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Amba und ihr größtes Geschenk – ein behindertes Kind

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Wie kann das sein, fragen wir uns heimlich, wie kann man damit nur glücklich werden? Ein behindertes Kind, meine Güte, was für eine heftige Lebensaufgabe! Gott sei Dank habe ich ein „normales“ Kind, denken wir heimlich und schämen uns ein wenig bei diesem Gedanken.

„Gott sei Dank habe ich dieses wundervolle und ganz besondere Kind bekommen“, sagt Amba hingegen. Sie hat sie bekommen, diese Lebensaufgabe. „Dieses Kind war einfach nur das größte Geschenk für mich und meinen Mann! Um nichts in der Welt würde ich tauschen wollen“, sagte sie mir einmal. Dieses wunderbare Wesen allein war es, welches uns das Glück ins Haus gebracht hat. Es hat uns auf den richtigen Weg geführt und ist auch letztendlich dafür verantwortlich, dass wir heute dankbar unseren Traumberuf ausüben dürfen.“

Ernsthaft jetzt? Wie kann das sein? Oder könnte es vielleicht doch sein, dass alles einen Sinn hat und die vermeintlich „schlimmen“ Dinge vielleicht doch eher ein Segen für alle Beteiligten sind? Aber von Anfang an:

Amba wuchs in Argentinien auf, sie kannte Armut und Not sehr gut, überall um sie herum und täglich greifbar. Ambas Vater war auch einmal sehr arm gewesen, er wusste noch genau wie es war, wenig Geld zu haben. So wurde dies zum täglichen Erziehungsmotto für seine Kinder und somit auch für Amba: „Wenn man gut verdient, geht es einem gut, dass ist das Wichtigste im Leben!“

Amba lernte also fleißig und begann diesem Motto folgend ihre Karriere in einer Bank in Argentinien. Der Vater war stolz und zufrieden, die Tochter war in Sicherheit – was für ein Glück!

Amba war in Sicherheit, ja, – aber auch sehr, sehr unglücklich dabei. Die Arbeit bei der Bank entsprach ihr nicht, eigentlich hatte sie das Fach Mathematik nie wirklich gemocht, damals in der Schule. Sie liebte es aber, mit ihrer Mutter am Herd zu stehen und zu kochen, bunte und gesunde Speisen auf den Tisch zaubern und sich und ihre große Familie gut zu ernähren. „Auch das trägt zu Gesundheit und Glück bei, auch so könnte ich doch genug Geld verdienen, oder nicht?“ hatte sie ihren Vater oft als Kind gefragt.

Aber die Angst um seine Tochter und um zu wenig Geld beherrschte den Vater. Zu tief waren seine eigenen Wunden aus der Kindheit mit einer traurigen Mutter, die nie ausreichend Geld oder Essen für ihre Familie zur Verfügung gehabt hatte. So musste Amba also weiter in die Bank gehen und die ihr so verhassten Zahlen berechnen, tagein, tagaus.

Als es ihr immer schlechter ging, traf sie endlich eine Entscheidung. Sie sammelte ihre Ersparnisse zusammen, überredete eine Freundin und ging mit ihr für ein Jahr mit einem großen Rucksack auf eine Erlebnisreise quer durch Südamerika. Endlich war sie frei, endlich nicht mehr täglich diese vielen Zahlen, endlich etwas tun, was sie liebte! Sie fühlte sich endlich wieder lebendig und auch ihre körperlichen Beschwerden verschwanden. Auf ihrer Reise stand sie – sooft man es zuließ – bei irgendwelchen Restaurants in der Küche und schaute begeistert den Köchen bei der Arbeit zu. Wie das duftete und wie köstlich doch diese Speisen waren – das hier war ihre Welt, einfach herrlich!

Nach diesem Jahr versuchte sie es wieder in der Bank, sie dachte sich, nun habe sie sich ordentlich „ausgetobt“, sicherlich würde sie nun besser funktionieren in dieser Welt, die so gar nicht die ihre war.

Natürlich funktionierte das nicht, sie war immer noch sehr, sehr unglücklich.

Ein paar Monate später zog ihr Bruder nach Deutschland, in das Land seines Uropas. Der Bruder erträumte sich dort ein besseres Leben, so wie sich einst der Uropa dies in Argentinien erhofft hatte, so kehrte der Enkel nun zurück zu seinen Wurzeln. Amba ergriff die Chance und ging mit, immer in der Hoffnung, dort nun besser mit diesem Beruf, den der Vater ihr aufgedrückt hatte, klar zu kommen. Sie arbeitete in Deutschland in einer spanischen Bank, verliebte sich und heiratete. Alles schien perfekt.

Mit der Geburt ihres Kindes begann dann aber unweigerlich wieder ein völlig neues Leben, das Leben als Mutter eines geistig behinderten Kindes…

Nun war es aus mit der Bankkarriere, denn um diesen für sie so unpassenden Job machen zu können, benötigte sie ja bereits all ihre Energie. Nun brauchte die Tochter ihre Energie, und sie brauchte Zeit für die Bibel und die Reflektionen, die ihr halfen, mit dieser neuen Herausforderung klar zu kommen. Sie wollte verstehen, wie man mit diesem Kind richtig umgeht und wieso sie diese Aufgabe bekommen hatte. Amba war schon immer sehr gläubig gewesen und so vermutete sie hinter allem einen tieferen, richtigen und glückbringenden Sinn.

Zunächst schwebte sie im leeren Raum, kellnerte und ging putzen. „So hatte ich mir das in Deutschland nun wirklich nicht vorgestellt, ich habe oft geweint und einfach nicht gewusst, wie es weiter gehen soll“, beschreibt sie später ihre damalige Situation.

Und wie es immer so ist, wenn man einfach keine Kraft mehr hat, um das Falsche zu tun, dann kommt das Richtige um die Ecke und sagt grinsend: „Hallöchen!“ So auch bei Amba. Der schlimmste Job ihres Lebens, die Putzstelle, wurde zur besten Chance für ihre glückliche Zukunft: Die Chefin des Restaurants, in dem sie arbeitete, bot ihr eine Ausbildungsstelle zur Köchin an. Das war genau das, was Amba sich immer erträumt hatte! Nur hatte sie vorher nie auf diesen Traum gehört oder diese Möglichkeit in Erwägung gezogen, da die Worte und Ermahnungen des ängstlichen Vaters zu tief in ihr verwurzelt waren. Erst ihre Tochter und die damit verbundene Lebenskrise öffneten ihr den Weg zu ihrem beruflichen Glück.

Heute betreiben Amba und ihr Mann ein eigenes Restaurant. Sie sparten, nahmen sich viel Zeit, lernten und wagten schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit. All dies parallel zu der Betreuung ihres geistig behinderten Mädchens, das mittlerweile glücklich die Walldorfschule abgeschlossen hat.

„Ohne meine Gebete und mein Vertrauen, ohne meinen lieben Mann und vor allem ohne die Bibel – nennen sie mich altmodisch – hätte ich dies alles nicht geschafft“, sagt sie heute, während sie mir ein köstliches, argentinisches Steak zubereitet. Gesundes Essen und die Unbeschwertheit Südamerikas kann man heute täglich bei Amba und ihrem Mann genießen. Frohe Farben, leckeres Essen und die wunderbare Musik lassen jeden Gast für kurze Zeit die Sorgen des Alltags vergessen, dort, in Ambas Restaurant. Es läuft gut und es ist ausreichend Geld vorhanden – die Ängste ihres Vaters sind endlich überwunden!

Amba kocht eben nicht nur für den Magen, sondern auch für die Seele. Sie weiß ja auch wie es ist, wenn man eine Krise überstehen muss, wenn man „ganz unten“ ist und wieder aufstehen muss. Durch die alltäglichen Schwierigkeiten, die ein behindertes Kind mit sich bringt, hat sie viel gelernt. Sie sagt, ihre Tochter zeige ihr die richtigen Werte im Leben auf und dass ihre Tochter letztendlich das größte Geschenk in ihrem Leben gewesen sei.

Und Maria, ihre Tochter? Die springt fröhlich zwischen den Töpfen herum und bringt so manches Mal voller Freude einem Gast ein Getränk. Dann kann man es sehen, das unbeschwerte, sorglose Lächeln, welches von Maria ausgeht und sich ausbreitet unter den Gästen. Es ist manchmal nur ein kleiner, leicht hochgezogener Mundwinkel eines Gastes, den man aber doch gut erkennen kann, wenn dieser das Restaurant verlässt….

P.S.: Außerdem, wer sagt uns denn, dass geistig behinderte Kinder oder Erwachsene nicht vielleicht sogar glücklicher sind, als alle anderen? Vielleicht hat ja genau hier der liebe Gott es besonders gut gemeint? Ich kenne einen erwachsenen Mann, an dessen „Behindi“-Geburtstagsparty ich einmal teilnehmen durfte. Auf den ersten Blick ein merkwürdiger Anblick, all die grinsenden, manchmal grunzenden Erwachsenen, viele davon im Rollstuhl sitzend. Aber ich habe noch nie so viele erwachsene Menschen auf einmal gesehen, die wirklich aus tiefstem Herzen glücklich waren und dauernd lachten – so ganz ohne Alkohol.

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