Читать книгу You belong to me - Sarah Glicker - Страница 4
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ОглавлениеUns trennen nur wenige Meter. Dennoch kommt es mir so vor, als wäre dies noch immer zu viel. Dabei ist es weniger, als in den letzten Jahren. Doch ich habe keine Ahnung, wie ich mich ihr am besten nähern kann. Dabei weiß ich, dass ich das machen muss. Nur so kann ich in Erfahrung bringen, ob vielleicht schon etwas passiert ist, was ich nicht weiß. Um für ihre Sicherheit zu garantieren, muss ich in ihrer Nähe sein. Und am besten ist es, wenn ich ihr dabei am Anfang nicht auffalle.
Seufzend ziehe ich mir schnell meine Schuhe an, da ich sie nicht verpassen will. In meinen Gedanken bin ich in den letzten Jahren immer wieder diesen Moment durchgegangen. Dennoch habe ich keine Ahnung, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.
Sobald ich das Zimmer, welches ich mir mit einem anderen Studenten teile, verlassen habe, suche ich mir einen Platz, der nicht sofort von allen eingesehen werden kann. Allerdings habe ich von hier ihre Zimmertür genau im Blick.
Es dauert nur wenige Minuten, bis sie gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin aus dem Zimmer tritt. Wenn ich die beiden allerdings so beobachte, muss ich sagen, dass es auf mich eher den Anschein macht, als wären sie Freundinnen. Sie lachen gemeinsam und aus der Entfernung sieht es aus, als würden sie sich gegenseitig aufziehen.
Erleichterung macht sich bei dem Anblick der beiden Frauen in mir breit. Ich bin froh darüber, dass Sofia wenigstens Freunde hat, auf die sie sich verlassen kann, wenn es schon nicht ihre eigene Familie ist. Schnell schiebe ich diesen Gedanken jedoch wieder zur Seite. Er sorgt nur dafür, dass ich wieder wütend werde. Ich bin mir sicher, dass es noch eine Weile dauern wird, bis ich unseren Vätern diesen Schritt verziehen habe.
Mein Vater hat mich sogar gefragt, ob ich an seiner Stelle anders reagiert hätte. Kurz habe ich überlegt, ob ich ihm an den Kopf werfen soll, wie beschissen ich diese Vorgehensweise, wenn man sie so nennen will, finde. Doch ich brauchte ihm nur einen Blick zuzuwerfen, um ihm zu zeigen, dass ich das getan hätte.
Um die beiden nicht zu verlieren, aber auch um zu verhindern, dass sie auf mich aufmerksam werden, warte ich einige Sekunden, bevor ich ihnen nach unten folge. Ich werde so lange zu ihrem Schatten werden, bis ich sie besser einschätzen kann. Irgendwann werde ich ihr die Wahrheit sagen, doch ich hoffe, dass ich die Chance habe, selber zu bestimmen, wann und wie ich das machen werde.
So gut es geht weiche ich den anderen Bewohnern des Wohnheimes aus, während ich sie nicht aus den Augen lasse. Dabei kann ich gerade noch den Wunsch unterdrücken sie an mich zu ziehen und sie nie wieder loszulassen.
Ich will ihren warmen Körper an mir spüren und wissen, dass es ihr, nach allem, was in den letzten Jahren geschehen ist, gut geht. Irgendwie habe ich nämlich die Befürchtung, dass genau das nicht der Fall ist. Auch, wenn sie glücklich aussieht, so kommt es mir vor, als wäre dies nur nach außen hin so.
Seitdem ihre Mutter vor Jahren gestorben ist, war Sofia alleine. Sie war auf sich gestellt und hatte niemanden, der für sie da war. Auch wenn ihr Vater der Meinung ist, dass es die richtige Entscheidung war, genau diesen Schritt zu gehen, um für ihre Sicherheit zu sorgen, finde ich das nicht. Ich könnte das nicht. Ich hätte schon von Anfang an nicht diesen Schritt gehen können.
Schnell konzentriere ich mich wieder auf meine Umgebung. Wenn ich ihren Vater das nächste Mal sehe, werde ich ihm sagen, dass er sich für den falschen Weg entschieden hat. Doch wenn ich jetzt einen Fehler mache, kann es sie eventuell das Leben kosten. Der Mann, der hinter ihr her ist, geht nämlich über Leichen, um an sein Ziel zu kommen.
Während die beiden über den Parkplatz gehen, lasse ich sie nicht aus den Augen. Daher erkenne ich auch, wie sie auf der Höhe ihrer Frontscheibe stehen bleibt und etwas in die Hand nimmt, was unter ihrem Scheibenwischer gesteckt wurde.
Ich kenne sie nicht sonderlich gut und ich bin auch nicht nah genug bei ihr, doch sogar aus dieser Entfernung kann ich sehen, wie sie augenblicklich beginnt zu zittern. Alleine dies sorgt dafür, dass mein Beschützerinstinkt sich noch mehr meldet, als es bei ihr eh schon der Fall ist.
Beruhige dich, ermahne ich mich selber.
Doch so einfach ist das nicht. Ich weiß nämlich, von wem dieser Brief ist. Beziehungsweise ich habe einen Verdacht und das reicht mir schon. Unter anderem bedeutet dies, dass ich zu spät komme. Irgendwann ist sie ihm bereits über den Weg gelaufen. Und so ungern ich es auch sage, aber es ist ein Wunder, dass sie noch auf beiden Beinen läuft.
Unweigerlich ballen sich meine Hände zu Fäusten. Doch schnell lockere ich sie wieder und ziehe stattdessen mein Handy aus der Hosentasche.
Ihre Blicke wandern über den Parkplatz, genauso wie meine. Ich bin mir sicher, dass er sich in der Nähe aufhält. Er hat es schon immer geliebt ständig die Person zu beobachten, mit der er spielt. Daher muss er sich irgendwo hier befinden. Doch es ist egal, wie sehr ich meine Umgebung mit den Augen abtaste, ich kann ihn nicht erkennen.
Sofia steigt schließlich in ihren Wagen. Aber selbst dabei steht sie plötzlich neben sich. Ich habe es damals schon an ihr erkannt, wenn etwas nicht stimmte und ich erkenne es auch jetzt. Sie hat Angst. Angst vor diesem Mann.
Und das vor allem aus dem Grund, weil sie nicht weiß, was hier los ist.
Als sie vom Straßenrand anfährt, begegnen sich unsere Blicke. Ich wende mich nicht von ihr ab und auch sie macht keine Anstalten, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
In diesem Moment wird mir klar, dass sich zwischen uns nichts geändert hat. Es besteht noch immer die gleiche Anziehungskraft zwischen uns, die es schon gab, als wir noch Kinder waren. Ja, die gab es schon, als wir beide noch nicht einmal wussten, was das ist.
Mir ist bewusst, dass diese Tatsache es mir nicht einfacher macht, doch vielleicht ist es auch besser so. Ich will mich nicht von ihr fernhalten.
Während ich ihrem Wagen nachsehe, wähle ich die Nummer von Mike. Allerdings dauert es eine Ewigkeit, bis er das Gespräch entgegengenommen hat.
„Er ist hier“, verkünde ich schließlich und berichte ihm von meinen Beobachtungen.
„Bist du dir sicher?“
An seiner Stimme erkenne ich, dass er nicht sehr glücklich darüber ist. Wobei das noch untertrieben ist. Als wir von der Drohung erfahren haben, hat Mike geschworen, dass er diesen Wichser umbringt, wenn seiner Schwester auch nur ein Haar gekrümmt wird. Ich für meinen Teil habe noch hinzugefügt, dass ich ihn vorher foltern werde.
„Ja, das bin ich. Aber keine Sorge, noch scheint es nicht so, als wäre er zur Gefahr geworden“, versuche ich ihn zu beruhigen, auch wenn ich nicht weiß, ob es wahr ist, oder nicht.
Die letzten zwei Stunden war ich damit beschäftigt, mir das Wohnheim und die Umgebung genau anzusehen. So wollte ich nicht nur in Erfahrung bringen, wie dieser Wichser ins Haus gelangen kann, ohne jemandem aufzufallen, sondern auch, wie wir im Notfall von hier verschwinden können.
Auch, wenn ich es nicht gerne mache, doch ich muss auch das in Betracht ziehen. Allerdings sind alle Türen nachts abgeschlossen, sodass ich mir deswegen keine Sorgen machen muss. Doch tagsüber sieht das anders aus. Und das ist es, was mir Sorgen bereitet. Er kann sich durchaus ins Haus schleichen und sich hier verstecken. Gelegenheiten gibt es mehr als genug.
Ich will gerade um die Ecke biegen, als ich mit jemanden zusammenstoße. Schnell blicke ich auf die Person, die dicht vor mir steht.
Sofia, schießt es mir durch den Kopf, nachdem ich sie erkannt habe.
Auf den ersten Blick merke ich, dass sie irgendetwas beschäftigt. Ihr Blick huscht panisch von einer Seite zur anderen und ihr Mund ist ein Stück geöffnet. Damit sie nicht fällt haben sich meine Hände automatisch um ihre Handgelenke gelegt und drücke sie gegen die Wand.
Aufmerksam beobachte ich sie, bis sie sich so weit gefangen hat, dass sie auf mich aufmerksam wird.
„Alles klar bei dir?“, frage ich sie und reiße sie so aus ihrer Erstarrung.
Es dauert einen Augenblicklich, doch schließlich richtet Sofia ihre komplette Aufmerksamkeit auf mich. Wir sind uns so nah, dass sie sicherlich meinen Atem auf ihrer Haut spüren kann.
„Sicher“, bringt sie schließlich stotternd hervor.
Ich lasse sie keine Sekunde aus den Augen und kann so jede Reaktion in ihrem Gesicht erkennen.
„Du solltest vorsichtiger sein“, erkläre ich ihr.
Dabei ist meine Stimme so leise, dass nur sie mich verstehen kann.
Ich bin mir sicher, dass sie das unauffällig machen will, dennoch merke ich, dass sie ein Stück zur Seite geht, um so den Abstand zwischen uns zu vergrößern.
„Danke“, entgegnet sie freundlich.
Allerdings bin ich mir sicher, dass sie überhaupt nicht freundlich sein will. Ihre Körpersprache gibt mir zu verstehen, dass sie gerade auf der Flucht ist. Und ich würde gerne wissen, was der Grund dafür ist, auch wenn ich es mir bereits denken kann.
Ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht ausraste. Dieser Wichser befindet sich bereits in ihrem Leben und ich kann gerade nichts dagegen unternehmen, außer sie nicht mehr aus den Augen zu lassen.
In letzter Sekunde schaffe ich es, dass sich meine Muskeln entspannen und sie daher nichts von dem mitbekommt, was hier gerade los ist.
„Ich hoffe, in dem Brief heute Morgen stand etwas Nettes.“
Ein freches Lächeln zieht sich über mein Gesicht. Mir ist bewusst, dass ich jetzt die Chance habe wenigstens zu erfahren, in welche Richtung dieser Brief ging. Doch wenn ich es nicht richtig anstelle, wird sie sich verschließen, da sie mich nicht kennt. Daher kann ich nur hoffen, dass sie die gleiche Verbindung zwischen uns spürt, die ich auch merke.
„Oh … ähm … ja“, stottert sie.
Mir ist bewusst, dass sie lügt. Und das lässt mich noch wütender werden. Wenn ich dieses Arsch in die Hände bekomme, werde ich ihn umbringen. Niemand legt sich mit meiner Familie an. Und schon gar nicht mit Sofia.
„Schöne Post bekommt doch jeder gerne“, gebe ich dennoch von mir. Dabei tue ich so, als hätte ich nichts von dem mitbekommen, was sie beschäftigt.
Ich erkenne die Gänsehaut, die sich auf ihrem Körper bildet. Keine Sekunde lasse ich sie aus den Augen. Ich kann beinahe erkennen, wie ihr Herzschlag sich erhöht. Und das ist etwas, worüber ich mich freue.
Auf diese Weise weiß ich nämlich, dass sie es spürt.
„Ich muss weiter. Meine Freundin wartet schon auf mich“, flüstert sie, um meine Reaktion auf sie etwas abzumildern.
„Ich wünsche euch noch einen schönen Abend“, gebe ich zurück, auch wenn ich weiß, dass es gelogen ist, was sie da gerade sagt. Doch das lasse ich mir nicht anmerken.
Einen Moment sieht sie mich noch an, bevor sie verschwindet.
Ich sehe ihr nach, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.