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Kennenlernen – Das Turnier

Im versammelten Galopp auf die Mittellinie abwenden X im Mittelpunkt halten. Grüßen“.

Der neunjährige Lukas verzieht das Gesicht: „Was für ein langweiliger Ausflug, und wie albern die angezogen sind mit ihren weißen, engen Hosen und ihren schwarzen Jacken. Da kannst du froh sein, dass du diesen Monat dran bist mit Ausflug aussuchen. Nächsten Monat wird es wieder cooler, da bin ich nämlich endlich wieder an der Reihe.“

Peinlich berührt zischt Kira ihren kleinen Bruder an: „Sei doch leise, wie unangenehm ist das denn? Die Leute gucken ja schon. Und außerdem: Was gibt es schon Aufregenderes als ein Reitturnier?“

Kira ist 13, da ist eigentlich alles peinlich vor allem kleine Brüder und ihre Sprüche aber ihre Mutter ist toll. Sie arbeitet so oft es geht als Reinigungsfrau in einer großen Firma. Außerdem dürfen sich die Geschwister abwechselnd jeden Monat einen Ausflug aussuchen, und dann wird gemacht, was die Kinder wollen. Diesen Monat ist Kira dran. Sie hat sich ausgesucht ein Reitturnier zu besuchen. Kira liebt Pferde, und es wäre ihr größter Traum, einmal ein eigenes Pferd zu haben. Bevor ihr Vater, Martin Gösser, vor einem Jahr gestorben ist, durfte Kira einmal in der Woche Reitunterricht in einem Stall ganz in der Nähe ihres Zuhauses nehmen. Dafür ist jetzt kein Geld mehr da. Trotzdem ermöglicht ihre Mutter ihnen jeden Monat einen Ausflug.

Allerdings darf dieser nicht mehr als 20 € kosten, da bleibt leider nicht viel Auswahl.

Freizeitparks oder große Kinobesuche mit Popcorn und Cola sind da nicht drin, aber das macht nichts. Hauptsache sie machen etwas zusammen.

Kira und ihr Bruder sind noch sehr traurig, weil ihr Vater nicht mehr bei ihnen ist, und sie vermissen ihn so sehr. Aber für ihre Mutter ist es noch viel schwerer. Martin Gösser war ein toller Vater und Ehemann. Er hatte in seinem Job als Lieferant nicht viel verdient, aber das war nie ein Problem. Nur jetzt reicht das Geld hinten und vorne nicht mehr. Nächsten Monat, das ist dann im April, darf Lukas wieder einen Ausflug aussuchen, dann wird es bestimmt wieder eine Oldtimer Ausstellung oder – wenn sie Glück hat – der Kletterwald.

Kira ist ein sehr hübsches dreizehnjähriges Mädchen. Von ihrem Vater hat sie die blonden, leicht gewellten, dichten Haare geerbt und von ihrer Mutter die großen, braunen Augen. Sie ist schlank aber nicht mager. Eigentlich kann Kira sich und ihren Körper ganz gut leiden, bis auf ihre Arme, die findet Kira zu muskulös.

Auf einmal wird es ganz still auf der Tribüne in der großen hellen Reithalle. Die Zuschauer stecken die Köpfe zusammen und murmeln bewundernd: „Ah, da ist sie ja!“ „So ein schönes Pony!“

Kira schaut in die Reitbahn und tatsächlich: So ein schönes Pony und so ein harmonisches Paar hat sie noch nie gesehen.

„In der Bahn begrüßen wir nun die Nummer 84, Josefine von Bodenhausen mit der sechsjährigen Rappstute Famous Dancer abstammend von Famous Dreamboy aus einer Royal Mutter.“

„Was redet der Ansager denn da für einen Quatsch?“, will Lukas wissen.

„Sei still“, meckert Kira „ich will da jetzt genau zusehen!“ Das lackschwarze Pony macht seinem Namen alle Ehre: Es tanzt durch die Bahn. Jede Lektion gelingt mühelos. Die Reiterin trägt keine Sporen und hat auch keine Gerte dabei. Sie scheint mit dem Pony zu verschmelzen, denn man sieht keine Hilfen. Jetzt wendet sie auf die Mittellinie ab hält im Mittelpunkt der Halle und grüßt. Das Publikum jubelt begeistert. Auch Kira klatscht verzückt in die Hände. Die Reiterin mit dem adligen Namen lächelt und umarmt den Pferdehals, um sich bei dem Pony für die tolle Leistung zu bedanken.

Nun hört man wieder den Ansager aus den Lautsprechern: „Für Josefine von Bodenhausen und Famous Dancer ergibt sich eine Wertnote von 8,2. Damit ist das Paar qualifiziert für das internationale Pony Festival im September in Belgien. Herzlichen Glückwunsch.“

„Das war wirklich ein wunderschöner Ritt!“, hört Kira ihre Mutter sagen, „aber jetzt müssen wir leider nach Hause.“

Lukas jubelt: „Na das wird aber auch Zeit!“

Die Familie verlässt die Tribüne und macht sich auf den Weg Richtung Bushaltestelle. Dafür müssen Sie einmal um die Halle herum laufen. Auf einmal hört man lautes Hufgetrappel, und wie aus dem Nichts kommt das schwarze Pony auf sie zu galoppiert. Kiras Mutter und ihr Bruder springen zur Seite, aber das Mädchen bleibt stehen und stellt sich dem Pony in den Weg. Mutig greift sie in die Zügel und schafft es tatsächlich, das Pony zum Stehen zu bringen. Die Nüstern des Ponys sind weit aufgestellt, und es schnaubt laut. Das eigentlich schwarze Fell ist am Hals weiß, weil es vor Aufregung schwitzt. Kiras Herz klopft wie wild, während sie versucht, das aufgeregte Tier zu beruhigen. Sie streichelt ihm sanft über den Hals und spricht beruhigend auf es ein. Tatsächlich scheint es zu funktionieren. Das schwarze Pony beruhigt sich langsam.

Da kommt die Reiterin um die Ecke der Reithalle gerannt, ihr folgen ein Mann und ein Junge, der wohl etwas älter ist als Kira selbst. Die Reiterin ruft erleichtert und glücklich: „Ach, was ein großes Glück, dass du da warst und Dancer aufgehalten hast. Hinter der Halle hat jemand ein Quad angelassen. Das ist das einzige, wovor Dancer Panik hat. Sie hat sich erschreckt und ist los gerannt! Ich habe nicht aufgepasst, und da vorne ist sofort die Hauptstraße. Da hätte ein großes Unglück passieren können.“

Die drei kommen auf Kira und das Pony zu. Der Junge nimmt ihr die Zügel aus der Hand, und das Mädchen fällt ihr um den Hals. „Ich bin Josefine, aber für dich Fine, weil du mein Pony gerettet hast. Das ist Herr Habermann mein Trainer und der Stallbesitzer, und das ist Jakob, einer seiner Söhne.“

Josefine ist ein sehr hübsches, schlankes Mädchen mit einem langen schwarzen Zopf, der fast so glänzt wie das Fell von Dancer. Ihre Augen leuchten blau, und sie scheint immer zu lächeln. Vielleicht kommt das Kira aber auch nur so vor, weil das Mädchen so erleichtert ist, dass dem Pony nichts passiert war.

„Magst du Pferde?“, will Josefine wissen.

„Natürlich!“, antwortet Kira.

„Ich würde mich gerne bei dir bedanken dafür, dass du Dancer gerettet hast. Vielleicht hast du Lust, mal mit mir gemeinsam in den Stall zu fahren. Ich habe noch ein anderes Pony, das ist ganz brav. Wir könnten einen kleinen Ausritt machen, wenn du dich traust.“

„Und ob sie sich traut!“, ruft Lukas. „Meine Schwester ist wirklich eine tolle Reiterin!“

„Na, dann ist ja alles klar!“, lacht Josefine.

Herr Habermann und sein Sohn Jakob schütteln allen die Hände und bedanken sich noch einmal. Die Mädchen tauschen ihre Telefonnummern und verabreden sich für den nächsten Mittwoch.

Die Busfahrt und den Fußweg nach Hause über schwebt Kira wie auf Wolken. Sie würde endlich wieder einmal reiten dürfen. Sie träumt davon, auf einem schwarzen, wunderschönen Pony über eine grüne Wiese zu galoppieren, und ein kleines bisschen träumt sie auch von dem großen, blonden Jakob mit den zerzausten Haaren. Und vielleicht könnte aus dem Mädchen mit dem adligen Namen ja eine Freundin werden! Was für ein Glück, dass der Familienausflug diesmal auf ein Reitturnier geführt hat.

Auf diese Weise hatte sie Josefine von Bodenhausen kennengelernt.

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