danke Schatz. Du hast ja das Handy mit, falls irgendetwas sein sollte, wir sehen uns dann später zuhause“, sagte sie liebevoll zu ihrem Mann.

„Ja, so machen wir das, bis später.“

**


Der Weg nach Freeling

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