Читать книгу Telefonsex mit Mona - Saskia Pasión - Страница 4
ОглавлениеEin Ausweg aus der Misere
Mitte Mai, ein Wetter, von dem man Depressionen bekommen konnte. Mona saß in eine warme Decke gekuschelt auf ihrer Terrasse. Dora, die Schäferhündin, wärmte ihr die Füße und Terri, der Cairnterrier hatte es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht. Terri: aufsässig und frech, aber wahnsinnig liebenswert. So sehr er oft versuchte, mit Mona recht harte Kämpfe um die Rangordnung auszufechten, so liebesbedürftig und liebenswürdig konnte er auch sein. Dora. Brav. Wie immer! Nur nicht auffallen!
Heute waren selbst die Hunde müde und lechzten nach Sonne. Zum Glück regnete es nicht ... noch nicht! Aber der Himmel zeigte sich wieder einmal besonders schlechtgelaunt. Sie beobachtete die dicken, grauen Wolken, die zu einer bedrohlichen Formation verschmolzen. Ging die Phantasie mit Mona durch? Ein faltiges Gesicht grinste sie hämisch an: zwei hellere Wolken: die wulstigen Augenbrauen, darüber eine in grimmige Falten gekräuselte Stirn. Eine Knollennase und ein eklig grinsender Mund.
»He! Was willst du von mir? Bald hast du's geschafft und bist mich los! Irgendwann gehe ich in die Sonne ... Was habe ich nur verbrochen, dass alles, wirklich alles schief geht? Aber«, sie streckte dem Wolkengesicht die Zunge heraus, »bevor ich weggehe, werde ich es dir zeigen! Du kriegst mich nicht klein!«
Das Telefon riss Mona aus ihrer Melancholie. Sie bewegte sich hastig, Terri konnte sich nicht mehr halten und landete unsanft auf seinem Po. Er sah sie mindestens so böse an, wie die Wolken und knurrte, bevor er beleidigt von dannen zog und es sich in Doras Riesen-Hundekorb bequem machte. Dieser witzige Kobold schaffte es immer wieder, sie aufzuheitern!
Mona meldete sich mürrisch: »Harold?«
»Hallo! Ich bin's! Wollte mal hören, ob du noch lebst und wie es dir geht?«
Ihre Freundin Gisela. Die hatte ihr heute gerade noch gefehlt in ihrer Sammlung.
»Ach ganz gut ...«
»Du lügst, das höre ich doch! Was gibt's denn wieder für Katastrophen?«
»Welche zuerst?«
»Egal!«
Wie kann man nur so genüsslich »egal« sagen, fragte sich Mona.
»Mein Buchhaltungsbüro läuft nicht. Meierhans hält sich nicht an unseren Vertrag und zahlt seine Rechnungen nicht. Und pleite bin ich außerdem, so pleite wie noch nie in meinem Leben.«
»Oh! Und warum gehst du nicht einfach arbeiten?«
Mona wusste genau, warum sie nicht ans Telefon hatte gehen wollen.
»Ja ... ich habe auch schon darüber nachgedacht. Vielleicht könnte ich mich ja irgendwo bewerben, bei einer Bank vielleicht ... war ja immer ganz nett. Aber, seit 8 Jahren selbständig, habe ich keine Lust mehr auf eine feste Anstellung. Und als Freiberufler ist es zurzeit fast unmöglich, einen Job zu bekommen. Und fast 25 Jahre in ein und derselben Firma, wie du ... das halte ich nicht aus!«
»Na ja, dann geht es dir noch nicht schlecht genug! Wärst du nur bei der Bank geblieben. Hab‘ ich dir damals schon gesagt!«
»Ich weiß, und würde meine Mutter noch leben, hätte sie mir den gleichen Rat gegeben! Du bist noch schlimmer als meine Mutter!«
»Ich weiß. Ziehen wir heute Abend trotzdem ein bisschen um die Häuser?«
»Von mir aus! Ich hol dich ab! Bedingung: keine guten Tipps mehr für heute, okay?«
»Okay, dann so um 22.00 Uhr! Tschüüüüss!«
Mona verzog sich wieder auf die Terrasse und ließ Erinnerungen an früher an sich vorüberziehen. Gisela ... sie waren seit der Schulzeit befreundet, mal mehr ... mal weniger. Es hatte ganz schöne Zeiten gegeben, als sie, frisch von der Schule, noch Träume hatten, aufsässig waren und dachten, sie könnten die Welt verbessern. Dann, etwas später, mussten sie sich fügen ... wie die meisten. Nahmen die Jobs an, die sie kriegen konnten, die sogar oft Spaß machten. Fanden ihre ersten Partner, natürlich aus der gleichen Clique. Und gingen durch dick und dünn. Waren weiter aufsässig ... mehr oder weniger. Mona mehr, Gisela weniger. Irgendwann verlief sich diese Freundschaft, sie verloren sich für eine Zeitlang aus den Augen. Telefonierten so etwa zweimal im Jahr: an Giselas Geburtstag und an Monas.
Mit 30 bekam Gisela kurz nacheinander ihre zwei Kinder. Und heute führte Gisela das Leben, das Mona eigentlich niemals wollte: Thema waren nur noch die Kinder. Arbeiten ging sie nur stundenweise, obwohl sie in ihrem Beruf weit mehr verdienen würde, als ihr Mann. Aber ... sie hatte sich eben gefügt. Für Monas Geschmack viel zu sehr! Und aufsässig? War eigentlich nur noch Mona. Schade eigentlich. Dass sie mit ihrem Single-Dasein höchst zufrieden war, konnte Gisela nie so recht verstehen. Und nur manchmal blitzte die alte Aufsässigkeit wieder auf. So wie jetzt. Heute Abend würde sie ihrem Mann die Kinder überlassen. Aber vielleicht wollte sie auch einfach wieder mal klönen.
Kaum hatte sie es sich auf der Terrasse gemütlich gemacht, da fielen die ersten Tropfen! Also verzog sie sich ins Wohnzimmer, Dora trottelte hinter ihr her – wie immer - und Terri sah aus, als grinste er schadenfroh.
»Ja, ja, du musst mich auch noch ärgern, was?«
Tja, sicher hatte Gisela recht. Wie immer. Wie ihre Mutter. Aber das hatte sie noch nie gestört und sie hatte immer alles anders gemacht, und war ganz gut dabei gefahren. Meistens jedenfalls. Und - mit allen Höhen und Tiefen - hatte sie nie bereut, was sie jemals so angestellt hatte.
»Ich werd's Euch schon zeigen!«, murmelte sie vor sich hin.
Mona kochte sich einen Kaffee und bequemte sich an ihren Schreibtisch. Vor ihr lagen stapelweise alle möglichen und unmöglichen Zeitungen. Stellenangebote? Jede Menge ... aber keine für Freiberufler. Schon wieder klingelte das Telefon.
Können die mich nicht mal in Ruhe lassen?, dachte sie.
Das Display verriet ihr: Meierhans! Ihr reizender Geschäftspartner, der zu einem großen Teil für ihre Misere verantwortlich war! Ihr Adrenalinspiegel stieg und noch mehr ihre Wut ... und sie meldete sich mit den Worten:
»Schön, dass du endlich Deine Schulden zahlen willst!«
Meierhans, charmant wie immer: »Ja, Schätzchen, nächste Woche kriege ich Geld. Brauchst du Arbeit?«
»Ja, aber bezahlte und außerdem bin ich nicht Dein Schätzchen!«, erwiderte sie und knallte den Hörer auf!«
Zu wütend, um mit Verstand die Stellenanzeigen zu durchforsten, blätterte sie lustlos in einem rosa Käseblättchen, wobei ihr sofort eine Anzeige auffiel:
»Auf freiberuflicher Basis: Aufgeschlossene Damen fürs Telefon gesucht. Tel. ...«
Freiberufliche Basis war ja ganz gut. Aber Telefon? Sie hasste Telefonieren! Doch informieren könnte man sich ja mal …
Samstagnachmittag ... die Chancen, dass da jetzt niemand mehr am Telefon saß, waren recht groß. Vielleicht lief ja ein Band? Sie wählte ... nach der 3. Ziffer verließ sie der Mut.
Ist garantiert Telefonsex, dachte sie. Prüde bin ich ja nicht gerade – und mit fast allen Wassern gewaschen ... aber Telefonsex? Ist eher nichts für mich. Außerdem hasse ich Telefonieren! Los jetzt! Denk an Gisela ...
Sie hörte schon jetzt Giselas Kommentare dazu. Trotzig wählte sie ... es klingelte zweimal und ... verdammt ... eine ausgesprochen sympathische Männerstimme meldete sich.
»TSA-Agentur, Neusing, guten Tag«.
»Hallo Herr Neusing. Es geht um Ihre Anzeige in dem rosa Käseblättchen.«
Am anderen Ende der Leitung Stille. Hatte sie sich verwählt?
»Herr Neusing?«
»Ja, tut mir leid ... aber Ihre Stimme ... Haben Sie »so was« schon mal gemacht?«
Ob das ein erwachsener Mann ist? Oh Mann, dachte sie.
»Hab ich was schon mal gemacht?«
»Ach so, ja. Also ... wir suchen aufgeschlossene Damen, die Spaß am Telefonieren haben. Und wenn ich mir Ihre Stimme anhöre, sind Sie genau die Richtige!«
Eigentlich hatte sie gar keinen Spaß am Telefonieren …
Und wenn er jetzt nicht gleich sagt, was Sache ist, lege ich auf, beschloss sie.
»Ob Sie mir jetzt vielleicht doch noch verraten, worum es geht?«
»Erotische Gespräche!«
»Aha! Telefonsex! Hab‘ ich es mir doch gedacht.«
»Ja natürlich, aber das sieht man doch an der Anzeige, oder?«
Sie konnte förmlich hören, wie er grinste.
»Sie haben »so was« also noch nicht gemacht?«
»Nein, nicht am Telefon. Ich hatte einmal einen Auftrag bei einer BTX-Agentur. Gleiches Thema ... nur per Computer, im Chat!«
»Na ja, dann wissen Sie ja, wie »so was« geht. Kommen Sie doch einfach mal bei uns vorbei. Sie können auch gerne ein, zwei Stunden bei einer anderen Mitarbeiterin zuhören und sich überlegen, ob Sie für uns arbeiten wollen. Dann können wir uns auch über die genauen Konditionen unterhalten.«
Aha! Am Telefon gab er wohl keine Auskunft.
Mona fragte: »Wann passt es Ihnen denn am besten?«
»In einer Stunde?«
Das ist ja einer von der ganz schnellen Truppe. Aber was du kannst ..., dachte sie und antwortete: »Gut. Verraten Sie mir auch noch die Adresse?«
War ja ein witziges Gespräch, dachte sie amüsiert. Dann überkamen sie aber doch Gewissensbisse. Kein Mensch wusste, wohin sie fuhr. Also rief sie Gisela an und gab ihr die Adresse. Das hätte sie besser nicht tun sollen, denn Gisela war wirklich noch schlimmer als ihre Mutter und wollte ihr die Geschichte wieder ausreden. Viel zu gefährlich! Aber ausreden ließ Mona sich überhaupt nichts, und nachdem Gisela sie für verrückt erklärt hatte – was aber nicht ungewöhnlich war – zog Mona los!