Читать книгу Eine zweite Chance ? - Sassika Büthe - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеSie kannte Danny nun seit fast sechs Jahren und es war, zumindest für Chris, Liebe auf dem ersten Blick gewesen. Als sie Danny zum ersten Mal traf, war sie gerade mal zwanzig Jahre alt. Sie lernten sich auf einer Geburtstagsfeier von irgendjemandem kennen, dessen Name ihr nicht mehr im Kopf war. Chris war sich nicht einmal sicher, ob sie den Namen des Geburtstagskindes überhaupt je gehört hatte. Es war irgendeine Freundin ihrer Arbeitskollegin Tanja, oder war es ein Freund von ihr gewesen? Sie hatte absolut keine Ahnung.
Chris hatte gerade eine ziemlich üble Trennung von ihrem Freund Heiko hinter sich. Mit Heiko war sie die letzten drei Jahre zusammen gewesen. Er war ihr erster richtiger Freund gewesen und sie hatte sich immer vorgestellt, ihn einmal zu heiraten. Das war, bevor Heiko sie wegen einer gemeinsamen ehemaligen Schulfreundin hatte sitzenlassen. Rückblickend konnte Chris wohl sagen, dass sie schon damals wusste, dass Heiko nicht der Mann war, mit dem sie alt werden wollte. Er war einfach ihre Jugendliebe gewesen, und nachdem sie beide ihren Schulabschluss gemacht hatten, merkte Chris schon sehr schnell, dass sie nicht denselben Weg gingen. Sie lernten beide neue Menschen kennen und entfernten sich langsam, aber sicher immer mehr voneinander, und doch klammerte Chris sich noch eine ganze Weile an die Hoffnung, dass ihre Beziehung mit Heiko ein gutes Ende nehmen würde. Sie hoffte, dass ihre Liebe zu ihm stark genug war, auch wenn es sich nicht mehr so anfühlte wie am Anfang ihrer Beziehung, so wie es sich anfühlen sollte. Doch auch wenn Chris sich ihrer Gefühle für Heiko nicht mehr ganz sicher war, so hatte es sie dennoch sehr verletzt einfach so ausgetauscht worden zu sein, noch dazu mit einer guten Freundin. Was jedoch am meisten wehgetan hatte, war die Tatsache, dass Heiko sie bereits seit einem halben Jahr betrog und weder er noch ihre Freundin es für notwendig erachtet hatten, Chris reinen Wein einzuschenken. Sie kam sich so dumm und naiv vor. Wie hatte sie das übersehen können, dass die beiden direkt vor ihren Augen eine heimliche Affäre hatten. Sie hätte sich gewünscht, dass Heiko ehrlich zu ihr gewesen wäre, denn dann wäre sie nicht mit ihm vier Monate zuvor in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Sie hätte die beiden nicht nackt in ihrem Bett vorgefunden, nachdem sie etwas früher nach Hause gekommen war, da sie sich an diesem Tag nicht besonders wohl gefühlt hatte und deshalb früher Feierabend gemacht hatte. Nachdem sie Geräusche im Schlafzimmer gehört hatte, hatte sie die Tür aufgerissen, um nachzusehen, woher die Geräusche kamen. Sie hatte nicht die leiseste Vorstellung gehabt, was das Geräusch zu bedeuten hatte. Sie hatte noch nicht damit gerechnet, dass Heiko zu Hause sein könnte, da er in letzter Zeit immer sehr spät nach Hause gekommen war. Wie blöd von ihr, nicht schon vorher misstrauisch geworden zu sein, aber sie hatte ihm einfach vertraut. Sie waren schon so lange ein Paar, kannten einander schon so lange. Sie waren schon seit Ewigkeiten in eine gemeinsame Klasse gegangen und schon ebenso lange befreundet gewesen, lange bevor sie angefangen hatten, miteinander zu gehen. Chris hätte nie damit gerechnet, dass er sie dermaßen belügen würde.
Nachdem Chris die Tür zu ihrem Schlafzimmer aufgerissen hatte, hatte sie einfach nur dagestanden und die beiden angestarrt und zu allem Überfluss hatte sie dann noch vor sich hingestammelt und gesagt:
„Oh, tut mir leid.“ Dann hatte sie die Tür hinter sich wieder zugemacht und hatte angefangen zu weinen. Sie hatte sich in dem Moment so gedemütigt gefühlt. Sie hätte sich ohrfeigen können für ihre eigene Dummheit. Hatte sie sich tatsächlich auch noch bei den beiden dafür entschuldigt, dass sie in ihr eigenes Schlafzimmer ohne anzuklopfen reinmarschiert war?
Chris hatte noch am selben Abend ihre Sachen gepackt und war todunglücklich wieder zu Hause bei ihren Eltern eingezogen. Weder Heiko noch ihre Freundin hatte sie seither je wieder gesehen.
Diese ganze Geschichte war nunmehr bald drei Monate her, als sie von ihrer Arbeitskollegin Tanja, mit der sie sich ein Büro teilte und die sich ebenfalls noch in der Ausbildung befand, eingeladen wurde, sie zu dieser Party zu begleiten. Die Party, die ihr Leben verändern sollte. Chris hatte eigentlich gar nicht mitkommen wollen. Sie war nie ein großer Partymensch gewesen. Noch dazu machte ihr die ganze Geschichte mit ihrem Exfreund noch sehr zu schaffen und die Trennung ging ihr immer noch sehr nahe. Sie wollte keine Spielverderberin sein und auf Krampf versuchen, Spaß zu haben. Sie hatte auch Angst, plötzlich in Tränen auszubrechen, wenn sie andere glückliche Paare sah, die ihre Verliebtheit unbedingt zur Schau stellen mussten. Aber da Tanja nicht locker ließ, sie wegen dieser Party zu bedrängen und Chris schon seit Ewigkeiten nicht mehr ausgegangen war, hatte sie schließlich zugesagt, mitzukommen. Ein anderer Grund dafür war, dass auch ihre eigenen Eltern ihr ständig in den Ohren lagen, mal wieder das Haus zu verlassen und sich zu amüsieren. Sie konnte es nicht leiden, dass ihre Eltern immer noch versuchten, sich in ihr Leben einzumischen. Sie war erwachsen und wollte, verdammt noch mal, dann zu Hause bleiben und unglücklich sein, wann es ihr passte. Sie hatte den Freiraum genossen, nachdem sie zu Hause ausgezogen war und hatte nicht vorgehabt so schnell wieder in ihr altes Kinderzimmer zu ziehen. Doch sie hatte so schnell nicht gewusst, wo sie hätte hingehen sollen und ihre Eltern hatten sie auch mit offenen Armen wieder aufgenommen. Zudem waren Wohnungen, die sie sich von ihrem kleinen Ausbildungsgehalt hätte leisten können, rar gesät und so blieb ihr im Augenblickt wohl leider keine andere Wahl.
Die Party fand in einer Altbauwohnung statt, die aus fünf Zimmern und einen langen Flur bestand. Nach allem was Chris wusste, wohnten hier mehrere Studenten und die Wohnung wurde in Form einer Wohngemeinschaft genutzt. Drei der Zimmer dienten als Schlafzimmer und das größte Zimmer diente als allgemeines Wohnzimmer oder was auch immer. Der Raum war für die heutige Party komplett ausgeräumt worden. Vielleicht befanden sich aber auch ansonsten nicht besonders viele Möbel in diesem Raum. Chris versuchte durch den Schleier von Zigarettenrauch, einige bekannte Gesichter auszumachen. Doch bis auf zwei oder drei entfernte Bekannte waren ihr die Gesichter alle fremd.
„Keine Sorge, wir bleiben zusammen“, sagte ihre Begleiterin noch, bevor Tanja sich drei Minuten später von ihrer Seite stahl und sich unter die Leute mischte. Irgendjemand drückte Chris ein Glas Sekt in die Hand ohne überhaupt noch ein weiteres Wort mit ihr zu wechseln. Chris nahm ein Schluck aus ihrem Glas und verzog das Gesicht. Sie hasste Sekt, weil sie ihn nicht gut vertrug und davon schnell einen Schwips bekam. Dieser Sekt schmeckte zudem einfach absolut furchtbar. Chris sah sich nach einem Tisch oder ähnlichem um, um ihr Glas wegzustellen und sich so dieses grässlichen Getränks entledigen zu können, fand aber keinen geeigneten Platz. Seufzend nippte sie erneut an ihrem Glas und mit der Zeit fing sie an, sich sogar an dieses scheußliche Getränk zu gewöhnen und noch bevor ihr Glas ganz leer war, wurde es auch schon von ihr unbekannter Hand wieder gefüllt. Chris sah resignierend auf ihr Glas in ihrer Hand. Sie trank einen großen Schluck und sah sich in der Menge um. Ihre Arbeitskollegin schien sich köstlich zu amüsieren und tanzte zu irgendeiner wilden Musik mit einigen Leuten, wobei sie sich ständig über den Haufen tanzten, da es ziemlich eng war in dem Wohnzimmer oder für was auch immer der Raum ansonsten genutzt wurde.
Chris lehnte sich an den Türrahmen und sah dem bunten Treiben zu. Sie ärgerte sich mittlerweile ein wenig darüber, dass sie sich überreden lassen hatte, Tanja zu begleiten. Tanja hatte Chris vermutlich vollkommen vergessen. Sie tanzte nun ziemlich eng mit irgendeinem schmierigen Kerl. Chris fragte sich, ob Tanja an Geschmackverirrungen leidete oder ob es an dem widerlichen Sekt lag, den Tanja ebenfalls getrunken hatte. Vielleicht sorgte der Sekt dafür und ließ ihn in ihren Augen schöner aussehen. Bei Chris hatte der Sekt jedoch nicht solche Auswirkungen. Sie empfand diesen Kerl eher als abstoßend. Chris schüttelte sich angewidert und sah in ihr Sektglas, das bereits wieder, wie auf wundersame Weise, gefüllt worden war. Wer zum Teufel schenkte ihr immer wieder nach, fragte Chris sich und sah um sich herum. War es vielleicht irgendein aufmerksamer Gastgeber oder wollte sie wohlmöglich irgendwer betrunken machen. Wie auch immer, sie kam sich auf jeden Fall ziemlich fehl am Platze vor. Sie kannte so gut wie niemanden hier und sie war auch niemand, der schnell Menschen kennen lernte oder besonders aus der Menge herausfiel. Chris ließ ihren Blick wieder quer durch den Raum schweifen und plötzlich sah sie ihn. Danny.
Er fiel ihr sofort auf, denn er sah unglaublich gut aus und fiel außerdem absolut aus der Reihe. Vermutlich war er gerade erst gekommen, denn er war ihr vordem noch nicht aufgefallen und er wäre ihr auf jeden Fall aufgefallen, da war sie sich ziemlich sicher. Er hatte ihren Blick sofort angezogen, ebenso wie die einiger anderer Frauen in diesem Raum, wie ihr schlagartig bewusst wurde. Er war ziemlich schnell von mehreren Leuten umringt, zumeist waren es Frauen. Er schien einige Witze zu reißen oder musste ein ziemlich lustiger Typ sein, denn die Frauen, die ihn umringten, kicherten ständig. Wie kleine Schulmädchen, fand Chris. Merkten sie denn gar nicht, wie peinlich sie sich benahmen. Es schien, als wollten sie ihm sofort um den Hals fallen. Chris konnte nicht verstehen, wie man sich dermaßen schamlos an einem Mann ranschmeißen konnte und ihm so deutlich signalisierte, dass man sofort mit ihm ins Bett steigen würde, wenn er sie nur fragen würde. Chris würde das nie fertig bringen und wollte es auch nicht. Sicher, er sah verdammt gut aus, aber Chris würde niemals vor einem Mann so zu Kreuze kriechen wie diese Frauen es gerade machten. Aber was wusste Chris schon. Sie hatte nicht allzu viele Erfahrungen mit Männern gesammelt und bisher nur einen einzigen Freund gehabt, der sie schließlich auch nicht mehr wollte. Wer weiß, vielleicht war es gerade das, was Männer an Frauen anziehend fanden, wenn man sich an sie ranschmiegte und ihnen ihre Brüste entgegenstreckte. Chris schüttelte angewidert mit dem Kopf und doch konnte sie selbst auch den Blick nicht ganz von diesem Kerl lassen.
Er war entgegen den anderen Gästen absolut underdressed gekleidet und es sah so aus, als wenn er überhaupt nicht in den Spiegel gesehen hätte, bevor er sich zum Aufbruch für diese Party gemacht hatte. Einige andere Gäste, sowohl Frauen als auch Männer, hatten ihrer Kleidung und ihrem Haar scheinbar bei weitem mehr Beachtung geschenkt.
Später hatte sie Danny einmal von ihrem ersten Eindruck von ihm erzählt und er hatte nur gelacht. Chris hatte mit ihren Mutmaßungen damals ziemlich recht gehabt. Danny verschwendete nie aufwendige Zeit damit, sich Gedanken über seine Klamotten oder seine Haare zu machen und sie hatte es irgendwann aufgegeben ihn daran zu erinnern, zu gewissen Gelegenheiten zumindest ein Hemd anzuziehen. Irgendwann hatte sie darüber hinweg gesehen und immer nur geschmunzelt, dass ihm dann und wann auch der eine oder andere kritische Blick zugeworfen wurde. Chris war es egal. Sie fand, dass Danny immer gut aussah, ob nun in schäbigen Klamotten oder im Anzug, denn auch so etwas befand sich in seinem Kleiderschrank. Bei der Arbeit musste er beinahe täglich einen tragen, ob es ihm nun gefiel oder nicht. In seiner Freizeit bevorzugte er allerdings eher den lässigen und bequemen Klamottenstil. Chris gefiel er in seinen normalen Klamotten eigentlich auch immer am besten. Auch an dem Abend auf der Party, wo sie ihm das erste Mal begegnet war, hatte sie bewundert, wie wenig es ihm auszumachen schien, was andere über ihn oder seinem Outfit dachten. Chris hatte sich unheimlich von ihm angezogen gefühlt und konnte ihren Blick nicht abwenden. An diesem Abend trug Danny eine alte ausgewaschene Jeans und ein weißes und ziemlich eng anliegendes T-Shirt, was auch nicht unbedingt sein neustes T-Shirt sein konnte. Es betonte jedoch seinen gut gebauten Körper und es ließ deutlich seine Muskeln darunter erkennen. Seine dunkelbraunen Haare waren ein bisschen zu lang und fielen ihn ständig in die Augen, was ihm jedoch selbst nicht weiter zu stören schien. Seine Haut im Gesicht und an den Armen war von der Sonne braun gebrannt und wenn er lachte, bildeten sich kleine Grübchen oberhalb seines schmalen Mundes. Dunkle Bartschatten bedecken die untere Partie seines Gesichts. Frisch rasiert war er natürlich nicht und doch konnte seine letzte Rasur noch nicht allzu lange her sein. Wahrscheinlich musste er bei der Arbeit frisch rasiert erscheinen und am Wochenende ließ er es einfach wachsen, mutmaßte Chris.
Niemals wäre Chris auf die Idee gekommen, ihn anzusprechen. Sie glaubte, nicht den Hauch einer Chance bei so einem Mann zu haben. Auch wenn Chris wusste, dass sie selbst nicht hässlich war, so wusste sie dennoch, dass sie auch nicht gerade umwerfend aussah. Sie sah sich selbst lediglich nur als durchschnittlich an. Sie war weder hässlich noch besonders schön, obwohl sie wusste, dass sie schon eine recht gute Figur hatte. Sie war schon immer ziemlich schlank gewesen und hatte sich nie sonderlich über ihr Gewicht sorgen machen müssen. Sie konnte beinahe alles essen, was ihr lieb war. Mit ihren 1,75 m war Chris nicht gerade klein und ihre langen schlanken Beine kamen in ihrer engen Jeans, die sie an dem Abend trug, wunderbar zur Geltung. Das hatte Tanja zumindest behauptet, bevor sie zur Party aufgebrochen waren. Abgesehen davon war sie aber wohl doch eher nur durchschnittlich mit kleinen Brüsten und langem blonden Haar, welches sie meist offen trug. Chris war mit ihrem Äußeren immer sehr kritisch und war sich oft sehr unsicher.
Plötzlich sah er zu Chris herüber und ihre Blicke begegneten sich. Chris zuckte leicht zusammen. Sie war völlig in ihren Gedanken versunken und ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn immer noch anstarrte. Verlegen sah sie schnell weg und ließ ihren Blick im Raum umherwandern. Als sie wenig später wieder einen schüchternen Blick in seine Richtung warf, ruhte sein Blick noch immer auf ihr. Dann lächelte er sie zu allem Überfluss an und prostete ihr mit seinem Bier zu, was Chris für einen Augenblick völlig aus der Fassung brachte. Chris versuchte ebenfalls, sich ein Lächeln abzuringen, was vermutlich sehr gequält aussehen musste. Es war ihr unendlich peinlich, dass er sie dabei ertappt hatte, wie sie ihn beobachtet hatte. Chris zwang sich ab sofort ihren Blick nicht wieder in seine Richtung zu werfen. Doch dann und wann konnte sie es nicht lassen, einen verstohlenen Blick in seine Richtung zu werfen. Das ein oder andere Mal waren sich dabei ihre Blicke begegnet und dann hatte er sie immer angelächelt. Machte er sich vielleicht über sie lustig? Chris beschloss, dass es ihr egal war. Ihre Unsicherheit ließ langsam nach und ihr fing an, dass Spiel Spaß zu machen und das Lächeln das auch sie ihm dann zuwarf, viel ihr von Mal zu Mal leichter. Sie wusste wirklich nicht, warum auch er immer wieder in ihre Richtung sah, aber es spielte auch keine große Rolle. Chris würde sowieso bald nach Hause gehen und ihn dann niemals wiedersehen, also spielte sie sein Spiel eine Weile mit.
Doch das Spiel wurde plötzlich von ihrer Freundin Tanja unterbrochen, die auf einem Mal wie aus dem Nichts neben ihr aufgetaucht war und ihr irgendetwas ins Ohr flüsterte. Chris hatte nicht genau verstanden, was sie ihr gesagt hatte, da die Musik ziemlich laut war. Vielleicht war sie mit ihren Gedanken aber auch ganz woanders gewesen. Chris sah nur noch wie Tanja mit diesem schmierigen Typen, den sie aufgegabelt hatte, aus dem Raum verschwand. Als Chris nun wieder in die Richtung sah, in der der Mann mit dem tollen Lächeln bis eben noch gesessen hatte, musste sie feststellen, dass er verschwunden war. Sie sah sich im gesamten Raum um, konnte ihn aber nirgends erblicken. Sie wusste nicht wohin er so plötzlich verschwunden war, dabei war sie doch nur einen kurzen Augenblick abgelenkt gewesen. Eine Weile blieb sie noch in ihrer Ecke stehen, in der sie die ganze Zeit gestanden hatte und versuchte, ihn irgendwo in der Menge zu erblicken. Doch nach einer Weile gab sie es schließlich auf, wahrscheinlich war er sogar nach Hause gegangen. Vielleicht sogar mit irgendeiner dieser Frauen, mit denen er sich unterhalten hatte, wobei Chris das Gefühl gehabt hatte, dass er irgendwann aufgehört hatte, sich wirklich mit ihnen zu unterhalten. Er hatte vielleicht bestenfalls nur noch zugehört, während er mit ihr dieses merkwürdige Spielchen gespielt hatte. Jetzt, wo dieser gutaussehende Mann nicht mehr auszumachen war, fing die Party wieder an, ziemlich langweilig zu werden. Sie kannte hier schließlich niemanden und fühlte sich mit einem Mal ziemlich allein. Der einzige Mensch, den sie gekannt hatte, war Tanja gewesen und so wie es aussah, war sie tatsächlich mit diesem Kerl verschwunden und hatte sie völlig allein auf dieser Party sitzenlassen. Chris beschloss, Tanja am Montag im Büro zur Rede zu stellen. Außerdem nahm sie sich vor, sich nie wieder von Tanja dazu überreden zu lassen, sie zu einer Party zu begleiten.
Chris nahm noch einen kleinen Schluck aus ihrem Sektglas und schüttelt sich erneut. Der Sekt schmeckte nun nicht mehr nur scheußlich, sondern war mittlerweile auch vollkommen abgestanden.
Sie konnte keinen Schluck mehr davon trinken, sonst würde ihr später wahrscheinlich furchtbar übel werden. Sie bahnte sich einen Weg durch die tanzenden Leute auf der Suche nach einem anderen Getränk. Wenn sie schon mal hier war und der Abend ohnehin gelaufen war, konnte sie sich zumindest noch ein oder zwei Gratisgetränke gönnen, ehe sie sich wohl oder übel ein Taxi rufen musste. Eigentlich hatte sie vorgehabt, bei Tanja zu übernachten, damit beide was trinken konnten, doch das schien für heute wohl auszufallen. Chris hatte keine Ahnung, wo Tanja steckte, und sie hatte auch keine Lust, das herauszufinden. Sie wollte eigentlich auch einfach nur nach Hause. Nur der Weg nach Hause, oder vielmehr zum Haus ihrer Eltern war recht weit und Chris rechnete damit, dass fast ihr gesamtes Ausbildungsgehalt für das Taxi draufgehen würde. Auch etwas, was sie Tanja am Montag vorhalten konnte. Chris war jetzt allmählich ziemlich sauer auf Tanja, aber wahrscheinlich wäre am Montag ihre Wut verraucht. Chris konnte nie lange böse auf jemandem sein. Das lag ihr einfach nicht.
Endlich erreichte sie die Tür, die eigentlich nur noch in die Küche führen konnte und nachdem Chris die Tür geöffnet hatte, stand sie auch in der ziemlich eigentümlichen und dunklen kleinen Küche. Vermutlich wurde hier nur sehr selten gekocht. Die Küche war ziemlich spärlich eingerichtet, und es gab außerdem nur zwei, Herdplatten. Sowohl der Kühlschrank als auch der gesamte Fußboden war vollgestellt mit zumeist alkoholischen Getränken und Getränkekisten. Chris vermutete, dass es sich wohl doch eher um eine Männerwohngemeinschaft handeln musste und der Gastgeber wohl doch eher männlich war, wer auch immer das sein mochte. Sie hatte es nie herausgefunden.
Sie stieg über mehrere Bierkisten hinweg, um an die Spüle zu gelangen. An der letzten Kiste stieß sie sich das Knie an und geriet ins Stolpern. Nur mit Mühe konnte sie sich am Spülbecken mit der freien Hand festhalten und konnte somit den Sturz verhindern.
„Autsch..., verdammt“, fluchte Chris. Wütend kippte sie den Inhalt ihres Glases in den Abguss und stellte ihr leeres Glas auf die einzig freie Fläche neben der Spüle. Dann nahm sie sich ein Bier aus einer der Kisten und sah sich nach einem Flaschenöffner um, als sie ihn plötzlich im Halbdunkeln der Küche auf einem Stuhl erblickte. Chris zuckte zusammen und ihr wäre beinahe vor Schreck die Bierflasche aus der Hand gerutscht. Sie hatte ihn gar nicht kommen hören oder hatte er eben auch schon da gesessen?
„Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte er und grinste sie an.
„Schon gut....“
„Gut reagiert eben. Ich dachte schon du würdest dich mit samt deinen Glas in der Küche langlegen“, gluckste er.
Das erklärte dann wohl ihre Frage. Er musste demnach also schon länger da gesessen haben. Chris konnte es ihm ansehen, dass es ihm ernorme Anstrengung kostete, nicht über sie zu lachen. Seine Mundwinkel zuckten verdächtigt, aber er lachte nicht. Dann sah er sich nur kurz um, schüttelte den Kopf und fügte noch hinzu:
„Nein, vermutlich hättest du dir nur den Kopf an den Schränken angeschlagen. Da der Raum so klein und vollgestellt ist, glaube ich kaum, dass du noch Platz zum Langlegen dazwischen gefunden hättest.“
Chris lachte hell auf und nun fiel auch er in ihr Lachen ein. Dann hörte er auf zu lachen und sah sie wieder mit diesem unwiderstehlichen Lächeln an. Chris senkte grinsend den Blick.
„Ich werde dann mal wieder gehen“, sagte Chris leise, da es ihr etwas peinlich war, so zusammen gezuckt zu sein und sie sich zudem fast blamiert hatte. Chris schlich zu Tür und wollte sie gerade öffnen, als er plötzlich sagte:
„Ziemlich öde Feier, oder?“ Chris drehte sich wieder zu ihm um.
„Ich weiß nicht genau. Sie scheinen sich doch alle gut zu amüsieren, oder?“
„Ich für meinen Teil langweile mich auf jeden Fall zu Tode“, sagte er und gähnte dabei theatralisch, so dass Chris wieder lachen musste.
„Oh, na gut. Sie ist wirklich ziemlich öde, aber ich dachte schon, nur ich würde so empfinden.“
„Warum stehst du den ganzen Abend alleine in deiner Ecke und amüsierst dich nicht?“ Chris musste unwillkürlich lächeln und seine braunen Augen strahlten ihr entgegen.
„Ich kenne hier niemanden. Ich bin zu dieser Party nur von jemanden mitgeschleift worden.“
„Ach so und wo ist er jetzt?“
„Er ist eine sie und ich habe absolut keine Ahnung. Als ich sie zuletzt gesehen habe, hat sie so einem Kerl die Zunge in den Hals gesteckt. Das war kurz bevor sie mit ihm verschwunden ist.“
Er fing wieder an zu lachen.
„Ach, ich glaube dann weiß ich, wen du meinst. Die mit den kurzen braunen Haaren und der grünen Brille.
„Mhm, ja.“
„Das ist also deine Freundin.“
„Nein, ab sofort nicht mehr“, sagte Chris lachend.
„Da du ja nun niemanden mehr hier kennst, bleib doch noch ein bisschen hier und wir trinken gemeinsam ein Bier.“
„Tut mir leid, ich kann nicht.“ Chris machte ein bedauerndes Gesicht und auch in seinem Gesicht spiegelte sich Enttäuschung. Dann setzte sie schmunzelnd hinzu:
„Ich kriege mein Bier einfach nicht auf.“
Wieder musste er lachen, ein lautes dröhnendes Lachen und auch Chris taten schon die Wangen weh vom vielen Lächeln. Es gefiel ihr, dass sie ihn zum Lachen bringen konnte. Er riss ihr ungeduldig die Flasche aus der Hand, ehe sie noch Anstalten machen konnte, es sich anders zu überlegen und zur Tür hinaus marschierte. Mit einer schnellen Handbewegung öffnete er die Flasche am Rand einer Bierkiste. Ja, das hätte sie vielleicht auch geschafft, war aber irgendwie gerade nicht auf die Idee gekommen. Er gab Chris ihr Bier zurück, öffnete sich dann ebenfalls ein Bier und stieß mit ihr an.
„OK, warum nicht“, sagte Chris und nahm einen großen Schluck aus ihrer Flasche.
„Ich heiße im übrigen Danny“, sagte er und seine braunen Augen stachen ihr mitten ins Herz. Chris stockte für einen Augenblick der Atem.
„Christine, aber eigentlich nennen mich alle nur Chris.“
„Freut mich dich kennen zu lernen, Chris oder soll ich lieber Christine sagen?“
„Nein, Chris ist mir lieber. Kein Mensch sagt zu mir Christine, nicht einmal meine Eltern und sie haben sich schließlich diesen Namen ausgesucht.“
„Also gut, dann eben Chris.“
„Ja. Kannst du mir vielleicht sagen, wessen Geburtstag hier heute eigentlich gefeiert wird? Ich habe nämlich absolut keine Ahnung bei wem ich mich für die Bewirtung bedanken soll, wenn ich gehe.“
„Wir feiern hier irgendjemandes Geburtstag? Ich dachte, es wäre eine Einweihungsfeier.“ Danny sah sie überrascht an und Chris musste erneut laut lachen.
„Wie, sag bloß, du hast auch keine Ahnung, wer hier überhaupt wohnt.“
„Nein absolut nicht, ich war noch nie hier und ich bin um ehrlich zu sein genauso wie du von einem Bekannten nur mitgeschleift worden.“
„Aber du scheinst schon einige Leute hier zu kennen.“
„Ja ein paar schon, aber die meisten nur entfernt und hauptsächlich von der Arbeit.“
„Aber du hast keine Ahnung, wer die Party hier heute schmeißt?“
„Genau. Vielleicht sollten wir beide uns lieber von hier verdrücken, bevor wir noch gefragt werden, was wir hier verloren haben, jetzt wo unsere Begleiter sich auf und davon gemacht haben. Übrigens der Typ, mit dem deine Freundin verschwunden ist, ist mein Kumpel. Er ist derjenige der mich mit hierher geschleift hat.“
„Nein...im Ernst?“ Jetzt war Chris froh, dass sie nicht eine abfällige Bemerkung über seinen Kumpel von sich gegeben hatte.
„Ja.“
Chris prustete los.
„Ich weiß er sieht etwas merkwürdig aus, aber er ist ganz in Ordnung“, sagte Danny, der ihre Gedanken anscheinend gelesen hatte. Nun war Chris auch ein wenig beruhigt. Denn auch wenn sie ziemlich sauer auf Tanja war, so hoffte sie doch, dass der Kerl ihr nicht wehtat.
„Das ist mir so was von egal“, sagte Chris etwas lauter als beabsichtigt und meinte es nicht ganz so grob, wie sie es sagte.
„Du scheinst nicht viel von deiner Freundin zu halten.“
Chris schüttelt ein wenig mit dem Kopf.
„Ach nein, dass stimmt nicht ganz. Sie ist eigentlich sehr nett. Aber so gut kenne ich sie im Grunde gar nicht. Wir arbeiten zusammen und teilen uns ein Büro. Sie hatte einfach keine Lust alleine herzukommen, also hat sie mich überredet mitzukommen.“
„Na, da bin ja mal froh, dass sie es geschafft hat, dich zu überreden, denn sonst hätte ich mich wohl wirklich zu Tode gelangweilt.“
Beide sahen sich grinsend an und wussten genau, wovon Danny sprach.
„Also, was sagst du?“ Danny sah sie fragend an und Chris wusste nicht sofort wovon er sprach.
„Ähm?“
„Sollen wir unser Bier austrinken und von hier verschwinden. Vielleicht kann ich dich dann ja noch auf ein Bier in dem Lokal an der Straßenecke einladen. Wie wärst?“
„Mhm..., ich weiß nicht.“
„Ich werde mich benehmen, versprochen.“ Dabei hob er zwei Finger zum Schwur und sah sie mit so ernster Miene an, dass Chris sofort wieder in schallendes Gelächter ausbrach. Danny stimmte in ihr Lachen ein und Chris beschloss das Risiko einzugehen. Sie würden noch etwas zusammen trinken und dann würde Chris sich ein Taxi rufen.
Danny führte sie in eine Bar, die ihr bis dahin noch gar nicht bekannt war. Es war ein Irish Pub. Die Bar war sogar noch zu so später Stunde ziemlich gut besucht. Chris brauchte ein wenig, damit sich ihre Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten, ehe sie sich in der Bar umsehen konnte. Sie ging nicht sehr oft in Bars, aber hier gefiel es ihr auf Anhieb. Es gab einen riesigen Tresen, hinter dem ein Barkeeper mit geübten Händen Cocktails mixte und Guinness Bier ausschenkte. Vor dem Tresen stand eine Traube von Menschen und unterhielten sich angeregt. Auf der linken Seite befanden sich zwei große Billardtische und daneben eine elektronische Dartscheibe, die gerade von einer ziemlich angetrunkenen Gruppe von Männern mit Pfeilen bombardiert wurde. Im hinteren Bereich der Bar standen mehrere Tische und daneben brannte ein kleines Feuer im Kamin. Dazu kam unverkennbar irische Musik aus den Lautsprechern.
Danny bahnte sich einen Weg durch die Menschen, die sich vor dem Tresen befanden. Chris versuchte ihm zu folgen, hatte jedoch einige Schwierigkeiten, sich einen Weg durch das Gedränge zu schaffen und ständig stellte sich ihr jemand in den Weg. Danny sah sich nach ihr um und sah, dass sie hinter einigen Leuten verschwand. Er drehte sich um, kam ein Stück auf sie zu und ergriff ihre Hand. Ein leichter Schauer durchfuhr ihr bei der Berührung seiner warmen Hand und sie lächelte ihn unsicher an. Danny zog sie mit sich zum Tresen und Chris fragte sich, wie er es anstellte, sich so mühelos einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Es kam ihr vor, als wenn die Leute automatisch zur Seite gingen, wenn er vorbeikam. Wie machte er das bloß? Ihr passierte so etwas nie. Chris hätte vermutlich eine halbe Stunde gebraucht, um sich ein Getränk bestellen zu können, aber mit Danny stand sie nur einen kurzen Augenblick später direkt vor dem Tresen und Danny hatte sofort die Aufmerksamkeit des Barkeepers errungen.
„O.k., was möchtest du trinken? Ein Bier?“, fragte er dicht an ihrem Ohr, um die Musik und dem lauten Gerede zu übertönen. Chris schüttelte den Kopf.
„Nein, lieber nicht. Mir ist schon ein wenig übel von dem Sekt, den ich vorhin getrunken habe. Ich hätte lieber einfach nur eine Cola“, sagte Chris, was auch stimmte. Ihr war tatsächlich ein bisschen übel, aber sie hatte auch einen kleinen Schwips und sie wollte nach Möglichkeit in seiner Gegenwart einigermaßen nüchtern sein.
„Gut, dann hätten wir also gerne zwei Cola“, sagte Danny an den Barkeeper gewandt.
Danny bezahlte und nahm dem Barkeeper die Gläser ab. Er hielt die Gläser über seinen Kopf und so suchten sie sich wieder einen Weg aus der Menschentraube heraus, was ihnen diesmal genauso mühelos gelang, wie beim ersten Mal. Dann reichte er Chris ihr Glas und stieß mit ihr an.
„Auf das Geburtstagskind.“
„Oder auf die Einweihungsfeier“, sagte Chris lachend.
„Du hast also eben auf der Party wirklich dieses süße rosa Zeug getrunken.“
„Ja und jetzt ist mir tatsächlich ein bisschen übel, aber es geht schon. Ich mag eigentlich überhaupt keinen Sekt.“
„Warum hast du ihn dann getrunken?“
„Keine Ahnung“, lachte Chris.
„Also trinkst du lieber Bier?“
„Ja, ist nicht so süß.“
„Stimmt. Ich mag Frauen, die Bier trinken.“ Danny lächelte sie verschmitzt an.
„Na, da hab ich aber Glück gehabt“, sagte Chris grinsend. Gott wie stellte der Mann es an, dass sie sich in seiner Gegenwart so wohl fühlte, obgleich sie ihn gerade erst seit ungefähr einer Stunde kannte.
„Mhm.“ Danny sah sich kurz um. Dann sah er sie wieder an und Chris hatte das Gefühl, bei seinen Blick dahinzuschmelzen. Verdammt, hoffentlich sah man es ihr nicht an.
„Spielst du Billard, Chris?"
„Nicht sehr gut.“
„Ich auch nicht. Hast du trotzdem Lust auf eine Partie.“
Chris nickte lächelnd mit dem Kopf und so gingen sie zu einem der Billardtische. Sie spielten drei Spiele und Chris verlor alle haushoch. Chris hatte nicht gelogen. Sie war wirklich noch nie sehr gut in Billard gewesen, doch sie glaubte, dass Danny sie ein wenig angeflunkert hatte, als er behauptet hatte, er könne ebenfalls nicht sehr gut spielen. Chris war ihm jedoch nicht böse. Sie hatte einen Heidenspaß beim Billardspielen gehabt und musste ständig lachen. Danny war einfach ein witziger Kerl, der es verstand, Chris zum Lachen zu bringen. Er riss Witze und machte sich auf liebevolle Weise über sie und ihr schlechtes Spiel lustig. Er zog sie auf und konnte sich selbst das Lachen nicht verkneifen, wie sie ihren Billardqueue in den Händen hielt. Doch als er ihr zeigen wollte, wie man ihn richtig hielt, ging es nach hinten los. Er hatte sich hinter sie gestellt und ihre Hände mit seinen umschlossen. Als sich sein Körper an ihren schmiegte wurde ihr auf einem Mal furchtbar heiß und ihre Hände begannen zu schwitzen. Als sie den Queue nach hinten zog, rutschte er ihr durch die feuchten Hände und sie stieß ihm den Queue direkt in die empfindliche Stelle zwischen seinen Beinen. Chris wurde schlagartig rot, als Danny sich vor Schmerzen krümmte.
„Oh Gott. Das tut mir ja so leid.“
„Geht schon. Du hättest mir aber auch einfach sagen können, dass du keine Kinder von mir möchtest“, stöhnte Danny und richtete sich mit schmerzverzerrten Gesicht wieder auf. Plötzlich prustete Chris los und auch Danny konnte wieder lachen. Sie liebte sein Lachen auf Anhieb, das tief aus seinem Inneren kam und sie jedes Mal sofort mitriss. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass es mal eine Zeit gab, in der er selten etwas zu Lachen gehabt hatte, aber davon hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung gehabt.
Nachdem sie sich von dem Lachen erholt hatten, suchten sie sich einen kleinen Tisch in der Nähe des Kamins. Hier im hinteren Teil der Bar, war die Geräuschkulisse viel leiser und man konnte sich vernünftig über den Tisch hinweg unterhalten, ohne sich dabei ins Ohr zu schreien. Auch wenn Chris es genossen hatte, Dannys Mund ihrem Gesicht so nahe zu wissen und den Hauch seines Atems an ihrem Ohr zu spüren. Nachdem Danny ihnen beiden noch eine Cola bestellt hatte, fragte er:
„Wohnst du hier in der Nähe?“
„Nein, nicht mehr. Ich bin vor ein paar Wochen wieder bei meinen Eltern eingezogen, etwas außerhalb der Stadt.“
„Und vorher hast du aber hier in der Nähe gewohnt?“
„Ja.“
„Gefällt es dir nicht in der Stadt oder warum bist du dann wieder von hier fortgezogen.“
„Ich mag die Stadt nicht großartig, das stimmt. Der Grund, warum ich wieder zu meinen Eltern gezogen bin, ist aber, dass ich mich vor kurzem von meinem Freund getrennt habe und nicht wusste, wo ich sonst so schnell hinkonnte.“
„Was ist passiert?“ Chris zog die Schultern hoch.
„Ich schätze, er liebt mich nicht mehr.“
„Du schätzt? Oder bist du dir sicher?“
Chris musste erneut lachen.
„Keine Ahnung, spielt auch keine Rolle. Er hat mich mit einer guten Freundin betrogen. Fertig aus.“
„Oh, dann ist es gut, dass du ihn verlassen hast. Wie hast du es rausbekommen?“
Chris zog die Stirn in Falten und schüttelte verlegen den Kopf.
„Ich habe sie eben erwischt.“
„Autsch. Aber du hast die beiden nicht erschossen, oder?
Chris lachte laut auf.
„Nein, ich habe mich bei den beiden für mein Eindringen in mein eigenes Schlafzimmer entschuldigt.“
„Das ist nicht dein Ernst?“
„Doch, schätze schon.“ Jetzt fing Danny an zu lachen und Chris konnte zum ersten Mal überhaupt auch darüber lachen.
So redeten sie die ganze Nacht bis der Barkeeper irgendwann zu ihnen an den Tisch kam und sie freundlich bat, auszutrinken, damit er die Bar schließen konnte. Chris sah überrascht auf und musste feststellen, dass sie nur noch die einzigen Gäste waren. Wann waren die vielen anderen Gäste verschwunden? Chris leerte ihre Cola aus und befürchtete, heute nicht mehr schlafen zu können, bei soviel Cola wie sie heute getrunken hatte, aber ihr war immerhin nicht mehr übel und überdies hinaus fühlte sich auch wieder äußerst nüchtern.
Als Chris und Danny das Lokal verließen musste Chris feststellen, dass es bereits anfing wieder hell zu werden. Sie sah erschrocken auf ihre Armbanduhr und konnte gar nicht glauben, dass es schon fünf Uhr morgens war.
„Gott, schon so spät. Ich denke, ich sollte wohl irgendwann mal nach Hause.“
„Ich glaube, wir haben die Zeit wohl vollkommen vergessen“, sagte Danny ebenfalls erstaunt.
„Ja.“ Chris fröstelte und hielt schützend ihre Arme um ihren Körper. Sie hatte vollkommen vergessen, eine Jacke mitzunehmen.
„Ist dir kalt?“
„Ja, ein wenig“, gab Chris zu und lächelte über seine Aufmerksamkeit.
„Nimm meine Jacke“, sagte Danny und hielt ihr eine absolut tolle Lederjacke offen, die er bis dahin nur in seiner Hand gehalten hatte. Sie schlüpfte nur allzu bereitwillig in die Jacke und zog sie vorne mit der Hand zusammen. Die Jacke fühlte sich einfach toll an und sie roch verdammt gut nach diesem Mann, der nun neben ihr stand und wahrscheinlich jetzt frieren musste.
„Wie kommst du nach Hause? Bist du mit dem Auto hier?“
„Nein, mein Auto steht zu Hause in der Garage. Ich wollte mir eigentlich ein Taxi rufen, aber vielleicht fährt sogar schon wieder ein Bus.“
„Mein Auto steht nur ein paar Straßen weiter. Ich könnte dich nach Hause fahren.“
„Nein, das musst du nicht. Es ist ziemlich weit.“
„Das macht mir nichts. Ein Gentleman begleitet eine Frau nach Hause.
Chris lächelte bei der Vorstellung, von ihm nach Hause gebracht zu werden.
„Außerdem habe ich noch keine Lust, dich schon gehen zu lassen.“
Chris lachte. Sie hatte keine Ahnung, ob sie überhaupt in ihrem Leben an nur einem Abend schon einmal soviel gelacht hatte. Sie willigte schließlich ein und so gingen sie gemeinsam durch die noch menschenleeren Straßen bis zu seinem Auto. Chris staunte nicht schlecht, als Danny vor einen schwarzen glänzenden Sportwagen stehen blieb, dem es an Komfort und sonstigen Extras nicht fehlte. Er öffnete die Türen zu seinem Wagen.
„Wow, hast du eine Bank ausgeraubt oder ist das Papis Auto?“, Chris konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen. Danny lachte.
„Nein, das ist meiner oder eigentlich ist es ein Firmenwagen.“
„Oh, was muss man tun, um so einen tollen Firmenwagen zu bekommen?“ fragte Chris während sie sich auf den Beifahrersitz sinken ließ und den Anschnallgut anlegte.
„Ich bin Abteilungsleiter in einem Fachhandel für Computerzubehör. Dort bin ich für den Einkaufsbereich verantwortlich.“
„Mhm, ich bin beeindruckt. Wie alt bist du?
Danny lächelte zu ihr herüber, während er den Wagen anließ.
„Ich bin 24 und ich weiß, dass ich vielleicht noch etwas zu jung bin, um bereits Abteilungsleiter zu sein. Ich hatte einfach Glück, würde ich sagen. Was machst du beruflich?“
„Ich arbeite in einer Werbeagentur, befinde mich aber noch in der Ausbildung zur Werbekauffrau. Ich entwerfe größtenteils Layouts und so weiter.“
„Hört sich spannend an.“
„Ja, na ja, geht so. Es ist nicht immer ganz so spannend, aber eigentlich macht mir der Job schon Spaß.“
Sie fuhren eine ganze Weile schweigend und nur dann und wann wies Chris ihm den richtigen Weg zu ihrem Zuhause. So langsam machte sich bei ihr nun doch die Müdigkeit breit, die sie bisher nicht verspürt hatte, was vermutlich aber wegen des vielen Koffeins kein Wunder war. Dennoch war sie bereits seit sechs Uhr morgens wach und somit seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Trotz der plötzlichen Ruhe, die zwischen ihnen herrschte, war das Schweigen nicht unangenehm. Sie hatte bei Danny nicht das Gefühl, unbedingt etwas sagen zu müssen. Danny sah während der Fahrt manchmal zu ihr herüber und lächelte sie an und sie lächelte zurück. Es war ein wunderbarer Abend gewesen. Sie hatte ihn in vollen Zügen genossen. Sie hatten so viel zusammen gelacht und rumgealbert. Der Abend mit Danny war ganz unbeschwert gewesen, anders als sie es für möglich gehalten hätte. Sie hatte sich nach ihrer anfänglichen Unsicherheit sehr wohl in seiner Gegenwart und auch in ihrer Haut gefühlt. Sie waren absolut auf einer Wellenlänge und sie hatten den gleichen Humor, was Chris besonders gut gefallen hatte. Ihr Exfreund hatte ihren Humor oft nicht verstanden und sie nur fragend angesehen oder war manchmal sogar beleidigt abgezischt, wenn sich ihr Humor gerade auf seine Kosten bezogen hatte. Danny war ganz anders. Er konnte hervorragend über sich selber lachen.
Auch ihre anfänglichen Hemmungen bei so einem gutaussehenden Mann hatten sich schneller gelegt als sie festgestellt hatte, dass Danny kein bisschen arrogant oder überheblich war. Er hatte sich tatsächlich den ganzen Abend über wie ein absoluter Gentleman verhalten und keinen einziges Mal versucht, sie auf unsittliche Weise anzubaggern. So wie er sie angesehen hatte, hatte er ihr sogar das Gefühl gegeben, schön zu sein und sie hatte sich am heutigen Abend sogar selbst schön und sexy gefühlt.
So gut wie an diesem Abend hatte sie sich schon lange nicht mehr amüsiert und sie fühlte sich wahnsinnig wohl in seiner Gegenwart.
Nach einer halben Stunde Autofahrt hielt Danny schließlich vor dem Haus ihrer Eltern. Chris sah hinüber zum Haus und stellte glücklicherweise fest, dass das Haus noch in völliger Dunkelheit ruhte. Ihre Eltern schliefen vermutlich noch tief und fest. So lange Chris denken konnte, waren ihre Eltern beunruhigt gewesen, wenn Chris bis spät in die Nacht unterwegs war und ihre Mutter tigerte oft die halbe Nacht durch das Haus bis Chris endlich auftauchte. Es hatte Chris immer halb wahnsinnig gemacht, aber vielleicht würde sie sich eines Tages genau so verhalten, wenn sie eigene Kinder hatte, zumindest prophezeite ihre Mutter es ihr jedes Mal, wenn Chris sich über ihre Mutter und deren Paranoia aufregte. Aber heute wartete niemand auf sie, da ihre Eltern noch immer davon ausgingen, dass sie bei ihrer Freundin übernachtete.
Chris schnallte sich ab und ehe sie noch etwas sagen konnte, war Danny bereits ausgestiegen. Er kam zu ihr herüber und hielt ihr die Beifahrertür auf. Chris sah zu ihm auf und musste unwillkürlich lächeln. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihr schon mal irgendjemand die Autotür aufgehalten hatte, bis auf einmal als sie zehn Jahre alt gewesen war und sich den Knöchel verstaucht hatte. Als ihr Vater mit ihr vom Arzt nach Hause gekommen war, hatte er ihr aus dem Auto geholfen, aber das zählte wohl nicht. Zum einen war sie verletzt gewesen und zum anderen war es ihr Vater gewesen, der ihr hinaus geholfen hatte.
„Danke“, sagte Chris deshalb.
„Keine Ursache.“ Danny schloss grinsend hinter ihr die Autotür und sah sie an.
„Und danke auch, dass du mich nach Hause gefahren hast und danke für die viele Cola und...“
„Würdest du jetzt bitte aufhören, dich die ganze Zeit zu bedanken? Es hat mir Spaß gemacht. Es war für mich ein sehr schöner Abend oder vielleicht sollte ich lieber sagen, eine schöne Nacht.“
„Für mich auch“, sagte Chris schüchtern und sah in Dannys braune Augen. Danny erwiderte ihren Blick und Chris hatte das Gefühl, jeden Augenblick in Flammen aufzugehen. Dann beugte Danny sich nach vorne und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf dem Mund.
„Das wollte ich schon den ganzen Abend tun“, raunte er dicht über ihren Lippen.
„Dann hör jetzt nicht auf damit“, flüsterte Chris. Sie schloss die Augen und legte ihren Mund wieder auf seinen. Sie öffnete leicht die Lippen und spielte mit seiner Zunge, die sich mit ihrer verband. Danny zog sie näher zu sich und seine Hände lagen warm auf ihrer Hüfte. Sie fuhr ihm mit den Händen durch sein dunkles Haar am Hinterkopf bis sie sich schließlich von ihm löste, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie hier mitten auf der Straße vor dem Haus in dem sie aufgewachsen war, hemmungslos mit Danny rumknutschte. Unsicher sah sie ihn wieder an. Danny erwiderte ihren Blick und lächelte sie an.
„Und das war gerade der schönste Augenblick der heutigen Nacht“, sagte Danny mit heiserer Stimme. Chris lächelte ihn an.
„Ich sollte jetzt wohl besser reingehen.“
„Gut, schlaf schön.“
„Danke, du auch.“
„Was machst du morgen?“
Chris schüttelte fragend mit dem Kopf.
„Dann geh mit mir Essen.“
„Gern“, sagte Chris und konnte sich nur mit Mühe den Jubelschrei unterdrücken, der bereits in ihrer Kehle steckte.
„Wann hast du Feierabend, ich hol dich ab.“
„Um sechs Uhr.“
„Gut, dann bis morgen“, sagte Danny und er strahlte sie an. Chris sah ihm noch nach wie er in seinen Wagen stieg und davonfuhr. Dann drehte sie sich um und ging mit einen dämlichen Grinsen ins Haus. Sie hatte sich bereits an diesem Abend Hals über Kopf in Danny verliebt.
Nachdem Danny sie nach Hause gebracht hatte, konnte sie trotz ihrer Müdigkeit nicht sofort einschlafen und nachdem es ihr endlich gelungen war, wurde sie von ihrer Mutter zum Frühstück geweckt. Somit hatte sie nur sehr kurz die Augen zugemacht und war völlig schlaftrunken in der Küche erschienen, wo sie dann auch noch von den fragenden Gesichtern ihrer Eltern, vor allem von ihrer Mutter empfangen wurde. Chris hatte nur etwas von einer schlechten Party gemurmelt und, dass ihre Freundin plötzlich verschwunden war. Auf die Frage hin, wie sie denn nach Hause gekommen sei, hatte Chris nur kurz erwidert, dass ein Bekannter sie nach Hause gebracht hätte. Chris wollte ihren Eltern nicht gleich alles von Danny erzählen, auch wenn ihre Mutter sie immer gut verstand. Sie hatte eigentlich nie irgendwelche Geheimnisse vor ihrer Mutter, trotzdem war sie sich unsicher, ob sie ihrer Mutter von ihrem Rendezvous mit Danny erzählen sollte oder gar von den fantastischen Kuss. Sie wusste nicht, worauf es mit Danny hinauslaufen würde und ihre Gefühle schlugen Purzelbäume. Sie wusste auch nicht, ob Danny den Abend ebenso schön wie sie gefunden hatte und behielt deshalb vorerst für sich, was sich an diesem Abend wirklich abgespielt hatte. Außerdem, wenn Chris ihren Eltern gebeichtet hätte, dass sie von einem ihr völlig fremden Mann nach Hause gefahren wurde, würden sie wahrscheinlich durchdrehen und ihr wieder einmal predigen, nicht so leichtsinnig zu sein. Aber Danny war ihr nun einmal überhaupt nicht gefährlich vorgekommen und sie hatte sich so wohl in seiner Gegenwart gefühlt, dass sie überhaupt nicht lange darüber nachgedacht hatte und war einfach ohne viele Fragen in seinen Wagen gestiegen. Ihre Eltern hatten Recht. Sie war leichtsinnig gewesen. Ihr Vater war allem Anschein nach mit ihrer Antwort zufrieden gewesen und war froh, dass Chris wieder heil zu Hause angekommen war. Der bohrende Blick ihrer Mutter machte Chris jedoch ein wenig nervös und sie war sich bewusst, dass sie bei ihrem Blick rot im Gesicht geworden war. Verlegen hatte sie den Kopf abgewandt und stattdessen versucht, das Thema zu wechseln, was jedoch nicht viel geholfen hatte. Es hatte ihr lediglich ein kleines bisschen Zeit gebracht, ihre Gedanken zu ordnen. Erst am Abend hatte Chris ihrer Mutter gestanden, jemanden kennen gelernt zu haben, mit dem sie am Montag nach der Abend zum Essen verabredet war. Sie hatte nur wohlwissend gelächelt und Chris viel Glück gewünscht. Ihre Mutter war eine kluge Frau, noch dazu kannte sie ihre große Tochter nur allzu gut. Sie hatte von Anfang an gemerkt, dass hinter dem Bekannten mehr steckte und sie hoffte nur, dass Chris sich nicht verlor und ihr Herz nicht noch ein weiteres Mal gebrochen wurde.