Читать книгу Liebesaffären zwischen Nordseestrand und dem anderen Ende der Welt: Romance Sammelband - Sandy Palmer - Страница 6
Der Mann aus dem Urlaubsparadies Sandy Palmer
ОглавлениеMitreißende Geschichte um eine Ferienreise mit Hindernissen
Es ist eine Riesenenttäuschung für Sibylle, als sie erkennen muss, dass ihr Freund nur an ihrem Geld interessiert ist. Von der großen Liebe, an die sie lange geglaubt hat, keine Spur! Aus Enttäuschung bucht sie sich Hals über Kopf einer Reise nach Hawaii. Dort begegnet sie einem faszinierenden Mann, der allerdings ein Geheimnis hütet...
In der eleganten Hotelhalle ging es an diesem Tag extrem hektisch zu. Viele neue Gäste reisten an, unter anderem ein arabischer Scheich mit sage und schreibe vier Frauen und einem Hofstaat, der den ganzen siebten Stock des Luxushotels belegte.
Zu allem Überfluss wurde Sibylles Kollege Sascha krank und Sibylle musste eine Weile für ihn mitarbeiten, bis die Hotelleitung Ersatz gefunden hatte.
„Sagen Sie mal, wo bekomme ich denn noch Opernkarten für heute Abend her? Ihr Kollege sagte, Sie könnten da helfen.“ - „Bitte, kann ich meinen Schlüssel haben?“ - Haben Sie vergessen, mir ein Taxi zu bestellen?“
Die Hotelgäste sprachen wirr durcheinander. Jeder verlangte völlige Aufmerksamkeit, ein charmantes Lächeln und das Gefühl, dass die junge Frau hinter dem Tresen nur für ihn da war. Dabei fiel es Sibylle seit Tagen schwer, ihren Dienst perfekt zu verrichten.
Schuld daran war Alex, ihr Freund, mit seinen Zukunftsplänen.
Plänen, die mit ihren nicht das Geringste zu tun hatten!
„Wir können dieses Jahr nicht in Urlaub fahren“, hatte er ihr vor vier Tagen erklärt und die Prospekte, die Sibylle auf dem Tisch ausgebreitet hatte, einfach beiseite gewischt. „Wir müssen sparen. Jeden Cent.“
„Aha. Und warum, wenn ich fragen darf?“ Konsterniert hatte sie ihn angesehen.
„Weil wir uns ein Haus kaufen werden. Ich hab da ein tolles Angebot, das wir...“
„Wir?“ Sibylle hatte ihren Zorn nur mühsam zügeln können. „Wer sagt denn, dass ich überhaupt ein eigenes Haus will?“
„Aber wir gehören doch zusammen!“ Alex hatte so getan, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt, dass alles, was ihr gehörte, auch sein Besitz war. Und schon erklärte er ungerührt: „Du hast doch ein hübsches Sümmchen von deiner Tante geerbt. Da kannst du doch...“
Genau das war’s: Er hatte Wünsche, schmiedete Pläne, und sie sollte das alles bezahlen.
„Es gibt kein Risiko und keinen Haken an der Sache“, hatte er sie dann noch weiter zu überzeugen versucht. „Das Haus ist superklasse. Eine Toplage! Mit großem Garten. Und für knapp eine halbe Million spottbillig.“
„Du spinnst“, hatte Sibylle nur noch hervorbringen können. die Wut schnürte ihr die Kehle zu. „Hast du vergessen, dass ich gerade mal siebzigtausend Euro geerbt habe und keine halbe Million?“
Alex hatte daraufhin etwas von günstigen Krediten geschwafelt, von günstigen Finanzierungen und einer ungeahnten Möglichkeit, endlich zu etwas Eigenem zu kommen. Aber das hatte Sibylle nicht mehr interessiert.
„Hör auf mit diesem Unsinn“, hatte sie nur noch gesagt und ihn einfach stehenlassen.
Seit dieser Zeit waren sie sich aus dem Weg gegangen. Alex war sauer, weil seine schönen Zukunftsträume zu zerplatzen drohten, und Sibylle war wütend, weil sie erkannte, dass sie mit einem Egoisten reinster Form liiert war.
„Ich geh gleich ins Reisebüro und buch mir irgendwas. Egal, wohin, nur raus hier“, teilte sie ihrer Kollegin Hanni mit, als die endlich kam, um sie abzulösen.
„Aber du hast doch keinen Urlaub!“
„Hab ich doch noch. Etliche Tage sogar. Und falls es sich einrichten lässt, bin ich nächste Woche weg, das schwör ich dir.“
Sie hatte Glück, ihr Chef machte keine Schwierigkeiten, weil der Kollege wieder gesund war und außer Hanni noch eine weitere Kollegin an der Rezeption Dienst tun konnte.
Der Besuch in einem der größten Reisebüros der Stadt verlief so erfolgreich, dass sich Sibylles Laune besserte - was Alex als gutes Zeichen nahm.
Doch er irrte sich gewaltig, denn Sibylle reiste ohne ihn!
Acht Tage nach ihrem letzten großen Streit saß sie im Flugzeug nach Los Angeles, von dort aus würde sie weiterfliegen nach Hawaii. Ein Traumziel. Eine Reise ins Vergessen. Alex, den Job und das verregnete Deutschland würde sie für ein paar Wochen hinter sich lassen!
Im Hotel verzichtete sie auf den Begrüßungscocktail, packte nur ein paar Kleider aus und ging dann gleich zum berühmten Strand von Waikiki.
Glücklich streckte sie sich auf ihrem Badetuch aus und schaute blinzelnd um sich. Ganz links konnte sie den Diamond Head sehen, den großen Vulkan, zu dem sie unbedingt fahren musste. Rechts musste Pearl Harbor liegen, doch diesen geschichtsträchtigen Ort konnte sie von ihrem Platz aus nicht sehen.
„Wenn Sie sich nicht bald eincremen, werden Sie morgen garantiert rot wie eine Tomate sein.“
Mit einem Ruck richtete sich Sibylle auf. Wer riss sie da aus ihren Urlaubsplanungen?
„Sie sind heute erst angekommen, nicht wahr?“ Der Mann ließ sich einfach neben sie in den Sand fallen.
„Stimmt. Aber woher wissen Sie das?“
„Ich lebe schon so lange hier, dass ich einen Blick dafür habe.“ Er lachte leise. „Ich heiße Fabian Hersfeld.“
„Und wie lange sind Sie schon auf Hawaii?“ Sibylle musterte ihn eingehender. Gut sah er aus mit seinem von der Sonne gebleichten Haar, dem gebräunten Gesicht und den klugen Augen, die sie jetzt, da er die Sonnenbrille abgenommen hatte, deutlich erkennen konnte.
„Seit dreieinhalb Jahren. Ich bin hier hängen geblieben. Irgendwie...“ Er sprach nicht weiter, doch sein Gesichtsausdruck war auf einmal unendlich traurig. Der Mann schien sich in der Weite des Meeres zu verlieren. „Wie lange machen Sie denn Urlaub auf Hawaii?“, fragte er ablenkend.
„Eine Woche hier auf Oahu, dann ist Inselhopping angesagt.“ Sibylles Augen leuchteten auf. „Ich bin wahnsinnig gespannt auf die Garteninsel Kauai. Das ist mein Traumziel, wenn ich mich hier am Strand ein bisschen ausgeruht habe.“
„Ich bin mir sicher, Sie werden begeistert wein. Hawaii ist wirklich noch ein Paradies. Wenn auch mit ein paar gravierenden Schönheitsfehlern.“ Er wies mit der Hand hinüber zu den Hotelburgen, die sich gerade hier in Waikiki den ganzen Strand entlang zogen. „Doch wenn man sich den Blick fürs Ursprüngliche bewahrt, dann kann man über den Massentourismus besser hinwegsehen“, fuhr Fabian Hersfeld fort.
„Wenn’s den nicht gäbe, wäre ich ja auch nicht hier“, fuhr Sibylle fort.
„Und das wäre traurig.“ In Fabians Blick las sie vorsichtiges Werben. „Darf ich Ihnen ein bisschen von der Insel hier zeigen?“
Sibylle zögerte einen Moment, dann nickte sie zustimmend.
„Fein! Wenn Sie wollen, fangen wir gleich morgen an. Heute muss ich leider noch mal in meine Praxis. Ich bin Arzt und praktiziere in Pearl Harbor.“ Er erhob sich. „So, es ist Zeit für mich, aufzubrechen.“
Sie verabredeten sich für den kommenden Tag, elf Uhr früh, in der Hotelbar. Dann ging Fabian mit einem letzten Winken davon.
Sibylle sah ihm nachdenklich hinterher. So sehr er sie auch beeindruckt hatte - ein Geheimnis schien ihn zu umgeben. Er wirkte trotz seiner Offenheit traurig. Und auch ein bisschen rätselhaft. Ob er sie ins Vertrauen ziehen würde, wenn sie sich ein wenig besser kannten?
*
Fabian war ein wundervoller Fremdenführer. Die Stunden in seiner Begleitung vergingen viel zu schnell. Er zeigte Sibylle Honolulu und entführte sie anschließen zur Hanauma Bay. Dort erlebten sie den Sonnenuntergang. Ganz ruhig lag der Ozean da, als der glutrote Ball sich immer tiefer senkte... und endlich als goldroter Schimmer am Horizont verlosch.
„Traumhaft schön ist das.“ Sibylle lehnte sich an eine Palme. Die meisten Touristen blieben in Waikiki, und so hatte sie in diesem Moment das Gefühl, wirklich im Paradies zu sein.
Allein mit einem geheimnisvollen Adam...
„Mein Lieblingsplatz“, gestand Fabian. „Ich komme immer hierher, wenn ich abschalten und den Tagesstress vergessen will.“
„Danke, dass Sie mich mitgenommen haben.“
Wie von selbst näherten sich ihre Gesichter einander. Fabian streckte die Hand aus, legte sie sanft um Sibylles Wange und zog ihren Kopf noch ein wenig näher. Ihr erster Kuss... süß, zärtlich und von einer Innigkeit, die Sibylle Tränen in die Augen trieb.
„Danke“, flüsterte Fabian dicht an ihren Lippen. „Danke, dass du hergekommen bist.“
Sie wollte fragen, was er damit meinte, wollte wissen, warum wieder diese unbestimmte Traurigkeit in seiner Stimme mitschwang, doch sein nächster Kuss löschte alle Fragen aus.
So blieb es die nächsten Tage über. Wann immer Fabian sich aus seiner Praxis loseisen konnte, fuhr er mit Sibylle über die Insel und zeigte ihr die verborgenen Schönheiten.
Sie besichtigten eine der vielen Ananasplantagen, flogen mit einem von Fabians vielen Freunden hinüber nach der Insel Hawaii, wo sie hoch zum Kilauea gebracht wurden, dem immer noch aktiven Vulkan, an dessen einer Seite auch heute noch glühende Lava ins Meer floss.
„Er ist eigentlich nur ein Nebenvulkan des Mauna Loa, und er gilt als der aktivste Vulkan der Welt“, erzählte Fabian. „Die Wissenschaftler haben errechnet, dass in den letzten Jahrzehnten alle elf Monate - im Durchschnitt gerechnet natürlich - eine Eruption stattfand.“
„Das ist beängstigend.“
„Die ganzen Inseln sind aus Lavaströmen geboren. Der größte hier, der Mauna Kea, ist 4205 Meter hoch. Aber man muss beachten, das er unterirdisch noch enorme Ausmaße hat. Ca. 5500 Meter - und somit ist er der höchste Berg der Welt.“
Sibylle war beeindruckt, doch sie gestand sich auch ein, dass ihr diese Vulkane Angst machten. Sie war froh, als sie zurück auf Oahu waren.
Schöner waren da der Tropical Botanical Garden mit seinen fast zweitausend verschiedenen Pflanzen. Und die mächtigen Banyan-Bäume entlang des Banyan-Drive. Sie bewunderte die riesigen aus Koa-Holz geschnitzten Idole am Strand, Zeugen der alten hawaiianischen Kultur.
Sie fuhren durch riesige Zuckerrohrfelder, besichtigten eine Ranch, und der Besitzer, der mit Fabian befreundet war, lud sie für den Abend zu einem traditionellen Fest ein.
Sibylle fühlte sich in eine andere Welt versetzt, und es kam in ihren Augen beinahe einem Kulturschock gleich, als sie nach Waikiki zurück fuhren. In diese von Touristen bevölkerte, laute und vollkommen amerikanische Stadt.
Ganz anders verlief der Besuch in Pearl Harbor, hier gedachten sie am USS Arizona Memorial in aller Stille der vielen Toten, die beim unerwarteten Angriff der japanischen Luftflotte gestorben waren. Sie schauten hinab zum Wrack der Arizona, die nach einer Magazinexplosion gesunken war und zum Grab für mehr als eintausend amerikanische Soldaten wurde.
„Ich wünschte, es gäbe nie wieder einen Krieg auf dieser Welt“, flüsterte Sibylle und lehnte für einen Moment den Kopf an Fabians Schulter.
„Das wäre wundervoll - aber es wird wohl eine Illusion bleiben. Ich glaube nicht mehr daran, dass wir Menschen jemals ganz friedlich miteinander leben können.“ Dabei presste er die Lippen fest zusammen, und für ein paar Minuten schien sich ein dunkler Schleier über den sonnigen Tag gelegt zu haben.
Aber schon bald gewann der Zauber der Insel die Oberhand, sie genossen die Sonne, den Strand, die versteckten Bars am Wasser, in die sich kaum ein Tourist verirrte und wo sie ungehindert Zärtlichkeiten austauschen konnten.
*
Eine Woche im Paradies. Eine Woche vollkommenen Glücks... Sibylle schmiegte sich an Fabian und blickte hinüber zum Hafen. Er hatte sie in sein Haus eingeladen, ein altes Holzgebäude, das sich wie schutzsuchend an den Berghang schmiegte. Es war Sibylles letzte Nacht auf Oahu - oder Big Island, wie viele sagten - und die erste, die sie und Fabian zusammen verbrachten.
Am nächsten Morgen begann ihr Ausflug, der sie von Insel zu Insel führen sollte. Ein kleines Flugzeug brachte sie nach Hawaii, der größten Insel des Archipels. Hier, im Reich der Vulkangöttin, wie die Ureinwohner dieses Stück Erde bezeichneten, brodelte der große Vulkan Kilauea Tag und Nacht. Diesmal durchquerte Sibylle den Nationalpark mit etlichen anderen Touristen, doch sie erfuhr nicht ganz so viel über dieses Gegend wie vor Tagen, als sie mit Fabian und seinem Freund hier gewesen war.
Dennoch beeindruckte sie die Vulkanlandschaft auch jetzt wieder, diese dunkle, dampfende Lavawüste, unter der es doch immer wieder brodelte, und oft floss ganz unerwartet ein glühender Lavastrom über das schon erstarrte Geröll.
Alles war faszinierend. Und doch sehnte sie sich immer stärker zurück nach Fabian.
Ob es ihm ähnlich erging? Oder war sie für ihn nur ein Flirt gewesen? Eine von vielen Touristinnen, die ihm den Alltag für ein paar Stunden verschönten? Eine Frau, mit der man ein amüsantes Abenteuer erlebte, die man dann aber rasch wieder vergaß?
Der Gedanke, dass es so sein könnte, trieb ihr die Tränen in die Augen.
Doch es blieb nicht viel Zeit für Melancholie. Die Reise ging weiter.
Die beiden winzigen Inseln, noch kaum vom Tourismus erschlossen, begeisterten sie ebenso wie der Ausflug mit einem schnellen Segelboot. Delphine sprangen aus dem Wasser, es wirkte so, als begrüßten sie mit ihren Sprüngen die Besucher aus einer anderen Welt.
Die Zeit verging wie im Flug, und die Rückkehr nach Oahu stand bevor.
Am Abreisetag ging es Sibylle gar nicht gut. Sie hatte Fieber, ihr war übel, und irgendwie hatte sie das Gefühl, alles wie durch einen Nebel zu sehen. Doch energisch riss sie sich zusammen. Nur keine Schwäche zeigen! Den Abflug nur nicht gefährden!
Fabian wartete!
Er stand wirklich in der Hall des Flughafens und wartete mit einem weiß-lilafarbenen Orchideenkranz auf sie. Doch die Blütenkette fiel achtlos zu Boden, als er sah, dass sich Sibylle kaum noch auf den Beinen halten konnte.
„Liebling...“ Seine Stimme, sein Arm, der sie hielt, waren das letzte, was Sibylle für lange Zeit wahrnahm. Das Fieber tobte durch ihren Körper. Nicht einmal, dass Fabian Tag und Nacht an ihrem Bett saß, bekam sie mit.
Und dann, in der vierten Nacht, flatterten Sibylles Lider plötzlich, und ihre Hände glitten unruhig über die Bettdecke - sie sie von einer großen warmen Hand umfasst wurden.
„Ich bin da, Liebes, ganz ruhig...“
„Fabian?!“ Wie ein Hauch nur klang ihr Name, doch der Arzt atmete erleichtert auf.
„Ja!“ Und dann fühlte sie seine Lippen auf den ihren - und alles war gut.
Tief war der Schlaf, in den sie nun wieder fiel. Tief und erholsam. Nur ein Gedanke machte ihr Angst, als sie wieder wach wurde: „Mein Flug geht am zwanzigsten. „Wie... wie lange ist es noch bis dahin?“
„Übermorgen ist der zwanzigste“, erwiderte Fabian ruhig. „Aber ich denke, dass du dann noch nicht transportfähig sein wirst. Ich werde das attestieren.“ Er streichelte ihr Gesicht. „Glaubst du, ich lasse dich so schnell wieder aus meinem Leben gehen?“
Sibylle senkte den Kopf. So rasch nicht... aber bald. Sie konnte nicht ewig hier auf Hawaii bleiben. Konnte nicht so tun, als sei ihre Welt in Deutschland völlig unwichtig geworden.
Immer wieder, wenn sie aus den tiefen Erschöpfungs-Schlafphasen erwachte, malte sie sich aus, wie es sein könnte, wenn sie hier auf Hawaii bliebe. Bei Fabian...
Doch dann war sie zu schwach, um weiter darüber nachzudenken. Um zu grübeln, was wäre, wenn sie ohne ihn weiterleben müsste.
Oder mit ihm...
Es waren wirre Gedanken, die sich nie ganz festhalten ließen, denn sie schlief immer wieder ein. Aber wenn sie erwachte, war Fabian da.
Und das machte sie glücklich.
Noch...
Zehn Tage später war es soweit: Sibylle musste heim fliegen. Sie fühlte sich wieder gesund und stark. Wenn auch traurig. Unendlich traurig.
„Wir sehen uns wieder“, versicherte Fabian. „Ich liebe dich. Vergiss das nicht - ich liebe dich.“
Dann kam der letzte Kuss. Süß und bitter zugleich und von einer Wehmut, die schmerzte.
*
In Deutschland war inzwischen Altweibersommer. Spinnweben schwebten durch die Luft, und die ersten bunten Blätter kündeten vom nahen Herbst.
Alex hatte einen großen Strauß Blumen dabei, als er Sibylle am Flughafen abholte.
Doch sie musste an die gelben und rosefarbenen Hibiskusblüten denken, die um um Fabians Haus wuchsen und ihren zarten Duft verströmten.
„Hibiskus ist die Nationalblume unserer Insel“, hatte er ihr erklärt. „Wer einen Garten anlegt, pflanzt zuerst einmal ein paar Hibiskussträucher.“
Bei diesen Worten hatte sich wieder diese unbestimmte Trauer in seinen Augen gespiegelt, für die Sibylle einfach keine Erklärung gefunden hatte. Doch dass es da etwas in seiner Vergangenheit gab, über das er nicht hinwegkam, dessen war sie sich sicher.
„Sag mal, träumst du? Ich hab dich schon zwei Mal gefragt, ob wir zu dir oder zu mir fahren sollen.“ Alex legte besitzergreifend den Arm um ihre Schultern.
Sibylle liebt abrupt stehen. Sie waren noch auf dem Parkplatz des Flughafens. Alex trug ihren Koffer, sie hielt in der einen Hand den Strauß, in der andern ihre kleine Reisetasche.
„Es tut mir leid, aber...“ Sie schluckte, dann fuhr sie entschlossen fort: „Ich mache Schluss, Alex. Wir sind einfach zu verschieden. Du und ich... das ist vorbei.“
Ungläubig starrte er sie an. „Du hast dir wohl einen anderen angelacht?“ Alex ließ den Koffer aus der Hand fallen und rüttelte Sibylle an den Schultern. „Gib’s doch endlich zu!“
Sie nickte nur. „Ja, ich habe einen anderen Mann kennengelernt. Einen, der mir viel bedeutet. Aber ich werde ihn wohl nie wieder sehen.“
„Ach so!“ Alex grinste. „Du musstest den obligatorischen Ferienflirt haben, verstehe. Na und, Schätzchen? Ich bin doch nicht kleinlich. Das nächste Mal verreise ich, dann gibt’s eben Revanche.“
„Du bist - unmöglich!“ Sibylle fühlt Wut und Entsetzen in sich hochsteigen. Wie konnte er so reden? Wofür hielt er sich? Und wofür hielt er sie? Schätzte er sie so wenig?
Sie winkte einem Taxi. „Leb wohl, Alex.“
Zu Hause weinte sie, bis sie keine Tränen mehr hatte. Was dann blieb, waren Sehnsucht - und Einsamkeit.
Am folgenden Sonntag klingelte es schon früh an ihrer Haustür. Sibylle zog sich schnell Sweatshirt und Leggins an. Gerade halb neun. Wer mochte zu dieser ungewöhnlichen Zeit besuchen?
Nur widerwillig drückte sie den Knopf der Wechselsprechanlage. „Ja bitte?“
„Ich bin’s.“
Zwei Wörter nur, aber sie brachten Sibylles Welt ins Wanken.
„Fabian!“ Ihr Schrei war im ganzen Haus zu hören, doch das störte sie nicht. Er war da! Nur das zählte!
„Ich muss dir so viel erklären“, flüsterte er, als er sie in die Arme riss und so fest an sich presste, dass es beinahe schon weh tat. „Schon auf Hawaii wollte ich dir alles gestehen, aber ich war mir nicht sicher, ob du mich verstehen würdest.“
Und dann erzählte Fabian von seiner Frau, einer Hawaiianerin, die an einer schweren Krankheit gestorben war.
„Ich habe alles Menschenmögliche versuchte und konnte ihr doch nicht helfen. Die Blutkrankheit war zu tückisch, keine Therapie half. Wir sind auch zu etlichen Kollegen in die USA geflogen - immer ohne Erfolg. Mir blieb schließlich nur noch, die Leiden meiner Frau zu lindern, ihr die Zeit, die ihr blieb, so angenehm wie möglich zu machen. Als sie starb, war es für sie eine Erlösung. Nie werde ich ihren letzten Blick vergessen - er war voller Liebe, aber auch schon jenseitig. Sie hat ein wenig gelächelt, als sie mir zum letzten Mal in die Augen gesehen hat.“ Er brach ab, wischte sich kurz über die Augen. „Ich war vor Schmerz halb betäubt, das musst du mir glauben. Aber da war ihre Familie... Sie haben geglaubt, ich hätte ihr eine falsche Medizin gegeben, und sie haben geschworen, sich zu rächen. Schließlich hatte ich meine Frau dahingehend beeinflusst, dass sie nicht zu irgendwelchen Wunderheilern ging, sondern der Schulmedizin vertraute. Das hat man mir wohl auch übel genommen. Nie wieder sollte ich glücklich werden. Und deshalb...“ Er brach ab und sah sie bedrückt an.
„Deshalb also hast du dich manchmal so rätselhaft verhalten. Es gab Momente, da warst du ganz weit weg. Wie auf einem anderen Planeten.“ Sie schmiegte sich an ihn, roch den Duft seiner Haut, das leichte Aftershave, das er benutzte und das sie so gern mochte. Vor allem aber waren da seine Lippen, die sie noch mehrfach küssten, ehe er weiter sprach.
„Stimmt. Ich hab gezweifelt. Und ich hatte Angst. Angst vor allem um dich.“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah ihr in die Augen. „Aber ich kann nicht mehr ohne dich sein, und daher möchte ich es noch einmal versuchen, mich mit der Familie meiner Frau auszusöhnen. Wenn du jedoch nicht mit mir auf der Insel leben möchtest, komme ich zurück nach Deutschland. Nur ohne dich sein - das kann ich nicht mehr.“
„Ich fürchte mich nicht im geringsten. Nicht vor der Familie deiner Frau, und auch nicht vor irgendwelchen hawaiianischen Gottheiten und alten Drohungen. Was sollten mir, mal ehrlich, die Menschen tun, die mich nicht mal kennen und denen ich nichts getan haben?“ Sibylle sah Fabian mit leuchtenden Augen an. „Ich bin sicher, dass die trauernde Familie inzwischen eingesehen hat, dass du unschuldig bist und alles versucht hast, deine Frau zu retten. Im ersten Schmerz sagt man so vieles, was man nicht wirklich ernst meint...“
Dass Sibylle recht hatte, merkten sie ein paar Monate später. Da zog die junge Frau des Arztes in das schöne Holzhaus am Rand von Pearl Harbor, das Sibylle nach ihren eigenen Vorstellungen neu möbliert hatte. Es war ein wundervolles, gemütliches Heim geworden, und sie würde sich hier sicher wohl fühlen, das stand fest.
Ein paar Wochen später schon besuchten sie die Familie von Fabians erster Frau. Sie wurden zunächst ein bisschen verhalten, doch nicht unfreundlich begrüßt. Die Angehörigen der Toten hatten inzwischen eingestanden, dass die Krankheit der Tochter unheilbar gewesen war und dass Fabian alles für seine Frau getan hatte, was menschenmöglich war. Die Götter jedoch hatten anders entschieden - man musste es hinnehmen. So sagte es jedenfalls der Großvater der Toten, ein alter, weißhaariger Mann mit gütigen Augen.
Zum Abschied umarmte Fabians Schwiegermutter ihn - und auch kurz Sibylle. Dann, als die alte Frau ihm zulächelte und Sibylle einen Strauß gelber Hibiskusblüten schenkte, begannen seine Augen zu leuchten.
Jetzt wusste er: Sibylle und er würden hier auf Hawaii ein glückliches, erfülltes Leben haben!
ENDE