Читать книгу Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt - Серена Руст - Страница 12
ОглавлениеIn der Wolfswelt
»Wer sagt, hier herrscht Frieden, der lügt. Frieden herrscht nicht.«
Erich Fried
Unsere Sprache haben wir in unserer Kindheit gelernt. Wir sind damit erzogen worden und sie ist uns seit Jahrzehnten in Fleisch und Blut übergegangen.
Doch obwohl wir sie gut beherrschen, gelingt uns damit manchmal nicht der erfüllende Austausch, den wir uns wünschen. Trotz aller guten Absichten schlittern wir immer wieder in verletzende Auseinandersetzungen und tragen durch unsere Wortwahl und unsere Art des Sprechens zu Schmerz und Leid bei.
Also wollen wir versuchen, unserer Wolfssprache auf die Spur zu kommen. Auf welche Art und Weise versuchen wir auf andere Menschen Einfluss zu nehmen, wenn uns deren Verhalten nicht gefällt? Wie teilen wir in solchen Momenten mit, was uns bewegt?
Ein Wolfsgespräch mit einem Nachbarn:
Wolf 1: »Hören Sie mal, Herr Schmidt, wann machen Sie endlich Ihre unmöglichen Monsterfichten weg?«
Wolf 2: »Erstens das sind keine Fichten, sondern Tannen! Zweitens haben Sie mir gar nichts vorzuschreiben! Und drittens kümmern Sie sich erst einmal um Ihre Birken, deren Laub immer in meinen Garten fällt!«
Wolf 1: Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an wegen dem bisschen Laub in den zwei Wochen im Jahr! Das ist der Lauf der Natur! Ich leide das ganze Jahr unter dem Schatten Ihrer Bäume. Und außerdem wächst hier in meinem Beet nichts mehr, seitdem Ihre Bäume meinen Pflanzen alles Wasser wegnehmen!«
Wolf 2: »Sie sind doch nur zu faul zum Gießen!«
Wolf 1: »Das ist ja eine Frechheit! Das schlägt doch dem Fass den Boden aus! Wenn in den nächsten vier Wochen nichts passiert, hören Sie von meinem Anwalt!«
Wolf 2: »Nur zu! Da freu’ ich mich schon drauf!«
Ein Wolf weiß immer genau, was richtig oder falsch ist. Er ist davon überzeugt, dass seine Perspektive für alle und alles gilt, denn er hat sozusagen »die Wahrheit gepachtet«. Wenn er anderen deutlich macht, was an ihnen verkehrt ist oder was sie falsch gemacht haben, dient es nach seiner Überzeugung nur der Wahrheitsfindung. Und um seiner Sichtweise den nötigen Nachdruck zu verleihen, droht er auch mal mit Konsequenzen. Zuckerbrot und Peitsche, Lob und Strafe hält er im zwischenmenschlichen Umgang für normal.
Wölfische Ausdrucksweisen inklusive Tonfall, Mimik und Körperhaltung sollen einschüchtern und können durchaus bedrohlich wirken. Wahrscheinlich zahlt der andere mit gleicher Münze zurück – und schon haben wir die Eintrittskarte zum Wolfskarussell gelöst und kreiseln durch Angriff und Gegenangriff, Beschuldigungen, Geringschätzung und Drohungen.
Beim Wolf dominiert das Denken, vor allem seine Meinungen über andere.
Was sonst noch in seinem Inneren mitspielt, weiß er nicht so genau. Gefühle sind ihm eher suspekt und er befürchtet, dass er sich mit ihnen lächerlich machen oder die Kontrolle verlieren könnte und dann nicht mehr so funktioniert, wie er doch muss. Solange er davon überzeugt ist, dass er im Recht ist, fühlt er sich unabhängig und sicher.
Er glaubt, dass der Schokoladenkuchen ohnehin zu klein ist, als dass alle nach Herzenslust davon bekommen könnten. Das bedeutet in der Wolfswelt: Die anderen sind Konkurrenten und ihnen ist zu misstrauen. Es wird immer Gewinner und Verlierer geben und wenn man zu den Gewinnern gehören will, muss man dafür mit allen Mitteln kämpfen.
Zum Beispiel, indem man darauf beharrt Recht zu haben. Natürlich hat er Recht! Das ist doch sonnenklar! Wenn der andere das nur endlich einsehen würde! Dann wären diese unerfreulichen Auseinandersetzungen überflüssig! Und die Beziehung könnte schön und harmonisch sein!
Wahrscheinlich hast du mittlerweile eine ganze Reihe von »Wölfen« in deinem Umfeld identifiziert. Oder auch schon den einen oder anderen Wolf in deinem Inneren?
Damit du ihn in deiner alltäglichen Kommunikation leicht identifizieren kannst, zeige ich im folgenden Kapitel vier seiner besonders verbreiteten Ausdrucksweisen.