Читать книгу Telefonsex mit Mona - Saskia Pasión - Страница 5
ОглавлениеDie Telefonsex-Agentur
Mittlerweile regnete es in Strömen und es war eine reine Freude, bei diesem Wetter nach Frankfurt zu fahren – bei Regen ging dort nichts mehr. Als hätten die Autofahrer von einer Sekunde auf die andere das Fahren verlernt. Aber zum Glück war samstags nachmittags nicht all zu viel los auf der Straße. In einem Hinterhof in Eschersheim fand sie sogar ein Namensschild der TSA-Agentur und begab sich todesmutig in die Höhle des Löwen. Herr Neusing war tatsächlich genauso sympathisch wie am Telefon, Ende dreißig und, wie sich später herausstellen sollte, Sternzeichen Zwillinge. Na denn! Er führte sie in ein Büro, das aus einem Schreibtisch, zwei Bürostühlen und unzähligen Kartons bestand. Ach ja, ein altes und wackeliges Regal, das wohl bald unter der Last der vielen Ordner zusammenbrechen würde, gab es auch noch. Auf der Arbeitsplatte tummelten sich zwei Computer und drei Telefone, ansonsten wurde er vom Chaos beherrscht. Neusing wurde ihr immer sympathischer. Sie liebte Computer und hätte Erfinder des Chaos sein können! Aber sie hasste Telefone! Ihren fragenden Blick in die Runde beantwortete er sofort:
»Das ist nicht der einzige Raum! Nebenan gibt es noch drei Büros. Die zeige ich Ihnen später, wenn ich Ihnen eine meiner Mitarbeiterinnen vorstelle. Ihr können Sie dann auch zuhören, wenn Sie wollen!«
Und ob sie wollte! Sie setzten sich und waren augenblicklich in ein amüsantes Gespräch vertieft. Über alles Mögliche. Gott (na ja, eher weniger) und die Welt. Und »so was«.
Mona: »Sprechen Sie mir mal ganz langsam nach: T e l e f o n s e x !«
Er erklärte Ihr lachend: »Die meisten Damen, die sich bei mir vorstellen, wollen dieses Wort nicht hören. Und wenn es ausgesprochen wird, sind sie weg.«
Er fragte sie nach Strich und Faden aus. Ob ihr Partner damit einverstanden sei? Und wie das in der BTX-Agentur denn gelaufen sei, ob sie sonstige Erfahrungen in dieser Branche habe etc. Nachdem sie ihn dann über ihr glückliches Single-Dasein aufgeklärt und einiges über ihren Job in der BTX-Agentur erzählt hatte, warf Mona ihm noch einen Brocken zum Fraß vor, an dem er sich fast verschluckte:
»Ich gehe ab und zu in Swingerclubs!«
Zuerst Funkstille. Aber sein Gesicht spiegelte in Sekundenbruchteilen alles wider, was ihm so in den Sinn kam: Neugierde, Staunen, Neugierde, Peinlichkeit, Neugierde, Lust, Neugierde! In dieser Reihenfolge! Was blieb, war reine Neugierde. Er strahlte sie an:
»Darüber müssen Sie mir mehr erzählen!«
»Probieren Sie es selbst aus!«, antwortete sie grinsend. Nun gut. Neusing erklärte ihr, dass die TSA-Agentur nicht nur Telefonsex, sondern auch – ähnlich wie BTX – Sex im Internet anbot. Mit Live-Cam und Kommunikation über die Tastatur. Für die Damen, die sich dann vor der Kamera mehr oder weniger auszogen, gab es noch einen Bonus auf das miserable Honorar. Na ja, die Konditionen waren ziemlich schnell erklärt, eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht der Rede wert. Zumindest nicht für Mona! Bereits an dieser Stelle war ihre Entscheidung getroffen: Neusing war sehr sympathisch und witzig, aber ein Halsabschneider! Telefonsex? Sie war sich nicht sicher - mal sehen. Telefonsex für Neusing? Niemals!
»Möchten Sie sich jetzt die anderen Büros noch anschauen?«
Na klar! Und zuhören wollte sie!
»Gern, bevor ich mich entscheide, möchte ich mir das Ganze aber etwas genauer ansehen bzw. -hören.«
Kleine Notlügen sind ja nicht so schlimm, dachte Mona.
Zuerst zeigte er ihr den Live-Cam-Raum: ein fast leeres Zimmer, kahle Wände. Eine Ecke war mit Satin und Kissen ausstaffiert, auf denen sich die Damen für Ihre Internet-Zuschauer räkelten. Die Kamera gegenüber schoss alle 10 Sekunden ein Bild. Mitten im Raum auf dem Boden lag eine Tastatur. Er sah Mona hoffnungsvoll an und erinnerte sie an ihre Hunde, kurz bevor sie Futter bekamen:
»Na, wäre das was für Sie?«
»Nee, tut mir leid! Nix für mich!«
Im Büro nebenan wurde Mona die erfolgreichste Mitarbeiterin vorgestellt. Ursula. Zum Glück bekam keiner der Kunden Ursula zu sehen. Ungepflegt, fettige, strähnige Haare, übelster hessischer Dialekt. In diesem Job! Ob Neusing Gedanken lesen konnte? Er grinste.
»Rufen Sie mich dann morgen an, wie Sie sich entschieden haben. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen!« Mit diesen Worten ließ er sie mit Ursula allein.
Das konnte sie sich lebhaft vorstellen. Und ob sie ihn anrufen würde! Eigentlich hatte sie schon genug. Mona kämpfte mit sich, entschied jedoch, dass sie das noch durchziehen würde. Also fragte sie Ursula ein bisschen aus.
»Ich mach des schon e paar Monat. Man kann rischtisch gut verdiene und Spaß macht's aach noch!«
Na denn. Von Neusing wusste Mona, dass die Kunden pro Gespräch pauschal fünfzig Mark zahlen mussten.
»Wie lange dauert denn im Durchschnitt so ein Gespräch?«
Sie grinste vielsagend: »Des hängt devon ab, wie gut de bist!«
»Wie gut ich bin?«
»Na ja, natürlich will Neusing, dass die Gespräche so kurz wie möglich gehalte wern. Je kürzer, desto mehr Gespräche kannste mache und desto mehr verdienste natürlich!«
Natürlich. Ganz zu schweigen von Neusing! Weiter erklärte sie ganz stolz:
»Die längste Gespräche bei mir dauern net mehr als zehn Minute. Des ist aber selten. Die meiste mach ich in zwa Minute fertisch. Aber, ka Angst! Ich bring dir des schon bei – mir sitze uns ja sowieso gescheübber!«
Das Büro bestand aus zwei Schreibtischen. Nicht etwa, dass sie wenigstens etwas weiter auseinander standen ... nein: Man saß sich direkt gegenüber! Mona fragte sich, wie das funktioniert, wenn beide Damen ein Gespräch führten ... Ihr wurde immer übler. Zwei Minuten ...
Aber ... andererseits sind die Männer ja selbst schuld. Sollen sie sich doch abzocken lassen, sie scheinen es zu brauchen, dachte sie. Trotzdem ... ihr gefiel das alles nicht!
Und meine liebe Ursula ... sollte ich jemals in die Verlegenheit kommen, mit dir zusammenzuarbeiten, werde ich eine Wand zwischen unsere Schreibtische stellen, schwor sich Mona.
Ab und zu ertönte ein dezenter Gong, der uns sagte: eine Nachricht im Chat! Franzl hat geschrieben. Und Ursula hackte auf der Tastatur die Antwort. Ein Blick auf den Bildschirm sprach Bände. Franzl schien in seiner Not aber nicht nur die übelsten Fehler zu tolerieren, nein, ihm gefiel es sogar! Oh Franzl!
Nachdem Mona absolut keine Frage mehr einfiel, saßen sie sich schweigend gegenüber. So schnell die Zeit im - trotz allem - amüsanten Gespräch mit Neusing vergangen war, so träge tröpfelten die Minuten jetzt vor sich hin. Öde. Sie langweilte sich zu Tode und ärgerte sich, dass sie den ganzen Quatsch nicht einfach beendete. Ursula wurde immer nervöser: Jetzt war endlich eine neue Kollegin in Aussicht ... und kein Anruf! Tröstend erklärte sie Mona:
»Heut is Samstach. Und samstachs gehe die zuerst in die Disco odder sonst wohi, bevor se arufe«.
Aha! Nach einer Dreiviertelstunde, gerade als Mona beschlossen hatte, Ursula noch eine Zigarettenlänge zu geben und dann zu verschwinden, schrillte das Telefon. Und Mona staunte: Ursula hauchte ins Telefon. Hätte Mona ihr nicht gegenübergesessen, hätte sie nicht glauben können, dass das die gleiche Frau war! Sie schaltete den Lautsprecher ein und fragte den potentiellen Kunden nach seiner Kreditkarten-Nummer.
Der Kunde: »Die gebe ich doch nicht jedem!«
»Dann könnte ich dir eine Rechnung an Deine Adresse schicken.«
»Was glaubst du, was meine Frau dazu sagt?«
»Dann bleibt nur noch die Möglichkeit, das Geld bar an unser Postfach zu schicken und danach wieder anzurufen«, erklärte sie ihm ganz ernsthaft, worauf der frustrierte Anrufer das Gespräch beendete.
Prima! Mona versuchte, sich zusammenzureißen. Bloß nicht lachen jetzt! Ein paar Tage später wieder anrufen, wie der wohl so lange herumläuft, fragte sie sich.
Zwei Minuten später: neuer Anrufer, gleiches Spiel! Kurz danach ein Kunde! Mona konnte es kaum glauben! Und während Ursula »das Gespräch machte«, hackte sie gleichzeitig auf ihrer Tastatur herum. Weil Franzl immer noch konnte! Der Kunde am Telefon fragte sie:
»Sitzt du am Computer?«
»Ja, ich schreib‘ noch was«, erklärte sie tatsächlich, worauf das Gespräch ziemlich schnell beendet war und wahrscheinlich auch dieser Kunde seine Rechnung nicht bezahlen würde. So. Jetzt hatte Mona genug! Sie verabschiedete sich von Ursula, ging in das nächste Café und ließ alles noch einmal Revue passieren. Was soll ich bloß davon halten?, fragte sie sich.
Zu Hause blinkte ihr Anrufbeantworter hektisch.
»Beruhige dich, Junge.«
Sie löschte die 7 Anrufe ihrer Freundin Gisela und rief sie zurück, bevor Gisela dem armen Neusing noch die Polizei auf den Hals hetzen würde, und erzählte ihr die Story.
»Das hätte ich dir gleich sagen können! Dass du »so was« überhaupt machen wolltest!«
Oh Mann, dachte Mona, hätte ich nur den Mund gehalten. So was! Sie erkläre Gisela, dass das heute Abend doch nichts mehr würde, und vertröstete sie auf »nächste Woche«. Das Gemaule und Gemeckere wollte sie sich nicht den ganzen Abend antun.