Читать книгу Marcs TageBuch | Erotischer Roman - Sandra Scott - Страница 4
Оглавление4. Juni
Wie beginnt man seinen ersten Tagebucheintrag? Auf keinen Fall mit »liebes Tagebuch«, das ist klar. Ich sinke nicht so tief, dass ich ein Buch wie eine Person anspreche.
Vielleicht mit einer Vorstellung? Also schön, mein Name ist Marc Turner, ich bin 27 Jahre alt und komme aus London. Beruflich … Nein, das ist doch lächerlich! Was soll das? Niemand außer mir wird dieses Tagebuch jemals lesen.
Ich habe noch nie ein Tagebuch geführt und ich sehe auch jetzt keinen Sinn darin. Aber Doktor Summer hält es für eine gute Maßnahme, wenn ich meine Gedanken aufschreibe. Das ist alles Teil der Therapie. Genauso wie meine Reise nach Barcelona.
Also sitze ich hier und schreibe, statt aus dem Fenster des Flugzeuges zu sehen und die Landschaft unter mir zu betrachten. Eigentlich habe ich keine Lust und auch keinen Nerv dafür, jetzt einen ellenlangen Roman zu verfassen. Aber irgendwann muss ich damit anfangen und jetzt erscheint mir ein guter Zeitpunkt, ehe mich mein Abenteuer in Beschlag nimmt.
Mein Abenteuer. Meine Auszeit. Ich habe ihnen gesagt, dass ich keine Auszeit brauche. Ich habe ihnen gesagt, dass mein Zusammenbruch – mir fällt kein besserer Name dafür ein – nichts mit Stress zu tun hatte. Ich habe es meinen Eltern gesagt. Meinem Chef. Meiner Therapeutin. Keiner wollte es hören.
Aber ich will mich nicht beschweren. Sechs Wochen lang in einem anderen Land, in einer anderen, aufregenden Stadt – bezahlt von meinem Chef. Ich habe keinen Grund, mich zu beklagen und will versuchen, die Zeit zu genießen, auch wenn ich überzeugt davon bin, sie nicht zu brauchen.
Barcelona – schon der Klang des Wortes lässt es in meinem Bauch kribbeln. Was für eine Stadt! Ich war schon einmal hier, für einen Kurzurlaub, und habe mich ein bisschen in die Stadt verliebt. Ich freue mich auf die Gelegenheit, hier sechs Wochen zu verbringen und die Teile der Stadt kennenzulernen, die dem gewöhnlichen Touristen verschlossen bleiben.
Ist es Zufall, dass mein Chef ausgerechnet eine Reise hierher vorschlug? Oder Schicksal? Eigentlich glaube ich nicht an Schicksal. Ich soll hier ein Forschungsinstitut besuchen und helfen, die Experimente dort mit unserer eigenen Forschung zu koordinieren. Wir beide, mein Chef und ich, wissen, dass das allenfalls drei Wochen in Anspruch nehmen wird, selbst wenn ich mir Zeit lasse. Er hat trotzdem einen sechswöchigen Besuch rausgeschlagen – meinetwegen.
Jetzt muss ich es doch schreiben: Ich mache gerade meine Doktorarbeit. Hirnforschung. Um genauer zu sein, messe ich die Gehirnaktivität von Ratten, während sie sexuell stimuliert werden. Klingt ziemlich abgefahren, aber eigentlich ist es eine ganz bodenständige Grundlagenforschung, wenn ich es mit einigen anderen Themen vergleiche, von denen ich schon gehört habe. Vor kurzem hat unsere Arbeitsgruppe eine Kooperation mit einer Forschungseinrichtung in Barcelona begonnen: Die Leute hier wollen die gleichen Beobachtungen, die wir anhand der Rattengehirne gemacht haben, jetzt an Menschen wiederholen. Ich bin ehrlich gesagt schon sehr gespannt darauf, wie man das praktisch umsetzt. Schließlich geht es darum, dass Freiwillige sich in eine klaustrophobisch enge Röhre legen, während ein überdimensionierter Magnet um sie herum einen fürchterlichen Krach produziert, und dabei sexuell erregt werden sollen. Wie soll das …
***
Nachtrag:
Entschuldigung, ich bin unterbrochen worden.
Ach, Mist. Der zweite Eintrag und schon ist es soweit: Ich entschuldige mich bei einem Tagebuch!
Egal.
Ich musste leider mit dem Schreiben aufhören, weil das Flugzeug plötzlich in einige leichte Turbulenzen geriet, und dann begann auch schon der Landeanflug. Ich musste mich zwingen, nicht die Augen zu schließen und mich in die Armlehnen zu krallen – ich fliege nicht allzu gern und das Wissen, dass mich nur ein dünner Metallboden von tausend Metern freiem Fall trennt, hilft mir nicht gerade, mich zu entspannen. Aber den Ausblick hätte ich nicht verpassen mögen.
Wir flogen geradewegs an der Küste entlang und am Fenster glitt die Stadt vorbei. Ich erkannte Barcelonas Hafen mit der Kolumbus-Statue, den metallenen Fisch, der sich über den Port Olímpic erhebt, die berühmte Rambla, die Barcelonas Altstadt mit ihren engen, verwinkelten Gassen in der Mitte durchteilt, und den Montjuic, den Hausberg der Stadt, auf dem die alte Festung über Stadt und Hafen wacht.
Dann ging das Flugzeug in eine Kurve und ich sah nur noch Wasser, weil wir den Flughafen geradewegs vom Meer aus anflogen. Unter mir rauschten die Küste und anschließend ein Industriegebiet vorbei, dann tauchte auch schon das Flugfeld auf, und nur Augenblicke später setzten die Fahrwerke sanft auf der Landebahn auf.
Durch den engen Schlauch drängten die Passagiere aus dem Flugzeug. Ein sauberes, lichtdurchflutetes Terminal mit endlosen Reihen rotbrauner Stühle erwartete mich. Ich ließ mich von der Menge weiterspülen, an Abfluggates, weiteren Sitzreihen und Toiletten vorbei, bis wir über eine kurze Treppe die Gepäckhalle erreichten. Zwanzig Minuten später zog ich meinen schweren Koffer hinter mir her ins Freie. Vor dem Flughafen standen Palmen und heiße Sommerluft wehte mir ins Gesicht.
Einige Augenblicke stand ich einfach nur da und genoss die Sonne auf meiner Haut. Vor weniger als drei Stunden war ich in London ins Flugzeug gestiegen, bei circa zwölf Grad Außentemperatur und einer dichten, seit Tagen nicht aufbrechenden Wolkendecke am Himmel. Jetzt war ich im Sommer angekommen! Ich schälte mich aus meiner Regenjacke, die ich hoffentlich in den nächsten sechs Wochen nicht mehr brauchen würde, packte meinen Koffer und machte mich auf die Suche nach dem Aerobus, der mich in die Innenstadt bringen sollte.
***
Eine knappe halbe Stunde später stieg ich am Plaça de Catalunya aus dem blauen Bus und blickte mich suchend um. Meine zukünftige Kollegin, und gleichzeitig Mitbewohnerin, Isabelle, wollte mich hier treffen. Sie stand am Anfang ihrer Doktorarbeit in dem Institut, das ich besuchte, und hatte, als ich nach einer passenden Unterkunft suchte, ein Zimmer in ihrer WG angeboten. Sie hatte mir versprochen, vor dem Springbrunnen auf mich zu warten. Die Frage war jetzt nur: vor welchem? Es gab zwei völlig gleich aussehende große Brunnen an zwei Ecken des Platzes eingebettet in ein Meer aus Blumen. Ich näherte mich demjenigen, der näher lag – und da sah ich sie, mit einem Schild in der Hand, auf dem mein Name stand.
Mit ihren langen goldblonden Locken und dem weißen Sommerkleid, das sie trug, sah sie aus wie ein Engel – ein wunderschöner Engel, muss ich hinzufügen, mit einer umwerfenden Figur, endlosen, schlanken, gebräunten Beinen und einer beeindruckenden Oberweite. Die Struktur ihres BHs zeichnete sich deutlich unter dem Kleid ab und ich ertappte mich dabei, sie mit den Augen auszuziehen. Ihr Körper musste umwerfend aussehen! Verdammt, ich habe einfach schon viel zu lange keinen Sex mehr gehabt! Ich sah in ihr schönes, herzförmiges Gesicht, dem die Sommersprossen auf ihrer Nase eine gewisse Niedlichkeit verliehen, und stellte mir unwillkürlich vor, wie es sich vor Lust verzerren würde, wenn ich es ihr besorgen würde. Auch jetzt lassen mich diese Bilder nicht los. Im Grunde eine ziemlich absurde Vorstellung, denn ich kenne mich schließlich: Ich bin viel zu zurückhaltend und schüchtern. Außerdem ist Isabelle wohl eindeutig eine Klasse zu hoch für mich. Am besten, ich schlage mir das gleich wieder aus dem Kopf.
Figur hin, Oberweite her, am meisten, ob man es glaubt oder nicht, waren es Isabelles großen, himmelblauen Augen, die mich auf Anhieb faszinierten. In diesen Augen konnte ich mich verlieren, und ich hätte sie ewig anstarren können.
Ihre Erscheinung hatte mich derart in den Bann geschlagen, dass ich für einige Augenblicke vergaß, dass sie wegen mir hier stand und die eben ausgestiegenen Touristen musterte. Also riss ich mich zusammen, sammelte mich kurz und trat einen Schritt näher. »Isabelle?«
Sie drehte sich mit einem strahlenden Lächeln zu mir um. »Hola, Marc, da bist du ja! Du bist doch wohl Marc, oder?«
»Erwartest du sonst noch jemanden?«
Sie lachte. »Nein.« Dann trat sie an mich heran, umarmte mich und gab mir einen Kuss auf jede Wange. Für einen Augenblick konnte ich ihre Oberweite an meiner Brust spüren, dann löste sie sich wieder von mir. Ich spürte, wie mir das Blut in das Gesicht stieg. Verspätet erinnerte ich mich daran, dass dies die übliche Begrüßung in Spanien war.
»Und, wie war der Flug?«, fragte Isabelle.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ruhig, bis auf die letzten Minuten. Ich bin froh, wieder festen Boden unter mir zu haben.«
Isabelle nickte. »Okay. Du willst wahrscheinlich erst mal dein Gepäck loswerden. Oder willst du dich gleich ins Gewühl stürzen? Die Rambla beginnt gleich da vorn.«
Ich schüttelte meinen Kopf. »Nein, wenn du nichts dagegen hast, würde ich gern gleich zur Wohnung fahren.« Ich blickte an mir hinab. »Ich bin für diese Hitze unpassend angezogen.«
»Stimmt.« Isabelle setzte sich in Bewegung und ich folgte ihr quer über den Platz. »Wie ist das Wetter zurzeit in England?«
»Wir haben den Sommer übersprungen und sind direkt zum Herbst übergegangen«, antwortete ich und Isabelle lachte.
Sie führte mich zu einem anderen Platz in der Nähe, wo wir in die Metro einstiegen und einige Stationen weit fuhren. Ich wusste, dass sich unsere Wohnung im Stadtteil Pomblenou befand, einem ehemals industriell geprägten Wohngebiet, das direkt am Meer lag. Während der kurzen Fahrt fragte mich Isabelle neugierig über meine Reise aus. Doch bereits nach wenigen Minuten erreichten wir unser Ziel und stiegen aus. Mühsam zerrte ich meinen schweren Koffer die Treppe hinauf auf die Straße und sah mich aufmerksam um.
Um mich herum herrschte geschäftiges Treiben. Im Erdgeschoss der meisten Häuser befanden sich kleine Läden, Bars oder Cafés, darüber fünf- bis achtstöckige Wohneinheiten. Die Häuser schienen aus den siebziger oder achtziger Jahren zu stammen und befanden sich in unterschiedlichen Stadien der Abnutzung. Einige sahen frisch renoviert und einladend aus, aber die meisten befanden sich in keinem sonderlich beeindruckenden Zustand. Auf den Bürgersteigen erledigten Menschen ihre Einkäufe und auf den Straßen brausten alte Autos und Mopeds vorbei.
Isabelle führte mich zwei Straßen weiter bis zu einer Ecke der charakteristischen, schachbrettartig angelegten Häuserblöcke, die Barcelona rings um die Altstadt herum prägen. Als wir den Eingangsbereich betraten, staunte ich nicht schlecht über den schicken, glänzenden Steinboden, die Glastür mit dem goldenen Rahmen und die Briefkästen, die aussahen wie aus Marmor gefertigt. Die Bewunderung verschwand sogleich, als wir das enge, heruntergekommene Treppenhaus betraten. Die Wohnungstüren waren alt, das Metall der runden Türknäufe in ihrer Mitte angelaufen, der Steinboden abgenutzt. Der Lift, mit dem wir in das oberste Stockwerk fuhren, war so eng, dass ich mich unvermittelt ganz nahe bei Isabelle wiederfand. Ich roch ihr dezentes Parfüm, das mich an Gänseblümchen erinnerte, und als der dünne Stoff ihres Sommerkleides meinen Arm streifte, spürte ich eine Gänsehaut, die sich über meine Haut ausbreitete.
In der Wohnung selbst war es angenehm kühl. Ein langer Flur verband den Eingangsbereich mit einer Glastür, die auf eine kleine Dachterrasse führte. Mehre Türen gingen davon ab.
»Hier vorn ist die Küche«, erklärte Isabelle und zeigte mir einen kleinen Raum mit einer Küchenzeile, Gasherd und einem gewaltigen Kühlschrank. »Daneben ist das Bad. Und danach kommen unsere Zimmer. Und hier gegenüber ist das Wohnzimmer!«
Isabelle schob mich in einen relativ großen Raum, dessen eine Hälfte von einem altmodischen, dunklen Esstisch mit vier dazu passenden Stühlen und die andere Hälfte von einer bequem aussehenden Sitzecke samt Fernseher beherrscht wurde. Auf einem Sofa saßen zwei Mädchen.
»Das sind«, sagte Isabelle, »Claire und Carmen, deine neuen Mitbewohnerinnen. Mädels, das ist Marc.«
Ich musste in diesem Augenblick kein sonderlich intelligentes Gesicht gemacht haben. Ich war so überrascht, dass ich einige Sekunden brauchte, um mich an die grundlegendsten Umgangsformen zu erinnern und zu grüßen.
Isabelle hatte mir schon per Mail im Vorfeld mitgeteilt, wie die anderen beiden Mädchen heißen. Und bei den Namen Claire und Carmen hatten sich bestimmte Bilder vor meinem inneren Auge gebildet, die nun an der Realität zerbarsten.
Carmen war eindeutig asiatischer Abstammung: Sie war klein und zierlich, hatte schimmerndes schwarzes Haar, das ihr bis zum Po reichte, braune Mandelaugen und ein fein geschnittenes Gesicht wie eine Porzellanfigur. Wie ich später erfuhr, waren ihre Eltern aus Thailand hierher eingewandert, sie selbst war in Spanien geboren und aufgewachsen. Carmen lächelte mir schüchtern zu und wandte dann den Blick ab.
Claires Herkunft verortete ich richtigerweise irgendwo in Lateinamerika – sie stammte in der Tat aus Französisch-Guayana, einem der letzten verbliebenen französischen Überseegebiete. Als sie aufstand, um mich zu begrüßen, bot sie einen beeindruckenden Anblick. Sie war groß, beinahe so groß wie ich, und hatte den Körper eines Models. Endlose Beine, schlank, aber mit Kurven an den richtigen Stellen. Ihre Haut hatte die Farbe von Cappuccino. Schwarze glatte Haare und dunkle, beinahe schwarze Augen, aus denen sie mich abschätzend, aber nicht unfreundlich musterte, vervollständigten ihre Erscheinung.
Nach der Begrüßung und einigem Smalltalk zeigte mir Isabelle noch mein Zimmer. Ich packte meinen Koffer aus, schlüpfte in gemütlichere Kleidung und nahm das Zimmer in Augenschein. Irritiert stellte ich fest, dass es, wie auch alle anderen Räume der Wohnung, mit einfachen Steinfliesen ausgelegt war, die ich bisher allenfalls von Hausfluren kannte. Ansonsten war das Zimmer zweckdienlich und ein wenig spartanisch eingerichtet. Die leeren schmutzig-weißen Wände wirkten trostlos, doch immerhin würde ich nur einige Wochen hier sein und mich zudem vermutlich nur zum Schlafen in diesem Raum aufhalten. Nachdem ich meine Sachen eingeräumt hatte, gesellte ich mich wieder zu meinen Mitbewohnerinnen, die es sich inzwischen auf der Dachterrasse gemütlich gemacht hatten.
Die Abenddämmerung brach herein und mir bot sich ein wundervoller Ausblick über die Dächer Barcelonas und den nahen Strand. Claire öffnete eine Flasche Rotwein – später noch eine zweite – und wir saßen bis in die tiefste Dunkelheit zusammen und machten uns miteinander bekannt.
Jetzt bin ich hundemüde und freue mich auf mein Bett. Morgen werde ich meinen Arbeitsplatz für die nächsten Wochen kennenlernen und bin gespannt darauf, was mich erwartet. Mein Abenteuer beginnt!