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2.

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„Ich kann’s noch immer nicht glauben“, sagte Old Donegal und schüttelte den Kopf. „Nicht zu fassen. Und das passiert mir.“

Philip junior blickte seinen Granddad verdutzt an und fragte: „Was ist passiert, Granddad?“

„Ich warte immer darauf, daß Eddielein mit seinem blöden Geschrei anfängt, aber er ist jetzt so verdächtig still geworden.“

Philip lachte und wußte nicht recht, ob Old Donegal seinen Spruch ernst meinte oder nicht.

„Du wirst die Trennung vom Profos überleben“, sagte er. „Sieh dir lieber die herrliche Küste an.“

„Sie ist nicht anders als viele andere, Söhnchen.“

Old Donegal spuckte nach Lee. Bildete er es sich ein, oder stimmte es tatsächlich? Es schien, als würde die Schebecke besser und tiefer im Wasser liegen. Elf Tonnen Silber und Gold in versiegelten Kisten! Er zwang sich dazu, nicht davon zu träumen, daß sich jeder von ihnen ein kleines Königreich mit dem Anteil des Schatzes in den Laderäumen kaufen konnte.

Bombay lag weit achteraus. Längst war der letzte dünne Nebel aus den Köpfen geblasen worden. Zuletzt war noch das Mauerwerk des Forts zu sehen gewesen, das den Felsen von Bava-Malang, dem Berg der Stadtinsel, krönte. Dreiunddreißig Faden hatte die letzte Lotung ergeben. An Backbord zeigte sich deutlich die Küstenlandschaft jenseits der mächtigen Brandung.

Irgendwo dort drüben mündete der Rajpurifluß ins Meer. Die Küste war an vielen Stellen bewaldet, grüne Hänge zogen sich an den Flanken eines größeren Hügels aufwärts. Die Felseninsel mit den Befestigungsmauern, das Janjira-Eiland, schien achteraus hinter der Kimm zu versinken. Hohe Palmen wiegten sich im Wind.

„Ein Glück, daß die Gentlemen nicht auch einen Stückmeister gebraucht haben“, meinte Don Juan leichthin. Al Conroys Geschütze waren in Reih und Glied auf der Kuhl festgezurrt.

„Ich ahne Fürchterliches“, erwiderte Ben Brighton.

Die Seewölfe standen oder hockten auf dem Grätingsdeck. Achtern gurgelte das Kielwasser und bildete Weiße Schaumstreifen. Möwen verharrten scheinbar bewegungslos über den Mastspitzen und äugten auf die Schebecke und die Männer an Deck hinunter. Aber es gab keine Abfälle, nach denen sie schnappen konnten.

„Warum?“ erkundigte sich Don Juan.

„Weil unsere fünf Freunde an Bord der ‚Respectable‘ mit ihren hochnäsigen Lords vermutlich nicht gerade schöne Zeiten haben werden. Sie werden sehr schnell die großen Unterschiede herausfinden.“

Ben Brighton wußte, wovon er sprach. Er hatte genug Phantasie, um sich die Lage der fünf Seewölfe zwischen Seeleuten vorzustellen, die zum Dienst gepreßt worden waren und jetzt in Verhältnissen hausten und schufteten, gegen die das Leben auf der Schebecke geradezu paradiesisch war.

„Hoffentlich ist Eddielein bald wieder bei uns!“ rief Old Donegal. „Mit wem soll ich mich sonst streiten?“

„Vielleicht legst du dich mit Dad an“, sagte Philip mit verstecktem Grinsen. „Dann lohnt es sich wenigstens.“

Jetzt, am späten Julinachmittag, kreuzte die Schebecke wieder gegen den Monsun an. Das Schiff entfernte sich, nach Steuerbord krängend, von der Küste, aber noch vor Anbruch der Dunkelheit würden die Seewölfe die Schebecke wieder auf den anderen Bug bringen.

Hasard, der Freiwache hatte, wollte in der folgenden Nacht einen der vielen Ankerplätze aufsuchen, von denen man ihnen im Palast berichtet hatte.

Auf einer breiten, weit nach Süden gezogenen Sandbank vor der Küste, so hatten die Berater des Maharadschas warnend berichtet, stand eine schwere Brandung, und zwar stets dann, wenn der Monsun aus Südwesten wehte. Das war heute der Fall.

Die Ansteuerung würde nicht einfach sein, aber Dan O’Flynn hatte einwandfreie Hinweise und eine Menge guter Ratschläge zurückgelassen. Ben Brighton zog mit bedächtigen Bewegungen das Spektiv aus der Tasche und es auseinander.

„Gut, daß wir keine Eile haben“, sagte er, dehnte seine Muskeln und schaute sich um.

„Noch besser, daß uns kein Ruthland mehr ärgert!“ rief Old Donegal. „Und auch sonst kein Schnapphahn.“

„Da wäre ich nicht so sicher“, erklärte Don Juan nachdenklich. „Es wäre vermessen, Freunde, wenn wir die Dhaus und Segler an den Küsten nur für harmlose Fischerboote halten würden.“

„Keine Sorge, Juan“, beschwichtigte ihn der Erste. „Solange Hasard oder ich an Deck sind, bleiben wir wachsam wie immer.“

„Das empfiehlt sich auch, mit elf Tonnen Zeugs im Laderaum.“

Philip junior kraulte die Hündin im Nacken. Plymmie lag neben seinen Knien und schien sich nicht im geringsten dafür zu interessieren, was jenseits des Schanzkleides passierte. Aufmerksam, leise hechelnd, verfolgten ihre Augen die Möwen, deren Flügelspitzen im Wind zuckten.

„Zeugs“, murmelte Ben, der häufiger an den Wert der Ladung und an die Verantwortung der Seewölfe dachte, als ihm lieb war. „Wenn das die bislang unbekannten Küstenpiraten wüßten, würden vermutlich ein paar Dutzend Schiffe hinter uns her sein.“

„In diesem Land“, sagte Don Juan mit Entschiedenheit, „gibt es sicherlich viele Geheimnisse. Oder Vorgänge, die für uns geheimnisvoll sind. Es existieren aber ebenso viele Gerüchte und wahrscheinlich mehr Gerede als woanders. Ein Palast, das ist eine Art Jahrmarkt, wo unheimlich viel geredet wird.“

„Was willst du mit dieser langen, schwer verständlichen Rede sagen?“ fragte Ben mit einem Gesichtsausdruck, der Don Juan zeigte, daß der Erste durchaus verstand.

„Daß viele Halsabschneider in Bombay längst wissen, wo das Gold ist, in wessen Schiff, und wohin es gebracht werden soll. Schließlich hat Ischwar Singh seine Gründe, wenn er seiner eigenen Flotte nichts zutraut, dafür aber uns.“

„Genau!“ rief Old Donegal. „Wir haben mehr Geschütze als die ganze verdammte Dhau-Flotte im Arabischen Meer.“

„Das ist nur einer von vielen guten Gründen“, sagte Philip junior zufrieden.

Ben Brighton fuhr mit gespreizten Fingern durch sein dunkelblondes Haar. Das lose Gerede der Seewölfe konnte weder die Männer noch ihn darüber hinwegtäuschen, daß die weite Fahrt im Auftrag des hellhäutigen Brahmanen Ischwar Singh ein gefährliches Abenteuer blieb.

Fünf Mann fehlten der Seewölfe-Crew, und sie waren nicht leicht zu ersetzen. Die Ladung war kostbar, unersetzlich und sicherlich die größte Menge an edlen Metallen, die je in den dunklen Laderäumen der Schebecke gestaut worden war. Hasard hatte nur schweren Herzens den Auftrag übernommen, aber im Austausch gegen Handelsbeziehungen in solch großem und sicherem Ausmaß konnte er die Bitte des Maharadschas gar nicht ausschlagen.

Der Erste hob ein wenig ratlos die Schultern. Auch wenn er vierundzwanzig Stunden am Tag über die Gefahren nachdachte, änderte es nichts daran, daß sie sich geschworen hatten, das Gold wohlbehalten in Madras abzuliefern.

Daß der eine oder andere Küstenpirat davon wußte, störte ihn kaum. In diesem Punkt vertraute er den Fäusten, Pistolen, Belegnägeln und insbesondere den Kanonen des Stückmeisters.

Piet Straaten, der Rudergänger dieser Wache, winkte dem ersten flüchtig zu.

„Starke Strömung, Ben“, sagte er halblaut. „Sie setzt südostwärts.“

„Wie stark, was meinst du?“ fragte Ben Brighton und beobachtete weiterhin die Küste.

„Ein bis zwei Seemeilen. Ungefährlich, meiner Meinung nach, aber es ist deutlich zu merken.“

„Alles klar“, entgegnete der Erste. „Solange wir in Küstennähe segeln, hat die Stromversetzung wenig Einfluß auf unsere Ziele.“

„Okay.“

Piet nickte und wechselte den Griff seiner Fäuste um die Pinne. Der Himmel zeigte das gewohnte Bild der Monsunwolken, die vor der Sonne vorbeitrieben und gewaltige Schatten über Meer und Land warfen. Im Seegang hob und senkte sich der Bug des Schiffes. Gleichmäßig laut schlugen die Wellen gegen die Planken.

Die Luft war frisch, ab und zu sprühte leichter Salzwasserdunst in die Gesichter der Seewölfe. Das Deck, geteilt in sonnenhelle und tief schwarze Flächen, in heiße Planken und Schattenzonen, war trocken und aufgeklart. Weit und breit war nicht ein Schiff zu sehen, von dem die Crew sich bedroht fühlen konnte.

„Hoffentlich“, sagte Ben Brighton am Ende seiner langen, schweigenden Überlegungen, „ist der nächste Morgen ebenso friedlich wie der heutige Tag. Es wäre wünschenswert.“

Die Möwen, die über dem Kielwasser die Schebecke verfolgten, stießen plötzlich klagende Schreie aus und flogen hinüber nach Osten, dem Land entgegen, den Buchten und hohen Palmen.

Guasils Karawane war seit einundzwanzig Tagen und Nächten unterwegs. Die Menschen waren ebenso müde wie die Lasttiere. Auf der Küstenstraße nach Bombay lagen noch viele weitere Nächte und Tage vor den Händlern, ihren Dienern sowie den anderen Frauen und Männern, die zur Karawane gestoßen waren.

Immer wieder schlossen sich einzelne Gruppen dem Kaufmann an, weil sie sich im Schutz der Wachen sicherer fühlten. Wenn sie das Ziel erreicht hatten, gingen sie wieder, so einfach und ruhig, wie sie erschienen waren und um Schutz gebeten hatten.

Guasil sah nach dem Stand der Sonne. In vier Stunden würde sie ihren Weg über den Himmel beendet haben. Er wandte sich an Shari, der auf der anderen Seite des schwer bepackten Esels durch den Staub schlurfte und nach Wegelagerern ausspähte.

„Erreichen wir heute noch ein Dorf, Shari?“ fragte er und spuckte gelbroten Staub ins Gras neben dem breiten Weg.

„Nein. Oder nur, wenn wir laufen bis zur Nacht“, antwortete der ortskundige Wächter.

„Dann suchen wir uns ein ruhiges Lager“, sagte Guasil und rückte das breite Schweißband zurecht. „War ein heißer Tag heute.“

Er trat zwei Schritte zur Seite und ließ die Träger, die Esel und die Begleiter seiner Karawane an sich vorbeigehen. Aufmerksam musterte er jede Einzelheit. Sie konnte über Gewinn oder Verlust entscheiden. Die Esel ließen die Köpfe hängen. Im staubbedeckten Fell zeichneten sich breite Spuren von Schweiß ab.

Hoffentlich stoßen wir auf einen Bach oder ein großes Wasserloch, dachte Guasil. Es waren Überlegungen, die er jeden Tag anstellte, alles war überhaupt wie immer. Hin und wieder traf ihn ein etwas gleichgültiger Blick aus einem Augenpaar. Mindestens zehn Frauen gehörten vorübergehend dem Zug an. Acht von ihnen wollten nach Bombay. Sie hatten den Sari um den Körper geschlungen und das Gesicht verhüllt. Manchmal klirrte ihr Schmuck.

„Bald strecken wir uns aus“, sagte der Kaufmann. Eigentlich war er nichts anderes als ein wandernder Händler, aber er zog den weitaus prächtigeren Ausdruck vor. „Dann gibt’s Schatten genug.“

Ein kleiner, dicker Mann saß auf einem schwitzenden Esel. Neben ihnen stapfte ein magerer Junge her, der einen großen Sonnenschirm aus Strohgeflecht schleppte.

„Wird auch Zeit, Guasil“, sagte der Dicke heiser. Er war zur Hochzeit seines Sohnes, irgendwo in einem Dorf jenseits der Hafenstadt, unterwegs und ertrug die Strapazen der langen Reise durch Hitze, Sonnenglut und Staub mit schweigender Ergebenheit.

„Was ist schon Zeit“, sagte Guasil phlegmatisch und wedelte den Staub, der von vielen Hufen und Füßen aufgewirbelt wurde, zur Seite. Hinter den drei Wächtern, deren Klingen im Sonnenlicht blinkten, schaukelten die Kamele mit ihren unförmigen Lasten in einer langen Reihe hintereinander.

Seit drei Tagen hatte es in diesem Abschnitt der Küste nicht oder nur ein paar Tropfen geregnet. Alles lag ausgedorrt und wie gelähmt im Staub, in der sengenden Hitze. Auch die Dorfbewohner, denen man begegnet war, sehnten einen kräftigen Monsunregen herbei. Bisher hatten sie tagelang nur die regenschwangeren Wolken gesehen, die nach Nordosten weitergezogen waren.

„Was ist schon Zeit, die uns geschenkt wurde“, wiederholte Guasil seufzend und sah, wie die Lanzen und Speere seiner bezahlten Wächter im Staub schwankten. „Niemand weiß, ob wir zuviel davon haben oder zuwenig.“

Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß kein Gepäckstück verloren war und auch keine Dornen oder Blasen die Leute zwangen, eine Pause einzulegen, eilte er schwitzend wieder zum Anfang des Zuges zurück und fluchte über den verdammten Staub.

Links von der Straße, die sich durchs Land wand, erstreckte sich bis zur unsichtbaren Küste ein breiter Streifen aus Buschwerk, kleinen Feldern und Wald, durchbrochen von einigen Lichtungen, in denen sich Palmen hochreckten. Rechts gab es hügeliges Land, in dem sich kleine Hütten inmitten von großen Feldern hinter bräunliches Buschwerk duckten.

Reich kann ich hier nicht werden, dachte Guasil, aber das hatte ihm Shari schon vor zwei Tagen gesagt. Hier lebten nur wenige arme Bauern. Hundert Menschen – so viele waren es in seiner Karawane – mußten sich auf den Wegstrecken zwischen den Siedlungen selbst versorgen.

Sie waren bisher zweimal überfallen worden. Seine Wächter und Begleiter hatten ihre Lasten in den Staub geworfen und die zerlumpten Wegelagerer schnell und gründlich vertrieben.

Als Guasil die niedrige Staubwolke hinter sich gelassen hatte, packte er wieder den Strick, der um den Hals des Grautieres lag, und sagte: „Alle sind erschöpft, aber jeder ist gesund.“

Shari schulterte seine Lanze und rückte den Köcher weiter auf die Schulter.

„Ich gehe voraus“, sagte er und blickte seinen Herrn unter staubigen Brauen hervor an, „und suche einen guten Platz für das Lager. Einverstanden?“

Guasil lachte und sah einige Augenblicke lang aus wie ein großer Bartaffe. Er zwinkerte und verschmierte noch mehr Schweiß und Staub in seinem Gesicht und im Barthaar.

„Renn nicht zu weit weg“, sagte er heiser. „Die anderen halten es nicht länger als zwei Stunden durch. Denk an Gras für die Tiere.“

„Schon gut.“

Der Weg führte wahrscheinlich vom Strand weg landeinwärts, zwischen Hügeln hindurch. Weit voraus konnte der Händler zwei dünne Rauchsäulen und ein Stück Weide erkennen, das weitaus grüner als die Umgebung war. Das ließ auf Wasser schließen, vielleicht auch nur auf einen Fischer oder Bauern, der ihnen Fisch oder Fleisch verkaufte.

Hinter Guasil verschmolzen die vielen Laute zu einem einzigen Geräusch aus Knurren und Stöhnen der Kamele, der vielen Hufschläge und dem gelegentlichen Schrei eines Esels. Knarrendes Leder, die Unterhaltung der Leute, das Lachen der Frauen und Klirren der Waffen mischten sich hinein, auch das Knirschen der kleinen Steine unter den breiten Kamelhufen und die klatschenden Stockschläge auf nasses Fell.

Seit endlos vielen Tagen, dachte Guasil und fühlte den Schmerz in den Knien und den Füßen, hörte und sah er nichts anderes.

„Wird Zeit, daß wir Bombay erreichen“, murmelte er und verdrängte alle guten Erinnerungen an ein weiches Lager, an die Sklavinnen der Karawanserei und an ein langes, heißes Bad gewaltsam aus seinen Gedanken. Er trottete als Führer der Karawane auf Shari zu, der unter einem riesigen Baum stand und seinen Bogen über dem Kopf schwenkte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 669

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