Читать книгу Willkommen in der Psychiatrie- Eine Reise ins Ungewisse - Sandra Mularczyk - Страница 8

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ALLES ok? NEIN, es ist nicht ALLES ok!!!

Meine Lieblingsfrage

Übrigens, ich muss mir seit Tagen wieder meine Lieblingsfrage anhören.

“Wie geht’s dir?”

und

“Alles ok?”

Nein, es ist bei weitem nicht ALLES ok,

sonst wäre ich ja wohl kaum hier,

sonst würde ich in meinem eigenen Bett liegen

und mich seelisch auf den nächsten Arbeitstag vorbereiten.

Ja ja, ich weiß, dass diese Frage nicht böse gemeint ist,

ebenso, dass sie oft nach dem Jetzt- und nicht nach dem Allgemein-Zustand fragt.

Ja, auch wenn es bei dieser Frage nur selten um die emotionale Grundbefindlichkeit geht,

kann und konnte ich sie noch nie ausstehen.

Mehr als das.

Ich finde Fragen dieser Art ZUM KOTZEN,

Dabei beziehe ich mich lediglich auf die Formulierung,

die viel zu häufig verwendet wird.

Ich verurteile nicht die Menschen, die diese Redewendung benutzen.

Diese Alltags-Floskel mit Abnutzungserscheinungen.

Sie ist verstaubt, verdreckt und einfach… falsch.

Von der Wortwahl her schon.

ALLES ok…

Wie kann je ALLES ok sein?

In einer Welt voller Gewalt,

Naturkatastrophen,

Schicksalsschlägen?

In einer Welt voller Lügen,

Intrigen,

Manipulationen?

Ich glaube, woran ich mich vor allem aufhänge

Ist dieses Schwarz-Weiß denken.

Es gibt keine Welt, in der ALLES GUT

oder ALLES SCHLECHT ist.

Das Streben danach, dass alles gut ist,

ist ein Streben nach Vollkommenheit,

Ein Streben nach Perfektion.

Eine Perfektion, die es nicht gibt.

Es gibt nun einmal keine perfekte Welt,

genauso wie es keine Welt gibt,

die durch und durch schlecht ist.

Wer im “Alles oder Nichts”,

“Gut oder schlecht”,

“Lieb oder böse” Modus verhaart,

lebt in einer Illusion,

in der Zwischentöne fehlen.

In einer Illusion,

in der feine Nuancen fehlen.

In einer Illusion, die… ja herrgott nochmal bequem ist.

Es ist leicht,

einfach mitzumachen.

So zu handeln und so zu reden wie die Anderen.

Ja, es so zu machen, wie alle es machen.

Wenn alle es so machen, wird es schon richtig sein.

Macht man halt so.

Mal abgesehen davon:

Wie sollen die armen Menschen denn sonst Kontakt aufnehmen?

Sie haben doch schon in ihrer Kindheit gelernt, dass jedes Gespräch mit einer Frage nach der Befindlichkeit beginnt.

Auch wenn ich mich hiermit wiederhole:

Ich mag die Frage nicht.

Echt nicht.

Kein bisschen.

Außer, wenn die Frage spürbar von Herzen kommt

und wahrhaftiges Interesse an einer ehrlichen Antwort besteht.

Dann ist es okay.

Aber auch nur dann.

Sinnlose Fragen

Ich kann es nicht ausstehen, wenn Menschen Fragen stellen,

auf die sie eigentlich keine Antwort hören wollen.

Fragen aus Mündern zu hören

und gleichzeitig tief im Inneren zu spüren,

dass der andere kein Interesse an einer Antwort hat,

empfinde ich als sinnlos.

Die Botschaft: “Ich frage nach deinem Befinden,

aber antworte ja nicht,

was du wirklich denkst,

was du wirklich fühlst, “

ist für mich paradox.

Natürlich, man kann ja auch über das Wetter reden.

Ich finde sogar, das Wetter sich perfekt für Smalltalk eignet.

Aber der Gemütstszustand eines Menschen?

Sein inneres Befinden?

Seine Lebenssituation?

Wie zur Hölle ist diese Frage im Katallog der oberflächlichen Gespräche gelandet?

Das werde ich wohl nie verstehen.

Wobei, verstehen vielleicht schon ein bisschen,

aber ich werde es nie im Detail begreifen können.

Sinnlos.

Paradox.

Verschwendete Zeit.

Also noch einmal zum Mitschreiben:

Mich darf jeder fragen, was auch immer er fragen will.

aber dann soll er auch damit rechnen,

dass ich ehrliche Antworten gebe.

Lange, ausführliche, aber auch tiefer gehende Antworten.

Willkommen in der Psychiatrie- Eine Reise ins Ungewisse

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