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Vergöttert

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Ich bin in einem kleinen Schloss an der Loire aufgewachsen. Mein Vater, der Comte de Moncullier, hatte stets darauf geachtet, dass ich eine umfassende Erziehung im Sinne der schönen Künste erhielt. Ich war seine einzige Tochter, sein Augapfel, sein Kleinod. Meine drei älteren Brüder erhielten eine strenge Erziehung und mussten sich auf ihr Studium an der Sorbonne vorbereiten, ich jedoch lernte das Spiel am Spinett. Während ich tagsüber durch Avray-le-Puc tanzte und die Hühner über den Hof jagte, mussten meine Brüder in der Bibliothek stundenlang Lektionen in Geographie, Geometrie und Genealogie über sich ergehen lassen.

Ich war ungefähr zehn, als mein Leben eine unerwartete Wendung nahm. Es war ein heißer Sommertag, an dem ich Francois suchte und etwas fand, das ich erst viel später verstehen sollte. Francois, der Sohn unseres Stallmeisters, war einige Jahre älter als ich und ich fand ihn charmant, so wie man einen Bediensteten charmant finden konnte, der mir, wenn ich in den Hof kam, mit gesenktem Kopf mein frisch gesatteltes Lieblingspferd heranführte, ohne dass ich ein Wort verlieren musste, weil er mich kannte und weil er dafür bezahlt wurde, mir zu dienen. Oder sollte ich sagen: Weil Francois nicht bestraft wurde, wenn er tat, was mir gefiel?

An diesem Tag wartete ich, wie jeden Tag ganz früh gleich nach dem Aufstehen, jedoch vergeblich im Hof auf das Klappern der beschlagenen Hufe. Mein weißes Kleid strahlte in der Morgensonne und ich hatte zur Morgentoilette frisches Puder aufgetragen, zum ersten Mal, weil Maman sagte, ich sei langsam in dem Alter, in dem sich Mädchen morgens frisch machen sollten.

So stand ich da, doch Francois kam nicht. Nach einer Weile wurde ich ungeduldig und die Neugierde, die schon damals recht deutlich ausgeprägt war, lenkte meine Schritte zum Stall. Ich hatte schon häufiger den Stall von innen gesehen, vermutlich häufiger, als es meinem Vater lieb gewesen wäre. Auch meine Mutter sagte, es schicke sich nicht, sich mit dem Gesinde zusammen im Stall aufzuhalten, dabei war es mir nie um unser Personal gegangen, sondern um Geruch des Pferdemists, die Sonnenstrahlen, die durch die hohen Fenster fielen, das Schnauben der Pferde und die stickige Wärme.

Wie gesagt: Meine Faszination für das Fremde war schon in frühen Jahren ersichtlich. Kein Wunder, dass ich die Reisen mit Charles von Anfang an als eine Chance angesehen hatte und nicht als Strafe, wie es meine allerliebste Freundin Sophie empfand.

Meine Schritte hallten von den Wänden wider, als ich an den großen Pferden vorbei zum Stellplatz meines kleinen Pferdchens schlich. Es stand noch immer angebunden an seinem Platz, was mich erst verwundert, dann verärgert und schließlich hilflos zurückließ. Da stand ich, in meinem Kleid, fertig für den Ausritt, und meinem Glück stand die Unzuverlässigkeit dieses ungezogenen Burschen Francois im Wege.

Verärgert stieß ich mit dem Fuß auf, ich erinnere mich noch genau, wie ich mich im Kreis drehte und hoffte, irgendein anderer Bediensteter würde in diesem riesigen Pferdestall auftauchen und mir das Pferd heranführen, während ich mir zugleich ausmalte, wie sich Francois unter den Stockhieben des Haushofmeisters wand, seine Haut über und über mit roten Striemen bedeckt.

Im hinteren Teil des Stalles schließlich fand ich ihn. Ich hörte Stimmen, Flüstern, Kichern, Rascheln. Francois lag rücklings im Stroh. Er schlief tief und fest, so erschien es mir, vollständig bekleidet. Offensichtlich hatte er sich nach dem Füttern der Pferde noch einmal hingelegt, um ein Nickerchen zu machen. Zwischen seinen Beinen kniete Josephine, die Gänsemagd, und schüttelte ihn mit der rechten Hand in der Mitte seines Körpers. Ihr tiefes Dekolleté gab einen obszön offenen Blick auf den wogenden Busen frei. Hohes Stroh und ihre linke Schulter verdeckte den Blick auf ihre Hand, die vergeblich an dem schlafenden Burschen rüttelte.

Francois stöhnte im Schlaf, schmatzte, und Josephine beugte sich noch etwas tiefer über ihn, schien in seine Körpermitte beißen zu wollen wie Pferd, das an einer Karotte knabberte.

Francois murmelte wieder etwas, und ich hatte das Gefühl, er würde jetzt aufwachen, doch Josephines Rütteln wurde nur noch verzweifelter und schneller, und wieder senkte sie den Kopf, um ihn zu beißen, damit der Junge endlich aufwachte.

Schließlich gelang es ihr auch.

Francois drückte seine Hüften hoch, Josephine öffnete den Mund, als wollte sie ihn ein letztes Mal beißen, und das schien Francois, jetzt hellwach, nicht zu gefallen, denn ich sah, wie sich seine Hände um den Hinterkopf der Gänsemagd legten, ihn festhielten, während er sich noch letztes Mal unter ihrem Biss aufbäumte und laut keuchte.

Sie musste wirklich sehr fest zugebissen haben, dachte ich und wollte hinzueilen, um sie davon abzuhalten, ihm weiter weh zu tun, als durch das geöffnete Tor ein furchtbarer Lärm in den Stall dröhnte. Menschen grölten, lachten, schrien.

Josephine hob den Kopf. In ihren Mundwinkeln glänzte es feucht und sie wischte sich etwas vom Kinn, das hoffentlich nur Speichel gewesen war und kein Blut, doch ich war sicher, dass es Speichel gewesen war, denn der Tropfen war trüb gewesen und nicht rot.

Auch Francois hob den Kopf, erschrocken und wir alle starrten zum Stalltor.

Ich weiß nicht, wie die Menschen das große, schwere Gitte zum Hof überwunden hatten, aber die Tatsache, dass auf einmal Bauern mit Schlegeln, Sensen und Mistgabeln dort standen, erschreckte mich mehr als alles Andere, das ich zuvor gesehen hatte und verdrängte jede weitere Frage nach dem Wie. Nur das Warum beschäftigte mich.

Warum? Warum sprangen Francois und Josephine mit einem entsetzten Aufschrei aus dem Stroh? Warum hielt er sich die Hände vor den Schritt, als er zur Tür eilte? Ich folgte den beiden in den mit fremden, hasserfüllten, lauten und stinkenden Menschen gefüllten Hof und rief nach Maman, voller Furcht, ihr könnte etwas zugestoßen sein, und so nahm ich Francois' kurzen Blick kaum wahr, der mir etwas sagen sollte, etwas Bedeutungsschweres, das mein Schweigen erforderte.

Im Gewimmel der marodierenden Proleten schließlich fand ich Maman und Papa sowie meine Brüder und ich vergaß bald dieses seltsame Ereignis im Stall, denn dieser Tag war der letzte, den ich auf Avray-le-Puc verbrachte. Noch immer habe ich das Wehklagen von Maman in den Ohren, die jammerte, sie sei doch immer so gut zu ihren Pächtern, den Bauern und dem Gesinde gewesen. Wir mussten in unser Stadtpalais in Paris umziehen, während unser Schloss vom Pöbel geplündert wurde. Immerhin, so hatte uns mein Vater getröstet, waren wir mit dem Leben davongekommen und hatten nicht, wie so viele andere Adlige, den Kopf unter der Guillotine verloren.

Erst viel später verstand ich die wahre Bedeutung dieses Tages im Juli 1789. Die politische Bedeutung und die der Ereignisse im Stroh.

Die Männer führten mich durch den Urwald, und ich wusste, dass ihr Dorf nicht sehr weit sein konnte, da die Frau, von der ich annahm, sie habe die Männer über meine Anwesenheit informiert, in der kurzen Zeit nicht sehr weit hatte laufen können.

In der Tat erreichten wir nach nur wenigen Schritten eine große Lichtung. Vor uns stand ein Dutzend Häuser aus einfachem Holz, deren Dächer mit Palmblättern gedeckt waren. Sie standen teilweise so eng, dass sich die Dächer berührten.

Ich hörte Wasser rauschen, und tatsächlich erkannte ich eine weitere kleine, von einem niedrigen Wasserfall gespeiste Lagune, in der eine Handvoll nackter Menschen badete. Hinter dem Dorf ragte der Urwald auf und die Landschaft wurde hügeliger.

Kaum sahen mich die Dorfbewohner, unterbrachen sie jegliche Arbeit und rannten herbei, um mich zu begrüßen, mich zu berühren, sich vor mir auf den Boden zu werfen und mir die Füße zu küssen. Was mir sofort auffiel, war die völlige Abwesenheit von Kindern. Die jüngsten Menschen, die ich sah, hatten längst ausgeprägte Gemächte und schwellende Brüste, die sie, wie alle im Dorf, ungeniert und entblößt zur Schau trugen.

Meine Ankunft schien sich schnell herumzusprechen, denn immer mehr Menschen begrüßten mich, bejubelten meine Ankunft. Sie klatschten in die Hände, umarmten sich gegenseitig und lachten so glücklich, als sei ich der erste Europäer, den sie zu Gesicht bekamen, nein, als hätten sie darauf gewartet, mich zu sehen.

Durch das Dorf wehte ein kühlender Wind, der den Schweiß auf der Haut trocknete, aber mir war dennoch sehr heiß. Wie gerne hätte ich mein Kleid gelüftet, doch der Anstand hielt mich davon ab. Als Europäerin hatte ich eine Vorbildfunktion zu erfüllen, nicht zuletzt, um mich von den Wilden abzuheben.

Die vier Männer führten mich vor eines der Häuser. Wie so oft auf diesen Inseln war auch dieses Gebäude auf Stelzen gebaut. Statt Fenstern ließen lange Schlitze in den Seiten Licht und Luft in das Innere. Giebel und Dachfirst ragten weit empor. Eine kleine Treppe führte hinauf zu einem Eingang ohne Tür, neben dem ein seltsames Zeichen angebracht war, das aus einem Kreis und einem Strich bestand.

Der Kreis umschloss den Strich, so wie ein Ring einen Finger umfasste.

Einer der Männer rief etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie hatte Ähnlichkeit mit einem Dialekt, von Charles etwas kryptisch auch Palimpo genannt, und der auf vielen Inseln in Varianten immer wieder auftauchte. Ich verstand hier jedoch kein Wort.

Im Eingang des Hauses erschien ein großgewachsener, kräftiger Mann, der nichts am Leib trug und dessen Schädel glatt rasiert war. Er war eine seltsam alterslose und zugleich faszinierende Erscheinung, konnte vielleicht dreißig Lenze zählen oder weniger, vielleicht aber auch mehr.

Sein Körper ließ keinen Aufschluss auf sein Alter zu. Er war muskulös, glatt und von dieser faszinierend dunklen, bronzenen Tönung. Zwischen seinen Schenkeln, ich musste den Blick abwenden, so sehr ließ mich der Anblick erröten, beschämte mich diese direkte, primitive Sexualität, baumelte sein dicker, langer Penis.

Auch seine Begeisterung stand in nichts der seiner, und dessen war ich mir recht sicher, Untertanen nach, auch wenn sie etwas majestätischer ausfiel. Seine Augen wurden groß, er hob die Hände über den Kopf und neigte sich vor.

Sofort taten es ihm die anderen Dorfbewohner nach, und ich sah mich vergöttert, als sei ich eine fleischgewordene Gottheit.

Anschließend kam er die Treppe herunter. Ich wich beeindruckt einen Schritt nach hinten. Seine Begeisterung war in eine stumme Bewunderung umgeschlagen.

Der glatzköpfige Mann musterte mich mit seinen stahlblauen Augen, lächelte dabei und sagte etwas in seinem Dialekt. Seine Stimme war tief und meine Faszination für diesen Mann wuchs.

Noch nie zuvor hatte ich einen ähnlichen Mann getroffen.

»Sprecht Ihr meine Sprache?«, fragte ich. Sein Blick wanderte von meiner Sohle bis zum Scheitel. Er schlug die Hände zusammen, lachte freundlich und ging um mich herum. Ich konnte seine Augen auf mir beinahe spüren.

Wie unerhört, dachte ich, wenn Charles hier wäre, würde er sich das nicht trauen.

Kaum war seine Runde um mich herum beendet, hob er noch einmal die Hände in die Höhe, sprach ein paar leise Worte, richtete den Blick gen Himmel, als wolle er einer höheren Macht danken, und gab einem der Männer eine Anweisung. Dieser verschwand und nur kurz darauf hallte ein rhythmisches Trommeln durch das Dorf und übertönte sogar das Rauschen des Wassers.

Aus den Häusern, aus dem Urwald und der Lagune kamen die Menschen, allesamt unbekleidet. Sie lachten, schwatzten, begrüßten mich begeistert, jubelten, rieben sich aneinander vor Freude und gingen sogar vor mir im warmen Sand auf die Knie, um mir erneut zu huldigen. Noch immer sah ich niemanden im Kindesalter.

Ich wurde zwischen den Häusern hindurch zu einem rechteckigen Platz geführt. Er war mit Steinen umfriedet, die teilweise hüfthoch waren. Am Ende befand sich eine von Steinen eingefasste Plattform, auf der ein leerer Thron stand. Es musste eine der Marae sein, von denen James Cook berichtet hatte. Eine Zeremonialanlage, die zu rituellen Zwecken errichtet worden war. Tänze, Ratsversammlungen und Krönungen fanden hier statt. Ich vermutete, dass ich sogleich eine Willkommensfeier erleben würde.

Ich hatte nur keine Vorstellungen davon, wie sehr mich diese Willkommensfeier verstören würde.

Der Häuptling war nirgendwo mehr zu entdecken. Man bedeutete mir, mich am Rand der Versammlungsfläche in den Sand zu setzen. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel, aber das schien den Menschen nichts auszumachen.

Neben mir nahmen vier sehr hübsche und sehr nackte junge Frauen Platz. Ihre großen, wohlgeformten Brüste wippten bei jeder Bewegung, und zwischen den Schenkeln bedeckte nur wenig Haar die Scham. Sie lächelten und bewunderten kichernd mein Kleid, unter dem ich inzwischen entsetzlich schwitzte. Hinzu kam meine Nervosität, da ich weiterhin nicht wusste, was mir bevorstand.

Die vier setzten sich neben mich, nackt und nonchalant.

Noch immer schlugen die Trommeln und immer mehr Menschen versammelten sich am Rand des Platzes.

Ich war erstaunt, wie wenig diese Wilden den Ureinwohnern ähnelten, die ich auf den Forschungsreisen meines Mannes zuvor gesehen hatte.

Ihre Haut war wie bereits erwähnt bronzefarben, und nicht fast dunkelbraun wie die der meisten Menschen in dieser Region. Auch ihre Körper waren groß wie die der Europäer, und ihre Gliedmaßen waren lang, kräftig, ebenmäßig.

Was mich jedoch am meisten überraschte waren die Brüste und Gesäße der Frauen sowie die Geschlechter der Männer.

Die Brüste waren groß wie aufgeschnittene Pampelmusen und schwer, doch perfekt geformt. Jede Brust war wie aus Marmor geschlagen und poliert, wie die Statuen im Schlossgarten meiner Eltern, fest und mit aufgerichteten Brustwarzen, die teilweise sogar nach oben zeigten.

Sie waren überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was ich auf anderen Inseln gesehen hatte, und ich hatte nicht nur die oftmals schlaff herunterhängenden Brüste der Polynesierinnen vor Augen, sondern auch die vieler Frauen aus Afrika, die zu sehen mir auf einer Reise an meinem achtzehnten Geburtstag vergönnt gewesen war.

Die anderen Männer trugen ihre Geschlechter ebenfalls unverhüllt. Nicht einmal Penishüllen oder kleine Lendenschurze verbargen den Stolz der Ureinwohner, und kein Penis war kleiner als zwei Handbreiten. Alles an ihnen war straff und fest und glänzte wie eingeölt.

Krieger, dachte ich. Es mussten die Krieger sein. In diesen Breiten wurden die Jungen bereits im Alter von 14 Jahren auf den Kampf vorbereitet. Seltsamerweise sah ich jedoch keine Waffen.

Der große, starke Mann, in dem ich das Stammesoberhaupt vermutete, betrat das Rund, die Trommeln verstummten. Er setzte sich auf einen großen, thronartigen Stuhl, lächelte mir immer wieder zu, und ich fand dieses Lächeln eine Spur zu anzüglich, errötete spürbar und senkte den Blick.

Seine Worte waren wieder fest und laut, und wurden von einer begeisterten Menge aufgenommen. War das eine Willkommenszeremonie, wie ich sie auf Anaa erlebt hatte? Oder beriet man, was mit mir geschehen sollte? Bei manchen Eingeborenen galten die Europäer als wenig interessante Kuriosität, aber niemals, so hatte ich es erlebt, waren wir feindlich empfangen oder mit dem Tode bedroht worden.

Die Antwort erhielt ich nur Sekunden später.

In der größten Mittagshitze begann das Willkommensfest, und ich verfluchte innerlich das Kleid, unter dem ich mich fühlte, als sei ich in den Tiefen der Hölle angekommen.

Ich hatte in der Vergangenheit zu einigen Gelegenheiten bereits die Tänze der Polynesier bestaunen können, und diese Darbietung stand den bisher erlebten in nichts nach.

Von primitiven Rhythmen begleitet hüpften, tanzten, krochen nackte Männer und Frauen in Zweierformation über den Kultplatz. Ich zählte dreizehn Paare, die eine Art Abzählreim vortanzten.

Immer wieder wurde ein Symbol, das ich bei anderen Völkern als das des Jahres gesehen hatte, im Kreis geführt. Ich zählte mit und kam auf dreizehn. Bald ahnte ich, dass ich seit dreizehn Jahren der erste Mensch auf dieser Insel war.

Schließlich änderte sich der Tanz der Paare, wurde enger, schneller, wilder. Sie vollführten die üblichen Fruchtbarkeitsriten, indem sie auf obszönste Weise den Beischlaf simulierten.

Immer wieder musste ich mich zwingen, den Blick auf den nackten Tänzern zu halten, weil ich wusste, wie empfindlich die Eingeborenen sein konnten, wenn sie das Gefühl bekamen, die europäischen Reisenden seien nicht interessiert genug, oder, schlimmer noch, würden sich über diese ernsten Riten lustig machen.

Ohne Pause wurden mir Becher mit einem Getränk gereicht, das würzig schmeckte und mich sofort in einen leichten euphorischen Zustand versetzte.

Die obszönen Verrenkungen vor mir nahmen an Heftigkeit zu, und ich fühlte eine Ohnmacht nahen, so oft sah ich zwischen gespreizte Frauenbeine und auf schlackernde männliche Glieder.

Auf all meinen Reisen mit Charles war ich noch niemals Zeugin einer so schamlosen Zurschaustellung männlicher und weiblicher Genitalien geworden, und das körperliche Unbehagen bei diesem Anblick wuchs von Minute zu Minuten.

Schließlich verschwanden die Tänzer und wurden durch Frauen ersetzt, die sich Schildkrötenpanzer vor den Bauch gebunden hatten, um die Schwangerschaft zu simulieren.

Im Hintergrund jedoch ging der Tanz der Männer und Frauen weiter, wurden die obszönen Handlungen abstrakter. Statt der üblichen Kopulationen, bei denen der Mann auf der Frau lag, knieten die Männer hinter den Frauen oder warfen sich zu dritt auf die Frau.

Angewidert versuchte ich, mein Augenmerk auf den Häuptling zu richten, der von seinem Thron aus dem Schauspiel beiwohnte und mir immer wieder ein Lächeln zuwarf.

Ich verlor ein wenig den Überblick, und ich muss gestehen, dass es sowohl mit dem berauschenden Getränkt als auch mit der Hitze zusammenhing, die auf dem sandigen Platz herrschte. Am Ende der Zeremonie, nachdem die Frauen kleine Puppen unter den Schildkrötenschildern hervorgezogen hatten, versammelten sich die Eingeborenen vor mir, gingen auf die Knie und huldigten mir wieder, voller Dankbarkeit und mit einem großen Lächeln auf dem Gesicht.

Ich war im Paradies gestrandet, wenn nur diese offensichtliche Nacktheit nicht gewesen wäre, die mich so beschämte.

Ich konnte kaum erwarten, davon Charles zu berichten, sobald man mich zurück in die Zivilisation gebracht hatte.

Wie sehr ich mich geirrt hatte, wurde mir nur wenige Augenblicke später klar.

Gestrandet auf der Lustinsel

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