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Die Tür – Das Leben der Reichen

Der Mittwochvormittag zieht sich dahin wie alter Kaugummi, Erst zwei Stunden Deutsch bei Frau Bäuer, wobei Kira froh ist, dass sie ein Mädchen und gut in Rechtschreibung ist. Die wilden Jungs in ihrer Klasse kann Frau Bräuer nämlich gar nicht leiden und lässt sie das auch spüren. Danach Sport, das ist ja an sich gut, aber Rhythmische Sportgymnastik mit Bällen und Bändern bei Herrn Jollinek, der wie eine Ente durch die Turnhalle watschelt und dabei über elegante Bewegungen referiert, ist schon grenzwertig. Der einzige Lichtblick an diesem Schultag ist die Doppelstunde Physik bei Herrn Scheffermann. Herauszufinden, wie Licht sich ausbreitet und welche Bedingungen für eine Schattenbildung notwendig sind, findet Kira spannend. Außerdem ist Herr Scheffermann cool.

Dann ist die Schule endlich vorbei, und Kira macht sich auf den Heimweg. Ob sie wirklich ihre alte, viel zu kurze Reithose mit zu Josefine nehmen soll? Und wenn die sie dann auslacht? Ach, es ist ja nicht wirklich wichtig. Das wird heute sowieso ein einmaliges Treffen, und da kann es Kira ja egal sein, was das andere Mädchen von ihr denkt.

Zu Hause angekommen, stochert Kira nur im Möhrengemüse herum. Lukas ist auch schon von der Schule zurück. Er fragt besorgt: „Kira, du isst ja gar nichts. Du wirst doch wohl nicht krank oder?“

Kiras Mutter lacht: „Nein, das glaube ich nicht, Lukas. Ich denke, sie ist einfach nur aufgeregt.“

Kira muss zugeben, dass das stimmt, aber sie freut sich auch wie verrückt. Gegen 14 Uhr macht sie sich auf den Weg, mit zu kurzer Reithose und dem alten Reithelm im Rucksack. Kiras Mutter ruft ihr hinterher, sich zwischendurch zu melden, damit sie weiß, dass alles in Ordnung ist. Das Mädchen nickt und läuft los, sie nimmt den Bus und muss zweimal umsteigen. Zum Glück hat sie ihre Schul-Busfahrkarte, sonst wäre das eine teure Fahrt.

An der Blumenstraße steigt sie schließlich aus. Das hat Josefine ihr geschrieben. Dann geht sie bis zur nächsten Straßenecke und weiter nach rechts in den Weidenweg. Hier sehen die Häuser ganz anders aus, als in ihrem Wohnblock. Es sind schicke Einfamilienhäuser und manche haben einen Vorhof, der so groß ist, dass man darauf Fußball spielen könnte. Aber Kinder scheint es hier nicht zu geben, jedenfalls sieht Kira kein einziges. Aber vielleicht ist draußen spielen für die hier lebenden Kinder auch nicht gut genug, und sie verbringen ihre Freizeit lieber strukturiert mit Sport- und Musikunterricht und von den Eltern organisierten Verabredungen.

Kira geht bis zum Ende des Weidenwegs. Dort befindet sich ein großer Wendeplatz. Von dem führt eine einzige, schmale Straße ab. Rechts und links von der Straße stehen gepflegte kleine Bäume. Und überall zwischendurch finden sich Rosensträucher. Wahrscheinlich heißt die Straße deshalb Rosenallee, oder umgekehrt hat vielleicht jemand wegen dem Straßennamen so viele Rosen gepflanzt. Hier stehen keine Häuser, und Kira ist verunsichert und ein bisschen ängstlich.

Nach etwa 300 Metern taucht hinter einer Wegbiegung das Haus Rosenallee 1 auf. Und die Straße ist da auch zu Ende. Josefine wohnt also in einer privaten Straße in der nur ein einziges Haus, nämlich ihres, steht! Und Haus kann man das auch kaum nennen. Es ist eine riesige, weiße Villa mit einer unglaublich hohen, weißgetünchten Mauer um das ganze riesige Grundstück! Ein zwei Meter hohes Tor mit geschwungenen Stäben, sorgt dafür, dass Unbefugte nicht einfach auf den Vorplatz des Hauses fahren.

Kira bleibt überwältigt stehen und schaut sich das Haus genauer an. Es hat drei Stockwerke, die jeweils von kleinen verschieferten Dachabschnitten unterteilt sind. Die Eingangstür besteht aus 2 Flügeln und ist fast so breit wie ein Garagentor. Auf beiden Seiten ragen weiße Säulen nach oben, vorbei an einem ovalen Balkon mit einer geschwungenen, weißen Balkonumrandung, bis zu einem Dachvorbau, an dessen Giebel ein Wappen angebracht ist. Das Haus ist so groß, dass hier unmöglich nur eine Familie leben kann.

Kira bekommt Angst und sie fühlt sich klein und ganz unbedeutend. Am liebsten würde sie die Beine in die Hand nehmen und zurück nach Hause rennen. Aber die Neugier und die Vorfreude siegen, und so tritt sie auf das hohe Tor zu. Auf beiden Seiten wird das Tor von hohen, weiß getünchten Pfosten gehalten. In die linke Mauerseite ist ein riesiger Briefkasten eingelassen. Dort befindet sich auch eine Klingelanlage mit einer Kamera.

Ein Name ist allerdings nirgends zu sehen. Aber sie muss hier richtig sein, denn sie ist genau den Weg gegangen, den Josefine ihr beschrieben hat. Kira klopft das Herz bis zum Hals. Sie trippelt unsicher von einem Fuß auf den anderen, geht zwei Schritte zurück und atmet dann drei Mal tief durch. Dann tritt sie vor die Kamera und drückt den Klingelknopf.

Es dauert nur wenige Sekunden, da meldet sich eine männliche Stimme: “Ja bitte?“

Kira stottert: „Äh, also, ich bin Kira Gösser. Ich bin mit ihrer Tochter verabredet.“

„Mit meiner Tochter? Das glaube ich kaum. Aber bitte, treten Sie doch erst einmal ein.“ Ein Summen ertönt und eine Tür, die in das große Tor eingelassen ist, öffnet sich.

Kira ist verwirrt. Ob sie hier doch falsch ist, und wenn es hier gar keine Josefine gibt? Was ist, wenn der Mann, dem die Stimme gehört, ein Verbrecher ist und sie kidnappen will? Ach, was. Sie schiebt die negativen Gedanken zur Seite und tritt durch die Tür. Bis zum Haus sind es noch etwa 100 Meter. Die Leute, die hier wohnen, müssen immens reich sein. Kira strafft die Schultern und geht auf die Haustür zu. Diese öffnet sich wie von Geisterhand, und vor ihr steht ein älterer Herr mit angegrauten Haaren. Er trägt einen schwarzen Anzug und eine Fliege um den Hals. Er schaut nicht sehr freundlich: „Guten Tag, Frau Gösser. Ich nehme an, Sie möchten zu Josefine von Bodenhausen.“

Kira öffnet den Mund, um zu antworten aber da rennt Josefine an dem Herrn vorbei und ruft: „Hallo Kira, ich freue mich, dass es geklappt hat. Schön, dass du da bist. Das hier ist übrigens Herr Weidner. Er organisiert unseren Haushalt und ist auch unser Chauffeur. Ist dein Fahrer schon wieder weg?“

Kira dröhnen die Ohren. Das ist alles etwas zu viel: „Ich verstehe nicht ganz. Ich bin mit dem Bus gekommen und den Rest zu Fuß gegangen. Aber ich freue mich auch, das es geklappt hat. Und guten Tag, Herr Weidner.“

Der lächelt sie nun an und bittet die Mädchen, ins Haus zu kommen. Drinnen steht Kira mit offenem Mund da und schaut sich bewundernd um. „ Das ist ja ein unglaublich schönes und riesengroßes Haus!“

Der Eingangsbereich ist eine Halle. Rechts führt eine breite Treppe in das erste Obergeschoss, und unglaublicherweise ist daneben ein Aufzug eingebaut. Der Boden ist mit beigem Marmor ausgelegt, und an den Wänden befinden sich Seidentapeten in einem edlen Dunkelrot. Von der Eingangshalle aus kann man in den riesigen Wohnbereich sehen. Dort besteht die Einrichtung aus schweren, stilvollen Möbeln und einem offenen Kamin.

Josefine wirkt verlegen und winkt ab: „Ja, es ist ziemlich groß, und wir wohnen ja nur zu dritt hier. Aber mein Vater arbeitet extrem viel, und nur so kann er uns das bieten.“

Durch eine Terrassentür betritt eine elegante Frau das Haus. Sie hat einen hübschen dreifarbigen Collie bei sich und lässt ihn von der Leine. Der Hund bellt freudig und rennt zu Josefine: „Hallo Deliah, ja ich freue mich auch. Wir haben uns ja heute noch gar nicht gesehen.“ Josefine knuddelt den großen Hund wie verrückt, und auch Kira wird begeistert begrüßt.

Die Frau schaut die Mädchen freundlich an und kommt auf sie zu. Sie ist groß und schlank. Ihre Haare sind im Gegensatz zu denen von Josefine blond, kurz und gewellt. Sie trägt Gummistiefel und eine eng anliegende graue Hose sowie eine schwarze Jacke, deren Knöpfe sie geöffnet hatte. Ihre Gesichtszüge wirken irgendwie, wie von einer stolzen Königin.

„Hallo. Ich komme gerade von einem Hundespaziergang. Du bist bestimmt Kira. Mein Name ist Sofia von Bodenhausen, und ich bin Fines Mutter, wie du dir bestimmt schon gedacht hast. Fine ist dir so dankbar, dass du das Pony aufgehalten und vor Schlimmerem bewahrt hast. Ich konnte bei dem Qualifikationsturnier leider nicht dabei sein, weil mein Mann und ich einen wichtigen geschäftlichen Termin hatten. Der hat auch ziemlich geschimpft, weil Fine nicht aufgepasst hat, vor allem, weil sie genau weiß, wie panisch Dancer auf Geräusche von Quadmotoren reagiert. Umso mehr sind wir froh, dass du zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst und mutig reagiert hast. Fine denkt, dass ein Ausflug in den Reitstall dir Freude machen könnte. Wenn das nicht so ist, dann sag es bitte, dann finden wir eine andere Option, dich zu erfreuen.“

Kira schaut leicht entsetzt. Etwas anderes? Bloß nicht! Sie freut sich doch so sehr auf die Pferde! Schnell antwortet sie: „Ich hätte das auch ohne Belohnung gemacht. Das ist doch selbstverständlich! Aber ich nehme die Einladung zum Stallbesuch sehr gerne an. Bis vor einem Jahr bin ich auch jede Woche einmal geritten.“

Das scheint Fine und ihrer Mutter zu gefallen. Sofia von Bodenhausen sagt: „Sehr schön, dann kannst du ja bestimmt ein paar Runden auf Harmony drehen. Sie ist wirklich brav und sehr gut ausgebildet. Fine hat mit ihr schon eine Menge Prüfungen gewonnen.

„Mama“, ruft Fine peinlich berührt. „Das ist doch nicht wichtig. Kira und ich wollen einfach einen schönen Nachmittag verbringen.“

Fine zieht Kira mit sich, und sie packen Fines Reitutensilien zusammen. Herr Weidner wartet an der Haustür auf die Mädchen, hält ihnen die Tür auf und geleitet sie zu dem in der Zwischenzeit vorgefahrenen Wagen. Es ist ein großer, schwarzer Geländewagen. Am Kühlergrill befindet sich das gleiche Wappen, wie auf dem Giebel des Hauses. Kira fragt, was es damit auf sich hat. Fine erklärt, dass es das Familienwappen der von Bodenhausens sei. Die Familie habe adlige Ursprünge, und ihr Vater lege viel Wert, auf die Beibehaltung von Traditionen.

Der Geländewagen scheint zu schweben, so komfortabel kann man darin sitzen. Das große Tor schwingt geräuschlos auf, und dann geht es endlich los Richtung Ponys!

Da fällt Kira ein, dass sie sich noch gar nicht bei ihrer Mutter gemeldet hat. Schnell holt sie ihr Handy aus der Tasche und schreibt ihr eine Nachricht. Sie überzeugt sich davon, dass ihre Mutter die Nachricht gesehen hat und steckt dann das Telefon weg.

„Bist du wirklich die ganze Strecke von der Bushaltestelle gelaufen?“, will Josefine wissen. „Hätte ich das gewusst, hätte Herr Weidner dich wenigstens von dort abholen können. Heute Abend bringen wir dich aber nach Hause!“

Kira ist nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, denn dann sieht Josefine in welch ärmlichen Verhältnissen Kira lebt, ohne Butler, Chauffeur, teure Autos und Villa. Sie antwortet: „Das macht doch nichts, so weit war das gar nicht.“

Josefine sieht sie stirnrunzelnd an, sagt aber nichts mehr dazu. Die weitere Fahrt geht weg von dicht bebauten Straßen, durch ein unheimliches Waldstück und dann nach ein paar Kurven durch ein grünes Tor, eine Auffahrt entlang zum Reitstall.

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