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I. Nisami in deutscher Sprache

Zitate

• „Abu Mohammed Ben Jussuf Scheich Nisameddin, auch M o t a r a s i genannt, von seinem Bruder dem Scheiche dieses Nahmens, aus Gendsche gebürtig, im beschaulichen Leben ein Jünger A c h i F a r a d s c h Sendschani’s, einer der größten persischen Dichter, unerreicht in der Gattung des romantisch-epischen Gedichtes. Vier Gedichte dieser Art: Chosru und S c h i r i n, L e i l a u n d M e d s c h n u n, d i e s i e b e n S c h ö n h e i t e n, das Buch Alexander’s, und ein Gedicht moralischen Inhaltes, das Magazin der Geheimnisse, wurden nach seinem Tode unter dem Titel Pendsch Kendsch, das ist: die fünf Schätze, auch schlechtweg C h a m s e, der Fünfer, gesammelt. Diese Zahl ward in der Folge durch sein Beyspiel die Vorschrift für alle später gekommene romantische persische Dichter, die wie die cyklischen des Alterthums, das Leben und die Thaten derselben Helden von der Geburt bis zum Grabe durchführend, sich auch zur Hervorbringung eines Fünfers verpflichtet hielten, um mit Nisami würdig zu wetteifern.“ – Joseph von Hammer-Purgstall, 1818

• „Ein zarter, hochbegabter Geist, der, wenn Firdusi die sämmtlichen Heldenüberlieferungen erschöpfte, nunmehr die lieblichsten Wechselwirkungen innigster Liebe zum Stoffe seiner Gedichte wählt. Medschnun und Leila, Chosru und Schirin, Liebespaare, führt er vor; durch Ahndung, Geschick, Natur, Gewohnheit, Neigung, Leidenschaft für einander bestimmt, sich entschieden gewogen; dann aber durch Grille, Eigensinn, Zufall, Nöthigung und Zwang getrennt, eben so wunderlich wieder zusammengeführt und am Ende doch wieder auf eine oder die andere Weise weggerissen und geschieden.

Aus diesen Stoffen und ihrer Behandlung erwächst die Erregung einer ideellen Sehnsucht. Befriedigung finden wir nirgends. Die Anmuth ist grofs, die Mannigfaltigkeit unendlich.

Auch in seinen andern, unmittelbar moralischem Zweck gewidmeten Gedichten athmet gleiche liebenswürdige Klarheit. Was auch dem Menschen Zweideutiges begegnen mag, führt er jederzeit wieder ans Praktische heran und findet in einem sittlichen Thun allen Räthseln die beste Auflösung.

Uebrigens führt er, seinem ruhigen Geschäft gemäfs, ein ruhiges Leben unter den Seldschugiden und wird in seiner Vaterstadt Gendsche begraben.“ – Johann Wolfgang von Goethe, 1819

• „O Firdusi! O Dschami! O Saadi! wie elend ist Eur Bruder! Ach! wie sehne ich mich nach den Rosen von Schiras! Deutschland mag sein Gutes haben, ich will es nicht schmähen. Es hat auch seine großen Dichter: Carl Müchler, Clauren, Gubitz, Michel Beer, Aufenberg, Theodor Hell, Laun, Gehe, Houwald, Rückert, Müller, Immerman, Uhland, Göthe. Aber was ist alle ihre Herrlichkeit gegen Hafis und Nisami.“ – Heinrich Heine, 1824

• „Durch ein unerklärliches Versehen steht im Dschihannuma, dass Kum der Geburtsort Nisami’s, des Verfassers des Chamse, sei, welcher zu Gendsche geboren, auch dort begraben liegt.“ – Joseph von Hammer-Purgstall, 1842

• „Die Stellung Nizâmi’s in der persischen Literatur, sein Einfluss auf die spätere Entwickelung derselben ist im Allgemeinen hinlänglich bekannt. Wie er selbst von Firdôsî abhängt, ist hier nach seinem eigenen Zeugnisse dargelegt worden. Eingehendere Vergleichung dürfte auch eine Abhängigkeit des nächsten grossen Dichters, Sa‘d î’s, von ihm beweisen. Denn das Gebiet, in dem dieser die Palme davontrug, die didaktische Poesie, war auch Niz., dem Verfasser des Mahzan-alasrâr, heimisch. Auch war dieses Werk der Vorläufer ähnlicher didaktischer Dichtungen, sowie seine epischen Gedichte Musterbilder für die romantisch-epische Poesie der Perser wurden. Sein Fünfer wurde das Vorbild für viele andere, von den hervorragendsten Dichtern verfasste, und auch einzelne Werke gaben Stoff zu zahlreichen Nachbildungen. Auch auf die türkische Poësie hatte er Einfluss, da einer ihrer bedeutendsten Träger Mîr ‘Alî Schîr ihn als Muster verehrte. Auch ist sein Fünfer in’s Türkische übersetzt worden.

Die Anerkennung, welche Nizâmi schon zu Lebzeiten gezollt wurde, ward es noch in höherm Masse nach seinem Tode. Kazwini, auch sonst in der persischen Literatur bewandert, widmet ihm eine längere Stelle seiner Kosmographie und nennt ihn einen ‚wunderbaren, kundigen, weisen Dichter‘. Dauletschâh ist noch verschwenderischer in Lobesausdrücken und der jüngste einheimische Literarhistoriker, Luṭf ‘Ali Beg in seinem Âteschgedah nennt ihn eine der vier ‚Säulen der Beredsamkeit und Bildung‘ neben Firdôsî, Enwerî und Sa‘di.

Mehr wiegen die Worte, mit welchen sein Andenken die drei grössten Dichter ehrten, welche nach seinem Tode in der persischen Literatur entstanden. Sa‘di singt:

Hin ist unser Nizami, die edle Perle. Der Himmel

Schuf sie aus reinstem Thau, schuf sie zur Perle der Welt.

Stille glänzete sie, doch unerkannt von den Menschen;

Darum legte sie Gott sanft in die Muschel zurück.

Bei Ḥâfiz heisst es:

Das Lied des Nizami, dem unterm alten Himmel

Kein Wort an Schönheit je sich zu vergleichen wagt.

Und der letzte grosse Dichter Persiens weiht ihm in dem lieblichen Geisteskinde seines hohen Alters, in Jûsuf und Zuleicha, folgende wehmütige Verse der Erinnerung:

Wo weilt Nizami, wo sein holdes Lied,

Des zarten Geistes anmutvolles Spiel?

Ach, in den Vorhang zog er sich zurück

Und ausser’m Vorhang weilt der Dichter Schaar!

Kein Segen sprosst, seitdem er sich verbarg,

Als aus dem Wort, das er mit sich geführt.

Doch kennt nur Jener das geheime Wort,

In dessen reines Herz die Gottheit stieg.

Er wallte, ach, aus dieser Erdenschlucht

Hinüber in des weiten Tempels Raum,

Und Ekel fühlend vor der Thoren Wahn

Ruht er nun an des Himmelsthrones Saum.

Rein ist sein Inn’res von der Vielheit Bild,

Weil die geheime Einheit ganz es füllt.“

– Wilhelm Bacher, 1871

• „Nizâmî hatte einsehen gelernt, daß es nicht die Aufgabe eines wahren Dichters sein kann, Moral zu predigen oder Glaubenssätze zu lehren, sondern sich liebevoll in die Irrgänge des menschlichen Herzens zu vertiefen und der Welt einen klargeschliffenen Spiegel vorzuhalten, in dem sie sich selbst mit allen ihren Tugenden und Lastern, ihren Leiden und Freuden, ihren Siegen und Niederlagen erkennen kann.“ – Hermann Ethé, 1887

• „Zu ihrer Höhe führt die Kunst dieses Zeitalters Nizami empor, der, zurückgezogen vom Treiben der Panegyriker, das stille Leben auf einem Landgütchen den berauschenden Festlichkeiten, den Ehren und Belohnungen der Höfe vorzog. Der romantischphantastische Geist des Jahrhunderts findet in seinen Werken die edelste Verkörperung. Die Welt Firdusis ist zugrabe getragen; der kraftvolle Nationalismus, das männlich Heroische findet bei dem weichlicheren Geschlecht keinen Boden mehr. Nizami ist nicht kernhaft heimatlich, die Liebe und das Verständnis für das Alte, der naive Glaube an die Vergangenheit und Zukunft des Volkes geht ihm ab. Mehr als Krieg und Schlacht begeistern ihn Märchen- und Liebesgeschichten, und er versenkt sich in die bunte krause Phantastik der alexandrinischen Romanschriftsteller, in die heitere und tragische Idyllik der arabischen Legenden. Wir atmen etwas vom Geist der europäischen Ritter-, Schäfer- und Hirtenpoesie. Nizami ist der Tasso der Perser, ein sympathischer, gesunder und tüchtiger Romantiker.“ – Julius Hart, 1887

• „Ganz anders als Firdausî stellt sich der ebenfalls hoch berühmte persische Dichter Nizâmî in seinem 1191 verfassten, in zwei Theile zerfallenden Alexanderepos zu der alten Ueberlieferung. Er ist ein reflectierender Dichter, kein epischer Erzähler. Es kommt ihm gar nicht auf Einheitlichkeit des Stoffes an; er giebt zuweilen selbst mehrere abweichende Darstellungen derselben Sache und lässt dem Leser die Auswahl oder entscheidet selbst. […]

Ein Hauptunterschied von Firdausî ist, dass sich bei Nizâmî, der in Arrân, an der Gränze der îrânischen Welt geboren war und lebte, und zu dessen Zeit die Türken definitiv Herren von Îrân geworden waren, keine Spur mehr von dem îrânischen Nationalgefühl, noch gar von der Sympathie für die alte Religion zeigt, die bei dem grossen Epiker so stark hervortreten. Sein Alexander, ein Anhänger der ‚Religion Abraham’s‘, zerstört die persischen Tempel, vernichtet die heiligen Bücher und die heiligen Feuer, und bringt die Priester massenhaft um […], und das rechnet ihm der Dichter zum hohen Verdienst an. Uebrigens hat er von der zoroastrischen Religion ganz unklare Vorstellungen. Wiederholt erwähnt er die persischen ‚Götzentempel‘. Und wenn er von den Mädchen in diesen spricht, so beruht das zwar in letzter Instanz auf Pseudocallisthenes 2, 21 […], aber ein Perser hätte doch so etwas nicht sagen sollen.“ – Theodor Nöldeke, 1890

• „Der Hauptglanz dieser Litteraturperiode aber ging aus von Nisami (eigentlich Abu Mohammed Ben Jussuff Scheich Nisameddin, genannt Montanasi, gest. 1180 in seiner Vaterstadt Gendsche), der zwar auch als Lyriker so fruchtbar war, daß er einen Diwan von etwa zwanzigtausend Versen hinterließ, seinen Ruhm jedoch vornehmlich durch die fünf Werke gründete, die nach seinem Tode unter dem Gesamttitel P e n d s c h K e n d s c h, d. i. die fünf Schätze, (auch einfach C h a m s s e, d. i. Fünfer genannt) zusammengestellt wurden. Diese fünf Werke sind: 1) M a c h s e n o l - e s r a r, d. i. Magazin der Geheimnisse, ein moralisierendes Werk, dessen Lehrsätze durch Anekdoten belegt werden; 2) I s k a n d e r n a m e, d. i. Alexanderbuch, eine Art panegyrischer Epopöe, aber nicht von der Kraft der Darstellung im Schahname Firdusis; 3) C h o s r u u n d S c h i r i n; 4) L e i l a und Medschnun (der Orlando furioso der Wüste); 5) Heft peiger, d. i. die sieben Schönheiten. Die drei zuletzt genannten Werke sind der Triumph der persischen Romantik, und es ist Nisami besonders hoch anzurechnen, daß er in diesen Dichtungen das Weib, welches sonst in der mohammedanischen Welt eine nicht eben glänzende Rolle spielt, in seine Rechte einsetzte. Nisamis Liebesgeschichten blenden daher nicht allein durch eine anmutige Phantastik, sie spannen auch durch meisterlich ersonnene und bedachtsam durchgeführte Verwickelungen und ergreifen und rühren unser Gemüt durch das rein menschliche Gefühl, welches in ihnen quillt. Nisami ist einer der wenigen Orientalen, die ebenso sehr zu dem Herzen als zu der Einbildungskraft sprechen.“ – Johannes Scherr, 1899

• „Seine ‚fünf Schätze‘ vereinigte Nizâmî zu einem ‚Fünfer‘ und führte damit einen Brauch ein, der nachmals häufig nachgeahmt worden ist. Überhaupt ward Nizâmî das Vorbild für die gesamte spätere Romantik.“ – Paul Horn, 1901

• „Nun gibt es ja derartiges in andrer Dichtung auch, aber durch den unendlichen Reichtum an Metaphern, mit dem Niẓāmī schaltet, bekommt sein Stil eine Bildhaftigkeit, die doch ihresgleichen sucht.“ – Hellmut Ritter, 1927

• „Das Liebesleben nimmt in der Dichtung Nizâmî’s einen breiten Raum ein, und zwar sowohl in seiner zartesten und keuschesten wie in seiner sinnlichen Form. ‚Nizâmî ist der Klassiker der poetischen erotischen Erzählung in der persischen Literatur, unerreichtes Muster und Vorbild für Generationen von Dichtern nach ihm.‘ Gerade in diesen Liebesgeschichten aber offenbart sich nun deutlich ein zweiter, sehr wesentlicher Zug des Nizâmîschen Ethos, der seiner Aufgeschlossenheit für die Fülle menschlichen Erlebens zum ordnenden Maass und zur verpflichtenden Grenze, für seine Helden aber zugleich zum Wegweiser aus der Verirrung und zum Retter aus der Verwirrung wird: seine tiefe und echte Frömmigkeit. Diese Frömmigkeit tritt bei ihm, wie schon eingangs angedeutet, keineswegs vordringlich und von vornherein negierend und einengend auf; erst am Schluss verschlungenen und verwirrten Geschehens tritt sie als der rettende Halt, als der richtige Weg, der allein mögliche Ruhepunkt in aller Unruhe, gleichsam wie von selbst hervor.“ – Hellmut Ritter, 1934

• „Wie in den persischen Miniaturen, so wirkt auch in Niẓâmîs Epik der Mensch mehr dekorativ. Tragische Konflikte, wie sie das Nibelungenlied, Walthari und hier und da auch noch das Schâhnâme behandelt, kennt er kaum. Die Freude gilt dem Geschehnis, dem Abenteuer, dem Gepränge, dem Schlachtlärm und Lebensgenuß, die der Hörer mitempfinden soll. Die Kämpfe werden immer mit großer Lebendigkeit, die sie umrahmenden Sonnenauf- und -untergänge mit stets neuen, aber unter sich verwandten Bildern geschildert. Die Naturgegenstände erscheinen in den Vergleichen durchaus beseelt, doch nur in den Gefühlen vermenschlicht, nicht in der Gestalt wie bei den Griechen und ihren Nachtretern. Der Held verdankt den Sieg nicht eigener Kraft, sondern dem, was in den Sternen geschrieben steht, nach deren Stand er sich richtet; für den Erfolg dankt er in tiefster Demut dem Schöpfer; an den Gefangenen übt er ritterliche Großmut.“ – Georg Jacob, 1934

• „Was man bei uns in Europa an orientalischen Dichtern und ihren Werken kennt, ist noch immer sehr wenig. Dies gilt ganz besonders für Persien, und doch sind die Perser eines der poetisch begabtesten, an Erbe und Erinnerung reichsten Völker der Erde.

So seltsam es scheinen mag: was uns den Zugang zu dieser Dichtung am meisten erschwert, das ist ihr ungewöhnlich hohes Niveau. Es ist nicht möglich, die Meisterwerke der persische Literatur – etwa die großen Versromane eines Nizami oder Dschami, die Lyrik eines Hafis, eines Sa’di – in eine andere Sprache zu übersetzen, ohne das vollkommene, ‚zitternde‘ Gleichgewicht von Inhalt und Form, die wunderbare Harmonie zwischen Wortklang und Wortsinn, das raffinierte Spiel mit vielschichtigen Bildern, wobei Künstler und Kenner sich insgeheim zulächeln, ganz oder doch teilweise zerstören zu müssen.“ – Rudolf Gelpke, 1957

• „Nizami. Der bedeutendste romantische Dichter Persiens. Er lebte 1141–1202/03, immer in seiner Heimatstadt Gendsche, die er so wenig je verließ wie etwa Hafiz Schiraz. In seinen großen Versromanen, die in Europa zu Unrecht noch kaum bekannt sind, gestaltet er mit höchster Sprachkunst und psychologischer Meisterschaft Stoffe aus der persischen und arabischen Sagenwelt.“ – Rudolf Gelpke, 1958

• „Es ist ein zum vorneherein aussichtsloses Unterfangen, Nizami Wort für Wort übersetzen zu wollen. Die unvergleichliche Schönheit der Verse und Bilder – die gebunden bleibt an die persische Sprache und zum Teil sogar an die Wortmusik der Rezitation – wird ja doch zwangsläufig durch die Übertragung zunichte gemacht; durch solche ‚wörtliche Übersetzungen‘ geschieht dem Dichter bitteres Unrecht, denn sie verhalten sich zum Original wie die Überreste aufgespießter Schmetterlinge zum lebendigen Falter.“ – Rudolf Gelpke, 1959

• „Die Geschichte Kaukasiens und Irans und ebenso ihr Kulturleben sind im 11./12. Jh. eng miteinander verknüpft. Obwohl die großen Seldschukenherrscher sich bemühten, Transkaukasien der Zentralverwaltung des Reiches anzugliedern, gelang es ihnen mit ihrem starken Staatsapparat nicht, die heimischen Feudalkräfte dauernd niederzuhalten und den Zerfall des Gebietes in unabhängige Fürstentümer zu verhindern. Die Feudalverhältnisse Transkaukasiens standen Europa bedeutend näher. Von der hohen Kultur zeugt untrüglich die Dichtung. Nicht genug daran, daß es kaukasisch-aserbaidschanische Literaten und Gelehrte in Hülle und Fülle gab – noch bedeutsameres Gewicht ist auf ihre Eigenart zu legen. Nicht ein und dasselbe Jahrhundert, sondern gerade diese Eigenart ist die Ursache einer Zusammenfassung in eine selbständige Gruppe, die eigentlich schon mit Qatrān hätte beginnen sollen. [..] In ihrer Ausdrucksweise, der Wortwahl und Wortzusammenstellung treten uns einige Charakteristika entgegen, die bei den ostiranischen Dichtern entweder gar nicht oder nicht allgemein genug vorhanden sind. Damit soll durchaus nicht behauptet werden, daß es zwischen dieser Schule und den chorasanischen Dichtern des 5./11. Jh. sowie den bucharischen Dichtern des 4./10. Jh. keinen Zusammenhang gäbe (zum östlichen Iran des 6./12. Jh. ist das Verhältnis schon loser). Sind doch sämtliche Richtungen einer Wurzel entsprungen, waren dann aber den örtlichen Einwirkungen unterworfen. Mit Ausnahme Niẓāmīs bemächtigt sich die Lyrik, insbesondere die Qaṣīde, ob nun die lobpreisende oder die spöttische, der gesamten dichterischen Produktion; sie steht durchaus im Lohnverhältnis der Höfe und wird vom Sufismus und von seiner Kritik der feudalen Gesellschaft, einer Kritik, welche vom Gesichtspunkte jener ausgeht, die in die Einflußsphäre der Herrschenden gelangten und ebendadurch ihre Enterbung desto unmittelbarer fühlen, nur oberflächlich gestreift. Obwohl hier von allzu spezifisch sufischer Literatur nicht recht die Rede sein kann, gestattet gerade die sufische Maske den Dichtern, Urteile auszusprechen, die unter normalen Umständen unmöglich wären. Unter dem Einfluß des Sufismus, d. h. der städtischen Klassen, erfreut sich das Ghasel stets größerer Beliebtheit (Ḫāgānī, Niẓāmī). Eine komplizierte Technik ist eine der hervorstechendsten Eigenschaften der transkaukasischen Schule. Unter dem wachsenden Einfluß der Städte, verläßt ab und zu die Thematik die Sphäre der Hofwelt. Die Sprache verzichtet auf Archaismen, schöpft aber desto tiefer aus dem arabischen Wortschatz. Sogar die bodenständige Folklore macht sich bemerkbar. Diese Unterschiede haben auch einige persische Gelehrte der Neuzeit empfunden und ihren Trägern einen gesonderten Platz eingeräumt. Mit ungemeiner Sorgfalt untersuchte sie Je. E. Bertel’s, von dem ich mit Dank eine Reihe ebenso feiner wie origineller Beobachtungen übernehme. Man hat daher die kaukasischen und aserbaidschanischen Panegyriker in ein besonderes Kapitel einzubeziehen; sie bilden in drei Generationen eine festumrissene Gruppe von Lehrern und Schülern, deren einer als Großmeister der Qaṣīde die Entwicklung dieser Dichtungsgattung mächtig beeinflußte. Zu ihnen gehörte der glänzendste Poet Aserbaidschans, der Romantiker Niẓāmī. […]

Der Anstieg der panegyrischen Qaṣīde bis zu ihrem Gipfelpunkt ist nicht der einzige Anspruch auf den Ehrenplatz, den der südliche Kaukasus in der neupersischen Literatur einnimmt; gab doch dasselbe Aserbaidschan ihr und der ganzen Welt den glänzendsten Dichter des romantischen Epos – Ilyās b. Yūsuf Niẓāmī (*in Gandsche), einen Meister ‚hors concours‘ des Gedankens und des Wortes, dessen Frische und Durchschlagskraft auch viele Jahrhunderte nicht zu verwischen vermocht haben.“ – Jan Rypka, 1959

• „Unter den klassischen Liebespaaren des islamischen Orients sind Leila und Madschnun zweifellos das berühmteste. Diese beiden kennt und nennt man noch heute wie eh und je in Liedern, Gedichten, Geschichten und Epen der verschiedensten Völker und Sprachkreise vom Kaukasus bis ins Innere Afrikas, vom Atlantik bis an den Indischen Ozean. […] Nizami war es, der die verstreuten und uneinheitlichen arabischen Überlieferungen erstmals zu einer großen, in sich geschlossenen Dichtung, einem Epos, verwoben hat. […]

Diese Geschichte, in Einzelheiten jeweilen variiert, wurde besonders zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert von zahlreichen arabischen Philologen, Literaten, Historikern, und sogar Geographen überliefert. Nizami hat das äußere Gerüst der Handlung von ihnen übernommen, allerdings mit einigen nicht unbedeutenden Änderungen und Zusätzen […] – all das (sowie natürlich die eingestreuten Geschichten und Meditationen) ist in den arabischen Quellen nicht oder nur andeutungsweise zu finden.

Nun dürfen wir in diesem Zusammenhang eines niemals vergessen: das Epos, der Versroman – der in der klassischen Dichtung der Perser eine so wichtige Rolle spielt – fehlt in der arabischen Literatur völlig. Die Absicht der frühen arabischen Autoren bestand nicht darin, ein Kunstwerk von der Art Nizamis zu schaffen, sondern die Verse, die Madschnun gedichtet hatte (oder haben sollte), zu sammeln und zu kommentieren und sie, zusammen mit möglichst vielen Nachrichten über ihn, seinen Namen, seine Herkunft und sein Leben, wiederzugeben. […] Die Erzählung von Leila und Madschnun war in jenen ersten Jahrhunderten ein Gegenstand der Wissenschaft, und als erster hat es Nizami unternommen, den unglücklichen Beduinendichter selbst in den Mittelpunkt einer Dichtung zu stellen. […] Was man dagegen in künstlerischer Hinsicht sehr wohl vergleichen konnte – und sollte –, das sind die von Madschnun überlieferten arabischen Verse mit den persischen, die Nizami und die bedeutendsten seiner Nachahmer (Maktabi, Dschami, Hatefi) ihren Helden sprechen lassen. Dabei müßten wir aber stets in Betracht ziehen, daß für den Araber das einzelne Gedicht für sich allein steht, während die Madschnun-Verse im persischen Epos umgeben und abhängig sind vom größeren Ganzen.“ – Rudolf Gelpke, 1963

• „1824 erschienen im ‚Frauentaschenbuch‘ einige Partien aus Nizāmīs ‚Iskendernāme‘, die man zu Rückerts frühesten echten Übertragungen aus dem Persischen rechnen muß; es handelt sich um die Einleitung, Alexanders Zusammenstoß mit den ‚Zenken‘, d. h. Afrikanern, und um seinen Kampf mit Darius, im ganzen rund 800 Verse. Seltsamerweise hat sonst der große romantische Epiker Persiens (1141–1209) Rückert nicht zur Übertragung anregen können; noch fehlten freilich in Europa zuverlässige Textausgaben, und Rückert konnte die vollendete Schönheit der anderen großen Epen der ‚Fünfersammlung‘ noch nicht erkennen, wiewohl Hammer das Epos ‚Chosrau und Schīrīn‘ zur Grundlage seiner ‚Schirin‘ (1809) gemacht hatte und das den ‚Haft Paikar‘ zugehörige Turandot-Motiv schon im 18. Jahrhundert bekannt war und Schillers gleichnamiges Drama angeregt hat. Das ‚Iskendernāme‘ ist das lehrhafteste, philosophischste von Nizāmīs Epen und kam so Rückerts didaktischer Neigung entgegen. Als solches hat das Werk auch eine wichtige Quelle für ‚Weisheit des Brahmanen‘ gebildet; die Göttinger Nizami-Hs. (Lagarde 129) zeigt noch mit feinen Strichen die Verse, die Rückert in seinem großen Lehrwerk verarbeitete. In anderen Sammlungen (Brahmanische Erzählungen, Erbauliches und Beschauliches) sind ebenfalls hie und da Verse aus dem genannten Epos eingestreut.“ – Annemarie Schimmel, 1963

• „‚Die Schatzkammer der Geheimnisse‘ (maẖzan al-asrār) ist das erste jener fünf Epen, die als ‚Die fünf Schätze‘ (panǧ ganǧ) oder das ‚Quintett‘ (ẖamse) in die persische Literaturgeschichte eingingen. Über Nizamis (gest. 1209) Bedeutung als Epiker braucht hier kaum etwas gesagt zu werden. Die zahlreichen Nachahmungen seines Quintetts oder einzelner seiner Epen in verschiedenen islamischen Sprachen, die Lobsprüche orientalischer und abendländischer Gelehrter, die ihm zuteil wurden, sprechen für sich. Stellvertretend für viele andere sei das Urteil des besten Nizami-Kenners unseres Jahrhunderts, des russischen Iranisten E. E. Bertels in Übersetzung angeführt: ‚Ilyās ibn Yūsuf Niẓāmī Genǧewī gehört zu den bedeutendsten Dichtern nicht nur Azerbaidschans, sondern des gesamten Vorderen Orients. Er ist einer der gewaltigsten Meister des Wortes in der Welt. Wenn die Schöpfungen Nizamis nicht die ihm zukommende Verbreitung in weiteren Lesekreisen gefunden haben, so nur deswegen, weil es äußerst schwierig ist, seine virtuose Beherrschung des Verses (in andere Sprachen) zu übertragen.‘“ – Johann Christoph Bürgel, 1974

• „Ehe der christliche Westen vom deus geometra erst im 13. Jahrhundert wieder weiß, ist inzwischen ein Denkmal aus dem Orient zu betrachten. Der Islam scheint ein Geometrieren Gottes auch zu kennen. Der in Aserbeidschan dichtende Fürst der persischen Epiker Nizami führt in seinem 1180/81 geschriebenen Versepos über die großen Liebenden ‚Chosrou und Schirin‘ im Sinne der Läuterung des Liebesgeschehens über eine von tiefen Einsichten gesteigerte Erfüllung am Ende fort zu einem Gipfel in Gestalt von aus dem Irdischen erhebenden Weisheitslehren aus den Schatzkammern des Aussagbaren auch über das Weltgeheimnis. Nach der Herrscherunterweisung durch den als ‚Hoffnung der Menschheit‘ befragten Weisen Bozorg-Omid über Hiesiges und Jenseitiges tritt der ‚Weise Nizami‘ als Dichter aus dem Erzählen zu einer Endunterweisung über den Weltursprung heraus. Die Verkünder der Tafeln der Weisheit im Epos sind der Dichter und der fromme Weise, nicht die Stimme des Propheten. Denn von diesem gilt: ‚Er spricht nicht über Gestirne und Sphären, denn diese sind Gemälde, und er ist der Schüler des Malers‘.“ – Friedrich Ohly, 1982

• „Ilyas ibn Jusuf Nizami, der große persische Dichter, der zurückgezogen in seiner Heimatstadt Gendsche (heute Kirovabad in Sovjetisch-Asarbaidschan) lebte (1141–1209), nie eine größere Reise machte, an keinem Fürstenhof diente, war doch einer der bedeutendsten Geister, nicht nur seiner Epoche, sondern der persischen Dichtung, des islamischen Orients überhaupt.

Seine Bedeutung erkannte bereits seine eigene Zeit, wie allein daraus erhellt, das schon sein zweites Epos ‚Chosrou und Schirin‘ der Seldschukenfürst Toghrul II. im rund 700 km entfernten Hamadan in Auftrag gab. Und das Bewußtsein von dieser Bedeutung blieb auch in den folgenden Jahrhunderten lebendig. Kein anderer persischer Dichter wurde so oft nachgeahmt wie Nizami. Seine fünf Epen, kurz Chamse, ‚Die Fünf‘, genannt, wurden zum Vorbild ganzer Generationen nicht nur persischer sondern auch türkischer und hindustanischer Dichter; doch seine Größe scheint nie wieder erreicht worden zu sein. Seine Dichtung zeichnet sich durch ihre vollendete Sprachkunst, die gewaltige Fülle kühner Metaphern, die souveräne Umgestaltung tradierter Stoffe, durch ihre Gedankentiefe, sorgfältig geplante Erzählstruktur und überzeugende Charakterschilderung, sowie schließlich durch eine ständig wache, engagierte Humanität aus.“ – Johann Christoph Bürgel, 1986

• „In Nizamis Werk vereinigen sich Fabulierfreude, Einfallsreichtum und poetische Imagination mit raffinierter Sprachkunst, Gedankentiefe, subtiler Einsicht in die menschliche Psyche und hohem Ethos der Gesinnung. Goethe hat ihn einfühlend richtig charakterisiert, wenn er ihn einen ‚zarten, hochbegabten Geist‘ nannte, der ‚die lieblichsten Wechselwirkungen innigster Liebe zum Stoffe seiner Gedichte wählt‘. ‚Die Anmut ist groß, die Mannigfaltigkeit unendlich‘. Überall ‚atmet gleiche liebenswürdige Klarheit‘, attestiert der Weimarer Meister seinem Kollegen aus dem Kaukasus. Das sind Lobesworte, wie sie in dieser Gesamtheit nur auf wenige Poeten anwendbar sind. Auf Nizami aber treffen sie ganz und gar zu, wenn man den Begriff der Klarheit nicht auf den einzelnen, oft äußerst komplizierten Vers, sondern auf die schöpferische Gestaltung des intendierten Sinn- und Symbolgehalts bezieht. Das treffende Urteil Goethes ist dabei um so erstaunlicher, als er nur einige wenige Proben aus Hammers bereits erwähnter ‚Geschichte der schönen Redekünste Persiens‘ kannte.“ – Johann Christoph Bürgel, 1997

• „Nisāmīs Dichtung bedeutet einen Wendepunkt innerhalb der persischen Epik. Er bemühte sich um die Einführung einer lebendigen Sprache ins Epos, die den archaischen Stil ablöste. Dabei verliert das Epos seinen heroischen Charakter, während das psychologische Moment an Bedeutung gewinnt.“ – Karl Richter, 1998

• „Aus meiner Liebe zu Nizami sind vor Jahren die folgenden Verse entstanden:

AN NIZAMI

Vor mir das Fenster weit hinaus ins Land,

wo rot und gold des Abendweines Tränke

mich oft gelabt, und nah die Bücherwand

mit Deinem Werk, worein ich mich versenke.

Die vielen Blätter mit der Schnörkelschrift

nach alten Manuskripten aus dem Osten, –

da find ich Dich, Dein Reich, die reiche Trift,

wo Du mich läßt von Deinen Weinen kosten.

Du schufst bescheiden, ohne Fürstendienst,

Dein Kaftan hatte schwerlich goldne Borten.

Doch warst und bist Du mehr als je Du schienst:

Ein König an Gedanken, Bildern, Worten!

Die Eine, die der Tod Dir früh entriß,

die Dir ein Fürst geschenkt, die Du zur Freien

liebend erhobst, um dann in Bitternis

ihr süßes Antlitz Deinem Traum zu leihen

In jenem Garten, den Dein Lied beschwört,

wo lichtbetaut, ihr Dorn von Duft gemildert,

die Rose stets die Nachtigall betört,

daß sich ihr Klang so quellend reich bebildert, –

Das Reich, das ich betrat, weil ich erlernt

Den Zauberreim, der seine Pforten weitet, –

gewährst Du, daß den Freunden sich’s besternt,

daß es durch meine Stirn hinübergleitet?

Ich sinne lang. Dann, wie von Traum entführt,

spür ich mein Wort sich an das Deine schmiegen,

als ob der Engel, der auch Dich berührt,

mir hülf, die vielen Hürden zu besiegen.“

– Johann Christoph Bürgel, 2007

• „Nizami hat insgesamt ca. 20.–28.000 lyrische Gedichte, Verse und Oden in Form zweizeiliger Strophen (Distichen) geschrieben. Sie sind in seinem Werk ‚Diwan‘ zusammengefasst. Uns sind nur ca. 100 Verse bekannt, allerdings ohne Kenntnis der Damen, an die sie gerichtet waren. Auch Hölderlin, Schiller und Goethe haben Distichen verfasst. Dabei nimmt Goethe (1749–1832) nach der Lektüre u.a. von Arbeiten des persischen Dichters Hafez (1315–1390), der alle Epen von Nizami kennt, bzw. der nach Entdeckung derartiger Literatur aus dem Orient (Weltliteratur gemäß seiner Wortschöpfung) in seinem Spätwerk ‚West-Östlicher Diwan‘ (1819 bzw. 1827) eine neue Sicht und Perspektive ein und schafft einen Mix aus Orient und Okzident. Er sieht keinen Gegensatz, sondern die Chance eines fruchtbaren künstlerischen Wettbewerbs, denn Okzident und Orient gehören zusammen, so wie für viele Deutsche u.a. auch bei Lessing. Denn das ist Weltliteratur. Es ist der größte Gegensatz u.a. zu Rudyard Kipling (1885–1936) und den Kolonialpolitikern in europäischen Ländern, für die Orient und Okzident bzw. Ost und West unüberbrückbar nie zusammenkommen werden, weil sie auf der Ebene dominanter Macht- und Geopolitik sowie kultureller Überlegenheit argumentieren. Es kann aber auch kein derartiger Gegensatz bestehen, da Teile der Identität eines jeden Volkes in Europa orientalisch-asiatischen Quellen entsprungen sind.

Nizami und Goethe, ersterer nur sehr viel früher, waren beide bis zu ihrem Lebensende als große Individuen gleich neugierig und wissensorientiert sowohl in den Naturals auch den Geisteswissenschaften. Beide suchten stets tiefere, ‚göttliche‘ Erkenntnis oder ausgedrückt mit dem letzten Wunsch bzw. den letzten zwei Worten Goethes ‚mehr Licht‘.

Nizami ist mit seinem Werk ein nationales Kulturgut Aserbaidschans und zugleich ein supranationales der Welt. Damit es weiter zwischen uns lebt und wirkt, genügt es nicht, dass Fachwissenschaftler es zunächst lesen und erforschen, um ihre Ergebnisse dann zu repräsentieren. Es muss von einem breiteren Publikum/Kreis gelesen und verstanden werden. Die Voraussetzung dafür schaffen das Elternhaus und der Kultur- und Literaturunterricht in den Schulen sowie Seminare an Universitäten, allerdings nicht in Form von Diskursen mit Injektionen von Ideologie sowie Weltanschauung, sondern in Form von fachfähigen sowie begeisterten und begeisternden Lehrkräften und Professoren.“ – Wilfried Fuhrmann, 2021

Nisami-Bibliographie

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